Beilage zum Berliner Volksblatt.

r. 227.

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Kommunales.

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Tagesordnung für die Sigung der Stadtverordneten­Bersammlung am Donnerstag, den 30. September cr., Nach mittags 5 Ugr. Vorschläge ds Ausschuffes für die Wahlen von unbesoldeten Gemeindebeamten 8wei Naturalisations gesuche Vornahme der Wahl von Mitgliedern für einige ftändige Ausschüsse der Versammlung, Verwaltung Deputation  und Ruratorien, sowie gemischte Deputationen Wahl des Berichterstattung Stadtverordneten Bo: fteher- Stellvertreters über die Vorlage, betr. Den Anlauf von Theilen der Grund ftüde Tempelhofer Ufer Nc. 18, 19 und 20 au Gemeindeschul weden Vorlage, betr. das Projekt zum Neubau eines Hos pitals nebft Sie nenanstalt für Männer auf dem Grundstüde an der Prenzlauer Allee desal., betr. die Bertbeilung der Binfen des Vermächtnisses des Königs Friedrich Wilhelm III. -besgl., betr. den Anlauf des Grundsuds Lindenstraße 16 zu Gemeindeschulzweden- besgl., betr. Die definitive Ver rechnung der Roften des Neubaues der Handwerkerschule Linden Straße Nr. 97/98- desgl, betr. Die Erstattung des Kaufgeldes für das Grundftüd Staligerstraße Nr. 55/56 aus dem Grund ftud- Erwerbungsfond- besgl, betr. Die Festsetzung einer Bau fluchtlinie für die Südostseite der Kruppstraße, amischen Leh ter und Rathenowerfrage besgl, betr. Den der Stadtgemeinde Berlin   aus landwirthschaftlichen Böllen des Etatsjahres 1885/86 überwiesenen Betrag- desgl., betr. die Verlegung des Rech nungsjahres der von Steinweb'ichen und der von Barner'ichen Stiftung von dem Kalenderjahre auf das Etatsjahr lagen, betr. Die Finalabschlüffe pro 1. April 1885/86 der Haupt laffe der städtischen Werle, sowie über die Verwaltung der ftädtischen Gasanstalten und bes Bentral Viehmarftes u. f. w. -Borlage, betr. Die Uebernahme eines Theiles der Holzmarkt gaffe in die städtische Verwaltung als öffentliche Straße und Die Festlegung von Baufluchtlinien für diese Straßenede besgl., betr. Die Abänderung des Bauplanes des Wohnhauses für den Verwalter der Desinfektionsanstalt an der Prenzlauer Allee Einige Rechnungen.

Vor

Das Kuratorium der städtischen Sparkasse macht be. Tannt, daß mit 8uftimmung der Stadtverordneten. Versamm Tung am Freitag, den 1. Dltober d. J., im Borderhause der Markthalle III, Bimmerftr. 90/91, eine 8weite Abtheilung der ftädtischen Spartaffe eröffnet werden wird. Für dieselbe gilt, wie für die bisherige Sparlaffe, welche fortan als Erfte Abthei lung in der Klofterfir. 68 fortbestehen wird, das Zweite revi birte Statut der Sparlaffe der Stadt Berlin   vom 27. Sep­tember 1877, bestätigt durch den Oberpräsidenten der Proving Brandenburg am 18, Ottober 1877. Auch für diese Zweite Ab theilung übernimmt in Folge beffen bie Stadtgemeinde, wie für die bisherige Sparlaffe die Garantie; die Beaufsichtigung berselben erfolgt durch den Magiftrat und die Stadtverord neten Versammlung, und die Verwaltung liegt bem genannten Kuratorium ob. Die neu begründete Bweite Abtheilung soll namentlich ben Stadttbeilen Friedrichsstabt, Dorotheenftabt, Friedrichswerder, Friedrichs- Vorstadt, Schöneberger Revier, Tempelhofer Revier, Moabit  , Wedding   und Befunds brunnen ermöglichen, etwaige Ersparniffe leichter nieder­aulegen und im Bedarfsfalle bequemer jurüdzunehmen. Die Sparlaffenbücher, welche die Bwette abtheilung ausstellt, find vollständig gleich den Spatlaffenbüchern der Erften Ab theilung; fie enthalten wie die leg eren einen Abbrud des re vibirten Sparlaffenstatuts vom 27. September 1877 und die Binstabelle, sowie die Blätter für die Eintragungen. Sie un terscheiden fich aber durch den Umschlagdedel, der bei der erften Abtheilung schwarz ist, bei der zweiten roth, und ferner burch die Nummern, welche fte tragen, und bis bei der Ersten Abtheilung awischen 1 und 500 000 liegen, bei der zweiten aber mit 500 001 anfangen und darüber, so weit nöthig, bin ausgeben. Im Laufe dieses Kalenderjahres find bei der Erften Abtheilung bereits eine Bahl von Sparlaffenbüchern für die Bweite Abtheilung an solche Sparer, welche im Westen der Stadt wohnen, ausgegeben worden; dieselben find wie die oben bezeichneten Bücher der Sweiten Abtheilung ausgestattet und geben mit dem 1. Dltober cr. an diese Bweite Abtheilung Alle über. Sie tragen die Nummer 500 001 und weiter. Einzahlungen auf Bücher ber 8weiten Abtheilung erfolgen in Bulunft, soweit fie nicht in einer Filiale oder Annahmestelle gemacht werden, ausschließlich in der Bwetten Abhei lung der Sparkasse, Bimmerstraße Nr. 90/91, auch ausschließlich alle Rüdzahlungen auf diese Bücher bewirkt werden. In gleicher Weise finden auch die Einzahlun gen auf Bücher der Ersten Abtheilung, welde nicht bei Filialen oder Annahmeftellen geschehen, und alle Rückzahlungen auf blese Bücher ausschließlich in der Klofterstraße 68 ftatt. Die Bweite Abtheilung der Sparkaffe ift, wie die Erfte Abtheilung, täglich mit Ausnahme der Eonn- und Fefttage und der beiden legten Geschäftstage jebes Monats von 9 Uhr Vormittags bis 2 Uhr Nachmittags und bis auf Weiteres Sonnabend Nach mittags zwischen 6 und 9 Uhr geöffnet. Jm erften Monat nach der Eröffnung der Sweiten Abtheilung findet die Um Schreibung von Büchern der Erften Abtheilung auf die B veite Abtheilung nicht statt. Das Kuratorium behält fich indeß vor, belannt zu machen, in welcher Weise dieselbe vom 1. No. vember b. J. ab bewirkt werden tann. Schließlich wird darauf bingewiesen, daß die beiden Filialen der Spartaffe und die 74 Annahmeftellen derselben unter den bisherigen Bedingungen und unter Garantie der Stadtgemeinde unverändert fortdauern und Einlagen wie bisher annehmen. Wer also in der glüd lichen Lage ift, Eriparniffe" zu machen und dieselben der ftädtischen Sparlaffe übermitteln will, der möge von vorstehen der Bekanntmachung Notiz nehmen.

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Lokales.

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Das Intelligensblatt. Basfirt man Nachmittags um die fünfte Stunde die Kurstraße, die Bimmerstraße oder den Drantenplay, so steht man eine Menge Leute auf und ab geben, oder in Thorwegen verweilen. Gruvpen bilden fle felten; meift geben fte eingeln, nachdenklich, mit zu Boden ge fenttem Blid. Bleiben fie auf dem Bürgersteig stehen, so werden fe von dem Schußmann auf den Straßendamm ge wiesen. Segen te fich auf eine Haustreppe, so vertreibt fte ber Bizewirth oder der Bortier. Auf dem Drantenplay lieft man in den Hauseingängen ein eigens dieser Leute wegen ange brachtes Blalat mit der Inschrift: Das Gigen auf den Treppen ift ftrengftens verboten." Man begegnet biefen Ge ftalten zu jeder Jahreszeit, mag die Sonne glühende Strahlen vom Himmel entfenden oder der Sturm eifigen Regen turd bie Straßen peltichen. Das buntgewürfelte Leben der Haupt ftabt tritt uns bier draftisch entgegen. Jene Leute find nur sum geringften Theil Berliner. Die meisten find seit fürzerer oder längerer Beit hier Eingewanderte. Einigen von ihnen flebt man es auf den ersten Blick an, daß fie frisch aus der Broving ftabt oder vom Lande lommen. So verschieben wie thre Heimath ift auch ihr Alter, thr Geschlecht und ihre typische

Mittwoch, den 29. September 1886.

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Erscheinung. Der eben der Schule entwachsene Rnabe Ireuzt den Weg mit dem altersgrauen Mann und das halbwüchstge Mädchen steht an der Straßenede oder im Thorweg neben der Matrone. In der Art der Kleidung giebt es eine Grenze nach oben und nach unten; man findet leine eleganten, aber eben fomenig ger lumpte Anzüge. In allgemeinen zeichnet sich der männliche Theil bier in der Kleidung vortheilhaft aus, auch tragen faft sämmtliche Männer, Jünglinge und Knaben, einerlei in welcher Jabreszeit, blant gepustes oder boch wenigstens sauber abgebürstetes Schuhwert, mag daffelbe auch sonst defelt sein. Gegen vier Uhr wächst die Menge der lauilos Wartenden, und je weiter die Uhr vorrückt, um so größere Bewegung bemächtigt fich der irrenden; ein Theil Drängt nach einem bestimmten Thorweg, der Reft verharrt auf der Straße. Plößlich erscheinen Frauen und Männer mit Beitungen, und im Nu verwandelt fich das rubige Straßen bild in ein wildes Chaol. Das ist ein Drängen, Stoßen, Greifen, Rufen, als wenn es gälte, Nachrichten zu erhalten, von denen Tod und Leben abhängt. Und in der That hängt Tod und Leben zuweilen für manchen davon ab, daß er das Bettungsblatt früher erhält als ein anderer. Das beweist fchon der lurze Polizeibericht an der Spiße des Blattes. Ein ftellungsloser Mann, beißt 3 da, bat fich aus Nahrungsforgen etschoffen oder ertränft, an dieser oder jener Frau ist ein Raub. mord begangen, ein Mann fant vor Hunger auf der Straße nieber, ein anderer wurde obdachlos hinter einem Baune et froren aufgefunden ein trauriges Regifter! Das ganze Elend der Hauptftabt ist in einem solchen Bolizeibericht in wenigen Betlen troden erzählt, und die Leute, welche, das Blatt in der Hand, nach den ausgebotenen Stellen fuchen, füblen ihre Anaft sich verdoppeln, wenn ihr Auge den Bolijet bericht ftreift. Ueber diesem Bericht aber steht, fett gedruckt, das Wort: Intelligensblatt". Es ist dies jenes Berliner  Annonsenblatt, in welchem Stellen für Köchinnen, Waschfrauen, Arbeiterinnen, Lehrlinge, Gesellen, Kellner, Handlungsgehilfen u. f. w., turz alle möglichen Dienste und Beschäftigungen ausgeboten und nach gesucht werden. Und die Leute, von benen wir reben, find eben folche, die, ohne Stellung oder Sonstige Beschäftigung, Arbeit fuchen. Je größer ihre Noth, befto elfriger drängen fie fich bier auf der Straße oder im Thorweg ber Expedition nach dem Blatte, damit ja lein an derer vor ihnen die vielleicht günstige Annonse lieft und auß­nügt. Sind fie in den Befts des Blattes gelangt, für das fie zehn Bfennig bezahlen, so durch fliegen fle, alles um fich her vergeffend, baffelbe in ben zitternden Händen haltend, mit brennenden Blicken die Kolumnen. Andere, welche nicht im Befige der zehn Pfennig find, suchen den beneideten Inhabern über die Schulter au schauen; aber nur wenige Gutmüthige find es, die fich ein solches Mitlesen eines möglichen Kon furrenten gefallen laffen. Die meisten miethen fich von einer Beitungsfrau für fünf Pfennig ein Exemplar des Blattes, daß fte jebn Minuten behalten dürfen, worauf es weiter an den Nächftftehenden zur Lektüre vermiethet wird. Unterdefen ent widelt fich auch in den nahe gelegenen Kneipen ein eigenthüm liches Schauspiel. Ropf an Ropf stehen hier die Leute, still, anbächtig, mit gespanntester Aufmerksamkeit lauschend, als ver nähmen fte eine begeisternde, berzer quidende Rede; mit Spannung laufchen fie auf die Stimme des Schankwirthes, der ihnen das Intelligenzblatt vorlieft. So lommt ihnen die Lektüre billiger zu fiehen; denn man fann für fünf Pfennig alles erfabren und noch eine Kleinigkeit bazu ge nießen. Draußen auf der Straße ist das Bild bunt farbiger als drinnen in dem rauchgeschwärzten Wirths. simmer. Hier vermag vermag man man das gedrängt ftehende Auditorium faum zu muftern, braußen aber treten einem bie eigenartigen Typen deutlicher entgegen. Der ftramme Bursche dort in der dicken Lederhose und den hoben Stiefeln, wohl ein Bierfahrer, lieft das Blatt langsam und gemächlich. Anders der langaufgefchoffene junge Mann, der hinter ihm ftebt. Er war Handlungsgehilfe in einem Geschäfte, das vor einigen Wohen fallitte. Trot allen Bemühens hat er noch immer leine Stelle gefunden. Seine Uhr, feine beften Sachen find versezt und die Kleider, die er anbat, eben noch in einem Bustande, um fich darin einem Prinzipal vorstellen ju fönnen. Noch wenige Tage, dann trägt er auch das faum entbehrliche Garderobenstüd ins Leibamt, und wer weiß, wie lange er barren muß, ehe er wieder ein wenn auch noch so bescheidenes Unterkommen findet. Ja, das Kleid, oder wie der Berliner  fagt ,, die Ruft" macht den Mann. Die Kluft! Wie wichtig und bedeutungsvoll fie beutzutage ist, das hat ein anderer junger Mann erfahren, der hier auf der Straße warten muß, bis sein Nachbar mit Lesen fertig ist und ihm das Blatt schent. Noch vor einem halben Jahre war er einer der fchmudften Kellner in einem großen ,, Rafé"; jest im Neußeren einem Landstreicher gleichend, nähme ihn lein Rellnerwirth in Dienft. So mancher, der hier im Intelligensblatt eine Stel lung sucht, hat sich das nicht träumen laffen in jener Zeit, 100 er als Gelehrter glänzte, als Rünftler gefeiert wurde. Mit seinem durch Entbehrungen getrüb. ten Auge schaut der frühere Gelehrte beute nach einer Stelle als Abschreiber bei einem Rechtsanwalt oder Notar. Der Pianift, welcher dereinst ob seines herrlichen Epiels ausgezeichnet wurde, sucht heute aus dem Intelligenz blatt eine Rneipe herauszulesen, wo er Abends gegen eine geringe Vergütung zweideutige Lieder auf dem Klavier be  gleiten darf. Und mancher, der als Beamter oder im Komptoir feine Untergebenen brüstiste, ist heute froh, wenn er eine Stellung als Diener findet. Bei vielen ist die Minute, in ber fie das Intelligensblatt lesen, für das ganze Leben entscheidend. Das blonde Mädchen dort, pas so einfach und sauber gelleidet ift, hat seine Stellung verloren, nicht durch eigene Schulb; eine gewiffenlofe Stellenvermittlerion brachte es in ein Haus, aus dem es um seiner Ehre willen fliehen mußte. Wenn Du feine Stelle findeft, tommst Du schon wieder", höhnte ihr das Weib Wenn Du feine Stelle findest", tönt es dem Mäd. chen jegt beim Durchlesen des Blattes ins Dhr. Wenn Du Wenn Du teine findeft?" Das mittellose Mädchen hat weder Freunde noch Belannte in der Stadt. Wer weiß, wie am bend, wenn es teine Stellung gefunden hat, die Antwort Schande oder Too? Vielleicht bringt das Intelligensblatt schon nach wenigen Tagen an der Spige bes Bolizeiberichtes die trockene Notis über den Selbstmord der Armen. Für den Glücklichen, der an dem innerften Leben der Hauptstadt achtlos vorübergebt, baben alle diese Geftalten leine. Bedeutung; er fieht einen Menschen athemlos dahinellen, das Beitungsblatt in der Hand, und denft vielleicht an einen fliebenden und verfolgten Dieb; er weiß nicht, daß der Mensch Dabinflürmt in der Jagd nach einem fargen Brot als Schreiber, Flaschenspüler, Hausknecht, nach einer der vielartigen, oft felt. famen Beschäftigungen, die eine Millionenstadt bietet, daß er dahinstürmt: um ehrlich au bleiben, um nicht zum Diebe zu

nach.

lautet

werden.

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Die Bildung eines Versicherungs- Inftituts gegen Wafferleitungs- und Kanalisationsschäden wird gegen.

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III. Jahrg.

wärtig, zunächst in engeren Kreisen unserer Hausbefizer leb baft besprochen. Die überall bestehende Einrichtung, baß der Buflug des Waffers von dem vor dem Hause liegenden Haupts rohr der Wafferleitung nur durch einen von der städtischen Verwaltung beauftragten Beamten geschlossen werden lann, bat Den Uebelstand im Gefolge, daß bei einer eintretenden Bes schädigung des Hauptrohrs oder der Röhrenleitung vor dem Hause das ausftiömende Waffer so lange fließt, bis der be treffende Beamte erscheint, was naturgemäß stets längere Beit dauert. Der dadurch angerichtete Schaden ist für den Einzelnen oder die wenigen Betroffenen immer ein recht erheblicher; die Kellerräume, die in solchen Fällen am übelften daran fad, werden gans überschwemmt, ihr Inhalt von dem Waffer ver Dorben oder schwer beschädigt und auch anderweit sind schon oft schwere Eigenthumsbeschädigungen an den Grundstücken durch Wasserleitungsschäden entstanden. Sind derartige Fälle auch selten, so ist die im Einzelfalle eintretende Beschädigung für den Betroffenen desto empfindlicher und man trägt ftb des balb mit der Abficht, unter den bleftgen Grundstüds befttern eine Berficherung gegen solche Schäden zu errichten. Die Beis träge würden, da derartige Unfälle immerhin nur selten find, ziemlich gering ausfallen.

Ein Viehmarkts.Bild. Der Vieh- Auftrieb auf dem ftädtischen Biebmattte war vorgestern eta toloffaler. In Folge der langen Dürre ist das Futter Inapp und der Landmann muß verlaufen. Die drei Riesenballen für Rinder, Hammel und Schweine waren vollständig gefüllt; die für Schweine wird schon wieder erweitert. Dem Rinderftande fab man recht an, daß der Landmann verkaufen muk. Ein Landmann et zählte, feine Rübe geben ist nur 1100 Liter Milde, ftatt 2000. Das Gewühl und der Lärm auf dem Biehhof war unbeschreibs lich. Das Bieb brüllte in allen Zonarten und die Treiber trabten schreiend mit ihren Hunden um die Wette nach allen Seiten; ein noch nicht benügtes Sujet mit entschieden maleris schem Anstrich für einen Juuftratur. Ebenso eigenartig find die Gefährte zum Biebtransport; ein Friedrichsberger Groß schlächter befst einen förmlichen fahrenden Stall. Am Eins gange zum Markte befinden sich auf beiden Seiten leichte, elegante Berlaufshallen- wie auf den Promenaden in den Bädern nur baß man hier ftatt Lugusgeger ständen Schlächter Utenfilien, Geschirre, Peitschen, Göde und derbe Kleidungsstüde fiebt. Ninasum liegen Reftaurants in Menge, auf deren Berlaufstischen Brachtbraten loden. Auch zu diet Hotels hat es die Gegend gebracht. Die Straßen führen landwirthschaftliche Namen, wie Tbaer- und Elbenaerftraße und find bereits gut bekannt. Ein fri, cher Luftzug geht durch diese Bergftraßen.

Zwei wunderschöne blühende Oleanderbäume besaß ein in der Reichenbergerstraße wohnender Großd stillateur, Bur befferen Bfl ge wurden die beiden Bäume täglich auf den sonnigen großen of getragen und zu beiden Seiten der nac bem aweiten of führenden Hausthür aufgestellt. Hier auf bem Hinterhofe hatte ein Holz und Koblenhändler seinen vers fäuflichen Vorrath und außerdem einen Stall, in welchem fein werthvollftes Betriebsjett, nämlich ein Pferd fich befand, von dem Jedermann in der Nachbarschaft wußte, daß es biffig war und gerne alles antnabberte, was in die Nähe feines Maules gerieth; sein Herr hatte deshalb Krippe und Wagendeichfel mit Eisenblech befd lagen laffen, traf aber leine Anstalten, dem biffigen Thier einen Maulforb zu beschaffen, was jedenfalls nur übelwollende Nachbaren damit ertiärten, daß der Gaul durch einen Maulforb um einen guten Theil seines Futters, den er sich bei jeder Gelegenheit auf der Straße zusammenstabl, tommen würde. An einem der legten Zage waren nun wieder die Dleanderbäume an ihren Blas getragen worden; aber schon nach einigen Stunden mußte der Bestßer der felben aufeinem Schreden wahrnehmen, daß der eine total gerbrochen und fahl gerupft, und der andere in der Krone gründlich zer sauft war. Der Uebeithäter war nicht zu ermitteln, nur batte man das zurücklehrende Fuhrwert des Kohler händlers bes merkt, bas auch einige Beit in der Nähe der Bäume gebalten batte. Diesmal sollte der Gaul indeffen seine unbezähmbare Freßluft mit dem Leben büßen. Schon am Abend deffelbigen Tages lag er verendet im Stall zum großen Leidwesen seines Herrn und nach zehn Uhr fam der bekannte Wagen des Abe beckers, um die sterblichen Ueberrefte nach Rigoorf zu schaffen; Der schwankende Karten fubr zwischen den geinidten Dianbets bäumen hindurch. deren Blätter mit ihrem narkotismen Gift bem Pferde den Tod gegeben batten. Der Tierarzt fanb seine Vermuthung, daß die gefressenen Oleanderblätter die Todes ursache wären, bei der Deffnung des R..bavers bestätigt.

Die Visitenkarte des Winters. In der Morgenfrühe am legten Sonntag ist der erne Frost bet Berlin   eingetreten; am Rande unserer beiden großen Landseen, Müggelsee und Tegeler Gee, ist etwas schwaches Eis bemerkbar geweien, auch war an einzelnen Stellen das Erdreich einige Bentimeter ge froren. Gereift batte es bereits in einigen fternflaten Nächten auvor. Der Froft hat den Georginen und den feineren Pflaumen an den Bäumen etwas gefchabet. Such die wilden Enten sammeln fich auf beiden Seen und die Kraniche ziehen hoch in den Lüften, alles Vormert. Der falten Jahreszeit.

Ja Friedrichsfelde   wird in der Werkstatt des Tischler meifters Bohl in der Friedrich- Karl Straße 11 Stunden täg lich gearbeitet, trozdem während der vergangenen Jahre so viel um eine 9Xftündige Arbeitszeit gekämpft worden ist. Natürlich leiden hierunter auch die Befellen in anderen Wert flätten, denn ihnen wird die längere Arbeitszeit in obiger Werkstatt stets vorgebalten. Es wäre daher Pflicht der in fener Wertftatt beschäftigten Gefellen, wenn fte energisch für eine Verkürzung der Arbeitszeit eintreten würden.

Unter ganz eigenthümlichen Umständen wurde am Sonntag Abend nach der Vorstellung im Univerfum ein Baletotmarder arretirt. Das Berl. Tagbl." schreibt hierüber: Als fich der bis dahin überfüllte Saal allmälig leerte, trat plöglich an einen hilslohnkellner ein Mann mit ängstlichen Beberben beran und bat, thn möglichst schnell in den Garten binauszulaffen. Der Kellner öffnet bereitwillig die fonft ver fchloffene Gartentbur, und jener entfernt fich fchleunigft. Gleich barauf fällt dem Kellner Die frappante Aehnlichkeit feines Ueberziehers mit dem von jenem Ranne getragenen auf, und richtig, fein Baletot ift hinter dem Buffet verschwunden. Schnell eilt er dem Flüchtling nach; aber, o web! Ein Rud des Gauners- und der Kellner hat ein Stüd seines Klei bungsstückes in den Händen. Auf sein Hilfegefchrei lommen schließlich Schuyleute und Nachtwächter herbei, und es gelingt, ben Marder au fangen. Es stellte fich nun heraus, daß er noch awet Ueberrode angezogen hatte, für die ihm augenscheinlich auch nicht das Maß genommen war; wenigftens reichten die Mermel des einen über seine Hände hinaus. Ob wohl der Ge richtshof, dem er demnächst vorgeführt werden wird, die Ents fchuldigung, die er bei seiner Berbaftung vorbrachte: Nee, feblen wollte id nich; es war man bloß ein Spaß aus jugendlichem Leichtfinn!- glauben wird?