Beilage zum Berliner Volksblatt.

Mr. 221.

Die Revolution" in Spanien  

entpuppt fich beute bereits als ein ganz ungefährlicher, planlofer Butsch, der für die unficheren poltti chen Zustände Spaniens  immerhin bezeichnend fein mag, der aber faum über die Haupt ftabt binaus weitere Kreise ateben dürfte.

Der Verlauf des Militärtrawalls war nach der Natio nal 8tg." folgender: Ein Theil des in der Kaserne San Gil in Madrid   liegenden Infanterie Regiments revoltirte am Sonnabend und plünderte die Kaffe. Bwet dwadronen Kavallerie machten mit den Emrö: ern gemeinschaftliche Sache, während die Difiziere dem Fortschreiten der Revolte vorzu beugen suchten. Die aufrührerischen Soldaten verließen bie Kaserne. nachdem mehrere D'fiziere verwundet worden waren, und zwar matschitte ein Theil der Aufrührer nach dem Pardo, während der andere die Straßen der Hauptfiabt unter dem Rufe: Es lebe die Republik  !" durchzog. Unter den Bürgern berrschte Banit, die Theateroor ftellungen wurden abgebrochen. Die Insurgenten versuchten das Arsenal zu plündern sowie fich der Kasernen und des Südbahnhofs zu bemächtigen, wurden fedoch zurückgewiesen und zerstreut, als die royalistischen Trup pen unter der Führung des Generals Pavia   eintrafen.

Ueber die Unterbrüdung des Krawalles meldet man ber Röln. 81g." aus Madrid  , 20. September, ausführlicher: Der Butsch, mit dem gestern Nacht die Republikaner   unsere Hauptstadt beimzusuchen versuchten, ift durch die große That traft und Schneidigkeit des Generals Pavia   rasch unterdrückt worden. Unter Führung des republikanischen Brigadiers außer Diensten Villacampa verließen gestern furz vor Mitternacht Aweihundert Infanteriften mit einigen Dfizieren und etwa 60 Ravalleriften, diese zu Pferde, aber ohne Dffisiere, ihre Ra ferne, und suchten sich der Artillerielaserne zu bemächtigen und Die Artilleristen für ihre Bwide zu gewinnen. Die übrige Garnison wurde von General Pavia  , der sofort von dem Bor gefallenen Kenntniß erhalten hatte, alsbalb alarmirt, erwies fich als zuverlässig und freu, und nun eilte Pavia   fofort mit 3 Bataillonen den Aufrührerischen nach und zerfprengte fte schnell, ba tein ernstlicher Widerstand geleistet wurde. Es gelang, etwa vierzig Gefangene zu machen. Gleichzeitig batten Biviliften fich zu aufrührerischen Trupps versammelt und unter andern den Oberfien Grafen Mirasot er mordet und einen Dberfilieutenant schwer verwundet. Auch diefer Leute wurde man schnell herr. Die Rube ist augen blidlich vollständig wieberhergestellt; in der Broving scheint fte nirgends gestört worden zu sein.

Der Imparcial" bemerkt, die Vorgänge überfliegen ihrem unerwarteten, finnlofen und unbegreiflichen Gepräge nach alles, was in diesem an ,, Verirrungen" so fruchtbaren Lande bisher Dorgelommen sei. 300 Soldaten verließen auf den Rato un belannter Bersonen ihr Lager, liegen ihre Difigiere im Stich, burchellten ohne eigentliches Biel die Stadt, nahmen den Bahn bof um Mitternacht in Befiß, wichen vor dem ersten Angriff süd und wurden zerstreut, ohne Widerstand zu leisten.

Die neuefte vorliegende Nachricht lautet:

Madrid  , Dienstag, 21. September. Ueber die Proving Rru Raftilien ist der Belagerungszustand verhängt worden. Bestern wurden hier 85 Militärpersonen und 19 Biviliften ver

baftet.

Lokales.

Die vermehrten Lotterieloofe haben schon Gewinne eingebracht, noch ebe fle gesogen find, allerdings nicht den Spielern, fondern ben tommunalen und dem ftaatlichen Steuerfädeln. Befanntlich waren aus Anlaß der Vermehrung Der Loose eine ganz bedeutende Anzahl von Bewerbungen um bie Uebertragung der neuen Lotterietolletten eingegangen. Hierbei mußte der Nachweis eines Vermögens von 60 000. Don dem Bitifteller geführt werden und zur Herbeiführung Dieses Nachweises fanden gewöhnlich geschäftliche Rorrefpondenzen awifchen ben verschiedenen Behörden und in der Regel auch mit dem heimathlichen Magistrat des Bittstellers statt. Dieser entbedte nun den ungeahnten Wohlstand des Lotterieafpiranten, unb fonnte biefem auch die gewünschte Rollette nicht gewährt werden, so schäßte man thn boch wenigstens in die ent prechend höhere Steuerftufe ein. Biele Kommunen sollen bei Diefer Belegenheit gefunden haben, daß die Bahl threr über

Ein Liebesopfer.

Erzählung

DON

Georg Reben.

Der Inspector des Armenkirchhofs stand vor der Kirch­hofsthür und amüsirte sich über die brolligen Späße feiner beiden Bubel, welche sich um einen Knochen herumbalgten. Plötzlich versetzte er den Raufbolden je einen berben Fuß­tritt, daß sie heulend auseinanderstoben.

Sein Gesicht,

noch eben in hellster Weltfreude strahlend, nahm plöglich bie büftere Amtsmiene an, die er sonst in Gegenwart ber armen Teufel von Leibtragenden, welche biefe Friedensstätte bes Elends betraten, fast immer vergaß. Und was die Untergebenen des Herrn Inspectors, die da wußten, daß er diejenigen, welche in sein Revier tamen, immer wie bös­willige Schuldner zu behandeln pflegte, am meisten ver wundert hätte: Seine Amtamiene war zugleich ehrerbietig, ia entschieden devot. Bum ersten Mal in seinem langjährigen Beruf machte der Herr Inspector eine tiefe Berbeugung. Die Ursache dieses raschen Stimmungswechsels war eine Equipage, welche vor der Eingangsthür hielt.

gefchlungen waren.

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Mittwoch, den 22 September 1886.

60 000

. befender Rapitalisten bei Weitem größer ift, als man bisher annabm.

Die Friedrichstraße von der südlichen Seite der Weidendammer Brücke bis zur Ueberführung der Stadtbahn, ausschließlich der südlichen Einfahrt zu der Abfahrtsseite des Bahnhofs Friedrichstraße   wird bebufs Erneuerung des Holz pflasters vom 25. b. M. ab bis auf weiteres für Fuhrwerke und Reiter gesperrt." So lautet eine eben etlaffene amtliche Belanntmachung. Die bezeichnete Strede bildet ein unentbehr liches Verbindungsglied in der einzigen direkten Straße zwischen Norden und Süden. Hier ergießt fich der Verkehr vom ganzen Norden nach dem Bahnhof Friedrichstraße. Es ist eine der allerlebhafteften Striden in Berlin  . Jeber Umweg ist nicht nur sehr zeitraubend, sondern eine Höllenpein, da er durch die entfeglich gepflasterte Stallstraße führt. Es ist deshalb fett ( chon bringend darauf hinzuweisen, daß die Erneuerung des Holzpflasters mit aller nur denkbaren Beschleunigung erfolge.

Das Polizeipräsidium bat fich schon vor einiger Beit vera laßt gefeben, gegenüber der drohenden Choleragefahr Bor fichtsmaßregeln zu treffen, die, wenn fie auch Manchem unbe quem, im Allgemeinen sehr dankenswerthe Anerkennung gefunden haben. Deffenungeachtet find die sanitären Bustände feineswegs derart, daß wir dem event. Herannaben dieser ver beerenden Epidemie ohne Besorgniß gegenüberstehen dürfen. Jft in Berlin   auch Manches gethan, um ein Festlegen der Seuche zu verhindern, so trifft dies boch feineswegs in ben umliegenden Ortschaften zu. In Pankow   werden der Bolls­Big." zufolge z. B. mit feltener Ausdauer Zustände inszenirt, Die die für Berlin   gegebenen fanitären Vorsichtsmaßregeln mit belgendem Hohn verspotten. Die nach Schönhausen   führende Schloßftraße wird von zwei flachen Gräben begrenzt, bie tros Desinfektionspulver so peftartige Dünfte verbreiten, daß viele Baffanten fich genöthigt sehen, die Mitte des Straßendammes aufzusuchen, um athmen zu fönnen. Troy aller Beschwerden ist es nicht gelungen, die maßgebenden Behörden zur Beseiti gung dieses Beftherdes zu bewegen; möchte der Herr Polizei präfident doch von einer fo gefahrbrohenden Nachbarschaft gelegentlich Kenntniß nehmen!

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Eine Beleidigungsflage mit heiterem Hintergrunde ift fürzlich einem hiesigen Rechtsanwalt zur Führung vor dem Gericht übertragen worden. Ein junger Mann, Buchhalter in einem Bankgeschäft, hatte jabrelang über seine Verhältnisse hin aus flott gelebt und da er fein eigenes Vermögen besaß, so war ihm nur noch die Aussicht geblieben, seine immer unge ftümer brängenden Gläubiger durch eine reiche Heirathspartie bezw. einen Theil der Mitgift zu befriedigen. Der Zufall war thm auch günstig, denn er lernte einen alten Wittwer fennen, der neben einem schönen Vermögen eine, wenn auch nicht mehr gang junge und auch nicht allzugütig von der Mutter Natur ausgeftatlete Tochter besaß. Der alte Herr war gutmüthiga ge nua, bem jungen Manne, der ihm offen seine momentane 3: ld verlegenheit lagte, einige Hundert Thaler au leiben, um fie, wie er sagte, dem Echwiegerjohn in spe von der einstigen Mit gift in Abzug zu bringen. Gefiel es dem alten Manne und ber Tochter schon nicht, daß der junge Mann nach Empfang bes Darlehns fich nur selten ließ, fo flammten fie in Empörung auf, als fte erfuhren, daß er von feiner sulünftigen Braut nur sehr geringschäzend sprach und fie alte Schachtel" und Vogelscheuche" nannie. Daß unter diesen Umständen der Water des so gekränkten Rädchens den jungen Mann gericht. lich belangen will, ift ganz erklärlich. Wie es mit der Einllagung des Dailehns steht, ist noch zweifelhaft, da der alte Herr fich weber eine Empfangsbescheinigung baite geben laffen, noch die Burüderstattung der Summe zur Bedingung

machte.

Muthmaßlich gestohlener Schmud. Am 21. v. Mis. erschien ein unbekannter junger Mann in einem hiesigen Ju welierladen und bot einen aus mattem Golde gefertigten Schmud, bestehend aus einer Brosche, zwei Dhrringen und einer Busennabel Brosche und Dbringe mit unechten Bril lanten besett zum Kauf an. Nachdem der Inhaber des Geschäfts fich mit dem Berläufer babin geeinigt hatte, daß lepterer gegen Abend wiederlommen, feine Legimationspapiere mitbringen und den vereinbarten Kaufpreis für die im Ge warfam des Juweliers zurückgelaffenen Prettofen in Empfang nehmen solle, entfernte fich ber Unbekannte unter Burücklaffung feines auf Haustnecht Franz Hausberger aus Wien  " lauten den Dienfibuches und ist nicht wieder zurückgekehrt. Die

Der Herr nahm den Arm feiner Begleiterin und folgte schweigend dem Inspector, der einige Schritte voranging und vom Tisch seiner Dienststube eiligst eine Weinflachse verschwinden ließ.

Während das Paar wartete, schlug der Inspector ein großes Register auf.

höflich.

Wann ist Herr Conrad Rolffs gestorben?" fragte er

Das Wort Herr" war ein Prädikat, welches er in gleichen Fällen sonst für durchaus überflüssig hielt. Er starb im Jahre 1867."

Eine

" Hm! Das find schon neunzehn Jahre her. lange Beit! Es ist nicht unmöglich, daß bie Leiche in zwischen wieder ausgegraben worden ist, denn wir haben hier sehr wenig Blaz

Der Herr preßie die Lippen zusammen, als wollte er Seine Begleiterin sah ihn eine Bewegung unterbrüden. besorgt an, hielt seine Hand in der ihrigen und sagte leise und innig: Werner!" Richtig, hier steht's! Conrad Nolffs. Maurerge

felle

" Ja!"

Selbstmorder?"

Es ist mein Vater!"

Der Inspector war sprachlos vor Erstaunen. Dieser

Eine Equipage vor dem Armenkirchhof das war noch nicht dagewesen, so lange er hier ben Hausvater" spielte. Aus dem Wagen fliegen ein Herr und eine Dame. feine Herr, der in einer Equipage vorfuhr, war der Sohn ber Herr in Empfang nahm. Es waren eigenartige Kränze: Der Diener reichte vom Rutscherfig zwei große Riänze, die des Maurergesellen und Selbstmörders! Welch seltsame Berirrung ein Schlichte Epheublätter, zwischen denen weiße Alpenveilchen wenig mit Verachtung gemischt, die er vor Allem hatte, was mit den fillen Bewohnern seines Kirchhofes irgendwie Herr denjenigen an, welcher von dieser Würde vollkommen feinen gewohnten Umgangston zurüdverfallen, aber die Ich möchte gern den Inspector sprechen," rebete der in Verwandtschaftsbeziehungen fland. Er wäre beinahe in vornehme Haltung des Herrn imponirte ihm boch. Er über­legte einen Augenblick, ehe er fagte: Es kommt hier faft nie Berzeihung, mein Herr. mals vor, daß Kinder nach ihren Eltern fragen. Es scheint, Wenn Sie gestatten, baß das Grab noch erhalten ist. führe ich Sie dorthin.

burchbrungen war.

Der bin ich selbst."

von Conrad Rolffs finde." Bielleicht tönnen Sie mir angeben, wo ich das Grab

Der Inspector verbeugte sich nochmals. tommen. Es dürfte nicht leicht sein, die Grabstelle zu fin Darf ich die Herrschaften bitten, in mein Bureau zu ben, indeß ich werde mein Möglichstes thun."

Der Herr Inspector hatte gewiß Recht, daß hier faft niemals Kinder nach ihren Eltern fragten. Wo sollten die

III. Jahrg

Schmudjachen haben einen Werth von 120 Mart und dürften geftoblen sein. Es ist bis jest nicht gelungen, den Eigen thümer derselben zu ermitteln, und sind auch die Nach forschungen nach dem angeblichen ausberger erfolglos ge wesen. Die Eaten werden auf dem Kriminal Rommiffariat verwahrt.

In manchen Städten exiftirt noch feit alter Zeit ein Wahrzeichen in Gestalt einer Reule, Die fich gewöhnlich an einem Thore befindet und die Aufschrift trägt: Wer seinen Kindern gibt das Brot und leidet später selber Not, ben schlag mit dieser Keule tot." Des Befizes einer solchen Antiquitat erfreut sich auch die Stadt Müncheberg  . Mit dieser Reule ge fah nun vor etwa 14 Tagen etwas ganz Ungewöhnliches. Sie war nämlich eines schönen Morgens von dem Drt, wo fle feit Jahrhunderten gehangen, verschwunden, und wurde auf Dem Marktplay, glüdlicherweise in unversehrtem Bustande, auf gefunden. Gang Müncheberg   war entrüftet ob dieses Frevels, und mit Eifer forschte man nach den Thätern. Eine alte Frau wollte in der Nacht drei Hoboiften des Elisabeth Regiments von dem ein Theil daselbst gerade Manöverquartiere bezogen batte, in verdächtiger That bemerkt haben. In der That ftellte es fich am Morgen heraus, daß brei Mufiler dieses Regiments die Urheber des genialen Streiches gewesen waren. Mehrere Tage Arrest waren der Lohn für das in jener ehrfamen Stadt noch nie dagewesene Beginnen.

Etn schwerer Unglücksfall mit wahrscheinlich tödt­lichem Ausgange ereignete fich aestern Vormittag 11 Uhr auf dem Grundstück Kronenftraße 36. Dort wird auf dem zweiten Hof ein großes Gebäude aufgeführt, in deffen zweiter Etage der Maurer Rangler beschäftigt war. Bei der Arbeit flürste er aus dem Fenster auf den Hof binab und blieb bier anscheinend innerlich schwer verlegt regungslos liegen. Der Berunglüdte, welder nur noch schwach athmete, wurde per Droschle nach der Charitee überführt. Man fürchtet, daß St. inzwischen verstorben ist.

Eine ältere Dame lam vorgestern Abend am Rosenthaler Thor badurch, daß fie auf eine leichtfertig auf bas Trottoir geworfene Pflaume frat, fo unglücklich zu Fall, daß fie nicht im Stande war, fich au erheben. Swet Schußleute hoben die Dame auf und führten fte zu einer Droschte, um fte nach ihrer Wohnung in der Joachimftraße zu fahren.

Eine Jerfinnige, welche fich mit der fixen bee trägt, Königin von Preußen" au sein, belästigte im Laufe des Sonntags Nachmittags mit wiren Anreden die Spaziergänger auf dem Königsplas in aufdringlicher Weise. Schließlich baranguirte fie den Kastellan der Siegessäule, indem fte als Rönigin von Preußen" freies Entree zum Befteigen der Säule beanspruchte. Da die Unglüdliche burch gütliches Bu reben zum Aufgeben ihrer Forderung nicht zu bewegen war, wurde fte schließlich durch einen Schußmann zur Wache fttrt. Hier stellte sich sehr bald heraus, daß man es mit einer Frre finnigen zu thun habe, und erfolgte die Ueberführung derselben nach der Königlichen Neuen Charitee. Die Unglüdliche war gut gekleidet, in den mittleren Jahren und scheint den befferen Ständen anzuhören.

In Mannheim   finb vier Personen wegen Taschendleb ftabls verhaftet, welche höchft wahrscheinlich einer internationalen Gaunerbande angehören. Einer derfelben ist ein Italiener Im Alter von 30 Jahren und ant fich Giuseppo Ferrero aus Broatto in der Proving Afti, der zweite ein Belgier Antoine van den Berabe, 24 Jahre alt, der dritte ein Schweizer  aus Bern  , Jean Petié, 24 Jahre alt, und der vierte Franzisko b'Aris, ein Spanier aus Albons in der Broving Gerona, 30 Jahre alt.

Sonft und jetzt. Während man fich beut beim Vor rüden ber Cholera nach Norden aller Orten mit fanitären Bor fichtsmaßregeln zu ihrer Abwehr richtet, waren die Maßregeln gegen Beftgefahr in früheren Beiten sehr simpler Natur. Der Magiftrat von Nürnberg   z. B. erließ unter dem 10. Auguft 1666 folgendes Detret: Demnach die tägliche Erfahrung leider bezeiget, welcher geftalt durch Bolles gerechte Straff und Berhängniß die erbärmliche Such der Bestilent an vielen Daten je länger je mehr einreift und dieser Landen und Gegend fich näberf, man babero Ursach, durch Reu und Bus auch inbrünftig Gebet Golt in feine Born Ruthen   zu fallen und um gnädige Abwendung solcher wohlverdienten Straff inbrünftiglich zu billen und anzuruffen; Als läft ein Wol ebler, Gestrenger und hochweiser Rath dieser Stadt von

Eltern auch hier zu finden sein. Die meisten Gräber waren kahl oder nur mit fpärlichem Rasen bedeckt. Und selbst diese waren häufig zerfallen, und nur eine dünne Sandschicht über dem Erdboden bezeichnete die Stelle, wo ein Unglücklicher von seinen Leiben   ausruhte. Nirgends eine Cypresse oder auch nur eine Blume. Rein Grabstein war auf dem weiten Kirchhofsfeld, nur eine kleine Holz= tafel, auf der eine Nummer stand. Namenlos hatten diese Menschen gelebt, namenlos waren sie auch begraben. Der Inspector hielt vor einem Play, dicht an ber Kirchhofsmauer.

Hier ist das Grab."

" Ich danke Ihnen," sagte der Herr in einem Ton, ber wie eine Verabschiedung Klang. Der Inspector ging und beobachtete das Paar aus der Ferne. Die Zurückgebliebenen blidten auf einen verwahrloften Von dem Eichbaum, der die Kirchhofsmauer Erdhaufen. hoch überragte, hatte der Sturm einen Blätterzweig abgeriffen und, wie zum Schmuck, auf den Grabhüzel ge= fchleudert.

Sieh!" sagte der Herr zu seiner Begleiterin, bie Natur ift barmherziger als die Menschen!"

Ein Schmetterling kam herbeigeflogen und feste fich auf ein Blatt.

In diesem Augenblick wurde ein Schaufeln vernehm bar, bas verrieth, welche Arbeit wieder gethan wurde. Ein Anabe mit blaffen, vergrämten Zügen stand dabei und weinte bitterlich. Er streckte die Hände aus, als wollte er die Erde bitten, ihr Dpfer zurückzugeben.

mit

Ein Mann in grobem Arbeitsfittel ging in der Nähe

gleichgiltiger Miene auf und ab. Blöglich schien er ungeduldig zu werden und rief dem Rnaben ein barsches Komm!" zu. Es war sicher nicht der Vater, wahrschein lich nicht einmal ein Anverwandter, ein Vormund vielleicht, der dem Kinde noch fremd war. Der Knabe gehorchte nicht gleich, feine Gedanken schienen sich von dem frischen Grab­hügel nicht trennen zu können. Der Arbeiter stieß ihn uns fanft an." Romm!" wiederholte er und zog das schlucha zende Kind mit sich fort. Die Todtengräber packten ihre

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