Kr. 16B Freitag, den 16» Juli 1886. III. Jahrg. MerMkÄllti Drgan für dir Interessrn der Arbeiter. 4 Da«..Berliner Volksblatt" ngetragen in der PoktzeitungSvreiSItfte für 1886 unter Nr. 769.) JnsertionSgebühr beträgt für die 4 gespaltete Petttzeile oder deren Raum 40 Pf.»rbeitimarN 10 Pfennig«. Bei größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinlunst. Inserate werden bt» 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin 8W., Zimmerstraße 44, sowie von allm Annoncen- Lureaux, ohne Erhöhung deS Preise», angenommen. R-taUimt: Keuthstriche 2.«rprdition: Zimmerstr«ße 44. I, Hmmme üdrr Harmme. Es ist bekannt, daß man überall von der Harmonie wischenKapital undArbeit redet und behauptet, dieselbe vorhanden sei und nur von unzufriedenen Leute» gestört würde. Daß Kapital und Arbeit harmonisch zusammen wirke» könne», zum Beispiel in einer Assoziation, wo das Ka » pital de» Arbeitern gehört, wer möchte da« bezweifeln? Aber wo da« Kapital, welche« sich vermehren will, in einer Hand, die Arbeit aber, welche recht hohen Loh» erhalte« will, in einer anderen Hand ist, da tritt da« e n t- grgengesetzte Interesse zu Tage und selbst die gutmüthigste» M-nschen können diesen Wiederstreit nicht ändern. Die Disharmonie zwischen Kapital und Arbeit herrscht in der heutigen Gesellschaft. Und die Leute, die am meisten von der Harmonie zwischen Kapstal und Arbeit rede«, wie z. B. der bekannte Dr. Max Hirsch , sie müssen es selbst häufig genug erfahren, daß ihre Theorie» recht große Löcher habe». Auch die Arbeitervereinigungea, welche den Hirsch'schen Gewerkvereinen angehören, haben oft genug durch Arbeitseinstellungen die so sehr gepriesen« Har» mo»»e gestört. Weshalb ließ da« Dr. Max Hirsch zu? Warum unterstützte er die Rebellen gegen die Harmonie zwischen Kapital und Arbeit? Aber die Streikende» hatten doch ganz recht, sie be« kamen zu wenig Loh»? Gewiß l Aber handelt da» Kapital im Interesse der Harmonie, wenn es zu wenig Loh» zahlt? Und ist den» wiederum ei» Streik seitens der Arbeiter ei» Ausdruck de« Harmoniegefühls? Man blicke sich nur in der ganze» zivilifirte» Welt um und man sieht, daß die Streiks schier kein Eade nehme» wollen. Man sei also ehrlich! Die Harmonie zwischen Kapital und Arbeit besteht nur in de« Köpfe« einiger Schwärrner und Volksoerführer; in Wirklichkeit besteht sie»icht. Nun giebt e« aber auch«och andere,»och sonderbarere Harmonielehrer. So lasen wir neulich, daß ein Groß- fabrikavt den großen Spruch gelassen aussprach,«daß im einträchtigen Zusammengehen zwischen Handwerker» und Zndustiellen die beste Förderung der beiderseitigen Interesse« liege." Näher begründet wird diese famose Behauptung nicht; deshalb wollen wir die« hier in kurzer, exemplarischer Weise thu«. DieseHarmonie zwischen Groß- fabrikation und Handwerk" ist ei»»och größerer Humbug, al» die Harmonie zwischen Kapital und Arbeit. Nehmen wir zum Beispiel ein Handwerk, welche» vielleicht da« bedeutendste von allen ist, da« Schneiderhandwerk. Ehe«och die Kapitalentwickelung sich zu der jetzigen Höhe emporgeschwungen hatte, MMnS» rtottn.] JeuiLLeton. Git»e Mutter. «»«an von K!r i e d r i ch Gerftäck»». (Fortsetzung.) Die Werbung. Jeremias hatte schon von dem böhmtsche« Dorf au«, wie er nur etwa die ungefähre Zeit seiner Rückkehr be- stimme« konnte, nach Hause geschrieben, und lauter Jubel empfing ihn hier, denn Rebe war in der Zeit«icht müßig gewesen. Direktor Krüger hatte seine» Kontrakt kontrafignirt «nd wie er selber der Liebling der Publikum geworden, besserte« sich auch seine pekuniäre« Verhältnisse. Ja den vergangenen Monate«, wo er fast«och spar- samer gelebt al» je. kaufte er von der jetzt ziemlich hohe» Gage nach und nach, wa« er in der Wirthschaft brauchte. Jettcheni't Aussteuer war ja schon von dem Vater reichlich bedacht worden, und alles jetzt bereit, um die Trauung in der nächsten Zeit zu vollzrehm. An demselben Sonntag, an dem Jeremias von seiner Reis« zurückkehrte, wurde» sie zum ersten Male aufgeboten, und Jettche» fühlte sich selig in dem Gedanken, nun bald nicht mehr allein zu stehe« und dem Geliebte» ganz anzugehören. So eifrig das Jeremias früher auch selber betrieben hatte, so niedergeschlagen zeigt« er sich aber jetzt. Sei» ganze, Humor schien ih» verlasse» zu habe», und wen» er sich auch fast«och herzlicher und theilnehmender gegen Alle benahm, als bisher, so lag doch jedenfalls etwas auf seiner Seele, da» er Niemandem anvertraue» mochte. Anfang, drang Pfeffer in ih», ihm zu sage», wa« ihn drücke. Geldsorgen konnte» da««icht sein, denn er schleppte Geschenke nach Geschenke» für Jettche» i»S Hau» aber «a» dann? Jeremias wich indeß allen Frage» au», und «an mußte ih» endlich seinen Weg gehen lasse«. So war die Zeit immer mehr herangerückt. E» war gab e» in alle« größeren Städte« Tausende und aber Tausende von Schneidermeister«, welche«ine» und mehrere Geselle» beschäftigte» und ein leidlich gutes Auskomme« Hände« die Großindustrie de« Schneidelhandwerk« sich de- mächtigt hat. nachdem dieGoldenen 110" de» Verkauf von BtkleivungSgegenstände« vermitteln, find auch die selbststän- dige» Handwerksmeister im Schneidergewerk quantitativ und qualitativ sehr reduzirt worden die meisten arbeite» al« Lohnarbeiter, möge« sie sich auchSchneidermeister" nennen, für die größere« industriellen Kleider- Magazine. Wen« die Harmonieapostel von diesen Handwerksmeistern" reden, so möge« sie wohl recht habe«, diese müsse»einträchtig mit den Industrielle» Hand in Hand gehen" sonst verliere» sie ein« fach ihre Arbeit. Aber nimmermehr ist zu leugnen, daß die Großmdustrie, der Großhandel die selbst- ständige« Schneidermeisterin aller Eintracht' ver- nichtet hat. Und wo e«»och selbststäadige Meister giebt, so werden sie von de« Kleiderindustriellen»ach und«ach verdrängt werden. Und da» nennt manbeiderseitige In- teresseu". Danke schön! Wie bei de» Schneider», so bei de» Schuhmacher », bei de» Tischler», bei alle« Handwerker«, wo sich da» Groß« kapital, die Industrie de« betreffende» Geschäftszweige» be- mächtigt hat. Auch die selbstfiändige» Weber find längst vernichtet da« ist allzu bekannt. Die selbstfländigea Schmiede- meister find gefolgt. Uns ist eine Gegend bekannt, wo im Jahre 1850 in einer einzigen Bürgermeisterei 945 kleine Meister da»industrielle" Schmiedehandwerk betriebe» sie verfertigte» Kaffeemühlea, Pfannen, Schippe», Hacke« u. f. w. Alle diese Meister hatte» S 3 Ge- feilen, alle hatte« retchlichliche» Brod. Große industriell« Unternehmungen waren auf Meilenweite«icht vorhanden. Im Jahre 1861 gab e« in demselben Bezirk«och ca. 700 selbstfiändige Meister und zwei größer« Fabriken; 1875 nur«och 320 Meister und 7 größere Fabriken, welche sich desGeschäfts" bemächtigt hatte». Wie e» gegenwärtig in jener Gegend steht, dafür fehlen uns die»öthige« An- gaben. Voraussichtlich aber find die selbstständigen Meister wohl völlig verschwunden die Großindustrie hat sie au» lauter Liebe aufgefressen. Da» nennt man Harmonie zwischen Industrie und Handwerk; diese Harmonie stellt sich würdig zur Seite der vielgepriesene» Harmonie zwischen Arbeit und Kapital. Also habe» wir auf unserer schönen Welt: Harmonie über Harmonie. Freitag geworden, am Sonntag wurden die Brautleute zum letzte« Male aufgeboten und Montag sollte die Hoch- zeit sein. Jeremia « hatte bei Pfeffer« zu Mittag gegessen, aber fast kein Wort dabei gesprochen. Nach dem Effe» faß er auf dem Stuhl am Fenster, und Jettche« war gerade hwauigegangen, um de» Kaffee herein zu hole«. Wa» siehst Du mich so sonderbar an, Jeremia »?" sagte Auguste.Ich weiß gar«icht, wie Du heute bist." Ich freu« mich," erwiderte der kleine Mann, aber mit ganz wehmüthiger Stimme,daß e» Dir wieder so gut geht, Auguste. Du hast Dich in der Zeit, wo wir in Böhme« steckte«, merkwürdig erholt." Wenn wir nur erst einmal herausbekomme» könnte«, wa« Sie in Böhme» gemach» haben," rief Fräulein Basfini. Wahrscheinlich," meinte Pfeffer,wird'««icht die ganze Stadt wisse« solle«,«nd deshalb erfährst Du'» nicht." Als ob ich«icht schweige» könnt«!" So lang« Du«icht« weißt, gewiß. Aber» ist wahr, die Tust« hat sich merkwürdig in der Zeit erholt; da» dank' ihr aber der Teufel, keine Sorgen mehr, gute Pfleg« da» schlägt an!" Jeremia « nickt» freundlich.Ja," sagte er,und ich kann Euch jetzt mit gutem Gewisse» verlasse», den» für da» Jettche« ist ja auch gesorgt." Verlassen?" rief die Frau rasch.Und willst Du wirklich wieder fort?" Ich muß, Auguste," sagte der kleine Man« traurig. Sieh, ich habe noch so viel da drüben zu besorge«, eine Menge Land, Kolonie«, die jetzt in ftemden Händen find «nd verwahrlost werde«, wen» man»icht de« Leute» dann und wann auf die Finger steht. Auch Geld Hab' ich«och drüben ausstehen, wa« ich nicht gern einbüße« möchte, und von dem Verkauf de« Hotel » weiß ich auch«icht einmal, ob die Rote» all« richtig eingezahlt sind." Hm," brummte Pfeffer und schritt, de« blauen Qualm ausblasend, in der Stube«achdenkend auf und ab. Aber Politische Urberficht. Der Kongreß deutscher Echuhmachermetster, der in den letzten Tagen in Berlin stattfand, hat den Zllnttlern wir- der einmal reiche Gelegenheit gehoten, ihr wahres Geficht und ihren beschränkten EgoiimuS«u enthüllen. Aver Welt geht e», nach den Rednern des Kongresse», ,u wohl und die Gefangenen in den Strafanstalten werden zu human behandelt, die Lehr- linge und Gesellen erfreuen fich einer zu großen Ungebunden- heit und sollen durch Lehrlingsbriefe und Ardeitidücher wieder unter einegehörige Kontrole" gebracht werden, den Fabritanten find ihre Maschinen nicht besteuert und vollends die Juden schöpfen bei allen Geschäften den Schaum ad. Nur die Meister, oder vielmehr nur die JnnungSmeister dulden und leiden schier übermenschlich. Oder ist eS etwa nicht die schlimmste Zurück- fetzung, daß den Innungen nicht allein die Lieferung der Militarstiefel anvertraut ist? Ist e» nicht daS bitterste Unrecht, daß die Innungen nicht allein berechtigt find, die billige Lehr» lingtarbeit auszubeuten? Nicht einmal die Berliner Innung, die bereit» ihr 602. Jubiläum feiert» bat dieses Recht erhalten! So klang et au» allen Reden de» KongrisseS heraus, und wa» bezeichnend ist die Regierung war durch verschiedene Beamte vertreten und drückte fich den Meistern gegenüber stets in verbindlichster Weise au». Der Vorfitzende konnte zur größten Freude der Hörer sogar mittheilen, der KriegSmintster habe einer Deputation die be« stimmte Verficherung gegeben: beim WiderauSbruch eine» Kriege» würden Stiefeldestellungen für die Armee ausschließlich bei de»�Innungen erfolgen. g diese» zen die Nichtzünftler, igen wird; nach den Urtheilen t gierungßorgane über die Unfitilichkett deS Boycolt möchten wir Wir werden ja sehen, ob die �Regierung d n c i"'."__......" zur Durchführung dringen wird; nach den Urtheilen der Re» Boucottsyftem gegen die Nichtzünftler wirtlich e» zunächst bezweifeln. Einstweilen aber können wir den JnnungSmeiftern daS Zeugntß nicht versagen, daß fie ihrerseits alle überflüsfige Bescherter heit gründlich abgelegt haben, die fie dem Handwerkerstande immer zum Vorwurf machen. Kommt die Frage der Reich»etsenbahnen wieder in Fluß? Vor einigen Tagen wurden wieder einmal Gerüchte über die bevorstehende Verstaatlichung einzelner größerer Privat- MWKWMW berichtet.Seitens mehrerer Finanzgrößen war an einer Stelle, die notorische Beziehungen zum preußischen Eisenbahn. mtnisterium hat, angefragt worden, ob der in Bayern ringe- tretene Regierungswechsel wohl geeignet erscheine, da» jetzt gerade zehn Jahre alte Reichleisenbahnprojekt wieder in Fluß zu dringen, resp. od da» bayrische StaatSministerium, da» ja da» volle Vertrauen W Prirz-Regenten befiel, dem Projekte grundsätzlich feindlich gegenüderfiehe. Die Antwort soll nun dahin gelautet haben, daß die in Boyern, dem zweit- größten Bundesstaate, erfolgte Gestaltung der Dinge allerdings zu der Annahme berechtige, daß dort die Reichte, sendahn frage von jetzt ab eine streng sachliche Prüfung erfahren werde, zu- mal da« derzeitige Ministerium seinen bisherigen Widerspruch einzig auf da» entschiedeneNein" de» König « Ludwig gestützt Auguste sagte kein Wort; sie sah still und traurig vor fich nieder und seufzte tief auf. Und wann willst Du wieder fort, Jeremias?" fragte sie endlich so leise, daß er die Worte kaum verstehen konnte. Gleich«ach der Hochzeit," lautete die Antwort;der Dampfer geht, glaub' ich, am Dreizehnten oder Fünfzehnte», und ich möchte noch ein paar Tage in Bordeaux bleiben. um dort Manche« einzukaufen." Der Vater will fort?" rief Jettche» erschreckt, die eben de« Kaffee gebracht und die letzten Worte gehört hatte. Um Gotte« willen,«ein, Vater, Du darfst un« jetzt nicht wieder verlasse» I" .Es muß sei«, liebes Herz." sagte der kleine Mann jerührt, während sie ihre Arme um ih« schlang,e« muß ei»; gern thu' ich'« ja auch nicht, da« darfst Du mir wohl jlaube», und ich ich komme auch wohl bald wieder zurück, obald ich mich losmachen kann drüben. Wo ist den« der Rebe eigentlich hin?" Er hatte etwa« wegen feine« Anzüge« für morgen zu bestellen," sagte Fräulein Basstni; er muß gleich wieder- kommen." Und wie traurig wird Horattu« fein," sagte Jettche», wenn Du uv« sobald wieder verläßt und Dich gar»icht mehr an unserem Glück« fteust! Jetzt ist mir der ganze frohe Tag verdorben, den» ich werde ja doch nur immer an den Abschied denken." Ich wollte Euch eigentlich gar nicht« davon sagen," bemerkte Jeremias kleinlaut,bis dicht vor dem Abschied, aber e« ging doch nicht an; e« ist doch«och so Manche» zu besprechcn, und da da bleibt'« immer besser, man weiß«S eine Weile vorher, daß man sich danach richten kann." Und kannst Du die Geschichte da drüben den» gar nicht durch jemand Ander» besorge» lasse«?" ftagte Pfeffer noch einmal, indem er vor ihm stehe« blieb.Du sagtest doch ftüher, Du hättest eine» zuoerläsfige» Man» drüben." ES geht nicht, Kinder, ei muß sein," schüttelte Jere- «ia» mtt de« Kopf;'« thut mir selber leid genug, aber f-