Beilage zum Berliner Voltsblatt.

Br. 226

Lokales.

B

$.03

B

Ausstellung des Straßenbahnvereins. Berbunden mit der Bersan mlung ift eine interessante Ausstellung von Mo bellen, Beichnungen, Photographien, Plänen, Fabrilaten und Entwürfen, die verhältnismäßig reich beschickt in. Boran steht eine anf bnline Kollektion bezüglicher Gegenstände, die die Große Berliner Pferdeeisenbahn Gesellschaft aufgestellt hat. In die Augen tritt zunächst ein Tableau, worin die verschieben farbigen Fabrbillets aujammengestellt find. Darüber hängt ein in gößeftem Maßkab angefertigter Blan von Berlin , worin farbig alle Pferdebabnlinien und Depots eingezeichnet find. Außerdem ba die Gesellschaft den Blan eines Etagen. Pferde Balles für 200 Pferde, sowie verschiedene Schienenprofile aus aeftellt. Im Anschluß an diese Sammlung ist eine neue Er­findung zur Erleichterung des Anziehens für die Bferte, ins besondere für solche vor Bferdebahnwagen, ausgeftellt, die große Beachtung in technischer, wie wirthschaftlicher Beziehung findet. Es wird diese dem Ingenieur Wilhelm Wernigb( Berlin ) paten tirte Antriebsvorrichtung in einem Modell vorgeführt, nach dem Das Problem durch eine höchft einfache Ronftruttion gelöft ift. Die Kraft zum Bewegen eines Pferdebahnwagens beträgt bei Anwendung der Antriebsvorrichtung nur die Hälfte des jeßigen Kraftaufwandes des Pferdes; dieselbe lann jedoch je nach dem Ueberlegungsverhältniß des die Kraft übertragenden Doppel hebels vergrößert oder vermindert werden. Der neue Apparat ift bereits verfuchswelle felt längerer Beit auf einer Linie der Großen Berliner Pferdeeisenbahn Gesellschaft in Gebrauch. Bon hiesigen Fabrikaten tritt aunächst Herr F. Edert mit seinen Fabritaten aus aus schmied. barem Eiſengus, sowie mit seiner Straßenlehrmaschine und feinem Schneepflug hervor. Sehr umfängliche Ausstellungen baben von auswärts die Phönig Attiengesellschaft für Berg. und Büttenbetrieb in Laar bei Rubrort a. b. und das Eisen und Stahlwert au Dinabrüd geliefert. Die Sammlung der erfteren getat befonders 18 Stahlschienenprofile, die in vers schiedenen Theilen der Welt, in Berlin , Röln, Barbados , London und Manchester , Melbourne ac. zur Anwendung ge Lommen find. In der Osnabrüder Sammlung ist besonders beachtenswerth ein Schienerprofil für Straßenbahnen, bei welchem jeder Schienenstoß vermieden wird. W. R. Rowan bat ein Wagenmodell mit beweglichen Achsen für Kurven von 40 Metern, sowie einen Sondensationsapparat für seine Dampf wagen, Sie hier auf der Kurfürstendamm Allee nach dem Grunewald bin laufen, ausgestellt. Die blefige Fabril für Pferdebahn Betriebsmaterial von H. Grengel hat u. A. eine neue Weiche und eine Schußvorrichtung an Bierbebahnwagen, die vom Ingenieur Peiser der Großen Berliner Pferdeelfen. babngesellschaft fonftruist ist, ausgestellt. Bu erwähnen find noch hübsche Sammlungen von Schmiergefäßen aus Meffing und Eisen der Fabrik von Reifert in Köln , von Gummipuffern, Betroleumfadeln aus Gußeisen, Wagenlaternen und anderen Beleuchtungsapparaten. Auch hat die Berlin Hamburger Salouftefabrit ein hübsches Tableau von Hölzern für Straßen pflasterung ausgestellt. Unter den Ausstellungen auswärtiger Pferdebahrgesellschaften führt der Direktor der Breslauer Straßenbahngesellschaft, Dito Büfing. Detaillirte Pläne eines größeren Bahnhofes, forte eine intereffante Sammlung von Schienen, Laschen, Nägeln und dergl. in ihrem abgenugten Buftande vor.

Gegenwärtig wird die Greifswalder Straße regulirt. Die Straße erhält auf jeder Seite einen 4 Meter breiten Bür gerfteig, rechts und lints einen breiten Fabrdamm und in der Mitte eine mit Bäumen bepflanzte Promenade. Nur die Georgengemeinde(!) weigert fich, den alten baufälligen Baun thres Kirchhofes um die erforderlichen 4 Meter zurüdjurüden und den babinter liegenden Streifen frei au geben. Der awischen der an der Baufluchtlinie liegenden Leichenhalle und bem an der Straße entlang führenden Baune liegende Streifen wird zum Theil zur Ablagerung von Schutt und Dünger, sum Theil vom Kirchhofßgäriner zur Aufstellung seiner Blumentöpfe benust. Auf diesem Streifen liegen aber noch ein paar Rin bergräber, von deren Hügeln allerdings leine Spur mehr zu feben ift. Die Anverwandten taben fein Anrecht mehr an Diese Gräber, weil die Verjährungsfrist längst verftrichen ift. Die letzten Leichen find an jener Stelle bereits im Jahre 1847 beerdigt worden, Da das Arrecht der Angehörigen an die

Am Fenster.

Ein Straßenbild von Ludwig Thaden. [ Nachdruck verboten.]

Man hat gesagt, daß, wenn von unserer heutigen Kultur auch nichts auf die Nachwelt fäme, als eine Num mer der Times, man doch aus dem Inhalt sich annähernd ein Bild würde machen können von dem Leben des moder­nen Menschen und wie er auf Erden sich eingerichtet hat. Entsprechend würde auch für denjenigen, dem es nie ge= stattet worden, aus seinen vier Wänden heraus zu kommen, ein Blid aus einem Fenster meiner Wohnung genügen, um ihm auf einem Raum von einigen hundert Quadrats metern alles das zu zeigen, was den Stolz des neunzehn ten Jahrhunderts ausmacht, dem wir den größten Theil der Annehmlichkeiten und Bequemlichkeiten unferes tägs lichen Lebens verbanken; er würde ihm den Menschen von heute zeigen faft von der Geburt bis zu seinem Tode, in Freud und Leid, in seiner ganzen viel verzweigten Thätig feit, in seiner Blüthe und Entattung, in allen Phasen der Entwidelung.

Was zunächst ins Auge fällt, ist freilich meistens nichts weniger als anmuthend- alles grau in grau, graue Dächer, graue Seitenmauern, graue lang sich dahinziehende Straßenseiten, Ruß, Rauch und Staub. Dann hebt aus dem Dunft zunächst eine Kirche fich empor aus rothgrauem Backstein mit kahlem, schmudlosem Thurm und einem Hof, von dem nur einige Baumwipfel und ein schmaler Rafens Zipfel für uns sichtbar bleiben. Hinter ihr nach rechts hin behnt eine große Gasanstalt sich aus mit langen Arbeits­hallen, hochragenden Gasometern und noch höheren Schlö­ten. Jer zur Seite wälzt die Spree ihre dunklen Fluthen bahin, Rähne, Dampfer und Flöße tragend. Von der Brüde, welche breit und massiv über den Fluß her sich wölbt, fällt nur noch die nördliche Ede in unsern Gesichts­

freis.

Links begrenzt die gegenüberliegende Seite der Straße eine Mädchenschule mit einem großen Hof. Ueber die Straße hinweg fährt in niedrigem Bogen die Stadts bahn, hoch durch die Luft eine Telephonleitung mit viel­leicht zwei bis drei Dutzend Drähten. In der Ferne glän­zen die Scheiben eines großen Bahnhofs.

Dienstag, den 28 September 1886.

Gräber nur 30 Jahre währt, so hat der Kirchenroth bereits fett 9 Jabren das Verfügungsrecht über diese Grabstellen. Nun besteht aber eine alte Bei ordnung, koß Kirchhofs land erst 20 Jahre nach dem Erlöschen aller privaten Anrechte, also ins. gefammt 50 Jahre nach der Beerdigung der Leichen zu kau lichen oder Straßengweden benugt werden darf. Der Roum tann also frühestens in 11 Jahren enteignet werden. Der Kirchenrath tönnte aber geftatten, daß die Leichen ausgegraben und an anderer Stelle beerdigt würden. Darauf geht aber der Kirchenrath nicht ein. Der Magistrat hat sich des halb entschließen müfen, so weit der Kirchhof reicht, den einen Straßendamm um 1% Meter au verringern und einen ganz fchmalen Bürgersteig von 1% Meter herzustellen. So schneidet Der Baun des Friedhofes an der öftlichen Ede rechtmeintlich in ben neuen Fabrdamm hinein.

III. Jahry.

Cholera Epidemien grade der September häufig ein durch große Sterblichkeit fich auszeichnen der Monat gewesen, so trifft Das doch immer nur für solche Epidemien zu, die sich im Sommer eingestellt batten und dann bis in den Herbst hinein bauerten. Die Cholera muß fich also schon in den heißen Monaten eingeninet haben, um im Herbst gefährlich zu werden; bat fie aber im Herbst, zumal in einem mit solcher falten Tem peratur auftretenden, wie dem gegenwärtigen, fich noch nicht in Deutschland festgefest, so schwindet die Gefahr mit jedem Tage mehr, mit welchem wir dem Spätherbst und Winter ents gegengehen. Es liegt dies mit wesentlich daran, daß mit Ein fritt der tälteren Jahreszeit eine Menge die Rrantbeit be günftigende Momente in Wegfall tommen. Erkältungen und Diätfehler und deren Folgen lommen häufiger Ende Sommer und in den erfien Uebergangswochen vor, als im Herbst, wo fich Diät und Bekleidung schon mehr nach der lälteren Jabres seit eingerichtet haben. Ferner geht der Berseßungs- und Ber wesungsprozeß organischer Stoffe im Herbst und Winter nicht so rapide por fich, wie in ben belgen Moraten, außerdem ftellen fich die großen Luftreiniger, Regen und Wind, im Herbst häufiger ein. Alles das find Umstände, welche der Anstedlung und dem Einniften der Cholera in den späteren Monaten des Sabres entgegenwirken. Man braucht daher wegen des Auf tretens der Cholera in Ungarn fich gegenwärtig in Deutsch land nicht sehr zu beunruhigen, obwohl Boifttt jederzeit nüg lich ift. Schlimmer würde es aber für das nächste Jahr sein, wenn die Cholera in Ungarn überwinterte und im Frühjahr dort wieder ausbrechen würde. Dann würde eine Ausbreitung Der Seuche nach Norden zu, begünstigt durch die warme Wit fahr vorzubeugen dürfte vor Allem Sache unserer deutschen Sanitätsbehörden sein, und fte werden wohl auch darauf ihre Aufmerksamkeit richten.

Die Ausübung des Netentionsrechts spielt bei den großen Quartalsumzägen hier in Berlin stets eine große Rolle, namentlich in unseren Vorstädten, wo jeder Quartalsumzug eine fleine Völlerwanderung repräsentirt. Es erscheint daber jeitgemäß, darauf hinzuweisen, daß die vieloerbreitete Anficht, als fände der Polizeibehörde bezüglich des an den Effekten der Miether seitens der Vermiether ausgeübten Retentionsrechtes eine Einwirkung zu, eine durchaus irrthümliche ist. Das bem Vermuther eingeräumte Retentionsrecht ist leider ein gara unbeschränktes und ftebt daher den polizeilichen Organen tein Recht irgend welcher Intervention zu, ja, es ist denselben folde solche ausbrüdlich untersagt, selbst für den Fall, wo eine ungerecht fertigte Retinirung der Effekten vorzuliegen scheint. Es ist sehr begreiflich, daß zumal die fleineren Mieiber in ihrer Herzens. angft, wenn ihnen die nothwendigsten Betten, das Handwerksterung der Sommermonate, eher zu erwarten sein. Dieser Ge zeug u. bgl. unentbehrliche Dinge, welche sonst der Pfändung nicht unterliegen, retinit werden, fich zunäcft an das zu fändige Polizeibureau wenden und von bort bilfe erwarten, fte müssen aber abgewiefen und an das Gericht gewiesen wer ben. Db eine so weitgehende Berechtigung zur Pfändung wegen einer Brivatschuld der Billigkeit entspricht, tarf füglich be sweifelt werden und ist nicht abzusehen, weshalb bei einer Mietheschuld nicht ebenso wie bei jeder andern Sould die zum Leben und Lebenberwerb unentbehrlichen Gegenstände, wie Betten, Handwerkzeug u. f. w. der Pfändung und war von Dornherein entzogen, und der Polizeibehörde die Möglichkeit gegeben werden lönnte, zunächst einen modus vivendi zu schaffen, b. t. es zu verbindern, daß das Retentionsrecht auch an den fonft der Pfändung nicht unterworfenen Gegenständen aus geübt wird. Ebenso entspricht es faum der Billigkeit, daß in ftreitigen Fällen, wo die Berechtigung der Anfprüde noch richterlichem Spruch zu unterliegen bat, bem ,, beati possidentes" eine so weitgehende und oft verhängnißvolle Berechtigung eins geräumt ist, daß dem Schultner nicht nur die Verfügung, son bern sogar die Benugung seiner gesammten Effelten ohne Wei teres vom Gläubiger entzogen werden lann. Es würde jeten. falls genügen und augenblicklichen Verlegenheiten, auf welche cs häufig genug gerade abgesehen ist, vorbeugen, wenn bet er bobenen Mietbsansprüchen dem Vermiether das Recht zustände, die Effekten des Miethers mit Arrest zu belegen bis zu erfolgtem Richterspruch, welcher feft, uftellen hätte, welche Effelten event. der Pfändung und weiteren Verwerthung unterworfen werden sollen. Eine gefeßliche Regelung dieser namentlich für die weniger Bemittelten äußerst wichtigen und oft von unberechen baren Folgen begleiteten Verhältnisse dürfte unabweisbares Bedürfniß sein.

Ueber die Cholera schreibt der Rolls B'g." ein Mitar beiter: Erlauben Sie mir, Ihnen angesichts der in einigen Theilen der österreichisch ungarischen Monarchie herrschenden Cholera einige Beobachtungen mitzutheilen, welche ich binfich lich der Verbreitung der Cholera in einem längeren Beitraum gemacht babe. Wenn die Cholera in Budapest statt Anfang September im Juni, Jult oder Anfang Auguft aufgetreten wäre, so würde die Gefahr einer Verbreitung nach Deutsch land viel größer gewesen sein, als gegenwärtig; aumal da feit länger als einer Woche ein bedeutender Witterungsumschlag eingetreten ist und die sommerliche Hige einer sehr herbstlichen Frische, ja fogar Kälte in Thüringen ist in den legten Nächten schon vielfach eine dünne Eishaut auf stehenden Ge wäffern bemerkt worden wäffern bemerkt worden eingetreten ift. Ift nun talte Witterung auch nicht im Stande, die Cholera da, wo sie sich im Früsommer eingeniftet hat, zu erftiden und ist bet früheren

-

Das ist der äußere Rahmen, in welchem das Tages­getriebe mit stets wechselnden, stets fesselnden, stets neu an­regenden Bildern sich abspielt.

Es ist Morgens gegen vier Uhr. Die Sonne ist eben am Horizont emporgetaucht und färbt den östlichen Theil des Himmels goldig roth. In den Straßen ist es noch still, nur in langen Zwischenräumen holpern schläfrig einige Nachtbroschten vorüber. Die Spaßen lärmen, die Schwal­ben zwitschern, auf einem vorspringenden Giebel des Kirchen­daches schmettert flügelschlagend ein Staar fein Morgen­lieb der Sonne entgegen. Nun kommen schon einige Wa gen mit Grünkram, Gemüse, Fleisch, Butter und Milch vor­übergefahren, spät heimkehrende Nachtschwärmer mischen sich mit schon vom Bahnhof hereinschlendernden Fremden. Aus dem Innern der Stadt wird das Gebrause flotter, stärker, lauter und lauter, immer reger wird es auf der Straße, die Trottoirs beleben sich. Nun rollt bereits die erste Pferdebahn vorbei, Gefährt folgt dem Gefährt, leere Roll­Pferdebahn vorbei, Gefährt folgt dem Gefährt, leere Roll­wagen, Wagen mit Baumaterialien Steinen und ge löschtem Ralt- mit Eisen, Roblen, Bierfäffern. Brodauss tragende Jungen, Männer, Mädchen und Frauen im Ar­beitskleide eilen vorüber; nun kommen bereits die Kinder zur Schule gelaufen, die Mädchen mit der Büchertasche in der Hand, die Knaben mit dem Ränzel auf dem Rücken; die Läden öffnen sich. Die Stadt ist erwacht und das Tagesleben beginnt.

-

-

Wie dieses Tagesleben sich gestaltet der Großstädter merkt es faum. Er ist an den braufenden Strom des Ver fehrs mit seinen stets wiederkehrenden Typen und charakte­ristischen Erscheinungen fo gewöhnt, daß es schon eines ganz besonderen Anlasses bedarf, seine Gleichgiltigkeit zu besiegen besonderen Anlasses bedarf, feine Gleichgiltigkeit zu besiegen und sein Auge zu reizen. Erst bei fortgesetter, eindring licher Beobachtung werden wir uns bewußt, wie viel dort eigentlich zu sehen ist und aus wie vielen verschiebenartigen Einzelheiten das Schauspiel, das jeder Tag uns bietet, in seiner Totalität sich zusammensetzt. Dort hat eine Anzahl Frauen und Mädchen auf den Stufen und Wangen einer Freitreppe sich zusammen gefunden. Die Säuglinge, die nicht einmal fauber, aber sie sind gerade so hübsch und auf dem Arm tragen, find nicht fehr hübsch gekleidet, rofig, wie jener bort, der in bequemem Wägelchen von

Am Kottbuser Damm werden gegenwärtig die Grund flücke der Stadt- und Ringbahn zur Vermicthung als Lager pläge vom Eisenbahn Fistus ausgeboten. Dem gegenüber era scheint es angezeigt, darauf hinzuweisen, daß in nächster Belt mit Südficht auf die bei dem großen Brande in der Schinfe Straße bervorgetretene Feuergefährlichkeit von Lagerpläßen der Erlaß weitgehender polizeilicher Vorschriften für solche Lagers ftätten bevorsteht. Danach dürfte insbesondere die Lagerung Don Brennmaterialien und dergleichen von polizeilicher Erlaub niß abhängig gemacht werden, welche nur unter besonderen, jebe Feuergefährlichkeit ausschließenden Bedingungen ertheilt werden wird. Die Bächter von Lagerplägen werden sonach gut thun, gleich bei Abschluß der Pachtvern äge darauf Rüd ficht zu nehmen, daß ihnen durch Erfüllung der polizeilichen Vorschriften nicht unerhebliche Untoften entstehen tönnen.

-

-

Die naturwissenschaftliche Ausstellung, welche vor gestern Abend geschloffen wurde, ist im Ganzen von 6000 nicht aum Rongreß gehörigen Berfonen besucht worden; dazu tommen Die 4155 Mitglieder und Theilnehmer der Versammlung, die faft täglich die Ausstellung in Augenschein nahmen. Am Sonne tag allein erschienen daselbst 1000 Besucher. Die Kurrende ist wieder da! Wer verkennt nun noch Den Werth der Beit! Gang in der Stille von dem wider liven Geplärr abgefeben bat fich diese, von den Bettel mönchen, fahrenden Echülern und A..E.Schüßen des Mittel alters bergeleitete Institution neuerdings wieder unter der Sonne des 19. Jahrhunderts hervorgewagt, nachdem sie im Jabre 48 dem gewaltigen Umschwung der Dinge gewichen und nach einem fläglichen Versuch, fte während der darauffolgen Den Reaktionszeit wieder einzuführen, endlich Ausgangs der 50er Jahre von der allgemeinen Mißachtung eingefargt wor den war. Vorläufig scheint die wiedererstandene Rurrende die Weisung erhalten zu haben, auf der ersten Etappe für das Heil der sündigen Bewohner des Potsdamer Viertels zu forgen und zu singen. Seit einigen Tagen durchstehen, ganz wie vor nahezu 30 Jahren ausgerüftet mit den befannten schwarzen Kurrendemäntelchen, die modernen Bettelmönche an der Spize eines fromm breinschauenden Führers die Straßen des Potsdamer Viertels, auffden höfen fingend und betend fromme Lieder und, wie früher, spärlich fließende Gaben von der ver wunderten Buhörerschaft einsammelnb; laut schwagend und luftig lärmend, während der bagere Führer die Stimmgabel in die Weftentasche hineinstedt, schweift bann die erlesene Schaar weiter von Hof zu Hof. Verblüfft und unwillkürlich

-

Seide und Spigen verhüllt von der Amme aus dem Sprees walde vorbeigefahren wird. Dort vor der Kirche spielen eine Anzahl vier bis fünfjähriger Knaben und Mädchen durcheinander. Es sind einige unter ihnen, die nicht Strümpfe und Schuhe an den Füßen haben, andere im Sammethöschen, Röckchen und weißem Strohhut. Noch find die Standesunterschiede nicht zwischen ihnen ausgeprägt, aber auch sie sprechen schon von Geld und Gut, Reich und Arm. Schärfer wird die Differenzirung, sobald das Kind das schulpflichtige Alter erreicht hat. Dort hinein in die Schule jenseits der Straße verirrt sich nur selten ein Gold fisch. Die Kleider, welche die Schülerinnen tragen, find stets fauber, ftets fauber, aber wenig kostbar und wenig ele gant. Aber schauen wir nur ein wenig hinunter auf das Trottoir. Siehst Du dort das Dämchen mit dem Sonnenschirm, dem kurzen flatternden Kleibchen, dem zier lichen Hütchen auf den blonden Locken? Sie ist kaum acht Jahre alt, aber ahnst Du nicht schon das Modepüppchen von achtzehn Jahren in ihr? Und dort sind ja auch der Herr Papa und die Frau Mama er in hohem Hut, weißer Weste und schwarzem Leibrod, fie in weit nach hinten sich aufbauschender Seiden- Robe, im Affenjädchen, bas Kasuarhütchen weit auf der hochhinaufgekämmten Fri fur. In der Schule hat inzwischen das akademische Viertel begonnen, in hellen Haufen strömen die Schüle rinnen auf den Hof, jubelnd wirbeln sie durcheinander- rasch aber ordnen sie sich in enie lange Schlange zusammen und schreiten je fünf und sechs neben einander unter Auf­ficht einer Lehrerin ehrbar und gefeßt wie alte Damen bahin. Tollheit, Uebermuth, Tanzen, Lachen und Springen scheinen ihnen bereits gründlich ausgetrieben, selbst auf der Straße scheinen sie hübsch manierlich, ruhig und ernst. Um so eiliger hastet die ältere Menschheit vorwärts, besonders der Jünger Merkurs. Er ist stets wohlgekleidet und trägt ftets etwas unter dem Arm, wenn es auch weiter nichts ist als ein Regenschirm. Häufig begleitet ihn ein Dienstmann hoch bepackt mit Backen und Packetchen. Nicht so leicht au unterscheiden sind die verschiebenen anderen Gewerbetreiben den. Jener da mit der hohen Seidenmüße und der weißen Schürze ist freilich nicht zu verkennen er ist Fleischer ; der dort mit den schwarzen Händen und der ruffigen.

-