Beilage zum Berliner Volksblatt.

Mr. 153

Lokales.

Der Abgeordnete Singer hat gestern Mittag vom Schle Richen Bahnhof aus Berlin verlaffen. Auf dem Schlesischen Bahnhofe war ein sehr bedeutendes Aufgebot von Schußrann schaft in Uniform und Bivil über die weiten Räume Bertheilt. Ueberall blisten Helmspißen. Das Betreten des Perrons wurde nur gegen Vorzeigung eines Eisenbahnbilles geftattet, das einen Mindestbetrag von 1 M. 60 Bf.( 2. RL. bis Spandau ) betrug. Die Kontrole war eine wiederholte und peinliche. Drei Polizei Lieutenants führt.n die Oberaufsicht. In Folge deffen tanden fich hier eben nur wenige Abschiednehmende ein. Etwa 50 bis 60 Gennungsgenossen des Ausgewiesenen umftanden Singer. Das Verhalten war ein sehr ruhiges. Inzwischen fährt ein Bug vom Grunewald ein. Alle Fenster find dicht belagert, die Roupees überfüllt. Wie die Lokomotive pfeift, erhebt fich ein bröhnendes, anhaltendes Hochrufen aus dem Buge. Es find Die Freunde Singers, die ihn im Vorüberfahren und während der Bug eine Minute bielt, feiern. Er selbst trat einige Schritte vor und nahm den Hut ab. Von jest ab wiederholten fich Diese Szenen zunächst auf dem Schlesischen Bahnhofe unauf hörlich, dann in immer stärterem Maße auf den Bahnhöfen Jannowigbrüde, Alexanderplaß, Friedrichstraße, bis sie auf der Station Boologischer Garten ihren Göhepunkt erreichten. Alle Stadtbah züge, Ringbahnzüge, Vorortzüge waren überfüllt. Auf der Station Boologischer Garten sammelten sich dann die Fahrgäste aus den Bügen und brachten Singer die legte Coa fion. Die über alle Stationen zahlreich veribeilte Polizei war Dieser Demonftration gegenüber machtlos. Es wurde immer nur so lange gerufen, als der Bug noch ging oder wenn er schon wieder ging. Auch auf der Straße, an der Ueberbrüdung, Der Roppenstraße, hatte eine sehr bedeutende Ansammlung von Menschen ftattgefunden, welche von berittenen Schusleuten von allzulautem Demonftriren zurückgehalten wurden, trozdem aber in vielmalige Hochrufe ausbrachen, als Singer fich am Fenster zeigte. Etwa fünfaig Parteigenoffen gaben ihm bis Spandau das Geleite.

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Ja der letzten Nummer des Reichs- Anzeigers" findet fich folgende Wittbeitung: Die von der Neuen Berliner Omnibus und Badetfahrt Attien Gesellschaft" und der Ber Iiner Verkehrs. Anstalt Hansa " seit Kurzem ausgegebenen Privat Freimarlen werden vom Bublifum öfters zur Frantirung von Boftsendungen benußt. Das Publikum wird vor einer der artigen Benutzung dieser Marlen gewarnt. Poftsendungen, welche mit Freimarlen der bezeichneten Art versehen werden, find unfrantirte Sendungen und unterliegen dem Strafporto ; Die von der zuerst genannten Gesellschaft außerdem bergestellten Korrespondenstarten gelangen, wenn dieselben bei der Post ein geliefert werden überhaupt nicht zur Absendung. Berlin W., ben 1. Jlt 1886. Der Staatssekretär des Reichs. Poftamts. v. Stephan."

Heinrich Duiftorp, unser ehemaliger Mitbürger, welcher heute noch zu jo manchem Chailottenburger in Beziehungen steht, läßt wieder einmal etwas von fich hören. Der große Gründer ist in Buenos Ayres angelangt, um fich nach Baraguay einzufchiffen. Die in Buenos Ayres erscheinende ,, La Plata, Boft" bringt eine Meldung, nach welcher Heinrich noch erfreu licher Weise ganz der alte ift. Das Blatt schildert nämlich, wie Quiftorp auf der Landungsbrüde geprahlt habe, daß er bort 400 000 Morgen Land befiße, die er verschenken wolle. Er habe fich aber auch nicht abgeneigt gezeigt, etwas zu ver Laufen und sogar Geld darauf als Anzahlung zu nehmen. Freilich weiß er nicht anzugeben, wo seine Morgen eigentlich liegen. Es ist nach seiner Angabe dort sein nächster Swed, eine Expedition nach Bolivia zu leiten zum 3vec des Baues einer Eisenbahn; Leute, welche recht viel Kapital haben, find thm dabei sehr willkommen und verspricht er jedem die herr lichften Stellungen mit den hochtlingendsten Namen. Die La Blata Boft" schreibt, daß es dort, wo jeder die Vergangenheit und den Ausfall der Gründung Quiftorp's lennt, nicht nöthig fet, vor der Theilnahme an seinem Geschäfte zu warnen. Es schien aber nach den von Quistorp vorgezeigten Vollmachten für Länderverkauf, ausgestellt von angesehenen Berfonen, als ob in Europa wieder einige hereinfallen wollten. Das Heinrich Quiftorp vor einiger Beit von England aus den genialen Verfuch machte, feine alten Gläubiger und Landsleute in Deutschland noch tiefer hineinzulegen, haben wir unseren Lesern Damals mitgetheilt.

Jn verschiedenen Orten ist es neuerdings wieder borgefommen, daß der Name Lucifer" als gegen die guten Sitten verstoßend" vom Standesbeamten zurückgewiesen wurde, und zwar auf Grund höberer Verfügungen. Man scheint nicht zu wiffen, was dieser Name eigentlich bedeutet. Lucifer heißt Lichtträger oder auch Lichtbringer und war bei den Alten Der Name des Blaneten Venus als Morgenstern. Sogar bet ben Egriften der ersten Jahrhunderte galt Lucifer" no als eine verehrungswürdige Erscheinung. Die Kirche bezeichnet Chriftum als die Sonne der Gerechtigkeit", welchem die Mutter Chrifti, die durch allen Bauber der firchlichen Kunst

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Berliner Sonntagsplanderet.

R. C. Der heutige Sonntag ist der erfte der sogen. Hundstagsferien. Wer erinnert fich nicht noch des Gefühls unendlichen Wohlbehagens, welches wohl jeden hoffnungs vollen Schuljungen überkommt, wenn er am Anfang dieser schier unermeßlichen Faullenzerperiode Aeht.

Faft unendlich behnt sich der Beitraum vor uns aus, was ist natürlicher, als daß der junge Staatsbürger den Plan faßt, fofort bie Ferienarbeiten in Angriff zu nehmen, um nachher in füßem Nichts: hun förmlich schwelgen zu tönnen? Als planmäßig vorgehender Dekonom be rechnet er fich ganz genau, daß er die Fülle der Arbeit bet angeftrengtem Fleiß ganz gut in einer halben Woche bewältigen tann, es bleiben ihm bann noch ganze Tange brei eine und halbe Wochen. Und was ist das Ende vom Liebe? Wenn ber lette Sonntag anbricht, liegen die Schulbücher noch in der Staubigen Ede, und wahnsinnige Angst treibt bas junge Herz zu verzweifelten Entschlüssen, raftlos fliegt die Feber liber bas Papier, aber in einem Lage fann selbst der flinkite Schreiber das Pensum von vier Wochen nicht überarbeiten. Riefige Dintentlege gieren die Reinschrift, und die Rechen exempel ftarren von unauflöslichen Fehlern. Und das Nach spiel der füßen Ferienruhe find Hiebe und Nachfigen, und bas rothangestrichene Uebungsbuch fliegt dem jugendlichen Sünder um bie Ohren,

So wechselt im Leben Freude und Leib, Regen und Sonnenschein. Mir ist es ganz unverständlich, daß die Beitungen heute immer noch ben Beginn der großen Schul

Jonntag, den 4. Juli 1886.

und Boefte verherrlichte Madonna, als Stella matutina, beil seifündend vorausgeht. Als Morgenstern", alfo ols Lucifer, wird fte in der lauretanischen Litanei angerufen. Und jogar Chriftus selbst wird von der Kirche ausdrücklich Lucifer ge nannt, wie z. B. in der Lithurgie des Cbarsamstags, wo bei Der feierlichen Weihe der Dfterlerze Christus als Lucifer be fungen wird mit der Beifügung, daß er der Lucifer set, der feinen Untergang fenne( Lucifer ille, inquam, qui nescit occasum). Lucifer war denn auch lange Beit ein chriftlicher Taurname. So spielte der Bischof Lucifer von Calaris während der arianischen Streitigkeiten als der eifrigste Bertheidiger des Cogmas Don der Gottheit Chrifti eine so große Rolle, daß, so etwa wie beututage die extremfte Fraktion der Katholiken fich als Ultramontane" bezeichnet, Die damalige extreme Fraktion fich Luciferaner" nannte. Unsere Frommen brauchen fich also vor dem Namen Lucifer nicht zu entsegen. So beliebt aber ursprünglich dieser Name war, so wurde er nach und nach, weil ihm die Jdee der Licht Derbreitung anbaftet, bei allen Denen verhaßt, welche die Finsterniß mehr lieben als das Licht, und denen jede Auf­flärung auf religiösem Gebiet ein Gräuel ist. Deswegen ver leumdete und verdächtigte man Jeden, der neue Ideen aus sprach und Licht und Wahrheit unter den Vollsmañen zu ver breiten suchte, als einen leibhaftigen Satan und machte end lich, um ja das Volk vor allen Verkündern des Lichtes zurück­suschreden, aus dem idealen Lucifer dem ,, Lichtträger" oder Lichtbringer", den Obersten aller Teufel, um auf diese Weise jeden Versuch zur Verbreitung von Aufklärung und Licht als Teufelswert zu denunziren. Nun, das Licht, deffen Beftim mung es ist, zu leuchten, tann dauernd nicht unter den Scheffel geftellt werden. So gewaltig die Mächte der Finfterniß auch fein mögen, fte tönnen nicht der Welt bleibend das Licht der Einsicht und der richtigen Erkenntniß der Dinge vorenthalten. Stärter und gewaltiger erhebt es fich aus der langen Nacht des Geiftes empor. Die Morgenrölbe einer neuen Beit bricht an und die bellen Sonnenstrahlen der Wahrheit und Gerech tigkeit werden über Allen leuchten. Der richtigen Erkenntniß wird die erlösende That folgen, und die menschliche Gesell schaft im Gift der wahren Humanität zum vollen, gleichen Genuß der Wahrheit, der Freiheit und des Friedens ge langen.

Ausweisung. Wie uns mitgetheilt wird, ist der Schrift. fteller Christensen gestern auf das Polizeipräsidium zitirt worden, woselbst ihm mitgetheilt wurde, daß er das Gebiet des laffen habe. fleinen Belagerungszustandes innerhalb 48 Stunden zu ver

Reichthum macht nicht immer glüdlich. Eine bebauer. liche Familienepisode hat große Trauer über eine in Marien dorf wohnhafte Millionärfamilie gebracht. Der Sohn des Bauerngutsbefgers H. daselbst verlor vor etwa 2 Jahren durch einen unglücklichen Zufall sein Leben. Obwohl feftge, ftellt wurde, daß nur ein Bufall das Unglüd veranlaßt batte, faßte das Gerücht im Volte, daß ein Selbstmord vorliege, doch festen Fuß. Der unglückliche Vater zog sich das derartig au Gemüth, daß er faft tieffinnig wurde und um seinen Schmerz zu betäuben, fich angewöhnte, Troft in der Flasche au fuchen, ohne daran zu denten, daß er sich geistig dabei zu Grunde richte. Nachdem er bereits einmal früher, während einer längeren Regenperiode, mit geladenem Gewehr auf die Dorfstraße fam und daffelbe gen Himmel, in der Abficht den lieben Gott zu erschießen", abfeuerte, bat er Dienstag den Verfuch gemacht, sich selbst zu erschießen. Mit dem Gewehr, durch welches der Sohn sein Leben verloren, wollte er fich selbst in die Brust schießen. Der Schuß ging jedoch fehl, so daß er nur eine leichte Wunde an der linten Schulter davon getragen hat. Bu seiner Sicherheit und Kur ist der Bedauerns. werthe nach der Kgl. Klinit geschafft worden.

Was ein Brief vor hundert Jahren aus Amerika foftete. Dem Boftmuseum ist vor einiger Beit vom Herrn Landdroft von Dugun als Kuriosum ein Briefumschlag über. wiesen worden, welcher au einem Briefe von gewöhnlicher Starle gehört bat. Der Brief war aus Philadelphia( Ver einigte Staaten von Amerita) abgesandt und an den Urgroß vater des Einsenders des Umslags, Oberstlieutenant von Breffentin in Sternberg ( Mecklenburg ) gerichtet. Der Umschlag trägt die Boftstempel bezw. Poftoermer le von Philadelphia, London , Kalais, Brüffel, Haag, Amfterdam und Hamburg , wo raus fich der Beförderungsweg des Briefes von selbst ergiebt. Leider giebt keiner der Poststempel Aufschluß über das Jahr der Beförderung; da jedoch der Adreffat nach Angabe seines Urenfels erst im Jahre 1760 nach Steinberg übergefiedelt ist und bort bis zu seinem Tode im Jahre 1789 gewohnt hat, so muß die Aufgabe beam. Ankunftszeit des Briefes in die Beit Don 1760 bis 1789 gefallen sein. Der Brief war unfrantirt; nach Ausweis der auf dem Umschlag angebrachten Boftver merte batte der Adreffat für den Brief nicht weniger als 5 Thaler 12 Schilling mecklenburgisch oder in der Reichs währung 18,60 Mart Porto zu zahlen.

ferien preisen. Man sollte doch lieber das Eade bedenken, benn es giebt wohl kaum etwas Trübseligeres, als wenn bie Schule wieder beginnt und der Schüler hat seine Auf gaben nicht gelöst. Seit vielen Jahren bin ich der Tyrannei bes Rohrstodes entflohen, aber heute noch quält mich manch­mal in schweren Träumen das wuthoerzerrte Geficht des Schulmonarchen, ber mir ein durchaus fehlerhaftes Exerzitium unter die Nase hält.

Wer tann bafür, daß die Erinnerung an verfloffene 3eiten nicht Jebermann gleich angenehm im Gedächtniß haften bleibt? Die meisten Menschen vergessen nur allzuleicht bie unangenehmen Augenblide, fie gebenten mit Vorliebe nur der angenehmen Stunden. Das ist leider nicht aller Leute Sache. Man muß die Erinnerung gleichmäßig be­wahren, nur so hat man ein gleichmäßiges und treues Bild ber Vergangenheit.

Aber den Rindern allein geht es nicht fo. Auch einzelne Erwachsene geben sich mit gleichem Leichtsinn dem augen blidlichen Vergnügen hin. Heute begegnet man in ben verschiedensten Lokalen der Reichshauptstadt einer bestimmten Rategorie äußerst lebensluftiger Gäste, die sich mit bie fich mit einer wahren Wuth in alle nur möglichen Ge bie selbst den flottesten Junggesellen in den Schatten nüffe ftürzen. Es find die Herren Strohwittwer, stellen.

Diese Leute sind in der That ganz merkwürdig, ihr Be nehmen forbert unwillkürlich zu Betrachtungen über die An­nehmlichkeiten des Ehelebens heraus, und wenn man die für einige Beit unbeweibten Ehemänner beobachtet, so muß man

III. Ja

Ueber die mißlichen Verhältnisse, welche für die Marttleute durch die neuen Matthallen geschaffen worden find, erhalten wir von einem unserer Berichterstatter die Wie bergabe eines Bwiegesprächs zwischen einer der Stände inhaberinnen der Martiballe in der Bimmerftraße und einer Rundin derselben, dessen Dhrenzeuae der betreffende Berichters ftatter gewesen. Die gedachte Marktfrau- so ergab die Unterhaltung bezieht schon seit 22 Jahren die Märkte Berlins bezw. fegt die Martthalle und wohnt in Weißensee . Sie müffe, so bemerkte fie in lagendem Tone, täglich Morgens um 3 Uhr auffteben und fich, nachdem fie einige Borbereitungen und Anordnungen für ihre Kinder und den Haushalt getroffen, von Hause fortbegeben, wohin fte erst spät am Abend total er müdet und abgespannt zurücklehre. Shre Kinder beläme fie nur schlafend zu sehen und entbehrten ganz der mütterlichen Aufficht und Pflege. Sie selbst fel gezwungen, ben ganzen Tag über in naben Reftaurationstellern fich zu verpflegen, denn day fte während der dreiftündigen Mittagspause fich nicht nach ihrer Wohnung begeben tönne, jei natürlich. Dazu täme das hohe Standgeld, welches den ohnehin geringen Berdienft noch bedeutend schmälere. Wie das noch werden würde, wiffe fte selbst nicht. Sie hätte nicht geglaubt, daß man mit Ber ftörung jedes Familienlebens eine derartige Neueinrichtung schaffen würde. Auf den Einwurf der Kundin, warum fie nicht lieber die Bentralmarkthalle in der Neuen Friedrichstraße beziehe, da diese doch ihrer Wohnung bedeutend näher liege, erwiderte die Marktfrau, daß fie bier noch schlechtere Geschäfte machen würde. Sehr bebauernswerth seien die unglüdlichen Händler mit Holzwaaren 2c., welche ihren Plas auf der Galerie angewiesen erhalten hätten; wenn bier nicht ein Markthallen besucher aus Neugierbe die hohen Treppen befteige, eigens zu einem Eintaufe thue er es nur im seltensten Falle.- Das ist, so bemerkt unser Berichterstatter, im Allgemeinen die Stim mung, wie fte unter den Matttleuten jest vorherrscht. Daß man auf ihre Wünsche und Beschwerden mehr Rücksicht nehmen sollte, wäre gewiß sehr erforderlich.

Es giebt nicht wenige alte Kellner in Berlin . Eine ganze Reihe von Jahren in einem und demselben Restaurant thätig, haben fie fich dort eine Art Sonderstellung erworben. Sie dürfen sich Manches herausnehmen, nicht selten sogar in Die Debatte eingreifen, die am Stammtisch gepflogen wird, wie denn auch ihr trockener Humor der ganzen Stammtisch Gesellschaft zur Erbeiterung dient. Der alte Kellner liebt es, den Stammgäften Titel beizulegen, die ihnen eigentlich gar nicht auftehen. Er macht den Kaufmann zum Kommersienrath, den Barbier zum Doktor, den Beamten zum Geheimrath und den Kommis zum Baron oder Lieutenant. Diese Standes erhöhung seiner Gäfte wird ihm nicht selten so geläufig, daß et allen Ernstes glaubt, den Personen ständen die Titel und Würden, die er ihnen beigelegt hat, auch wirklich zu. Auch in welche ihrer Stellung" gebührt. Ueberzählt der Kellner des ihrer Abwesenheit wird er von ihnen mit der Achtung sprechen, Abends die Häupter seiner Lieben und fiebt einen Stuhl leer, so wird er unruhig. Erscheint der Vermiste aber noch nach träglich, so wird er mit ganz besonderer Freude begrüßt. Der alte Rellner ift durchaus lein Feind von Trinkgeldern, doch unterscheidet er fich gewöhnlich darin von seinen jüngeren Kollegen, daß bei ihm nicht das Trinkgeld den Gaft macht. Er hält ein großes Stüd auf liebevolle Behandlung und ein Saft, der diese mit einem, wenn auch bescheidenen, Trinkgeld au verneinen weiß, ist ihm der liebste. Auch dem Wirth gegen über darf sich der alte Kellner etwas herausnehmen, denn er weiß, daß er eine Macht hinter fich hat: die Stammgäste, die ihn erforderlichen Falls nicht im Stich laffen.

Eine empörende That eines Hausbefizers, des Herrn Maurermeisters Brandt, Bremerstraße 16 und 18 wohnhaft, wird uns von einem unserer Leser mitgetheilt. In dem Hauje dieses Herrn wohnt ein Schuhmachermeister Namens Megle. Die Kinder des letteren spielten am 2. b. M. auf dem Hofe Des genannten Grundstüdes. Ob die Kinder ungezogen waren, fann unser Gewährsmann nicht verbürgen, furaum der Herr Hauswirth verjagte bie Rinder vom Hofe und vergriff fich fogar thätlich an denselben. Er verfolgte die Kinder schließlich bis in die elterliche Wohnung, woselbst er von dem Vater aufges fordert wurde, die Wohnung au verlaffen. Er that dies auch, aber nicht etwa, um die Leute nunmehr in Ruhe zu laffen, son dern nur um mit Berstärkung zurüdaufehren. Herr Brandt befist nämlich einen Hund von ungefähr 75 cm Höhe und mit diesem und brang er in die Wohnung des Schuhmachers, um mit ihm Streit anzufangen. Als Mieste den Brandt aufforderte, die Wohnung zu verlaffen, schlug letterer auf ihn ein, und da fich der Schuhmacher zur Wahre feßen wollte, sprang ber hund auf ihn zu und zerbiß und zerkragte ihm die ganze Bruft. Herr Brandt hörte nicht cher mit den Misbandlungen auf, bis der Schuhmacher zusammenbrach und liegen blieb. Hiermit war Herr Brandt aber noch nicht aufrieden, er zerschlug noch mehrere Wirthschaftsgegenstände; das Kleiderspind hat er bet spielsweise in 7 Stüde aertrümmert. Als sich Herr Brandt nach den Heldenthaten in seine Wohnung begab, erschienen

fich doch sagen, daß es wohl kaum Rosenketten sein können, die sie während des ganzen Jahres tragen. Im Gegentheil, der weitaus größte Prozentsatz der verheiratheten Männer, bie fich nota bene überhaupt ben Zurus eines Strohwittwer thums leisten tönnen, müssen alle unter einem furchtbar schrecklichen Pantoffelregiment stehen, sonst fönnten sie, ein mal der Feffeln lebig, wohl faum fo gänzlich außer Rand und Band sein.

Wir würden von solchen Dingen wohl taum fprechen, wenn wir nicht davon überzeugt wären, daß in Arbeiter treifen berartige Verhältnisse niemals Plaz greifen. Es ist daher auch nicht möglich, daß wir Chemänner bet ben in ben Bädern weilenden Chefrauen denunziren können. Vorläufig trennt sich in unferen ber allerheißeften Kreisen das Ehepaar auch während Jahreszeit nicht; der Arbeiter und seine Frau bedürfen lich der Erholung bekanntlich nicht. Diese ist natür nur bem Bourgeois nothwendig. ber fich im Sommer von dem Nichtsthun im Winter wieder herstellen muß. Es giebt eben verschiedene Leute auf der Welt und ebenso verschieben find die Bedürf nisse derselben. Der Eine bildet sich ein, daß er, weil er alle seine Belüfte befriedigen tann, ein Mann in, natürlich ist, daß Jebermann seinem Gelbsad unterthan fein ber auf der Höhe seiner Zeit steht, und baß es ganz muß. Die Weltordnung will es so, und wer sich dagegen auflehnt, verdient mindestens aufgehängt zu werden. in die alte Geschichte, ob sie jedoch immer so bleiben wird, ist mindestens fraglich.

Das