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Nr. 151.
Freitag, den 2. Juli 1886.
III. Jahrg.
Berliner Volksblatt
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das Berliner Volksblatt"
"
erscheint täglich Morgens außer nach Sonn und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin fret in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Bf. Bostabonnement 4 Mart. Einzelne Nummer 5 Bf. Sonntags Nummer mit der illuftritten Beilage 10 Bf. ( Eingetragen in der Boftzeitungspreisliste für 1886 unter Nr. 769.)
Redaktion: Beuthstraße 2.
Abonnements- Einladung.
Bum Quartalswechsel erlauben wir uns, alle Arbeiter Berlins zum Abonnement auf das
einzuladen.
mit der Gratisbellage
» Illustrirtes Sonntagsblatt"
28
Wer der Sache der Arbeiter dienen will, belfe ein Unter nehmen befeftigen, welches bestimmt ist, die Forderungen und Wünsche der Arbeiter zum Ausdruck zu bringen. Suche ein jeder von unseren bisherigen Anhängern, in bem Reiſe ſeiner Freunde und Belannten das Berliner Volksblatt" zu verbreiten und sebe darauf, daß jeder neugefun bene Befinnungsgenosse sein Versprechen, zu abonniren, auch wirklich hält.
Unsererseits werden wir bemüht sein, den Inhalt unseres Blattes immer reichhaltiger zu gestalten. Ende nächsten Monats beginnen wir mit der Beröffentlichung des Romans
,, Spuren im Sande"
von dem beliebten Erzähler
Das
Ewald Auguft König. „ Berliner Volksblatt"
Loftet für das ganze Vierteljahr frei ins Haus 4 Mark, für ben Monat Juli 1 Mark 35 Pf., pro Woche 35 Pf.
Beftellungen werden von sämmtlichen Beitungs- Spediteuren, sowie von unserer Expedition, 3immerstraße 44, entgegen
genommen.
Für außerhalb nehmen alle Boftanstalten Abonnements für das nächste Vierteljahr zum Preise von 4 Mark ent gegen.
Die Redaktion und Erpedition
des„ Berliner Volksblatt".
Wirthschaftliche Erkenntniß.
Vor nicht langer 3eit begrüßten wir es mit Freuben, daß auch diejenigen Arbeiter, welche durch ihre rauhe Beschäftigung veranlaßt, bis jetzt wenig Luft zu geistiger
Anregung befundet haben, fich in Fachvereinen zusammen
schließen, gemeinsam ihre Lage überlegen, gemeinsam Be
fchlüſſe faffen, um diefelbe zu verbessern und so immer mehr
aus dumpfer Roheit oder stumpffinniger Erkenntniß heraus tommen.
Durch das Zusammenschließen der Arbeiter zum 3wede fozialer Erkenntniß wird der erste Schritt zur wirthschaft lichen und geistigen Hebung derselben gemacht.
Fagbrudsrboten.]
Feuilleton.
Eine Mutter.
Roman von Friedrich Gerstäder.
( Fortsetzung.)
Während Rebe die Unterredung mit dem Direktor batte, wurde bei Pfeffers ein ganz eigenes fleines Familienfest gefeiert.
Der Mutter tränklicher Zustand schien sich nämlich in den wenigen Tagen, ja, man fonnte faft Stunden sagen, fo wesentlich gebeffert zu haben, daß Alles im Hause einen freundlicheren Charakter annahm. War es die veränderte Diät gewesen? Der frühere Doktor, der Theaterarzt( der Thierarzt", wie ihn Pfeffer gewöhnlich nannte), der die Stelle durch Protektion erlangt, hatte die arme Frau anf Gott weiß was furirt, und ihr fast jebe Nahrung entzogen. Es war eine ganz neue, von ihm erfundene Hungerkur, der, wie das Gericht ging, bis jetzt erst wenige Menschen zum Opfer gefallen. Dadurch aber kam Henriettens Mutter von Tag zu Tage mehr herunter, bis sie zulet so schwach wurde, baß sie nicht einmal mehr aufrecht figen fonnte.
Wenn aber Jeremias auf der Welt irgend etwas haßte, so war es Hunger, oder gar eine Hungerfur, die ben Rörper natürlich so schwächen mußte, daß er sich gar nicht mehr, nicht einmal gegen den Arzt, helfen und schützen tonnte. Er ruhte deshalb auch nicht, bis er Pfeffer, oder vielmehr Auguste bewog, einen andern Dokter herbeizuziehen, und dieser erklärte benn auch natürlich augenblicklich, daß fte der frühere ganz falsch behandelt habe und die Krante bei einer noch furze 3eit fortgesetzten ähnlichen Rur nicht fowohl ihrer Krankheit, als ihrem Magen erlegen wäre. Nahrhafte Speisen wurden verordnet, und Jeremias schleppte herbei, was nur aufzutreiben war: ein Glas stärkenden fräftigen Weins; eine Stunde später fland ein Dutzend Flaschen alten Portweins in der Stube, und dann womög
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Insertionsgebühr
beträgt für die 4 gespaltete Betttjeile oder deren Haum 40 Bf. Arbeitsmarkt 10 Pfennige. Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Simmerstraße 44, sowie von allen Annoncen Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.
Expedition: Zimmerstraße 44.
Wir hoben vor Kurzem noch besonders hervor, daß die fogenannten Steintreiber( Pflasterer) in Leipzig einen Verein gegründet haben zur Erringung befferer Arbeitsverhältnisse und wir erklärten es für einen großen sozialen Fortschritt, daß ends lich auch solche durch die Raubheit ihrer Arbeit zurüdgebliebenen Arbeiter den Anfang machten, fich mit fozial- politischen Dingen zu beschäftigen. Daß bei solchen Vereinigungen die Errin gung höheren Lohnes der erste Schritt ist, den sie thun, ist selbstverständlich. Dieser Schritt liegt nahe, er ist so natürlich, daß man sich wundern müßte, wenn er nicht gethan würde.
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Alles Andere Arbeitszeitverkürzung, Sonntagsruhe, Beschränkung der Frauenarbeit, Arbeitervertretung in den gesetzgebenden Rörpern- Alles bas liegt viel ferner und es gehört schon ein gewiffes sozial ökonomisches Verständniß dazu, um den Nußen dieser Forderungen für die Arbeiter in seinem vollen Umfange zu verstehen.-
Nun hat der oben genannte Fachverein der Steintreiber die Forderung eines Normalarbeitstages einmüthig abgelehnt; dies begrüßen das nationallibe rale Leipz. Tageblatt" und die offiziöse Nordd. Allgem. 3tg." mit Freuben und bezeichnen das Auftreten dieser aus wirklichen Arbeitern zusammengesetzten Versammlung gewiß von Interesse."
Wäre man vor fünfzehn Jahren zum Beispiel den Maurern und 3immerern mit der Forderung des Normal. arbeitstags gekommen, so würden diese wirklichen Arbeiter" gleichfalls diese Forderung zurückgewiesen haben, aber im Laufe der Beit haben sich die Maurer und 3immerer in Deutschland durch ihre Vereinigungen, in welchen fie der fozialen Frage näher getreten find, über das allgemeine Bildungsniveau der Leipziger Steintreiber weit emporge hoben und proklamiren jetzt selbst den Normalarbeitstag als ein Palladium der Arbeiterfache.
So erzieht sich der Arbeiterstand selbst zur sozial- polis tischen Erkenntniß.
Daß dies der liberalen, tonservativen und offiziösen Preffe und den Hintermännern berselben unlieb ist, tönnen wir wohl begreifen, aber der Arbeiterstand wird deshalb auf seinem Wege nicht innehalten.
Wie aber in diesem Falle die Steintreiber in Leipzig , mit denen die Nordd. Allg. 3tg." und das Leipz. Lage blatt" so liebevoll tolettiren, so erklären sich auch alle fo
tal- politisch ungebildeten Arbeiter für Beibehaltung der
Rinderarbeit, weil sie einen momentanen Vortheil für sich
davon haben und bie schwere Schäbigung nicht begreifen,
welche für die Sittlichkeit, für die Humanität, für die Ents widlung der Nation und des Menschengeschlechts überhaupt in der Rinberarbeit liegt. Auch diese Arbeiter überlassen Auch diese Arbeiter überlaffen wir getroft der Sympathie der genannten Blätter.
Daffelbe lann man über das Verbot und die Bea
schränkung der Sonntags- und Frauenarbeit sagen, gegen bie fich gleichfalls alle ungebildeten und egoistischen Arbeiter wenden.
Wenn man aber hierbei den Standpunkt dieser that sächlich unwürdigen Elemente im deutschen Arbeiterftande gegenüber den bewußten und gebildeten Arbeitern vertritt, wie fann man dann für den Kaffenzwang oder gar für Schulzwang eintreten, die gleichfalls den größten Widerstand bei den unaufgeklärten Arbeitern gefunden haben?
Es ist allerdings ein bemerkenswerthes 3eichen, daß bie Träger der Reaktion sich auf solche Elemente füßen; fie sind eben mit ihrem Latein zu Eade und holen die Leipziger Steintreiber zu Hilfe.
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Die„ Norbb. Allg. 3tg." erklärt bei Erwähnung des Beschlusses der Leipziger Steintreiber, daß die Sozial bemokratie den Normal desgl. Maximal- Arbeitstag zum Angelpunkte ihrer Agitation gemacht habe. Das ist ja auch bis zu einem gewissen Grabe völlig richtig; nebenbei ist die Erringung eines Normalarbeits ages ein ganz friedliches und gefeßliches Streben. Das offiziöse Blatt aber vergißt, baß nicht nur bie Sozialdemokraten einen Normal arbeitstag wollen, sondern, daß auch die wissenschaft wie z. B. lich gebildeten fonservativen Dekonomen, Robbertus demselben nahe stehen. Außerdem aber be fißt der Normalarbeitstag in ber konservativen Partei zahl reiche Anhänger.
So wollen wir hier nur noch hervorheben, daß bas offiziöse Blatt Arm in Arm mit einem nationalliberalen in einer fozial- ökonomischen Hauptfrage die Herren Dr. L. Bamberger und Dr. Mar Hirsch verständnißinnig begrüßt. Diefe find in der That die nationalökonomischen Rumpane der Norddeutschen Allgemeinen Beitung", welche sogar in wirthschaftlichen Fragen den Mund recht staatssozialistisch voll nimmt.
H
Allg. 3tg." ben legt genannten Herren nicht zuvorgekommen Wir sind fest davon überzeugt, daß, wenn die„ Norbb. wäre, diese sich auch auf die wirthschaftliche Er tenntniß der Leipziger Steintreiber berufen haben würden.
Die amerikanische Volkswirthschaft und die amerikanischen Arbeiterorganisationen.
II.
§ Wir schilderten gestern, wieweit in den Vereinigten Staaten die Theilung und Vereinfachung der Arbeit getrieben ift, und wie dort in den entwidelten Großindustrien jeder Ar beiter nicht mehr die vielseitige Hantirung eines ganzen Ge
lich etwas Bewegung, vor der Hand noch im Simmer, und ich das erst einmal in Händen hätte und das vermalebeite so viel frische Luft als thunlich.
Half dieses Alles, ober war es mehr ein Gemüth leiben gewesen, das auf der Seele der Kranken gelegen, aber schon seit gestern Abend trat eine entschiebene Mende rung zum Befferen ein, und Henriette sang heute Morgen wie eine Haidelerche im Hause herum.
Die Mutter faß am geöffneten Fenster, benn nach der geftrigen stürmischen und falten Nacht hatte sich die Luft gereinigt und die Sonne schien warm und flar. Jeremias war fort gewefen, um Rebe aufzusuchen und Näheres über seine weiteren Pläne und Aussichten zu hören, aber er traf ihn nicht in seiner Wohnung und mußte unverrichteter Sache wieder zurückkehren.
Das ist ein ganz verzweifelter Mensch, Auguste," fagte er, als er in dem fleinen Simmer auf und ab ging und sich den fahlen Ropf fragte, wie ich gestern mit ihm 1prach und ihm meine Hilfe in Allem, was Jettchen betraf, antrug, faßte er mich bei der Hand und sagte:„ Mein lieber Herr Stelzhammer, ich danke Ihnen herzlich für Ihre guten und freundlichen Absichten, und Sie wissen, daß Jettchen's Besitz das Höchste ist, was ich erstrebe, aber ich bin auch fest entschlossen, ihn mir selber zu verdanken. Ich will mir später nie Vorwürfe machen können, daß ich durch meine Frau vorwärts gebracht sei."
Und da hat er ganz recht," fagte Pfeffer, der in diesem Augenblick eingetreten war und die letzten Worte hörte, der Stebe ist ein ganzer Kerl, bas sage ich noch einmal, und es thut mir jetzt schmählich Leib, baß wir ihn früher fo unter der Kanone behandelt. Na, wie geht's heute Morgen, Bufte, beffer? Donnerwetter, Du kriegst ordentlich wieder rothe Baden!"
Die höchfte Beit, daß ich von Brasilien herüber fam", rief Jeremias, Shr hättet sie hier heilig verhungern laffen."
Der verdammte Theaterfriseur," fluchte Pfeffer, na, tomm Du mir über die Schwelle, ausgenommen zu einem Krankheits- oder Pensionirungsattest! Du meine Güte, wenn
Romöbienspielen an den Nagel hängen könnte!"
Wünsch' Dir die Beit nicht heran, Fürchtegott," niďte die Frau, alt werben wir Alle früh genug, und zehntausendmal lieber von Morgens bis Abends arbeiten, als fo ba liegen und anderen Menschen zur Last fallen."
Bur Last fallen," brummte Pfeffer, wem bist Du schon zur Last gefallen, und laß Du das Jettchen hören,
aber alle Wetter," unterbrach er sich plöglich, aus dem Fenster sehend, kommt denn da nicht Fräulein Baffini wie ein orangefarbener Bligftrahl angeschossen? Na, die muß eine Neuigkeit haben, da möchte ich meinen Hals brauf
verwetten."
"
Rommt fie benn her?" fragte Jeremias.
Was" das Frauenzimmer für eine Eile hatte!" Eben ist sie in die Promenadenthür hineingefahren.
Wer weiß, was sie hat," sagte feine Schwefter. nicht so rasch, darauf kannst Du Dich verlassen. Da ist " Sicher nichts Gutes," nidie Pfeffer, font liefe fie irgend ein Unglück geschehen, oder der Teufel sonst wo los. Ich lenne meine Schwester."
kannst," lächelte die Frau, und Du hast sie doch lieb, Wenn Du nur immer' was auf die arme Life bringen und ich möchte keinem andern rathen, Uebles von ihr zu
reben."
Wenn fie nur ein Klein wenig Vernunft annehmen und sich nicht immer so verflucht lächerlich machen wollte," fagte Pfeffer, fonft ist fie ja gut genug, und auf's Theater paßt's. Sie spielt aber den ganzen ausgeschlagenen Tag Romödie, von dem Augenblick an, wo fie Morgens auffteht, bis Abends, wenn sie wieder einschläft. Ein verrückteres Frauenzimmer ist mir in meinem Leben noch nicht vorge
tommen."
„ Habt Ihr es schon gelesen?" rief in diesem Moment die befagte Dame, wie sie nur den Kopf zur Thür hereins ftredte, habt Ihr das Schandblatt schon gesehen? Es ist himmelschreiend, daß so etwas nur die Senfur passirt. Da fönnte man ja eben so gut in Brasilien bei den Ranibalen
Leben 8"