An der Spige der Verbindung steht nach Inhalt der Jn. fruttion I. ein 5gliedriger Ausschuß, offenbar bebufs Ber mittelung des Vertebrs mit der obersten Parteileitung und bebufs Führung und Leitung der einzelnen Rlubs.
Der Bwed der Verbindung ist ein mehrfacher. Aus ben Inftruftionen ergiebt fich vor allem als einer der Hauptzwedke Die Bertheilnng sozialdemokratischer Flugschriften.
Diese Instruktionen geben genauefte Anleitung, wie bei Vertheilung von Schriften zu verfahren sei, und stellen die Vorschriften feft, wie die Dbmänner, die Vertrauen Bleute und die Klubgenoffen zu verfahren haben, um eine Maffen vertheilung Durch die ganze Stadt in dreißig bis vierzig Minuten zu be werkstelligen, in welcher Beziehung die ebenfalls bet Franz Andra aufgefundenen Stadtpläne mit rothabgegrenzten und numeristen Stadtbezirken, dann die Straßen, Häuser, selbst Wohnungs Verzeichnisse, endlich verschiedenes Anklebe material, als Oblaten und gummirtes Bapier, ent sprechende Verwendung zu finden haiten. Es wollte in dieser Richtung geltend gemacht werden, die nach den Inftruttionen geschaffene Verbindung sei lediglich zur Verthei lung eines einzigen Flugblattes ins Leben gerufen worden, sei nicht für einen längeren Bestand berechnet gewesen. Der Ein wand ist aber wenig ftichhaltig.
Der Angeklagte Franz Andra wurde nämlich in Beglei tung von zwei Genoffen, den Angeklagten Albert Angermeier und Andreas Winterblum am 1. Januar L. J. betreten, als er gerade in der Linienstraße dabier ein Fluglatt, Profit Neu jahr!" an eine Wand anklebte.
Er hat in der Hauptverhandlung vom 11. b. M. erklärt, er babe fragliches Flugblast in Bürich bestellt und in etwa 20 000 Exemplaren über Nürnberg unter der Adresse seiner Mutter zugesendet erhalten. Behufs Verbreitung seines Flug. blattes habe er selbst die vorliegenden Instruktionen entworfen, habe zwei Genofen beigezogen, diese bätten für fich belannte Bersonen gewonnen und auf diese Weise set das fraaliche Flugblatt in diesem Jahre in der Bahl von etwa 20 000 Exemplaren thatsächlich durch die biefige Stadt verbreitet worden.
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Die Behandlung des sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Heine, welche am 12. März cr. im Reichstage eine gewisse Rolle spielte, hat auch noch einen Bres prozeß gegen die Freifinnige Beitung", der geftern vor der zweiten Straflammer biesigen Landgerichts I verhandelt wurde, im Gefolge gehabt. Es war am 12. März, als im Reichstage über die Anträge Lenzmann in Sachen der Entschädigung un schuldig Berurtheilter verhandelt wurde. Bei der Frage, ob Derjenige, der durch falsche Geständnisse seine Verurtheilung felbft verschuldet, von der Entschädigung auszuschließen fet, er bob fich der Abgeordnete Heine und erzählte die belannte Wurftgeschichte, um damit zu beweisen, daß Jemand unter Umständen auch ohne sein Verschulden zu falschen Gefiänd niffen gebracht werden könne, und daß auch heute noch in den Untersuchungsgefängnißen Swargsmaßregeln gegen Unter fuchungsgefangene zur Erzwingung eines Gefiändniffes nicht au den Unmöglichkeiten gehören. Die Sache erregte Damals großes Aufsehen und veranlaßte den Juftigminister, den durch die Heine'schen Bemerkungen getroffenen Staats anwalt zu Halberstadt , Herrn Schöne, ex officio zu Erklärungen aufzufordern. Noch ehe durch die dann im Landtage folgenden Erklärungen des Justizministers die öffentliche Meinung be friedigt worden war, brachte die Freifinnige Btg." in ihrer Nr. 63 vom 16. Mära in einem Kleinen Separatartitel den wört. lichen Abbrud der Heine'schen Auslaffungen, leitete dieselben Durch die Ueberschrift:„ Eine schwere Beschuldigung gegen die preußische Justizpflege" ein und drückte am Schluß den Wunsch nach schleuniger Untersuchung aus, indem fie binzufügte: ,, Die preußische Juftig darf nicht dulden, daß Gefangenen Geständ niffe expreßt werden. Sollten die Heine'schen Angaben fich als richtig erweisen, dann muß gegen den Staatsanwalt das Strafverfahren eingeleitet werden." Inkriminirt ist nun nicht bloß dieser Schlußpaffus, sondern auch die Bemerkung des Abg. Heine, deren Abbrud als selbstständige Beleidigung des Staatsanwalts Schöne, des Inspettors Otto und des Gefangenen Auffebers Kühn durch die Freis Btg." erachtet wurde. Staatsanwalt Wiebe hielt diese Beleidigungen für vorliegend. Durch den Schlußpaffus werde zweifellos die Möglichkeit ausgesprochen, daß der Staatsanwalt zu Halber stadt fich eines Verbrechens schuldig gemacht haben fönnte, welches mit Buchthaus bestraft werden würde. Schon ein folcher Verdacht fei überaus beleidigend. Aber auch der bes leidigende Inhalt des Heine'schen Berichts selbst sei an sich nicht ftraflos, benn es sei feine bloße Wiedergabe eines Reichstags. Berichts, denn der in separater Form abgedruckte Ar. titel sei nicht dazu bestimmt gemesen, ein Bild der betr. Reichs. tags- Verhandlung zu geben, sondern es handle fich um die Wiedergabe tendenziöser Bemerkungen unter einer ganz be. ftimmten Tendenz, und deshalb werden die Beleidigungen als eigene weiter verbreitet. Mit der Auffaffung, daß in solchem Falle der Schuß des§ 12 des Preßgefeges nicht Blas greifen Dürfe, fiehen wiederholte Dbertribunals Erkenntnisse im Ein Ilang. Die Beleidigungen seien so schwere, daß er das Mori. mum der zuläffigen Strafe in Antrag bringen würde, wenn nicht der Angeklagte die Heine'ichen Behauptungen auf Treu und Glauben als wahr hingenommen bätte. Aus diesem Grunde beantrage er eine Gelbftrafe von 1000 Mart, event. 100 Tage Gefängniß. Der Vertheidiger, Rechtsanwalt Dr. Grelling, behauptete dem gegenüber, daß die Wiedergabe der Heine'schen Bemerkungen wohl unter den Schuß des§ 12 falle; denn es bandele fich hier lediglich um die objektive Wiedergabe eines in fich abgeschlossenen Theiles eines Parlaments Berichts. Der ganze Artitel bezmede feineswegs einen tendenziösen Ausfall gegen gegen die Die Juftisbehörden, sondern nur Die berechtigte Mahnung eines Bregorgans an die Behörde, und Die einzig obwaltende Tendenz sei bie, jeden gegen die Behörben zu erhebenden Vorwurf möglichst bald zu beseitigen. Das am Schluß angeknüpfte Raisonnement set durchaus zu läffig und in den mäßigften Grenzen gehalten, sonst würde jedwede Kritik in Rede, Versammlung und Breffe aufhören und die sogenannte Breßfreiheit zur vollständigen Breßunfrei beit werden. Der Vertheidiger führte schließlich noch den Schut des§193 Str. G. B. ins Felb und gab eventualissime die Erhebung des Wahrheitsbeweises über die Behauptungen des Abg. Heine anheim. Der Gerichtshof vertagte denn auch die Verhandlungen und beschloß, zum nächsten Termin den Staatsanwalt Schöne zu Halberstadt , den Inspektor Otto, den Aufseher Kühne und den Abg. Heine zu laden.
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Soziales und Arbeiterbewegung.
In der General- Versammlung der Gesellschaft für Berbreitung von Boltsbildung, die vor Kurzem in Wies baben stattfand, erklärte das bekannte volkswirthschaftliche Genie reichstäglichen Angebentens Herr Kalle, daß es für bas Handwerk ganz besonders schädlich sei, daß viele band. werter ihre Söhne meist etwas mehr" werden laffen wollten, Die bann oft nur halbwiffer, für das Handwert aber ftets verdorben würden. Als wenn das nicht das Streben aller Klaffen der Bevölkerung wäre, ihre Söhne etwas mehr" wer Den zu laffen! Wie viele Söhne vornehmer Leute ftudiren, bie kaum das Beug zu einem ordentlichen Handwerker haben. Weshalb laffen denn diese nicht ihre Söhne, anstatt fte zu un fäbigen National- Dekonomen heranzubilden, nicht lieber unqua lifigitte Lohnarbeiter werden? Man merkt aber die Abficht folcher Sozialpolitiker, welche die Gesellschaft gerau nach erb lichen Ständen gliedern möchten. Daß zahlreiche Handwerker und Arbeiter ihre Söhne fludiren laffen, trägt natürlich zur Ueberproduktion, ftudirter Leute" bei und so entsteht auch in Deutschland ein geistiges Proletariat", wodurch zunächst die Verantwortlicher Bedakteur R.
Lage der Stubirenden überhaupt verfchlechtert und die soge nannte Gesellschaft bedroht" wird. Das ist fein angenehmer Buftand. Um dies zu verhindern, sollen die unteren Stände ibre talentvollen Söhne ein Handwert lernen laffen, während die oberen auch die dimmsten ihrer Kinder den wissenschaft lichen Studien übergeben dürfen. Und solchen Unfug treibt Herr Kalle in einer Bersammlung der Verbreitung für Volts, bilbung", derselbe Herr, der im Reichstag in fojialwissenschaft. licher Beziehung noch unter dem Schufter"*) ftand.
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Ueber die heutige wirthschaftliche Lage Deutschlands , besonders in Bezug auf die herrschende Exportwuth bringen die ,, Dresdener Nachrichten", ein hochtonservatives Blatt einen Leitartikel, in welchem fich einzelne recht beachtenswerthe Stellen befinden. Die Versuchung liege, so beißt es in genanntem Blatte, nahe für die Fabrikanten, daß fte, um ihre Konturren ten durch billige Lieferungen aus dem Felde zu schlagen, eine Ermäßigung der Arbeitslöhne herbeiführten. Um dem Aus lande billige Waaren zu schaffen, müssen die deutschen Arbeiter oft für die dürftigsten Löhne arbeiten! Dadurch finke die Kauft aft im eigenen Volle. Die Aufgabe einer gesunden Rauft aft im eigenen Volte. Die Aufgabe einer gefunden Wirthschafts- und Sozialpolitik müße aber dahin gehen, das deutsche Vollwohlständig" zu machen, damit es selbst der deutschen Industrie die Waaren ablaufen und fte verbrauchen tönne; Alles lomme darauf an, die Lage der Arbeiter zu ver bessern. Arbeiterschutzgeseze bezüglich der Arbeitszeit( Mari malarbeitstag?), Einrichtung von sozialen, aus Arbeitern und Arbeitgebern unter Vorsts von Staatskommiffaren bestehende Behörden zur Regelung der Lohnfrage( Arbeitslammern?) feien zu erlaffen, bezüglich einzurichten. Die Arbeitgeber aber follten aus freien Stüden hobe Löbne sablen, die ihnen selbst wieder au Gute tämen, indem die Stauffraft des Voltes Dadurch erhöht würde. Dann würden auch die Krisen nicht mehr mit aller Gewalt und fortwährend hervorbrechen. Aller dings würde der Verdienst der Unternehmer im Einzelnen nicht mehr so großsein, aber fte würden Schuß vor den verderblichen Krisen haben, der ihnen einen dauernden Wohlstand fichere. So das lonservative Blatt. In verschiedenen Buntten haben wir schon ganz daffelbe gefagt. Auch anerkennt das Blatt, daß die gegenwärtige Ber theilung der Produktionserzeugnisse eine ungerechte und, was bezeichnender ist, eine verderbliche für die ganze wirthschaftliche Lage Deutschlands ift. Die Unter nehmer sollen fich mit einer geringeren Quote aus den Pro buftionserzeugnissen begnügen, während die Arbeiter einen höheren Antheil wie seither erhalten sollen. Dieses Einge ständniß ist in der heutigen Beit von einem fonservativen Blatte um so bezeichnender, als die Behörden allerorts zahl reichen Arbeitern hindernd in den Weg treten, auf dem Wege ber Verbindung, des gemeinsamen etrebens, beffere Arbeits bedingungen zu erhalten, höhere Löhne zu er ingen. Auch ver. wirft bekanntlich die Reichsregierung Arbeiterschußgeseze in Bezug auf die Arbeitszeit, fie denkt nicht an Arbeitslammern und Schiedsgerichte, gerade fie richtet ihr Augenmert auf Ro lonialpolitik und Export. Wir find immer gegen solche Be ftrebungen anfgetreten, die dazu angethan find, den Blick von den nöthigen Sozialreformen, von der ,, Kolonisation in Deutsch land" abzulenten. Das oben genannte Blatt sitirt deshalb ganz richtig den Göthe'schen Vers: Wilft Du immer weiter schweifen? Sieh, daß Gute liegt so nah!" Die Zum Quartierburschenwesen in Schlesien . Königshütter Beitung" schreibt aus Königshütte:„ Die Quartierburschenwirthschaft nimmt im Induftriebezirk frog der darauf Bezug habenden Regierungsverordnungen immer mehr überhand. Daß der Quartierburiche nicht in dem. selben Bimmer schlafen soll, in welchem der Quartieraeber mit seiner Familie übernachtet, daß Quartiermann und Quartier mädchen nicht in einem Bimmer ein quartirt sein dürfen, daß scheinen längst vergeffene Dinge zu sein. Im benachbarten Scorzow machen einige Arbeiterfamilien aus der Quartier. burschenwirthschaft ein ganz lohnendes Geschäft." Die„ Königs. hütter 3tg." scheint übrigens den Arbeitern das Schlafburschenwesen und das Durcheinanderwohnen von männlichen und weiblichen Erwachsenen als Verbrechen anzurechnen, wo es fich doch nur um die unabänderlichen Folgen der Armuth bandelt. Keine Verschlechterung der Moral, sondern eine Verschlechterung der materiellen Lage ist daher die Ursache der Berrüttung der Familien und Wohnverhältnisse in Schleften.
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Das Geschäft blüht! Während in Subl bie Ge webrfabriten fetern und viele Arbeiter brotlos find, hat man in der fönial. Gewehrfabrit in Erfurt in den letten Tagen noch etwa 900 Arbeiter eingestellt, so daß jezt mehr als 2200 Mann beschäftigt find, die neuen Repetirgewehre herau stellen. Nach dem Leipz. Tabl." werden in Erfurt täglich 400 Gewehre fertiggestellt, ebensoviel in Spandau und in Danzig , so das die drei Fabriten zusammen täglich 1200 Stüd liefern. Die Prätentionen der Baugewerten Jnnung bilden überall die Quelle zablreicher Konflitte. So wird der„ Ah. Weftf. Beitung." zu dem Streit in Hannover u. a. geschrieben: Bon einigen Jnnungsmeistern ist ebenfalls der Antrag gestellt wor ben, in Verhandlung mit der Gesellenfommiffion zu treten, um eine Einigung zu erzielen, und die Gesellen waren bereit, den Meistern entgegen au fommen und die zehnfiündige Arbeitszeit zu ven einem den Meiftern genehmen Beitpunkte ab eintreten zu laffen. Der Jnnungsvorstand lehnte aber jebe Verhandlung mit den Gesellen ab. Jest droben Verhandlung mit den Gesellen ab. Jest drohen mehrere Meister mit dem Austritt aus der Jnnung. Das Verhalten der Innungsmeister hat die Gesellen veranlaßt, nicht blos die zehnftündige Arbeitszeit, sondern auch eine Lohner böhung von 25 Bf. pro Tag zu fordern." böbung von 25 Bf. pro Tag zu fordern." Die Baugewerten Janung will felbft dort, wo sie nur die Minderzahl der Meifter in fich schließt, die Herrschaft über das ganze Gewerbe erzwingen.
Die Pianofortefabritation. Gegen Ende des vorigen Jahres zählte man in Deutschland 459 Pianofortefabriten, die 8475 Arbeiter beschäftigten; hiervon tommen auf Preußen 263 Fabrilen mit 3860 Arbeitern, auf Sachsen 94 abrilen 2506 Arbeitern, auf Württemberg 46 Fabriten mit 996 Ar. beitern, auf Hamburg 21 Fabriten mit 748 Arbeitern, auf Baden 18 Fabriten mit 184 Arbeitern, auf Bayern 17 Fabriken mit 181 Arbeitern, die Jahresgesammterzeugung wird in den legten Jahren durchschnittlich auf 70 Taufend Pianofortes c. angegeben, deren Werthaiffer fich auf 32 Millionen Mart be läuft. In Berlin sählt man ungefähr 150 Firmen, die fich mit Der Fabrikation von Pianos jeder Art beschäftigen. Die bieft gen Fabriken find theilweise mit allen neuen technischen Bor richtungen, Dampfbetriebsanlagen 2c. versehen, auch in den legten Jahren erheblich vergrößert und allen zeitgemäßen An fprüchen zugänglich gemacht worden.
Die Töpfer von Dresden stellten ihren Arbeitgebern die Forderung von 20 pet. Lohnzuschlag für Dfenseger und 10 pSt. für Wertstubenarbeiter. Die Meister antworteten hierauf mit Herausgabe eines niedrigeren Lohntarifes, welcher ohne die Buftimmung der Gehilfen am 1. Juli 1886 in Straft treten sollte. Die Gesammtheit der Dresdener Töpfergehilfen ging jedoch nicht darauf ein und wollte fich das Mitbestimmungs recht bei Aufstellung der Arbeitslöhne nicht nehmen laffen. Alle gütlichen Verfuche der Lohnlommission der Gehilfen, diese Angelegenheit friedlich beizulegen, scheiterten, da die Direktoren der großen Fabriken den Gehilfen durchaus das Mitreberecht ftreitig machen. Die Dresdener Töpfer griffen baber aum legten Mittel, zur Arbeitseinstellung, und befinden sich im Streit. Die Drganisation ist eine sehr gute. Es find alle deutschen Töpfer ersucht, nach Dresden Bujug fernzubalten. Alles Nähere durch Ed. Bräuer, Dresden , Neuegaffe 41, part.
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Vermischtes.
Paris . Ueber die nunmehr been dete Busammenstellung der am 30. Mai vorgenommenen Boltszählung wird der Boff. Sta." geschrieben: Baris hat 2 254 306 Einwohner gegen 1881, wo 2 239 928 gezählt wurden, ein Mehr von 14 378 Seelen. Bewohnte Häufer giebt es 73 290. Die Be vöiterung fängt dabei an, fich von den inneren nach den äußeren Stadttheilen zu verschieben. Die Bezirle werden von dem Mittelpunkte der Stadt aus in Schnedenreihe gezählt; der erste Bezir! umfaßt u. A. Louvre und Tuilerien, wird daber auch Louvre zubenannt. Der 1., 2., 3., 4., 5., 6., 9., 10. und 11. Beairt haben 61 973 Einmobner verloren, indem fte jest 961 955 zählen, gegen 1033 928 bei der vorlegten Bählung. Der 7., 8., 12., 13. 14., 15., 16, 17, 18., 19. und 20. Besirt haben sich um 76 351 Seelen, Don 1 106 000 auf 1182 378 vermehrt. Ein Theil der Pariser Auswanderung bat sich auch in den vor dem Wallgraben liegenden Vorstädten und in ber weiteren Umgebung nieber. gelaffen. Doch dürfte derfelbe nicht sehr beträchtlich sein, da die dorthin führenden Pferdebahnen und Sonstigen Verkehrseinrichtungen Teine Bunahme, sondern pielfach eine Minderung der Einnahmen aufweisen. Sicher ift nur, daß in Paris selbst im vorigen Jahre eine Abnahme der Bevölkerung eingetreten sein muß. Jm Januar d. J. fanden 52 383 Wohnungen von zusammen 51 652 390 Frcs. Miethswerth leer oder 16 565 Wohnungen mit 15 139000 Frcs. Miethswerth mehr als bei Beranlagung der Steuern im Januar 1885. Während der zwei ersten Jahre des letzten Jahrfünfis batte eine namhafte Mehrung der Bevölkerung stattgefunden, während die brei legten Jahre Verluste gebracht haben. Während dieser Jahre sind auch die Einnahmen der städtischen Verbrauchssteuern, der Dmnibus- und Pferdebahn Gesellschaften, Droschten u. 1. m. in merklicher Weise zurückgegangen. Das verhindert indeffen nicht, daß die städtische Verwaltung neuer Räumlichkeiten bedarf. Schon unter dem Kaiserreich war das Stadthaus viel zu flein, weshalb demselben gegenüber mehrere große Gebäude für die Unterbringung städtischer Behörden und Anstalten, namentlich der Armenverwaltung und der Sparlaffen, erichtet werden mußten. Jest soll ein großes Gebäude auf dem Boulevard Henri IV. errichtet werden, um die Verwaltung des städtischen Unterrichts- und Brüfungswesens unterzubringen. Auch für die städtische Bibliothet werden neue Räume er forderlich werden. Jm Archio der Stadt Paris find nämlich Urkunden aufgefunden worden, denen zufolge die Bibliothet des Instituts de France städtisches Eigenthum ift. Diese Bücherei zählt ungefähr 40 000 Bände, außerdem Handschriften, die fich fast fämmtlich auf die Geschichte und die Verhältnisse der Stadt Paris feit den ersten Beiten thres Bestehens be stehen. Die Stadtverwaltung will nun die nötbigen Schritte thun, um ihr Eigentbum wieder au erlangen. Hoffentlich wird fte den gewünschten Erfolg dabei haben und dadurch eine wis tige Sammlung, welche bis jest einen verschloffenen Schat bildete, der Deffentlichkeit zugänglich machen Mit der jeßigen städtischen, meist neuzre Werle enthaltenden Bibliothek würde Baris dadurch wohl die beträchtlichste städtische Bibliothet er langen, melche irgend eine Stadt befigt. Der Haushalt der Stadt Paris tt für 1887 auf 302 310 667 Frants ange schlagen, wovon 45 534 800 Frants außerordentliche Aus gaben. Um legtere zu beden, sollen 40 Millionen den neuen Anleihen von 250 Mill. entnommen werden. Hier bei mag bemerkt werden, bak fich das Vermögen der Stadt Paris auf 4 Milliarden 769 Millionen und 895 608 Fris. beläuft. Hiervon lommen 1616 895 608 Frts. auf städtische Gebäude, Liegenschaften und bewegliches Eigenthum( Geld, Bücher und sonstige Sammlungen, Hausrath 2c.), 3 Milliars ben auf die Straßen und Bläge, 153 Mill. auf den Antheil Der Stadt an den Gasanftalten, Wafferleitungen und Sielen." Das Bulletin municipal officiel" veröffentlicht eine Tas belle über das Ergebnis der Volkszählung in Paris , aus welcher erfichtlich, daß die Sunahme der Bevölkerung eine größere als die von der Boff. 8tg." angegebene ift.
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Die offizielle Tabelle wird von einem Bericht des Dr. Jacqueis Bertillon, Chef der ftatistischen Arbeiten der Stadt, begleitet. Herr Bertillon bemerkt vorerst, daß die Bevölkerung faft allgemein mit gutem Willen fich den Arbeitern der Bäb lung unterzogen hat. Man hat in gewiffen Blättern viel von lächerlichen Antworten gesprochen, die von einigen Einwohnern gegeben worden find. In Wirklichkeit fir d solche Bettel sehr felten. In den meisten Häusern gab es deren feine, in meh reren waren fte eingeln, zwölf bis fünfzehn höchftens. Diese Unregelmäßigkeiten haben leine Bedeutung. Die Volkszählung ergab folgendes: 1886 1881 Unterichted Bewohner. 2256 080 2 239 928 +16 162 73 831 Häuſer 68 126 + 5705 Haushaltungen 849 740+11 202 Die Bunahme ist nach den Vierteln start verschieden. Man fann die Bewegung mit den Worten zusammenfassen, daß die Arrondissements des Sentrums zu Gunsten der Bor ftäote abgenommen haben.
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Der Gerichtsvollzieher in Verlegenheit. Ueber eine feltfame Pfändungsgeschichte wird der Fr. Pr. f. Rheinl. u. Weftf." folgendes berichtet: Wie nichts auf der Welt ohne Lüde ist so auch nicht unfere seinerzeit schwer geborene Bioil Brozeß- Ordnung vom 30. Januar 1877; ein dies beweisender, jüngst vorgefommener Fall ist nicht nur für Juristen von Intereffe. Ein Gerichtsvollzieher in Jierlohn war von einer in einem Jnjurienprozeß ftegreich gebliebenen Bartel mit der zwangsweisen Beitreibung ber verausgabten Koften von dem unterlegenen Gegner beauftragt. Bei Vornahme der Erelution fanden fich keine dem Schuldner gehörende pfändbaren Gegen ftände vor, außer einer ziemlich ftattlichen Büchersammlung. Die Zwangsvollstreckung fticß aber auf eine unerwartete, nirgends vorgesehene und wohl noch nicht dagewefene Schwierig teit; der Eigenthümer der Bibliothet hatte in Auswahl der Bücher eine eigenthümliche Liebhaberet entwickelt, beinahe ohne Ausnahme bestanden die Werte aus solchen, welche unsere Berwaltungsbehörden fürsorglicher Weise nerboten haben au verbreiten. Nach der Bioll Prozeß- Ordnung war nun der Ges richtsvollzieher verpflichtet, diese Bücher zu pfänden, also jedes Derselben mit seinem Amtsfiegel zu versehen und solche dann öffentlich zu verlaufen( denn verbotene Schriften fallen nicht unter diejenigen Sachen, welche nach§ 715 der Bivil Prozeß Dconung der Pfändung nicht unterworfen find), gleich viel, ob er fich hierdurch einer durch ein anderes Gesetz mit Strafe bedrohten Handlung schuldig machte; andererseits fönnte man bem entgegen balten, daß ein Beamter, welcher nur feine Pflicht erfüllt, dieserhalb nicht bestraft werden dürfte. Dhne 3weifel wäre der öffentliche Beitauf der Bücher eine Ver breitung derselben gewesen. Der die Erelution betreibende Gläubiger hat schließlich auf die Pfändung verzichtet, was insoweit zu bedauern ist, als dadurch der vorliegende Fall nicht zum Austrage gekommen ist; auch hätte fich gar schön folgende, dem Verlauf vorangehende Annonse ausgenommen: Der unterzeichnete Gerichtsvollzieher verlauft am am.... in seinem Branololale öffentlich eine Anzahl Bücher, u. A. dret voll ständige Jahrgänge( gebunden) des in Bürich erscheinenden " Sozialdemokrat" u. f. w.
Briefkasten der Redaktion.
6. H., Solingen . Wenden Sie sich unter Beifügung von 25 f. und des nothwendigen Rüdportos an das hieftge Einwohner Meldeamt, Berlin C., Boftstraße.
A. R., Grüner Weg. 1. Schreiben Sie wegen des Todtenscheins an das betreffende Pfarramt in Brandenburg . 2. Es find nur die Rückstände von länger als vier Jahren verjährt.
*) Damit der höchft ehrenwerthe Stand der Schuhmacher fich nicht beleidigt fühlt, bemerke ich, daß hier ein trivialer Schriftsteller, Neftor R. Schuster gemeint ist. Der Seger. Gronheim in Berlin . Druck und Verlag von Max Bading in Berlin SW., Beuthstraße 2.
Hierzu eine Beilage