Mr. 224.
Sonnabend, den 25. September 1886.
III. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
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Juftrirtes Sonntagsblatt"
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Das Berliner Volksblatt" sucht seine sich gestellte Aufgabe burch fachliche Behandlung der großen sozialpolitischen als auch der Tagesfragen zu erfüllen. Die gleichen Grundsäße leiten uns bei der Besprechung unserer städtischen Angelegen
beiten.
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Die Redaktion und Erpedition
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Feuilleton.
Ein Brillantenhalsband.
Ariminalnovelle von Ferdinand Herrmann.
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Der Pfandleiher Julius Wenbeland hat der Polizei den Aufenthalt des muthmaßlichen Mörders verrathen", sagte er, in der ausgesprochenen Absicht, sich damit die ausgefeßte Belohnung von tausend Mart zu sichern. Die Art und Weise aber, in der er selbst zu dieser Kenntniß gelangt sein will, erscheint mir burdaus unglaubwürdig. Das ganze Geschäftsgebahren dieses Mannes ist ein in so hohem Grabe berbächtiges, daß ich auch in diesem Fall nothwendig bas lebhaftefte Mißtrauen gegen ihn empfinden muß, und ich erbitte mir barum die Erlaubniß, der Sache ein wenig auf den Grund zu gehen, ehe ihm die Belohnung ausge haabigt wird."
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" Das würde ja ohnedies nicht so schnell geben! Aber ich ertheile Ihnen diese Erlaubniß ohne Weiteres, wenn schon ich Ihre Bedenklichkeiten in diesem Falle nicht theile. Der Pfandleiher hat die Annahme des Schmuds zurückgewiesen, weil ihm ein solches Geschäft in der That gefährlich scheinen mußte, und die Aussicht auf eine so glänzende Belohnung ist jedenfalls eine genügende Erklärung für seine Anzeige!"
Aber wie ist er zu der Kenntniß von Römer's Aufenthalt gelangt? Daß ihm der Verdächtige selbst keine Mintheilung barüber gemacht haben wird, ist sonnentlar unb ich schenke ber biesbezüglichen Versicherung des Berhafteten unbedingten Glauben. Er giebt an, den Schmuck für einen unverhältnißmäßig geringen Betrag an einen Unbe tannten verkauft zu haben, der ihn auf der Straße angehalten und ihn dann in irgend eine Spelunte geführt habe. Dieser Unbekannte sei der Einzige gewesen, welchem er seine hiesige Wohnung genannt, weil ihm Jener Flucht behilflich zu sein. Unter solchen Umständen liegt wahrhaftig die Bermuthung sehr nahe, daß das Rollier,
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Naturwissenschaften und soziale Entwickelung.
Ueber das Verhältniß dieser beiden Faltoren hielt Dr. Werner Siemens in der Naturforscherversammlung einen Vortrag, der Aufsehen erregt hat. Er führte darin aus( vergl. den Bericht in der gestrigen Beilage), daß namentlich die Naturwissenschaften es feien, die dem Kultur menschen von heute ein behaglicheres Dasein ermöglichten, fah Herr Siemens selbst ein, indem er gleich darauf betonte, als unseren Vorfahren. Daß bies nur relativ richtig ist, baß die technischen Fortschritte unter den gegenwärtigen Ver hältnissen oft zu Resultaten führten, die feineswegs erfreulich feien, wie z. B. das Brodloswerden so vieler Arbeiter durch bie Verbesserung der Arbeitsmaschinen. Daran knüpfte Herr Siemens die Behauptung, es feien Anzeichen vorhanden, daß wir ganz von selbst zu befferen Zuständen gelangten; bies beweise das Sinfen der Lebensmittelpreife bet wachsen erforderliche Menschenarbeit sei leichter und geringer gewor dem Rossum, die zur Herstellung der Bedürfnißgegenstände ben und die Menschen brauchten fünftig weniger zu arbeiten, nm ihre Lebensbedürfnisse zu gewinnen.
Das hört sich nicht so übel an, und es ist nur schabe, daß bem berühmten Naturforscher die Welt benn doch gar zu rofig erscheint.
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Wir sind die Letzten, welche die umwälzende Bedeutung der Naturwissenschaften verkennen, und wir wünschten nur, fie möchten weit besser gepflegt und verbreitet werden, als es der Fall ist. Wir bedauern aber, daß Herr Siemens ble manchesterliche Theorie des Gehenlaffens" auch den Naturwissenschaften an die Sohlen geheftet hat. Er meint, die durch die Technik bewirkten Umwälzungen würden ganz von selbst zu befferen Verhältnissen für die Arbeiter führen. Das ist es was wir bestreiten. Die Ersparung an mensch licher Arbeit durch die Maschine ist an sich ein gewaltiger Fortschritt. Aber sie wird für den Menschen, der sich burch seiner Hände Arbeit ernähren muß, dann zum Unglüd wer ben, wenn diese Hände nichts zu thun haben. Wenn wirk liche 3ivilisation herrschen soll, so müssen doch diese Hände beschäftigt werden. Und hier scheitert die Theorie bes Doktor Siemens. Denn die Beschäftigung für biefe Hände kommt eben nicht ganz von selbst", fondern es muß ein neuer Fattor eintreten, ber für Beschäftigung sorgt, der die Garantie für die Existenz der einzelnen Gesellschaftsglieder übernimmt. Nenne man diesen Faktor nun Staat, Gesellschaft oder Gefeßgebung gleich viel, er muß vorhanden sein, er muß eintreten, wenn die Entwickelung der Technik nicht zum Berberben vieler
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wenn auch auf einem beträchtlichen Umwege, bennoch in den Best Wendelands gekommen fei."
" Hum! Ihre Kombination ist zwar sehr fühn, Herr Rommiffar, aber fie hat doch wohl etwas für fich, meinte der Polizeirath nachdenklich: Da wäre es vielleicht am besten, schleunigst eine Haussuchung bei dem Pfandleiher Dorzunehmen."
Berzeihung, wenn ich anderer Meinung bin! Wendes land ist ohne 3weifel ein gewerbemäßiger Hehler; aber er weiß mit einer Schlauheit zu Werke zu gehen, welche es uns bisher ganz unmöglich macht, ihn zu erwischen. Er wird in diesem Fall, wo für ihn so viel auf dem Spiele steht, jedenfalls seine Vorkehrungen mit doppelter Borsicht getroffen haben, und die Hausfuchung, für die es überbies an einer genügenden rechtlichen Legitimation fehlen dürfte, würde sicherlich ganz refultatios verlaufen. Ich meine, man wird es schon auf einem Umwege versuchen müssen!" Nun, ich laffe Ihnen frete Haub! Es wäre fein geringes Verdienst, wenn es Ihnen gelänge, ben gefährlichen Sauner unschädlich zu machen."
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Noch im Laufe der Nacht traf die Antwortbepesche aus M. in der Hafenstadt ein. Man bat um die schleunige Aus lieferung des Verbrechers und ebenso um die alsbalbige Ueberführung des mit ihm verhafteten jungen Mädchens, welches indeffen mit möglichster Schonung zu behandeln sei, bda ein greifbarer Verdacht gegen sie nicht vorliege.
Man fonnte diesem Ersuchen nur insoweit willfahren, als die Person Bernhard von Römers babet in Frage tam, und er fuhr denn auch in der That schon mit dem nächsten Morgenzuge unter der forgfältigen Bewachung zweier Ari minalbeamten nach M. ab. Man hatte ihm und seinen bei den Begleitern ein besonderes Roupee angewiefen, wo seine unfäglichen Leiden wenigstens nicht noch burch die Neugier müßiger Gaffer gesteigert wurden. Die Schrecknisse der letten Nacht schienen ihn an Leib und Seele völlig gebrochen zu haben und in sich zusammengefunken brütete er während der ganzen langen Fahrt in regungslofer Apathie vor sich geheftet, und ohne ein einziges Wort mit seinen beiden ernst breinschauenden Begleitern zu wechseln.
Tausende gereichen soll. Denn ganz von felbft" kommt gar nichts. Herr Siemens stellt ben arbeitenden Klaffen das Biel: Höhere Löhne bei kürzerer Arbeitszeit!" Das ist schön und wir hoffen auch, daß dies kommt. Nur nicht ganz von selbst, benn jetzt gerade ist die Wirkung ber Maschinen, daß die Arbeitszeit fid verlängert und daß die Löhne finken . Das Verhältniß wird sich erst dann bessern, wenn man Maßregeln trifft, die es verhindern, daß die Ar beitskraft des Einzelnen beliebig und ohne Rüdficht auf dessen physisches und moralisches Wohlergehen ausgenutzt
werden kann.
Herr Siemens meint, eine reine Folge der Ersparung von Das Sinten der Lebensmittelpreise ist auch nicht, wie Arbeit burch die Maschinen. Es ist vielmehr eine Folge der finkenden Konsumtionskraft der Massen, die sich aus den finkenden Löhnen und aus der Arbeitslosigkeit ergiebt. err Siemens meint, der Ronsum sei in fletem Steigen begriffen. Das ist auch nur relativ richtig. Der Ronfum wächst als solcher, weil auch die Kopfzahl der Bevölkerung wächst. Aber wenn man sich vergegenwärtigt, welcher Rone fum zu einem halbwegs erträglichen Dasein gehört, so tommt ein ganz anderes Verhältniß heraus.
Wenn die Behauptungen des Herrn Siemens richtig wären, so föante auch nicht das Sinken der Kapitalrente eintreten, eine Thaisache, die er selbst beklagt. Woher kommt aber das Sinken der Rente? Doch nur baher, daß die Maffe an Ronsumtionskraft abnimmt, daß eine scheinbare Ueberproduktion eintritt und daß das Kapital viel fach nicht werbend im Produktionsprozeß auf treten fann, menigstens menigstens nicht so, daß ihm ein bedeutender Profit gesichert ist. Herrn Siemens scheint bies nicht recht zum Bewußtsein gekommen zu sein; indeffen meinte er, es fei Ueberproduktion an Rapital" vorhanden. Der fleine Geschäftsmann, dessen Krebit era schöpft ist, wird dies Wort wie eine bitere Fronte empfin ben. Das Rapital hat fich in immer wenigeren Händen tonzentrirt; bei diesen ist allerdings Ueberproduktion" vore handen und es macht ihnen oft Beschwer, wie und wo sie thre Rapitalien werbend verwenden sollen; andererfeits aber muß man auch sagen, daß die Massenarmuth, im Verhältniß zu den modernen Lebensgewohnheiten, taum jemals auf einen solchen Grab gefliegen war, wie gegenwärtig.
Das Rechenerempel, das Herr Siemens machte, scheint sehr einfach. Er fagte: Wenn die Lebensmittelpreise finten und die Löhne bleiben wie zuvor, so ist das so gut, wie eine Lohnerhöhung. Schön gesagt; aber die Preise sinten gewöhnlich erß, wenn auch die Löhne schon gefunken find. Die Ronkurrenz der Unternehmer hilft bie Waarenpreise herabzudrücken, der Ausfall muß durch Ersparung an den Produktionskosten, resp. bnrch Berringerung des Arbeits
Er ahate vielleicht, daß zu derselben Beit im Krankenhaufe der Hafenstadt Else in wilden Fieberphantaften auf ihrem Leibensbette lag und daß wohl hundertmal in herzerreißenden Lauten sein Name über ihre brennenden Lippen fam.-
Es war am britten Tage nach der Verhaftung bes muthmaßlichen Mörders, als in bem mit prahlerischer Ele ganz eingerichteten Arbeitszimmer des Reatters und Stadt verordneten Nicolaus Hofferichter zwei Männer in ernstem Gespräch bei einander faßen. Der eine von ihnen, ein großer, breitschultriger Mann mit hartem, start! nochigem Geficht, war ber Herr Stadtverordnete selbst, und man konnte sich kaum einen größeren Gegensatz vorstellen, als ben zwischen ihm und seinem Gegenüber, einem zierlichen, faum mittelgroßen Manne von etwa vierzig Jahren, ber fowohl in den feinen durchgeiftigten Sügen seines blaffen, bartlosen Gefichts, wie in feiner Kletoung, feiner Haltung und seinen Bewegungen ebenso sehr das Gepräge wahrer Bornehmheit trug, als das Aeußere des Herrn Stadtver ordneten von dem Gegentheil Renntniß gab. Hefferichter hatte sich als Schlächtermeister sein sehr beträchtliches Ber mögen erworben, und er hatte, als er fein Geschäft aufgab wohl eine pruntvolle Wohnung im elegantesten Viertel der Stadt beziehen und sich mit allen Attributen des Luxus und der Vornehmheit in verschwenberischer Fülle umgeben fönnen, aber er war nicht im Stande gewesen, auch feinen inneren Menschen und seine Art, sich zu einer angemessenen Weise umzuwandeln. geben, in einer Wenn er schon früher unter seinen Berufsgenoffen für besonders roh und ungeschlacht gegolten hatte, so war in diefer Beziehung durch seine veränderten Lebensgewohn beiten und feinen vornehmeren Verkehr nur sehr wenig an ihm abgeschliffen worden. Aber die Welt, die nun einmal gewöhnt ist, sich vor dem Glanze bes Golbes zu beugen und anbetend niederzufallen, wo bem Gößen Mammon eines seiner gleißenden Standbilder errichtet ist die Welt nahm auch an der Derbheit, ober beffer gefagt Rohheit, bes ehe den mindesten Anstoß. Sie wurde vielmehr als ein une zweldeutiger Ausbruck hervorragender Bieberkeit, Gradheit
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