Mr. 210.

Donnerstag, den 9. September 1886.

III. Jahrg.

Berliner Volksblatt.

Organ für die Interessen der Arbeiter.

Das Berliner Volksblatt"

cini täglia Rorgens aufer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei I aus vierteifährlich 4 Mart, monatli 1,35 Mart, wöchentlich 35 f. Boftabonnement Bart. Einzelne Nummer 5 f. Sonntags- Nummer mit der illuftristen Bellage 10 Bf. ( Eingetragen in der Boftzeitungspreisliste für 1886 unter Wr. 789.)

Bulgarisches.

2.-

Redaktion: Beuthstraße 2.

Der vielfältig verschlungene Raoten der Tragikomödie am Balkan geht seiner Auflösung entgegen; wir find im vorlegten Aft. Der Held dankt ab. Was der lette Att bringen wird, das mögen die Götter wiffen.

Es kann uns mit großer Genugthuung erfüllen, daß wir von vornherein uns gegen die übermäßige Verherrlichung bes Fürsten Alexander und gegen das Geschrei, welches das freifinnige Bürgerthum und seine Presse über die Vor­gänge in Bulgarien erhob, gewendet haben. Die demüthige Unterwerfung bes kleinen Alexander unter den autofrait sden Willen bes größeren hat nun wohl die naiven Leut Gen enttäuscht, bie bem Battenberger eine welthistorische Miffion im Orient zugeschrieben haben. Wie beaoffene Babel stehen sie da, benn einen solchen Ausgang hatten fie nicht erwartet. Die Weltgeschichte Itebt eben zuweilen, ibre eigenthümlichen Späße machen. Sie läßt einen Belben" burch einen Staatsstreich steigen und wirft ihn durch einen Staatsstreich hinab. Solche Dinge find von ferne ganz interessant mit anzusehen; in der Nähe und für die Betheiligten find fie ziemlich unbe­baglio.

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Ob sich der Battenberger burch die Bewunderung von Eugen Richter und dem Berliner Tageblatt" für die er littene Unbill get öftet fühlen wird? Wir glauben es kaum. Aber wie man ihn nun auch noch verherrlichen mag; es bleibt bestehen, was wir vor Kurzem gefagt: Alexander von Battenberg ist fein Staatsmann. Persönlicher Muth auf bem Schlachtfelde genügt noch lange nicht, um eine so ver­worrene Situation, wie sie die auf der Balkanhalbinsel ist, au flären und gestaltenb einzugreifen. Mit den Kräften und zu Mitteln, wie fte Bulgarien bietet, fich gegenüber der unge heuren Macht bes Barenthums zu behaupten, ist eine faft übermenschliche Aufgabe, und selbst das Genie cines Standerbeg, der einst iz ben albanesischen Gebirgen ftegreich allen Angriffen der damals so gewaltigen Pforte widerstand, würde heute dazu nicht ausreichen. Alexander hat die Lage Bulgariens insofern verschlimmert, als er es ifolirt hat. Sein Staatsfireich entzog ihm die Freundschaft aller Mächte, und wedte bei ben anderen Balkanfünften das schlimmste Mißtrauen, und wenn er glaubte, von dem 3aren durch bemüthige Unterwerfung erreichen zu können, was er offen nicht behaupten tann, so hat er sich eben getäuscht. Dabei fann man nicht sagen, daß fein Brief an ben 3aren etwa geeignet sein tönnte, ihm den tuf eines Staatsmannes zu verfchaffen. Denn wenn etwas bie eigenen Freunde Alexan bers verblüffen mußte, so war es feine Auffassung seiner Situation. Er bezeichnete fich als einen russischen Basallen ab, fagte, er habe seine Krone von Rußland empfangen,

Marut verösten.

Feuilleton.

Spuren im Sande.

Roman von Ewald August König.

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Sch will bas auch nicht," erwiderte Werner rasch, für

mich hat diese Heirath auch ohne klingende Mitgift Werth genug, ich wünsche nur, daß der Termin zur Hochzeit so nahe wie möglich gerüdt werbe."

Mus

befonderen Gründen?"

Aus vielen Gründen, die alle zu nennen zu weit führen würde."

Ich glaube, daß dieser Wunsch auf keinen großen Biberfpruch stoßen würde; wenn Du willst, rebe ich mit dem Geheimrath barüber."

Es ist vielleicht besser, wenn ich zuvor mit der Ge Dan wird freilich Einwürfe

Heirathin spreche. und mir entgegnen, die Aussteuer fönne so rasch nicht be Shafft werden, aber es ist eben alles zu ermöglichen, wenn man nur ben ernsten Willen hat."

bie valorene Watte gable?" So denke ich, wirst Du es auch ermöglichen, daß ich

mir

Ermöglichen läßt es sich, aber Du forderst Opfer von

" Es ist bas legte, Werner!"

Du hast das oft gefagt."

" Diesmal halte ich Wort."

Insertionsgebühr

beträgt für die 4 gespaltete Betttzelle oder deren Raum 40 Bf. Arbeitsmarkt 10 Bfenniga. Bel größeren Aufträgen buber Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Bimmerftraße 44, forte von allen Annonces Bureaux , ohne Erhöhung des Preises, angenommen.

Expedition: Zimmerstraße 44.

dem er sie wieder zurüdgeben wolle. Er hatte also vergessen, daß er nach dem Berliner Vertrag, welchen er allerdings felbft zuerst brach, unter der Oberhoheit der Pforte ftand und daß er nicht von Rußland mit einer Krone beschenkt, sondern von der bulgarischen Nationalversammlung zum Warum will er diesen Fürsten gewählt worden war. Wahlatt aus der Geschichte fireichen? Dafür werden ihm bie benkenden Bulgaren und es wird hoffentlich auch folche geben nicht bankbar fein.

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Die Frucht ist nun reif und Bulgarien wird Rußland in den Schooß fallen, das sich anfchickt, die Baltanhalbinsel wie eine Artischote blattweise zu verfpeisen. Nun behalten biejenigen Recht, welche gleich bei der Abschließung des Berliner Vertrages fagten, bie 3ustände, welche diefer Ver trag in Bulgarien herfielle, bereiteten bie Ruffifizirung Bulgariens vor. Man erinnere fich, daß die Rufsen bem neuen Staat erst eine to eminent freifinnige Verfassung gaben, daß Alexander über bir Whtungen derselben Sie hoffien mit dieser Verfassung der erfchrat. ruffenfreundlichen Partei freien Spielraum zu ver schaffen und das gelang ihnen auch. Die Verfassung wurde später modifizirt; allein bas Unglüd Bulgariens lag eben nicht in seiner Verfassung, sondern in seinem Verhältniß zu Rußland .

Nun tommt das seit lange Befürchtete; Rußland fest fich an der Donau fest und schiebt sich wie ein Keil zwischen bie Balkanstaaten ein. Die westlichen Mächte siad babei in der unangenehmen Lage, dies bulben zu müssen, oder einen europäischen, ja Weltkrieg zu entzünden. Das ist das Schwierige und Bedenkliche der Situation.

Und unsere Offiziösen mögen die 3wangslage Deutsch. laubs mit noch soviel Auswand an Wig und Worten ver theidigen: Die Dulbung des russischen Vorschreitens ist und bleibt eine Folge der Einverleibung Elsaß . Lothringens nach dem französischen Krieg. Ueber diese Einverleibung mag man souft benten, wie man will, bie eine Schattenfeite tritt im Valaufe der europäischen Entwicklungen und Verwidlungen immer schärfer hervor: wir haben die Hände nicht mehr fret gegen die russischen Uebergriffe, weil wir die beleidigte franzöfifche Nation hinter unserem Nüden zu fürchten haben.

Daran ist nun freilich für den Augenblick nichts zu ändern. Die warnenben Stimmen, die sich schon während bes franzöfifchen Krieges erhoben, sind seinerzeit überhört und verlacht worden, usb heute haben wir mit der fertigen Thatsache zu rechnen. Aber die bringendste Aufgabe ber beutschen Diplnmatte sollte es boch wenigstens für die Bus funft fein, fich aus den Feffeln denn es sind nur Feffela- des russischen Bündnisses frei zu machen, um so mehr, als felbft bie öfterreichische Freundschaft burch die

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auch nicht das Geld mit vollen Händen zum Fenster hins auswerfen, ich muß Sorge tragen, daß mir genügende und ficher angelegte Rapitalen für die Bukunft bleiben. Er werbequellen befize ich nicht und ich habe weber Renntnisse noch Luft, ein Geschäft zu grünben oder mich an einem berartigen Unternehmen zu betheiligen."

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übertriebene Nachgiebigkeit gegen Rußland in die Brühz geben fönnte. Sollte es sich bewahrheiten, daß nunmehr England eine attivere Rolle in der Balkanpolitik zu über nehmen geneigt ist, so wäre die Grundlage zu einem deutsch öfterreichische glifchen Bündnisse gegeben, an dem alle n maßungen Stußlands scheitern müßten, ohne daß Deutschland für seine selbstständige Saltung gegen Rußland einen russisch - franzöfifchen Angriff zu fürchten hätte.

Arbeitsbürfen.

§ Die Wiener ,, Deutsche 3tg." bringt folgende Ausführung. welche marches Interessante en bäit:

Am 1. September ist zu Amfterdam die erste Arbeitstörse der Welt in's Leben getreten. Die Aufgabe einer solchen Ein richtung darf als befannt vorausgelegt werden: Durch dieselbe foll die Stellenvermittelung zwischen Unternehmer und Arbeiter, ber Entwidlung der modernen Industrie entsprechend, erweitert, möglichst zentralifttt und vereinfacht, sowie verbilligt werden; namentlich sollen die Arbeiter von der schamlosen Ausbeutung durch Private dadurch geschüßt werden, daß das Inftitut vom Staate oder der Gemeinde geschaffen und verwaltet wird. Es ist noch im frischen Gedächtniß Aller, welche Aufregung fürzlich bie nachgerade zur Blutsa zgerei gewordene Art der Bariser Stellenvermittelung durch Privatagenten unter den dortigen Relinern hervorrief. Um die Aufregung zu beschwichtigen, vers Sprachen die Pariser Behörden den Kellnern, die Einrichtung einer Arbeitsbörse in's Auge zu faffen; ist ist aber natürlich Alles wieder fill geworden. Der Gedanke ist schon alt; berelts im Jahre 1845 hatte ibn ter gegenwärtig in Paris lebenbe belgische Voltswirth Molinari geäußert, aber natürlich ohne Erfolg. Seitdem haben ihn die organisirten Arbeiter der meisten Länder au dem ibrigen gemacht und fie reichen sich bier die Hände mit ein fichtigen Unternehmern, die der Sache durchaus freundlich gegen überstehen. Selbst in Spanien hat fürzlich der demokratische Abgeordnete Montero Rios von einem einschlägigen Plane ge sprochen. Aber Belgien und die Niederlande allein werden ben Subm haben, der Sache ernstlich und energisch nabe getreten zu fein. Die weiteste theoretische Erörterung fand der Gedante eigentlich in Belgien . Dort traten im Januar 1885 Bertreter der Arbeiterschaft mit Bürgermeister Buls, Molinart und Pro feffor Denis in Unterhandlungen. Das Ergebnis war ein von bem Legtgenannten ausgearbeiteter Entwurf. Die Brüffeler Gemeinde sollte die Verwaltung der Arbeitsbörse in die Hanb nehmen. Neben der Stellenvermittlung follte ein Nachrichten bienft cingerichtet werden, welcher den Stoff zu einer stetig au ergänzenden Arbeitsstatistit liefern und den Arbeitern die ge­naueste Aufllärung über die zu erwartenden Arbeitsbedingungen geben könne. Die Sache schien völlig reif; wir haben jedoch von der Verwirklichung des Buls'ichen Blanes nie wieber etwas gehört. Amsterdam scheint der belgischen Hauptstadt zu vor gelommen zu sein und sich die Vorarbeiten der legteren au Nuge gemacht zu haben denn die Organisation feiner Arbeitsbörse entspricht ganz dem belgischen Projekte. Wer bel

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füllen, weil ich einige Ausgänge zu machen habe, die nicht verschoben werden dürfen."

Wie ungalant!" schmollte V.sena.

Ich muß die Damen tausendmal um Entschuldigung bitten, wenn ich fte verlasse," sagte der Baron, der Tag hat für mich heute etwas spät begonnen und

Er beendete den Sah nicht, mit einer Berbeugung ents

" Davon laun ja auch feine Stebe sein! Vielleicht Tommi boch noch eine Mitgift heraus, Herr von Gottschaltfernte er sich. wird ja selbst einsehen, daß er baran nicht vorbeikommen fann."

Wir wollen das gebulbig abwarten," erwiderte Werner, der feine Wanderung wieder aufgenommen hatte. I wünsche jetzt nur noch, fobalb wie möglich zu heirathen, da mit ich in Ruhe tomme."

Der Baron trat rafch aus Fenster und blidie auf die Straße hinunter, eine Equipage war wenige Sefunden vor her vorgefahren. Sollte dieser Besuch uns gelten?" fragte er. Wer

"

tönnte so früh

So sehr früh ist es nicht mehr," unterbrach Werner ibn spöttisch; aber auch er blickte überrascht auf, als in diefem Moment Konstanze und Verena eintraten.

Wir fuhren gerade vorbei, das erklärt allein unsern Besuch, sagte Konstanze, ihrem Verlobten die Hand reichend und den alten Herra mit einer leichten Verbeugung grüßenb, ,, vielleicht hast Du die Güte, uns zu begleiten."

Wollen wir nicht in den Salon gehen?" fragte Werner mit einem bedeutungsvollen Seitenblid auf den Vater, der raschungen nicht liebte.

Und thätest Du es nicht, so könnte ich nicht noch ein feine Toilette noch nicht beendet hatte und solche Ueber­

mal aus folchen Verlegenheiten Dich befreien."

Parole d'honneur, Warner," betheuerte der alte Herr, bor ben Spiegel tretend. Es ist betrübend, daß ich solche

Der Blick Konstanzens streifte den Gelbfchrant, er be= gegnete nur für die Dauer einer Sekunde dem Blid Wozu die Umstände," erwiderte sie, fich in einen Seffel

Berfprechungen geben und mich in jeder Weise einschränken Berenas. muß, aber Dir mache ich leinen Vorwurf deshalb, denn

to see ein, daß Du recht hast. Wenn damals mein niederlassend. Hier isi's gemüthlich, bleiben wir hier. Also Buber ehrlich gehandelt häite, so brauchte ich Dich nicht Du wirst uns begleiten, Werner?"

zu behelligen; aber daran läßt sich nun auch nichts mehr

antern."

"

"

Wohin?"

H

Wir wollen Einkäufe machen."

Ungalaut ist Werner nicht," sagte Ronstanze, er würde gewiß meinen Wunsch erfüllen, wenn ihn nicht trife tige Gründe davon zurüdhielten. Ich habe noch eine zweite Bitte, aber ich spreche sie nicht gerne aus, vielleicht ist es beffer, wir fahren wieder nach Hause, um das Vergessene zu holen."

"

Was ist es?" fragte Werner rash.

fie mitzunehmen."

" Eine Kleinigkeit," erwiderte Verena, Papa gab und gestern Abend fünfhundert Thaler und wir haben vergeffen, Ist es weiter nichts, so lann ich ja aushelfen," sagte Werner, an den Geldschrank tretend, bazu bedurfte es keiner langen Einleitung."

Ich gebe Dir das Gelb heute noch zurüd," entgegnete Konstanze, bie sich hastig erhoben hatte und jest hinter ihm and, es liegt in meinem Schreibtisch, ich begreife felbst

nicht, daß ich es vergessen fonnte."

Man denkt als Braut stets an andere Dinge!" scherzte Verena. Werner hatte den Schrank geöffnet, bie Blide ber bein ben Mädchen ruhten auf den Werttpadeten, den Banknoten und Golbrollen.

"

Gold oder Papier?"

Stimme.

Banknoten," erwiderte Konflanze mit leife zitternber Stimme. Was enthalten denn die vielen Badete?" Vielleicht Liebesbriefe aus früheren Jahren?" fügte Verena hinzu.

Nicht doch, nur Wertbpapiere, Staatsschuldscheine unb Obligationen," antwortete Werner gleichgiltig, während er

Dig einschränken mußt," sagte Werner ernst. Ich kann zudem kann ich auch schon deshalb Deine Bitte nicht erreichte. Ich halte diese Kapitalanlage für die folibefte,

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