sogenannt« Shapeau claqae anfertigen, und»war von Himmel- blauem, rosa, hellgrünem und violettem Etidendezuge. Diese Hüte find natürlich nicht für Hamburger DandieS bestimmt— denn wir»irtlifirte Europäer bringen eS höchsten« zu rosa- farbenen Schlipsen und Tanzstrümpfen— sondern werden nach Kamerun gesandt. Ergreifeude Gegensätze bietet da« Leben jiden Tag. Am Mittwoch gegen Arend lehtte ein mit fröhlichen Menschen besetzter Extradarrpf« unter den heiteren Klangen eine« Mufik» korp« die Spree thalwärti nach Berlin zurück, während seine Wellen die Leiche eine« ertrunkenen Knaben bei Wtlhelminen» Hof in da« Schilf spalten. Einige Schwierigkeiten»«ursachte am Mittwoch Nach« mittag die Personalfeststellung eine« Kutscher«, der am Kott» buser Damm einer dort auf dem Straßendamm haltenden Obst« Händlerin in ihre Ktrschenvorräthe gefahren war und unter denselben grotze Verheerungen angerichtet hatte. D« herbei- S«usene Schutzmann erfuhr von dem Attentat« auch bald deffen Nationale, aber der Frage nach seiner Wohnung ver- stand der Roffelenk« meiste! Haft au«zuwe!chen. Alle«, wai der- selbe auf die an ihn gerichteten Fragen antwortete, ging etwa dahin:„Bis die vorichte Woche hatte ick kane feste Wohnung nicht, aberft jetzt wohne ick vi« a vi«!" Unter diesen Umstän- den blub dem Schutzmann nicht« Anderes übrig, ali den Fuhrmann nach d« Revierwache einzuladen. Dort muß da« »Bt« a vis" wohl näher festgestellt worden sein, denn man sah den Mann von dort bald zurückkehren und mit dem Aus« drucke unvnicnnbarer Selbstzufriedenheit sein Fuhrwerk besteigen. Erstickt. Gestern Nachmittag kamen zwei bei dem Fuhr- hnin Lehmann, hier, Wteneistr. 18, beschäftigte Personen auf folgende Art umS Leben: Der eine, mit Namen Klappstein, war, wie un« derichtet wird, damit beschäftigt, dm Dünger in die auf dem Hofe befindliche Grube zu w«fen, al« ihm au« Unachtsamkeit eine« von den Dcckbrettern in die Grube fiel. Um e« herauizuholm, stieg er mit einer Letter in die Grube hinab. Er hatte auch noch so viel Kraft, da« Brett hinauszu- werfen, stürzte aber dann, ohnmächtig geworden, rücklings von der Leiter und blieb auf dem Boden der Grube liegen. Den Kutscher Schoppenhauer, d« ihm al«bald zu Hilfe eilte, und der die Lei!« hinadstwä, traf leid« daS gleiche Schicksal: auch er wurde durch die Gase bewußtlos und stürzte auf den Klapp. stein. Die Wiederbelebungsversuche, welche ein schnell herbei« gerufen« Heilgehilfe von der EanttätSwache de« Görlitzer Bahnhofs alidalv mit dm Verunglückten vornahm, blieben auch bei dem jüngeren Klappstein, welch« noch schwach athmete, ohne Erfolg. Die beiden Leichen find bereits gegen Abend nach dem Leichenschauhaust geschafft worden. Selbstmord eine« Arzte«. Ein in d« Jnvalidenstraße wohnender Dr. med. fit machte gestern Abend durch Einnehmen von Cy ankalt seinem Leben ein Ende. Bei Entdeckung der That war der Tod d«eitS eingetreten, so daß von Wieder« delebungtversuchen abgesehen wurde. Ueb« da« Motiv zur That»«lautet nicht« Bestimmtes. Die Leiche wurde auf An« ordnung der Behörde behufs gerichtlicher Obduktion nach dem Leichenschauhause geschafft. Ueber eine« vergtstungsfall berichtet eine Lokal Korre« spondenz folgende«: Im Dorfe Zeuthen , wo gegenwärtig die erste Kompagnie d« Garde.Pioniere liegt, hatte der dortige Schulze für einig« dort einquartierte Soldaten am Sonnabend da» Mittageffen zu kochen übernommen und stellte dazu einen rieflgen, lange nicht in Gebrauch gewesenen kupfernen Kessel. Fast unmittelbar nach dem Genüsse deS Mahl«, nachdem zum Glück nur ein Theil d« Soldaten da« Effm zu sich gmom« men, stellten stch bei ihnen V«giftungSsymptome ein, so daß sofort der Arzt herbeigerufen werdm mußte, d« den Soldaten Brechmiitel eingab. Am Sonntag befanden fich die Mann« schaften wieder außer aller Gefahr. Sin Auge ausgestochen wurde gestem Mittag einem fX» Burschen der Straßenreinigung durch dm Sohn eine« Zigarren« Händler« in d« Beuchstraße. Die beiden jungm Leute waren durch die Proookation de« letzteren in der Beuthstraße in Streit gerathen. au« dem fich eine regelrecht« Prügelei ge- staltet«. Der Kampf wurde so heftig geführt, daß ein de« Wege« gehender Herr nicht im Stande war, die an d« Erde fich herumwälzenden Parteien auS einander zu bringen. Erst dem tn«gtschen Dazwischentreten eine« Unterosfizier« gelang die«. Aber eS währte nicht lange, da stach der etwa 16 Jahre alte Sohn de« ZigarrenhändlerS mit einem spitzm Nagel nach dem Geficht de« etwas jüngeren SiraßenreinigerS. Ein schrecklich« Schmttzenlschrei und der Ruf:„Mein Auge, mein Auge I" bewie«, daß der Nagel einen edlen Theil de« Geficht» getroffen hatte. Bald entströmte ein Blutstrom dem schwer verletzten Auge. Al« da Bursche daS Unheil sah, wa« er an- gerichtet, riß« fich laß und floh nach dem Laden seiner Elt«n. Er wurde aber von erregten Paffanten herausgeholt und mit dem so übel zugnichteten armen Burschen nach dem Polizei Bureau am Spittelmarkt geführt. Ein bedauerlicher Unglücksfall mit tödtlichem Aus« gange, durch den eine Famttte in tiefen Schmer*»«setzt worden ist, ereignete fich gestem Vormittag am Elisabelh Uf«. Das 8 Jrhre alte, ftlr hübsche Töchterchen eines im Hause Britzerstraße 7 wohnenden Schuhmachermeisters ein Zwilling«- lind, fiel beim Spielen in den Kanal, wa« nur von ihrer gleichallrigen Schwester demalt wurde. Da« Kind machte von dem Vorfall einen Schiffer mit den Worten,„die Elise ist eben in» Waffer gefallen," aufmerksam, und dieser machte stch so'ort an die Rettung de« Kinde». Nachdem r» ihm gelungen war, da» Sind vor oem letzten Auftauchen zu«fassen und aus dem die geringsten Wieder b-lebungsversuche anzustellen. Sodann brachte man e« nach d« elterlichen Wohnung und rief ärzt- liche Hilfe herbei. Dieselbe kam zu spät, e« konnte nur noch der bereit« eingetretene Tod konstatirt werdm. Ertrunkener Landwehrmann. Am Dienstag Vormittag wurde durch Schiff« im Louisenstädtischen Kanal, vor dem tause am Elisabeth« Ufer 27, die Leiche eine« Manne « an« and gezogen, bei welchem fich ein Land Wehrpaß vorfand, lau- tend auf den 1859 in Blazewurtz bei Kasel, Schlesten, gebore« nen Arbeit« Wendelin Dziatzko. D-r Paß destättgte, daß jen« noch bi« zum 10. Juli die Uedungen der Landwehr mitgemacht habe. Die Leiche wurde nach dem Leichenschau« hause geschafft und spät« von einem Feldwebel al» die deS D. relognoszirt. Die Ratten der Abdeckerei tu tut Müllerstraße find gegm wärtig wieder eine wahre Landplage für die ganze Um- gegcnd bi« Tegel und H-rmSvorf; dieselben find nicht nur wegen ihrer Größe und Dreistigkeit, sondern auch wegen ihr« Gsträßigkeit bekannt und gefürchtet. Am Freitag schoß der Ristaurateur W. Gaarz an der Tegeler Chaussee ein ganz ab> norm grosieS, anscheinend sehr alte» Exemplar, von dem die amtlichen Fleischb« schauer Gatscher und Rosenkranz Präparate entnahmen, um fi « auf da« Vorhandensein von Trichinen zu untersuchen. Der erstere hat da« Präparat au» dem Vorder. theil, der ander« auS dem Hintettheil entnommen. Beide fan- .•- ,? den UntersuchungSodjekten sowohl vnkapsett« al» unver« kapselte Trichinen vor. In dem au» dem Vordertheil ent« nommenen, ein«. Erbse großen Präparat wurden an tausend Trichinen konstatirt. Markthalle«. Bericht von I. Saudmaua, stoischem BerkaufSvermitller, Berlin , Zentral. Marlthalle. den 15. Juli. «ütter. In den ersten beioen Wochentagen htelt die am Schluß �JBorVoche gemeldete größere Nachfrage an, während gestern ursd heute daS Geschäft stiller verlief. Trotz der großen Zu- fuhrm war ei doch möglich, die Buttrrpreise für fernste Qua« tuaten auf dem erhöhten Preisstand zu erhalten und um ein Sttinge» zu steigern. ES ist wohl nicht zu bezweifeln, daß jetzt, wo bereit« ein bedeutend« Theil de» hiefigen Butt«, und Käsegeschäfte« in der Markthalle fich abwickelt, die Produzenten ihre Waare recht vortheilhaft in der Markthalle verwerlhm. Die Preise stellen fich tür: Feinste Ost- und Westpreußttche 96 bis 108 Tl.. feine GutSbutter 90-95, feine Mecklenburger. Holstein«»c. 90-95 M.. IL 80-88 M., Landbutter L 75 W» 80, II. 65-76 M. Gallzische un, andere geringste Sorten 55-66 M. p. 50 Kilo.- Käse. Die Zufuhr an Kase ist sehr nhedlrch, genügt aber kaum der Nachftag«. Die jetzt häufig auf den Markt geworfenen fehlerhaften Qualitäten finden nur schwer zu ermäßigten Preisen Abnahme. Besonder« begehrt find gute Quadrat. Backst-'nkäse und imiiirte Schweiz -rkase. Ei kosten L Enmenthaler 68-80, imitirter 50-60 II. 40 bi« 45 M.: echt« Holländer 69—75 M-; rheint'cher 43-60 M.; Quadrat-Backsteinkäse l 18-23, II. 12-18 M.; L-mburger 30—38 und 18-25 M., echter Nmfchaieller 4,50 p. 20 Süd, Ramadour in Sianiol 46 M., in Pergament 36 M. p. Z'r. Camembert 5.00-3,50 pr. Dtzd.— Eier, im Preis« steigenv. 2 40 p. Schock nach Börsenusanze.— Gemüse und Obst. Es brachten Pfirfiche p« Kiste von 12 bi» 20 Stück 1,00— 1 50, Erdbeeren 15-20 Pf. per Pro., Kirschen 9-15 Pf- v» PW., Blaubttten 6-7 M. p. Schrffil, reife Stachelbeeren M- 30 Pf. per Pfund, Pfcffnltnge 7 M. per Ztr., Gurken 15-20 Pr. v« Stück. Schoten 3-4 M. ver Scheffel, grüne Wallnüffe 45 bis 50 Pf. ver Pfund. Kohlrabi 50-75 Pf. v« Schock, Salat 50 bi« 75 Pfg., Koptkohl 1,20-1,50 M. p« Mandel. neue Kartoffeln 3,50-4 M. per Ztr., Blumenkohl 20-� Pf. p.Kopf, Himbeeren 30- 40 Pf, schwarze Johannitbenen 25 Pf. per Pfund, neue Pflaumen 30 P., Birnen 35 Pf., Aevfel 35 PL per Pfund.— Wild und Geflügel. ES kofien Rehe 60-75 Pf., Hirsche 40- 50 Pf.. Wildschwein 40- 50 Pf. p�Pfd., wilde Enien 0,80-1.50, Bekassinen 30-70 Pf., junge Ganse 300 bi« 4,50 M.. junge Enten 1-1,50 Tl., junge Hühner 090 bi« 2,00, Tauden 30—45 Pf. pn Stück. Poularden 4,j0 bi« 7 M, alte Hühner 1,00-1.40 M. schwn vnlauflich. -Fische. OstseelachS 1,20-1.60 p. Ko.. Steinbutte 0 80 bis 1 M, Seezunge 1,00—1,40 p. Kilo, Schellfisch 20 bi« 32 Pst, Zander 80-160 Pst, Scholle 18-30, Hechte 1,00 di« 1,60, Aale 80-1,40 M. pr. Kilo, Makrele 40—60 Pst pr. St.— Krebie 1,50-8 M. p. Schock. Hummer 1.20-1,50 M.v« Pfd. - Geräucherte Fische dauernd knapp, besonders große Rachfrage um Räuckrraal. Kleine Flundern 2-3 Marl per Schock, Makrele 30-50 Pf. p. St., Aal knapp 90-150 Pf. pr. Pfd. — Konsnoen. ES kosten Ochsenzungen 1,50 bi« 2 00 M, Sardinen in Oel San Rrmo 40— 45 Pf., Aal in Gelee 70 bi« 80 Pf. p. Pfund, französische Fruchtkonsnven in Büchsen 2,00-3,00 M. p. Krlo. Bratheringe 150-1 60 M., Delrkateß. Heringe 1,00—1,50 M, russische Sardinen 1,50 M. Polizeiberimt. Am 14. d. M. früh wurde ein junger Mann in sein« Wohnung in der Jnvalideafiraße todt vorge- funden. Er hat fich wahrscheinlich durch Zyankalt vergiftet.— An demselben Tage Vormittag« fiel ein lleine« Mädchen von dem am WtlhelmS-Ufer festgelegten Kahn ihr« Eltem in da« Waffer und ertrank.— An demselben Tage Nachmittag« fiel auf dem Schillnplatz der Arbeiter Wachsmuth in Folge eigen« Unoorfichtiakeit von einem Arbeitswazen h«ab, gerieth dabei unter die Räder deffelden und erlitt durch Uederfahren an« scheinend schwere innere Verletzungen. Er mußte mittelst Droschke nach sein« Wohnung gebracht««den.— Zu der« selben Zeit fanden der Stallmann Schoppenhau« und der Droschkenkutscher Klappstein in ein« Pferdedunggrube des Grundstücke« Wienerstraße 18 durch Einathmen giftig« Gase plötzlich ihren Tod. Scvoppenhauer war, um eine in die be« deckte Grude gefallene Bohle Herauszuholen, unvorfichtiger Welse ohne eine genugende Lüftung d« Grube abzumatten mittelst ein« Letter hinabgestiegen und brach, unten angekom« men, sofort bewußtlos zusammen. Um ihn zu retten, versuchte d« Arbeit« Radzujewski hinabzustetgen, mußte jedoch schon nach Zurückleaung einiger Leitersproffen den Versuch aufgeben, da ihm daS Athmen unmöglich wurde. Nichtsdestoweniger stieg auch d« Kutscher Klappstein in die Grube, verlor ad« unten ebenfalls da« Bewußtsein. Erst nachdem d« ganze Odetdelaq von der Grude entfernt worden war, gelang es, die beiden Verunglückten heraufzubringen. Die sofort von einem Arzt angestellten Wiederbelebungsversuche blieben leider«folg. lo«. Die Leichen wurden nach dem Leichenschauhause geschafft. In der Nacht zum 15. d. M. stürzte ein Mann in dem Hause Grün« W g 116 au« eigen« Unoorfichtigkeit durch dai Flur- fenster de« 2. Stockwerks auf den Hof hinab und erlitt einen Bruch des rechten Unterschenkels. Er wurde nach dem städtt« sehen Krankenhause im Friedrichshain gebrachst Gerichts-Zeitung. Wie Einer««Versehens Prügel bekan». Einen ver. hängnißvollea Fehlgriff deging im Mai d. I. d« Schlächter« geselle Karl Julius Götzke;« war in einem Tanzlokal in Box« Hagen von vier anderen Berufsgenoffen nach stattgehabtem Strett gründlich„verpautt" und demnächst mit größter Ge- fchwindigtcit auf die Straße geworfen worden. Hi« stand er nun wulhentbrannt, hinter einem Baum»«steckt, auf d« Lau« in der Abficht, seinen G gnern den angechanen Schimpf heimzuzahlen. Inzwischen aber eilte seine Braut in liebevoller Fürsorge zu seinem in der Nähe wohnenden Vetter, dem Gärtner« söhn Juliui Obst, und entbot denselben zum Beistand. Der Vetl« leistete dem Ruf bereitwilligst Folge und machte stch auf den Weg; kaum aber hatte er stch dem Standort de« Götzke genähert, so sprang der letztere au« seinem V.rst'ck hervor und schlug den Obst mit einem wuchtigen Stockhieb auf den Kopf, sodaß der Getroffene sofort ohnmächtig zusammenbrach und hinterher längere Zeit im antiseptische« Verband festliegen mußte. Götzke halte seinen Vetter, von d« nächtlichen Dunkelhett irre« geleitet, für einen jener Schlächtergesellen, welche ihn vorher durchgeprügelst gehalten und zu spät ward er den Jrrthum ge> wahr, ali v« gemißbandelte Vetter unter Außerachllaffung de« vnwandtichaftlichen Verhältniffei gegen ihn den Strafantrag wegen Körperverletzung stellte. Da» Schöffengericht vermtheilte den schlagfertigen Schlächtergesellen zu 6 Wochen Gefängniß und derselbe versuch«« nunmehr sein Heil in d« Berufung«- instan», indem er im gestrigen Audienztermin vor d:r Straf- kammer de« Landgerichts n zu kein« Entschuldigung anführte, daß er gewiffccmaßen in d« Nothwehr zu bandeln geglaubt und fich nur in Bezug auf die Person im Jrttham defand. Diese Einwendungen«achtete der Gerichtshof als unerheblich, obwohl der Jrtthum deS Angeklagten alt«wiesen angenommen ward; dies« aber sei einflußlos auf die Beurtheilung d« Straf « darkeit, denn— so führt der Vorsttzende zu dem Angeklagten gei endet au«—:„Wenn Sie Einen au» Versehen todtschießen, w«d«n Sie nimmer freigesprochen!" Da» Urtheil lautete unter Verwerfung der Berufung auf Bestätigung der ersten Entschei U�z. t Mit der Affaire Jhrtng-Mahtow stand eine Sache in einem gewiffen Zusammenbange, die gestern die 91. Ab- tbeilung de» hiefigen Schöffeng«icht« deschäftiate. Am 28. Juni d. I, dem Tage dn Vnhandlung gegen Lerndt und Christensen, war eine große Anzahl«rdetter nach Moabit in da» Gerichtsgebäude gekommen, um dem Gange de« P ozrffeS zu folgen und seinen AuSgang abzumatten. D« erste Wunsch «füllte fich nur für wenige; der Zuhörerraum war klein und im Augenblick von Leuten besetzt, die ebenfalls„intnesstrt" waren. Es blieb den Albeitern nichts anderes übrig, al« in nahegelegenen Restaurationen den V«lauf der Affaire abzu« warten. Unter ihnen befand stch auch der Maler Fritdrich Wilhelm Lattermann, der zum Unglück für fich einem überaus heftigen Charakter defitzt, welcher ihm bereit« viermal Strafen wegen B-amtendeleiotguna eingetragen hat. Auch an diesem Tage führte ihn sein Mißgeschick an einm der zahlreichen Polizeibeamten in Zivil oorüb«, dt« in Moabit waren, um„Demonstrationen" zu verhüten. Lattermann'« Haß und Verachtung waren ko stark, daß« im Vorbei- gehen vor dem Beamten ausspie. Nicht genug damit, gerieth er im Lokale des Gastwirthi Wunsch mit den Beamten in Streit, den der Gastwirth damit beendete, daß er den Ang«« klagten hinauiwie«. Im höchsten Grade erregt, traf Latter- mann auf der Straße den Beamten, mit dem er da« erste Renkontre gehabt hatte, wieder und rief ihm einige Beleidi« gungen zu. Er wurde sofort verhaftet. DaS Schöffcngericht verurtheilte ihn zu 6 Monaten Gefängniß, während der Amt«- anwalt selber nur 4 Monate beantragt hatte. Der jugendliche Soh« eines Handwerkers hatte durch die Schuld eine« Nachbarn seine« Vater« ein Auge eingebüßt, und vnlangte der Bat« deS Verletzten in Folge dessen eine ganz erhebliche Entschädigungssumme von dem Beschädig« seine« Seche«, weil durch de r Verlust de» Auge« der Knabe in der Wahl seine« Berufe« sehr beeinträchtigt sei, indem er nur einen solchen B«uf wählen könne, in welchem sein einziges Auge nicht angestrengt werde. Somit sei z. B. irgend ein Studium überhaupt ausgeschloffen, und doch habt der Vater gerade die Abficht gehabt, seinen Sohn studiren zu laffen, well die Mittel dazu vorhanden seien. DaS Gericht sprach in d« Entscheidung de» über diesen EntschSdigung»anspruch ange« stillten ProzeffeS den Grundsatz au«, es sei zulässtg, auch bei einem Knaben den künftigen Vermögensverlust einzuklagen, der durch die eingetretene Unmöglichkeit, einen gewiffen Leben«« beruf zu ergreisen, entstanden sei. Es entspräche den allge- meinen Grundsätzen vom Schadenersatz, den vorautfichtltch ver- ringerten Erwerb für einen gewiffen gegenwättigen und be- rechenbaren Verlust zu halten, da der zukünftige V«Iust jetzt schon al« nach dem gewöhnlichen Laufe d« Dinge feststehend angesehen werden könne, während es darauf, daß mancherlei zufällige Ereigniffe und Einflüsse denselben noch vereiteln könnten, nicht ankomme. Ob der Verletzt« einen gewiffen Er- werbszweig bereit« ergriffen habe, oder im Begriff sei, ihn zu ergreifen, oder auch nur dazu entschlossen sei, erscheine gleich- giltig, wenn ihm nur die Fähigkeit dazu nicht etwa auch ohne die Beschädigung jrtzt schon abgebe, also die Unmöglichkeit nicht bereit« vorliege, den beadfichtigten Erwerb üd«haupt oder in gewiffem Grade machen zu können.— Daß das Interesse be- ziehentlich der Minderwerth im Vergleich zu Beschäftigungen, zu denen der Besitz der Sehkraft beider Augen nicht gehöre, schwer zu ermitteln sei, könne auf die Zuläsfigkeit der Klage keinen Einfluß haben._ Kerewe und Versammlungen� t Eine Versammlung Berliner Zimmerleute tagte am Mittwoch, den 14. d. M., unt« Vorsitz deS Herrn Seitzt im Siemund'schen Lokale, Lintenstranße. Die V«sammtuna» die He« Jäkel mit der Tagesordnung:„Ist es angebracht und möglich, eine Spar- und Darlehntkasse für die Zimmerer Ber« lin» und Umgegend zu«richten, welche den Zweck hat, ihrm Mitgliedern da« Ersparte zurückzugeben und ihnen Darlehen zu gewähren in besonder« festzustellenden Fällen d« Roth?" ttnb«ufen halte, war sehr schwach, von ca. 30 Personen besucht. He« Jäkel«örtnte eingehend da« in der Tagesordnung genannte Projekt, über welches er das Gutachten d« Ver- sammlung einholen wollte. Er wie« zunächst, um die Roth- wendigkeit einer solchen Kasse zu begründen, auf die große Roth hin, welche durch zeitweise Arbeitslostgkeit unter den Kollegen entstehe. Da wäre nun eine Kaff: recht am Platze, welche in solchem Falle die in besseren Tagen ersparten Geld« ihren Mitgliedern auszahlte und ihnen auch in der äuß«sten Roth Darlehne gewährte. Eine solche Kasse werde von d« Behörde fich«lich genehmigt werden und werde Keffer wirken, alS alle übrigen Fond« und Kaffen, bei denen nicht da« Prinzip de- stehe, daß nur diejenigen Unterstützung«hielten, die Gelder beigesteuert hätten. Eine solche Kasse werde die besten Käme- raden durch ein feste« Band vereinigen und werde am ehesten späterhin im Stande sein, einen leistungsfähigen ArbeitSnach- weis zu errichten, zu dem Gesellen und Meister Vertrauen hätten und der den Arbeitslosen Rückhalt gewähtte. Nach ein« Krtttl der Mängel de«„GeneralfondS'5, bei dem die s k schreibegeld soll 1 M. betragen, die wöchentliche Einlage 50 Pf., von denen 10 Pf. auf Verwaltungsunkosten de- rechnet werden, während 40 Pf. dem Mitgliede gutgeschrieben werden, die jeder Zeit zurückgezahlt werden. Im Todesfälle erhalten Frau und Kinder die er'parten Einlagen zurück«. Außerdem soll die Kasse in Fällen, die vom Vorstande be « sonderS zu prüfen find, eine oorfchußweife Untnstlltzung von zweimal zwölf Mark in zwei auSei anderliegenden Wochen ge- währen, die ratenweise abzuzahlen find. Ja« Leben treten soll die Kasse, nachdem 4 Wochen lang EinschreibeUsten auSgelegen und die Eintrittsgelder eingegangen find. 6 Wochen lang müssen die Beiträge geleistet sein, bevor Vorschuß gewährt wird ic. Aus den Ueberschüffen der Kasse soll der Reserve- fond» angesammelt w«den. Auch glaubt He« Jäkel, daß der „GennalfondS" eine Beisteuer leisten wird.— Zum Schlüsse verficherte der Revn«, daß eiae solche Kaff: das ein, ige Mittel sei, einen festen Zusammenhalt unter den Kollegen zu schaffen in einer Zeit, wo alleS gewelkschaftliche Leben ,uv«schwindendrohe.— Die Diskussion zeigte, daß da« Projekt fich etnis sehr geringen An- klänge« z-r erfreuen hat. Die Henen Lehmann. Seitzt, Meißn«, Korttow und ElSholz nahmen eine durchaus ablehn. nde Hai. tung gegen den Vorschlag ein, die nur von dem einen Redner mehr, von dem andern weniger schroff hervorgehoben wurde. Man sagte, daß ein solch« Plan gar sehr nach„Hirsch-Duncker" schmecke; die vulgepeiesene„Selbsthilfe" sei in ihrer KläzltchkeU von dem Ardeiteistande seit lange«kannt worden, man iolle fie nicht wieder aufzuwärmen suchen. Nur durch eine gründ- liche Sozialieform, durch die Festsetzung eines gesetzlichen NormalarbeitStagei u. s. w. kann die Arbeitslostgkeit vermindett und die Lage der Arbeiter gebessert wer- den. Könne der Arbeiter, waS sehr zu bezweifeln sei, überhaupt noch von seinem Lohne Ersparnisse machen, so sei für ste die städtische Sparkasse da, wo keine so hohen Ver- waltungSkostm zu zahlen feien, wie ste im Pole« deS Herrn Jäkel vorgesehen wären, und wo die Einlagen verzinst würden- Man könne auch nie wissen, welche Stellung die Regierung zu einer solchen Kasse nehmen und ob fie dteselde nicht eines schönen TageS beschlagnahmen würde; dann hätten die Arbeit« umsonst gespart. Der Verband deutscher Zimm«leutt sei die Stätte, wo kameradschaftlicher Geist am besten gepflegt würde. Das engherzig« Projett de« Herrn Jätet sei ein V«- stoß gegen die Solidartlät. Die Arbeiter müßten fich gegenseitig helfen und d« Starke den Schwachen unter» stützen. Allndlng« erhielten bei Streik« oft Die« jenigen Unterstützungen, die keinen Pfennig Bei« trag zum Fond« geleestet hätten; ein« solche Unterstützung müffe ad« erfolgen, um die unstcheren Elemente abzuhalten, fich zu jedem Preise anzubieten und so die allgemeine Lohn- höbe ungünstig zu beeinflussen. Auch sei ei jetzt durchau» nicht an der Zeit, derartige Projekte in die Welt zu setzen, wenn man nicht den Verdacht erwecken wolle, man habe Hintergedanken. Könne der Arbeiter erst wieder freier um stch blicken, dann sei e« angebracht, solche Vorschläge eingehend zu behandeln.— Herr Jäkel fand nur in den Herren Weiß und Kruse Vertheidtger seine« ProjekleS, o�r richtiger eine wenig« harte Beurtheilung desselben. He« Weiß hielt die Saehe für wichtig genug. um fie einer großen Verfamm. & ÄrwÄ1, ä Jäkel, der in seinen verschiedenen Ewtderungen über Wieder- bolungen nicht herauiaekommen war und nur den einen neuen GefichtSpunkt h«oorgehoben hatte, daß man„auf Staatshilfe
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