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Nr. 231.
Sonntag, den 3. Oktober 1886.
MI. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das„ Berliner Volksblatt"
erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus vierteljährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Postabonnement 4 Mart. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit der illustrirten Beilage 10 Pf. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1886 unter Nr. 769.)
Redaktion: Beuthstraße 2.
Soziale Kurpfuscherei.
Es ist ein eigenthümlicher Bufall, baß bie zwei Ron greffe, auf denen sich die Vertreter der herrschenden Klaffen mit ben sozialen Fragen beschäftigen, zu gleicher Beit tagen. 3u Frankfurt find die Rathebersozialisten ( Verein für Sozialpolitil) beisammen, während zu Lüttich ein tatholisch sozialer, von vielen Bischöfen befuchter Rongreß beräth, wie den arbeitenden Klassen geholfen werden kann.
Es ist interessant, die beiden Versammlungen nach ihren Ideen und Grundsäßen zu vergleichen. Man tommt dabei, wenn man über unsere ökonomischen Verhältnisse unter richtet ist, zu dem Resultat, daß beide Versammlungen höchst überflüssig, wenn nicht insofern nüßlich find, als fie dar Legen, wie es beiden Richtungen sowohl an gutem Willen wie an dem nothwendigen Verständniß fehlt, Ersprießliches zu schaffen.
In Frankfurt finden wir die Vertreter der liberalen und halbliberalen Bourgeoisie, die sich wie gewöhnlich mit Frage ber Wiederherstellung eines Lebens
ber
fähigen
zu
Mittelstandes beschäftigen, während fte boch tagtäglich burch ihren Großbetrieb bie Lebensfähigkeit Des Mittelstandes verringern. Die Professoren, die diesen Rongreffen anwohren, haben gewöhn lich die Aufgabe, die Bourgeois- Weisheit in Formeln zu bringen. Diesmal warf man auf dem Kongreß der Rathes berfozialisten die ländliche Frage auf und da brängte fich denn auch gleich jener Sombart hervor, der schon feit vielen Jahren die publizistische Welt mit seinen„ been" von der Wiederherstellung eines wohlbabenben Bauernftandes beläftigt. Dieser Herr benkt oberflächlich genug, um au glauben, mittelft fleiner Bauerngüter, bie man neu errichtet, fönne man den Kleinbetrieb in der Landwirthschaft erhalten. Dabei fand er bie ländlichen Verhältnisse leidlich rosig und meinte fogar, die Bauern hätten meaiger Schulden als die Grundbefizer. Die Versammlung fam über Sombarts, Be. banken" auch nicht hinaus und Profeffor Schmoller fab fein Ideal barin, daß man aus dem Tagelöhner einen Pars zellenbauer, einen Häusler mache. Diese Herren scheinen noch noch mit so mächtigen 3öpfen versehen зи fein, baß fie gar nicht bemerken, wie die Barzelle heute schon eine völlig überwundene Bewirth fchaftungsform it; fie hat heute hauptsächlich die Wirkung, daß fie die technischen Verbesserungen und Entdeckungen, die feit Jahren der Landwirthschaft zugewendet werben, von einem großen, vielleicht bem größten Theil der Bobenbes wirthschaftung ausschließt, oder beffer gesagt, eine gefunde und zeitgemäße Entwidlung der Landwirthschaft aufhält. Die Parzellenwirthschaft tann hente nicht mehr das erzielen,
Radbrud verboten.
Feuilleton.
Die weinende Sultanin.
( Uebersegung von L. Wechsler, Budapest .) Berzeibe, geliebter Leser, daß ich gleich damit beginne, um Entschuldigung zu bitten; boch pflüge ich diesmal nicht mit meinem eigenen Vieh( wie es in der Heiligen Schrift heißt), sondern will ganz einfach den Verlauf eines sonder baren Wettftreites schildern, der zwischen einem Manne mit einer bösen Bunge und einer Dame mit der Galle einer Taube ftattgefunden.
Den Gegenstand des Wettstreites bildete das Thema wie Frauen beschaffen find".
Insertionsgebühr
beträgt für die 4 gespaltete Petitzeile oder deren Raum 40 Pf. Arbeitsmarkt 10 Pf Bet größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinkunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Bimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen- Bureaux, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.
Expedition: Zimmerstraße 44.
was den Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht und so bricht sich der Großbetrieb naturgemäß Bahn, während der Kleinbetrieb einem langen und grausamen 3erfegungsprozeß verfallen ist. Herr Sombart nennt sein Projekt innere Rolonisation" und will die Ausführung den Parzellenbanern übertragen, während Herr Profeffor Schmoller die Zuver ficht hat, die Errichtung von Häuslerwirthschaften würde tas ländliche Proletariat vor der Sozialdemokratie bewahren. Und was die Beiden sich auf diese tief gesponnene Weisheit zu Gute thun!
An den Kongreß fozialer Doktoren in Lüttich hat der Papst ein Schreiben gerichtet, in welchem er fagt, daß er in feinen Encylliken schon die wahren Heilmittel für die sozialen Uebel gezeigt habe. 1500 belgische Ratholiten haben ihm dafür noch ein Dankestelegramm gefandt. Diese merkwürdigen Belgier hätten doch aus den Verhören und Berichten der bekannten staatlichen Arbeiter Rom mission etwas mehr über die ökonomischen Zustände ihres Landes erfahren tönnen, als aus dem Rundschreiben des heiligen Vaters. Der Lütticher Bischof, der dem Ron greffe präfibirte, hielt eine Ansprache über die Pflichten der leitenben" Rlassen und meinte, wenn man überall ben fatholifden Glauben befenne, im privaten wie im fozialen Leben, dann sei eigentlich bie soziale Frage und gelößt schon bas Materielle" set nur noch Für Bistöfe mag bas nebenfächlich. zutreffen, aber für Arbeiter? Diese Herren in Lüttich machen sich bie Sache auch gar zu leicht; sie behaupten, die Ursachen der fozialen Krifis feien vor allem moralischer" Natur. Folglich müßten auch die Heilmittel moralischer" Natur sein. Das ist die bequemfte Art von Sozialreform", bie ohnebies noch den Vorzug hat, daß fie teine besonderen Roften macht. Ratholische Affoziationen" wurden empfohlen und der Bischof Rorum sprach auch viel von Kranten und Unfallversicherung. Damit ist der Gefichtskreis dieser Herren abgefchloffen und man fann sich nur einigermaßen wundern, wie ein so gefcheidter Mann wie Herr wundern, wie von Schorlemer Ift babet fizen und all diese Weisheit als solche ruhig verbauen tann.
3u Frankfurt und Lüttich dieselbe Rathlosigkeit, ber selbe enge Gefichtskreis, derselbe Mangel an Ber ständniß. Es ist ja Mode geworden, soziale Fragen zu biskutiren und da muß man mithun. Wir wollen nicht bestreiten, daß auf beiden Rongreffen manche schönen Worte gefallen find. Aber was will das heißen? Leben wir benn nicht gerade in einer Beit, wo Ueberproduktion an schönen Worten vorhanden ist? Man will heute Wohlthätigkeit sehen; die schönen Worte geben fich dann ganz von selbst.
Dies thun Sie nur, damit das letzte Wort an Sie Tommen fönne."
Man verleumbet uns, daß dies fets auf uns tommt. Beginnen Sie mein Herr."
So vernehmen Sie denn, Madame, die Geschichte der weinenden Sultanin.
In Marokko lebte einst ein sehr geliebter Sultan . Er war nicht darum sehr geliebt", wie wenn seine Unterthanen eine sonderliche Liebe für ihn gehegt hätten, sondern aus dem Grunde, weil er nicht weniger als achtzehnhundert Frauen im Serail hatte. Ich glaube nun, daß sich berjenige, ben von Haus aus"( wie man in Marotto zu sagen pflegt) achtzehnhundert Menschen lieben, mit vollstem Rechte geliebt
nennen tann.
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zu Lüttich bilden sich auch wohl ein, daß ihre Auslassungen von ungeheurem Einbrud auf die Arbeitermassen sein wer ben! Wenn fie nur einmal in einem der dürftigen Lotale, wo fich die Arbeiter von ihrem Tagewerk erholen, Mäuse den fein" und ungesehen zuhören tönnten, wie sich die Arbeiter äußern, wenn sie sehen, daß ihnen wieder und wieber moralische Heilmittel" oder auch gar Eatfagung" empfohlen werben! Angenehm würde das Gehörte weber für die Herren von Lüttich noch für die von Frankfurt flingen.
und der Krankenversicherungszwang.
§ Wie wir bereits berichteten, hat das Weltesten- Rollegium auf infrage des Magiftrats die Einführung des Kranten versicherungsawanges für Handlungsgebilfen widerraiben. wir achten gewiß jede Meinung, soweit sie den Einbrud chr licher Ueberzeugung und gewissenhafter Begründung erweckt. Bet dem Gutachten des erwähnten Kollegiums wird es aber schwer, an beides zu glauben: so sehr stehen die darin ange führten Behauptungen mit der Wahrheit in Widerspruch.
Bunächst müffen wir ganz entschieden dagegen Einspruch erheben, daß das Meltestenkollegium jenen ganz unberechtigten Dünfel noch fünftlich zu nähren versucht, der von der Gehilfen. fchaft bisweilen dem einfachen Arbeiter gegenüber gebegt wird. Daß ein Kaufmann etwas anderes ift, als ein Arbeiter, weiß natürlich jedes Rind, aber in wirthschaftlicher und sozialer Be siebung" einen solchen Unterschied zu tonftruiren, daß beide von ber Gefeßgebung ganz verschieden behandelt werden müßten und daß in der gleichen Behandlung eine berabwürdigung" und Entmündigung" au fchen wäre, bas belst benn doch das Maß alles Eclaubten überschreiten. Das Gutachten der Welteften entwirft freilich ein sehr fonniges Bild von der Lage der Handlungsgehilfen, Die alle sehr bald Aussicht hätten, selbstständig zu werden und Die deshalb durch viel feftere Bande mit der Unternehmer fchaft verbunden scien, der fte einft felber angehören würden. Wen täuscht man aber mit solchen Schönfärbereien? Diese Bustände find gewesen. Taufende von jungen Kaufleuten tönnen heute nicht mehr daran denten, jemals ein eigenes Geschäft zu gründen und gerade in Berlin gewahren wir mit jedem Tage die Ausdehnung des laufmännischen Großbetriebs; was boch weiter nichts besagen will, als daß auf cinen selbstständigen Unternehmer immer mehr bauernd un selbstständige Gehilfen tommen. Hier geht es den Raufleuten ganz wie den Arbeitern und ferner bat fich mit der Ueber füllung des Berufes, mit dem stärkeren Eindringen des weib lichen Elementes im laufmännischen Stande ganz baffelbe Proletariat wie in der Industrie entwidelt, ein Proletariat, das mit dem industriellen gemeinsam ganz dieselben Intereffen gegen das Unternehmerthum zu verfechten hat, wenn es fich seiner Lage wirklich bewußt ist.
Und eines Tages trat an Stelle biefes theuren Lächelns ein thränenverschleierter Blid!
Die schöne Sultanin meinte! Rann jemand glauben, baß auch Göttinnen weinen? Was mögen benn die haben, die die ganze Welt befigen?
Oh meine schöne Sultanin, weshalb biese reibischen Thränen unter den Seibenwimpern Deiner schöner Augen? Die Sonne in einem Meere ertränkt! Was magst Du vere Loren haben? Was mag Dich so schmerzen? Hörtest Du von größeren Diamanten sprechen, als die sind, die in Deinem Diabem funkeln? Hörtest Du von Frauen sprechen, beren Schönheit die Deinige übertrifft? Sprich! und die Diamanten unb die Köpfe der schönen Frauen sollen zu Deinen Füßen Liegen."
Aber die Sultanin sprach nicht; sie weinte weiter, ohne Unterlaß.
und
Taschenspieler, Feuerwerke, Pferderensen und Bootwette Tulpenfeßte, Narrenfprünge, die Produktionen ber fahren, Dschirib Rämpfe, bewegliche Festungen fämpfende wilde Thiere, fingende Bayaderen, tanzenbe Alme's und großartige Hinrichtungen, all' dies er gözte sie nicht mehr, die schöne Sultanin weinte Tag
Sultan Muley Abdallah pflegte prahlerisch zu erwähnen, baß die Bahl seiner Nachkommen der Bahl jener ent Der Mann behauptete felbstverständlich, sie seien falsch, haupteten Menschen gleichkommt, beren Leben sein Vorfahre flatterhaft, die Dualgeifter der Treue, rachsüchtig aus Eifer Muley Ismael mit eigener Hand ein Ende zu machen fucht, grausam bis zum Erzeß, aus Liebe feig bis zur pflegte, indem er die Eigenschaften des Richters und Henters Schande, eitel, dem äußerlichen Glanz auf Tod und Leben in seiner höchsteigenen Person vereinte. Das Schicksal hat ergeben, in ihren Launen von schlechtem Geschmad, leicht bas nun gar weislich gefügt, daß es einem Lande zwei finnig, Eib und Gelöbniß nicht beachtend und niemals gäng Regenten gab, von denen der eine das Reich vor der Ent lich bezähmbar. Die Dame beftritt all' dies; die Frauen feien treu, bevölkerung und der andere vor der Uebervölkerung befür Lag. Ständig, die Belohnerinnen der Treue, enblos geduldig, von bewunderungswürdiger Opferwilligkeit, Engel im Erbitten von Berzeihung, Löwinnen im Muthe ihrer Liebe; was man bei ihnen nicht verstehe und Laune nenne, sei bloß ein Mäthsel, weil man fie nicht ftubirt, und was fie an Fehlern befigen, feien bloß bie von den Sünden der Männer auf sie ge worfenen Schatten.
Mabame, Thatsachen beweisen, führen wir zur Recht fertigung unserer Behauptungen Beispiele an. Ich werde Ihnen Hiftorien erzählen, in welchen Frauen verleumbet werben, erzählen Sie bessere, die dieselben verherrlichen. Und bann möge das Publikum urtheilen, wer von uns Beiden
Recht hat."
Angenommen und um gleich eingangs einen Beweis ber nachgiebigen Gebulb der Frauen zu geben, überlasse ich Shnen das erste Wort."
hütete.
Unter den achtzehnhundert Frauen gab es dennoch eine, die von dem Herzen des Sultans einen größeren Theil befaß, als alle übrigen insgesammt. Sie war eine Spanieris, Piraten hatten sie gefangen genommen und dann in den Barem verkauft, wo sie den Namen Albamira erhielt.
Die zwei schwarzen Augen der schönen Albamira kamen dem Kaiser Abdallah viel theurer zu fehen, als die ganze politische Administration vom Sudan bis Algier .
Was die Peitschen auf die Schultern fchlechter Steuer zahler an Hieben austheilten, was bie Haifische an Perlen fischern verschlangen, soviel Rauffahrteifchiffe beraubt wurden, foviel Stlavinnen bei ben Goldflickereien erblindeten, soviel Gläubige und Ungläubige in den Schlachten zu Wasser und au Lande fielen, zu Lande fielen, all' bies tam auf die Rechnung des lächelnden Blides von Albamira's schönen Augen.
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Oh sprich, was schmerzt Dich? welche Sehnsucht, welche Erinnerungen erwachten in Deinem Herzen? I' Heimweh? Das Erscheinen alter Gefichter im Traume? Sehnst Du Dich nach dem Glorienschein bes Himmels ober nach ben Fluren Deines Vaterlandes? oder bestit Du an Deine greifen Eltern? Oh sprich, geftehe es mir! Im Vorhinein sei Dir verziehen."
Nach langem, inständigem Bitten gestand die schöne Albamira endlich ben Grund ihres einzigen Rummers.
Es war nicht das im Traume erscheinende Geficht eines früher geliebten Mannes, keine geheimen Vorwürfe, nicht bie Erinnerungen an die Heimathlichen Gefilde, auch nicht bas weiße Haar greifer Eltern, sondern Albamira besaß eine Lieblingsuhr, und diese war wohl verdorben, denn sie wollte nicht mehr gehen.
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Das eine aber ist unbestreitbar wahr, daß es eine be sonders schöne Uhr war. Sie war ein Meisterwerk, war