Ztr. ISS. Sonnabend  » den 3. I«H 1886. III. Jahrg. ((iiiurlMliiil. Lrgan für die Interessen der Arbeiter. Im Zkitolter der Streiks. Daß wir in einem Zeitalter der Streiks leben, ist gar keine Frage. Die ArbeitSeinstellnngen häufen sich und wir werden im Laufe dieses Sommers sich noch manchen Lohn- kämpf zwisch»n Unternehmer und Arbütcr abspielen sehen. Unseren Philistern ist das ein Greuel. Der liberale Phi« lister konnie seiner Zeit nicht genug die Freifinnigkeit und Opferbereitschaft seiner parlamentarischen Vertteter rühmen, die sich entschlossen, in die Gewerbeordnung den bekannten Paragraphen aufzunehmen, durch welchen auch den Arbeitern gestatte» wurde, behuf» Erzielung besserer ArbeitSdedingun« gen Vereinigungen zu bilden. Heute freuen sich dieselben Philister, daß jener Paragraph durch da» Sozialistengesetz völlig illusorisch gemacht worden ist. Unsere Stillung gegenüber den Streiks haben wir schon zu häufig dargelegt, al« daß dies heute noch einmal eingehend nothwendig wäre. Aber es ist schwer, ein festsitzende« Vor- urtheil wieder zu beseitigen. So besteht bei dem biederen Bürgerthum einmal die Meinung, die Streiks feien lediglich eine Muche» schuft der deutschen   Arbeiterpartei, die doch als politische Partei auftritt. Unser liberales und zünftlerischeS Vürgerthum hat im Allgemeinen wenig gelernt und wenig vergessen; daher giebt et unter demselben auch Leute, welche der Meinung find, die Arbeiterparrei habe gar kein anderes Ziel, al« da«, da« Loo« der Arbeiter durch Arbeitsein- pellungen zu verbessern. Man bezeichnet die Streiks einfach als die Wirkungensozialistischer Agitation". Nun, die Arbeiterpartei hat als politische Partei mit den Streiks gar nichts zu thun. Da man egen die Arbeiterpartei immer so gerne auSlän- ische Vorfälle vermerrhet, so wollen wir auch einmal da« Ausland in den Kreis unserer Betrachtungen ziehen. Die klassischen Länder der EtreitS sind ohne Zweifel England und Nordamerika  . Zn beiden Ländern find die größten Streik« von V reinigungen in Szene gesetzt worden, die weder einen sozialistischen   noch einen polinschen Charakter überhaupt an sich trugen. Wir erinnern an die bekannte Verbindung derRitter der Arbeit" in den Vereinigten Staaten  . Zn England'gab e« einmal eine Zeit, da die Arbeitseinstellung mit der politischen Agitation verquickt war. Es war die« zur Zeit der Chartistenbewe- ung, die in England lange Zeit hindurch hohe Wogen hlug und da« Land in mächtige Auftegung versetzte, aber die Streikbewegung der Chartisten trug einen ganz anderen Charakter, al« die von heute. Al« den Chartisten da« all- gemeine Wahlrecht, da« sie forderten, abgeschlagen worden war, beschlossen sie, von ihren Gegnern durch eine all­gemeine Arbeitseinstellung die Gemährung de« allge­meinen Wahlrechts zu erzwingen. Selbstverständlich konnten JeuMston. Rr4tn>4« rMra.] M«e Mutter. Roman von Friedrich«erft»«e». (Fortsetzung.) Rebe fand er allerdings, aber bei ihm selber auch nicht die geringste Unterstützung in der Angelegenheit. Rebe blieb dabei, daß die Persönlichkeit, von welcher der Angriff stamme, so tief unter ihm stehe, daß er gar nicht» in der Welt mit ihm anfangen könne, und wa« da« beträfe, gegen ihn zu agiren, so würde er sich dadurch mit diesem Sirohwisch genau auf eine Stufe stellen, daran sei also gar nicht zu denken, Die einzige Waffe, welche er in Händen habe, sei die, dem Publikum durch seine Darstellung zu beweisen, daß jener gelogen habe; weiter könne er nicht», werter werde er nichts thun. Zeremia» such# ihn darauf aufmerksam zu machen, daß er sein Forikommen an hiesiger Bühne sichern wolle, und Rebe behaupieie, das wäre nur dadurch möglich, daß er alle Chanzen liefe. Ab«, sich jetzt und für eine Vorstellung einen Erfolg sicher« und damit alle übrigen noch in Frage gestellt lassen, käme ihm ungefähr ebenso vor, al« ob Jemand über einen mächtigen Strom schwimmen wolle und zuerst in einem Teich versuche, ob er sich eine so lange Zeit über Waffer halten könne, bei dem Versuch aber Blasen unter die Arme binde. Er täusche Niemanden damit al« sich selber, und müffe dann später dafür büßen. E« war mit dem Menschen nicht« anzufangen, denn er blieb hartnäckig dabei, daß er ehrenvoll siegen oder lieber ferne Stellung aufgeben und anderswo beginnen wolle; denn nur dadurch könne er sich siine Selbstachtung und die Achtung anderer ehrenwerthen Leute bewahren. Jeremias mußte ihm ja wohl im Herzen Recht geben. E« war ganz hübsch und ehrlich gehandelt, aber dumm, stockdumm, wenn«r da« auch nicht gerade au«lp:ach, und in voller Verzweiflung lief er endlich hinüber zu Direktor Rrüger, um von diesem vielleicht eine andere Anficht zu sie damit nicht durchdringen, denn e< stellten eben nur die Anhänger der Chartisten die Arbeit ein. Der allgemeine Streik, der von den Anhängern des Raffen Bakunin   wieder al« da« einzig wiiksame Kampfmittel hingestellt worden ist, gilt beute überall al« ein Phantom. Aber nach dem Ver« fall der Chartistendewegung eniwickelte sich in England da« Sireikwesen erst recht. E« kamen die durchaus unpolitischen Gewerkvereine in Aufschwung, die dem Streikwesen eine bis dahin unbekannte Ausdehnung gaben. Man sieht, die Streik« find von Vereinigungen, die mit Politik nicht« zu thun haben, am meisten gepflegt worden. Nur bei un« will man da« Gegentheil behaupten und ist sogar inhöheren Regionen" davon überzeugt, wie der bekannte Erlaß de« Herrn von Puttkamer beweist. Die Arbeitseinstellung ist eine so alte Erscheinung, daß man glauben sollte, e» könnte eigentlich Niemanden ein- fallen, dieselbe mit politischen Angelegenheiten in Verbin­dung zu bringen. Da« Alterthum weist eine Menge von Arbeitseinstellungen auf; wir erinnern an den großen Streik der Waffenarbeiter unter Kaiser Aurelian, bei dem e« zu einem bluiigen Straß-nkampfe kam. Zm Mittel- alter und in der Neuzeit zieht sich die Arbeit«- einfiellung wie ein rother Faden durch da« soziale, gewerbliche und ökonomische Leben. Man denke an den bekannten langwierigen und zähen Streck der Schuh- knechte von Augsburg   vor vielen hundert Jahren; waren damals auchsozialistische Agitatoren" thätig, die nach der Meinung unserer Staatsmänner die Etteik» au« dem Boden stampfen k Sozialismus und Arbeitseinstellung find Dinge, die in ar keinem Zusammenhange stehen. Aber, sagt man, die "ozialisten ziehen Vortheil au« den Streck«. Da« möge man doch erst einmal de« Näheren begründen. Worin sollen diese Vortheile bestehen? Die Arbeiter, die sich ganz auf« Streiken verlegen, zeigen für die politischen Angelegen- Herten   gewöhnlich wenig Jntereffe, und das ist doch für die Arbeiterpartei keineswegs ein Vortheil. Die Arbeitseinstellungen sind kein Produkt einer Partei- agitation, sondern entstehen, sobald die Konjunkturen des ArbeitSmarkte« dem Arbeiter ungünstig sind. Da» sollte doch nicht so schwer zu begreifen sein. Aber während die Emen die« zu begreifen nicht im Stande find, wollen e« die Andern absichtlich nicht begreifen. Da» ist für Niemand gut._ Politische Ueberstcht. Die Folge« der Ausweisung de« Herr« Abgeord- «eteu Singer demthrilt dieFranks. Ztg." in einem längeren Artikel folgendermaßen:Diese Maßregel muß dak Odium des Auinahmeiustande« auch in Kreise tragen, die bisher wenig hören. Da« Mittagessen bei Pfeffer'» hatte er lange ver- geffen und versäumt. Hier fand er seinen Mann. Krüger, dem selber daran lag, daß sich Rebe am hiesigen Theater behaupten möge denn wo fand er solchen ersten L'ebhaber gleich für die Gage wieder, mit der ex sicher die erste Zeit mit Rebe ab- schließen konnte. gab Jeremias in Allem Recht und war so vollkommen in jeder Hinsicht seiner Meinung, daß ein Gespräch fast ganz unmöglich wurde. Der Direktor»heilte dem kleinen, lebendigen Frem­den auch ganz auftichtig seine eigenen Ansichten über den Rezensenten mit; weshalb sollte er sich auch gcniren? Strohwisch kostete ihm überhaupt jährlich viel Geld, und Jeremias begriff zuletzt nur da« nicht, wie man sich noch mit einem solchen Menschen abgebe« und in persönlichem Verkehr mit ihm flehen konnte. Lieber Gott," sagte der Direktor,was will ich da- gegen thun? Soll ich mir mein ganze« Theater fort- während schlecht machen lassen? Da« Publikum bekämt doch zuletzt, wenn e« da» alle und alle Tage hörte und'e, einen Widerwillen dagegen und ginge mir schließlich gar nicht mehr hinein; deshalb zahle ich ihm da« Blutgeld und stopfe ihm da« Maul." Also mann ist Fitco?" Nächsten Mittwoch; wenn Sie etwa« tbun könnten aber um Gottes willen, ohne daß e« Rebe erführe, denn er würde die ganze Geschichte verderben, so wäre es mir sehr angenehm, und auf meine Unterstützung dürfen Sie rechnen." Aber in welcher Art?" Ich will Ihnen sagen, wa» ich fürchte," erwiderte Krüger.Ich iürchte,", Strohwisch wird Anstalten get, offen haben, Herrn Rebe da« nächste Mal auspfeifen zu lassen; er hat mir genau daffelbe schon einmal gemacht." Aber da» Publikum wird sich da» nicht gefallen lasse«." Lieber Gott, alle Menschen erfreuen sich zuweilen an einem Skandal," sagte Krüger,und wenn nur drei oder vier w derartigen Arbeiten geschickte L-ute vorrheilhaft im Parterre plazirt sind, so finden sie überall ein paar nicht»- davon berübrt worden find, denn Singer's gemeinnützige und industrielle Thä igkeit ließ in-ge>lichen Kreisen seine Zuge« igkeit zur Sozialdemokratie in den Hintergrund treten, Männer aller Pa-leien schätzen in ihm den ehrenfesten Bürger, den uneigennützigen, selbstlosen Mann, den unermüdlichen Förderer all-r humanen Bestrebungen, den fried- und ordnungs­liebenden Kaufmann und«S wird in der Bürgerschaft wohl Niemand sein, der die Frage, ob derBuferthali dieses Mannes die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Retchihauptstadt gefährden könne, ehrlicher Weise mit Ja»u beantworten wagen wird. U?d ist die Maßregel prakliich? Man kann sich eine« Lächeln« kaum erwehren, wenn man dedenkt, daß dem Aui- gewiesenen da» ReichslagSmandat gerade in de i-nigen Zeit deS Jahre«, in der das öffentliche L-den rege ist. den Auf» enthalt in Berlin   gestaltet und gegen jegliche Vkxation der Pol'zei schützt. Herr Singer wird und darin lieg« ein ge­wisser Humor gezwungen, sich im Sommer auSwärtS au'zu- halten, im Winter dezieht er fein alteS Heim in Berlin   trotz Belagerungszustand und Ausweisung. Die Berliner   aber haben sowohl für den Ernst wie für dm Humor einer Sache stet« volle« Veiständniß gezeigt und eS ist un« keinen Augenblick zweifelhaft, daß sie dasselbe auch in diesem Falle wieder de« währen werden. Wie? das wird Herrn v. Puttkamer   der Tag der nächsten Re'chStagiwahl in einer Z ffer der Wahl» stimm n deS 4. WadlkreiseS der Hauptstadt zeigen, die Ben Satz auS der letzten R'ichstagSrede de« Ausgewiesenen:ES kann Niemand besser für un« arbeiten, alS Herr v. Puttkamer  selbst", in einer tür alle Welt, also auch für die R-.gterung, üderzeugendm Weise illuftnren wird." Sozialpolitische Reformen. Die liberaleSaale- Z stung" wirft einen Ruckolick auf die verflossene Reichstag» iesfion und betont die gänzliche Unfruchtdarkeil derselben an sozialvolttischen Resormen.Man kann tifelde zwar", so fährt da« Blatt lort, in soweit bestreiten, alt daS UnfalloerstcherungSgesetz erweitert und insbesondere auf die sorst- und landwirthtchafckichen Ar­beiter ausgedehnt ist, eine Reform, welche wir durchaus nicht unterschätzen wollm. Aber dieselbe«ar einerseits doch nur eine Konsequenz au» dem schon vor zwei Jahren beschlossenen Unsallgeletze und sie berührt andererseits nicht die schon in heftiger Entzündurg befindlichen Theile d:S sozialen Körper«. Für den intustriellen Arbeiter hat die ReichStagSsesston nichts gebracht al« die Verlängerung deS Sozialistengesetzes. Also nur ein didenklicheS und beträchtliche« MinuS, wenn man anders die allmälige Beiuhigung der arbeitenden«lassen al» ein Ziel betrachtet, daS aui'S Innigste zu wünschen ist. Die Verantwortlichkeit für diesen Fehlschlag trifft wiederum nicht dm Reichstag, sondern die Reichsregierung. Alle Parteien de« Reichstag  « ohne jede Ausnahme haben fich um eine Fortbildung der im Deutschen Reiche noch allzu weit zurückgedliedmm Fabrikgesetzgebung bemüht, und wenn unter den gestellten For- derungm, insbesondere in dem sozialdemokratischen Arbeiter« schutzaesetze, sich auch noch manche? und selbst vieles Unei süll­bare befand, so enthieltm ste doch auch gar manchen Keim, der bei einigem Entgegenkommen der Regierung wohl zu einer gedeihlichen Frucht hätte entwickelt werden können. Aber die» Entgegenkommen fehlte ganz und gar. Ja der de» nutzige Jungen, die ihnen helfen. Sie glauben gar nicht, wie da» Pfeifen ansteckt." Hurrjeh," sagte Jeremias,vielleicht käme er selber hinein: wenn ich nur dann in der Nähe wäre!" Er selber würde sich wahrscheinlich ruhig verhalten, aber da» Ganze dirigiren." Na, warten Sie'mal, dagegen ließe fich doch am Ende nach'was thun. Apropos, haben Sie Polizei im Theater?" Auf die dürfen Sie nicht rechnen�" sagte der Di» rektor;allerdings stehen ein paar Mann im Vor» faal aber bei derartigen Gelegenheiten verhalten sie fich rem passiv." Sehr schön," sagte Jeremias,weiter verlange ich nicht», und nun empfehle ich mich besten« l" Sie find fremd hier in der Stadt, Herr Stelz» Hammer?" Fremd allerding«; aber'ich glaube, ich weiß Jeman- den, der mich unterstützen kann." Darf ich fragen, wen?" Ihren Thealerdiener Peter»." Da find Sie rn vortrefflichen Händen," lachte Krüger vergnügt;aber lassen Sie ihn um Gottes willen nicht ahnen, daß ich von der Sache etwa» weißl" Haben Sie keine Sorge Brite, bemühen Sie sich nicht, ich fiade schon meinen Weg I Und während der Di» rektor oben in seinem Zimmer, fich vergnügt die Hände rei- Bend, auf und ab ging, stieg Jeremias langsam die Treppe hinunter. Direktor Krüger wobnte zwei Treppen hoch, und zede Etage bestand au« zwei Abtheilungen Stufen, die in dem alten Hause ziemlich steil aufwärts führten, aber durch Seiten» ftnster hckl erleuchtet wurden. Jeremia  « war eben den ersten Absatz hinabgestiegen, al« ein Herr dicht unter ihm die Treppe heraufkam und zu ihm auftah. Der Fremde, welcher etwa einen Kopf größer al« unser kleiner Freund sein mochte, stand noch drei oder vier Stufen unter ihm. al» er den Kopf zu ihm empordrehte und Jeremia  « plötzlich halten blieb. Hurrjeh I" rief er au«, indem er sich so klein machte,