Gerichts- Zeitung.
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Die Thring- Mahlow- Affaire vor der Berufungskammer. Ein furchtbarer Andrang fand heute nach dem Auditorium ber sechsten Straf.Berufungslammer hes töniglichen Land. gerichts Berlin I ftatt. Die belannte Jbring.Mahlow Affaire ftand auf dem Terminzettel. Den Gerichtshof bildeten: Land gerichtsdirektor Humbert( Präfident), und die Landgerichtsräthe von Salpius, Heydel, Hautsafted und Geridtaffeffor Dr. Fuchs( Beiflgende). Die fönigliche Staatsanwaltschaft veritat: Staatsanwalt Dr. Wagner, die Vertheidigung führte Rechts. anwalt Freudenthal. Angellagt war der Tischer Bobkiewicz: ben Schußmann Jhring in einer am 2. Februar d. J. in Reller's Salon( Andreas ftr. 21) stattgebabten Versammlung bes, beiter Bezirksverein für den Dften Berlins " in mit mehreren Anderen gemißhandelt zu Gemeinschaft mit mehreren baben. Sbring hatte von seiner vorgesezten Behörde den Auffrag, die Berliner Arbeiterbewegung zu beobachten. Er ließ fich deshalb in dem nunmehr polizeilich geschlossenen Arbeiter begirlsverein für den Dften Berlins ", dem größten Berliner Arbeiterverein als Mitglieb aufnehmen und bezeichnete fich als Mechaniter Mablow. Den Sozialdemokraten wurde jedoch schließlich der wahre Sachverhalt bekannt. Eines Tages erhielt nun bring von dem Tisalergesellen Berndt eine Einladung in die erwähnte Versammlung mit dem Bemerken, fich unter halb der Treppe aufzuftellen. Sbring leiftete diefer Mufforbe rung Folge. Der vor einiger Beit ausgewiesene Drechsler Labert eröffnete die Versammlung, mit ben Worten: Es ist ein Antrag auf Ausschluß des Mechaniters Mahlow einge gangen. Dieser Mann heißt nicht Mahlow , sondern bring, er ist auch nicht Mechaniker, sondern Bolizeibeamter." In dem felben Moment schlugen eine Anzahl Leute auf Shring ein, so daß der die Versammlung beaufsichtigende Polizeioffizier und ter ibm affiftirende Schußmann zu Hilfe eilen mußten. Unter ben Schlägern soll sich der Tischlergeselle Bobliewicz befunden baben. Dieser hatte fich deshalb am 19. April d. J. vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Berlin I zu verantworten. Der Staatsanwalt batte 2 Monate Gefängniß gegen ihn beantragt. Der Gerichtshof sprach jedoch den Angellagten fret ,,, da ein mal die Aussagen der Beugen im Widerspruch standen und da andererseits bei einer solchen Schlägeret die Personen der Schläger schwer feftauftellen felen." Gegen diefes Urtheil batte der Staatsanwalt Berufung eingelegt. Der Ange flagte, ein 22jäbriger, mittelgroßer, ziemlich starter Mensch, ist bisher noch unbestraft.
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Auf Befragen des Präsidenten bemerkte er, er set nicht Mitglied des erwähnten Bereins gewesen, ein Tischlergeselle Namens Bremer babe ihn aufgefordert, in jene Berjammlung zu kommen, da am fraglichen Abende der Reichstagsabgeordnete Singer einen Vortrag halten sollte. Er habe am Eingange bes Saales, also an der entgegengefesten Stelle geftanden, wo Die Hauerei stattgefunden habe. Er babe fich feineswegs an ber bauerei betheiligt, wiffe auch nicht, wer geschlagen habe. Der erfte Beuge war der Edusmann Jbring. Dieser erzählte ben Vorgang wie bereits mitgetheilt. Nachdem der Borfizende Labert das Wort: Polizeibeamter" ausgesprochen -so deponirte bring, fielen etwa fünfzehn Leute über mich ber und schlugen auf mich ein. Ich konnte mich nicht zur Webre feßen, ich war aber bemüht, einige Leute feft zuhalten. Ich hielt zwei Leute feft, die fich jedoch sehr bald wieder logriffen. Von diesen beiden erkannte ich den Ange. flagten. Bras.: Rannten Sie den Angeklagten damals schon? Beuge: Ja, wohl, er war mir bereits seit dem Monat Dember 1885 bekannt, ich fonnte mich nur nicht auf seinen Namen erinnern; er war mir jedoch dadurch bekannt, daß ich mehrfach mit ihm in der Wesenad'schen Reftauration in der Holzmardifiraße Mittag gegeffen und ihn auch einmal nach Hause begleitet hatte. Ja begab mich am fraglichen Abend auch gleich zu meinem nächsten Vorgesezten, dem Polizei Wacht. meißer Weinert, um diesem von dem Vorgange Meldung zu machen. Der Wachtmeister fragte mich, ob ich einige von den Schlägern lenne. Ich erwiderte: Sch lenne einen jungen Menschen, deffen Name mir jedoch entfallen ist. Es ist der Bole, den Sie, Herr Wachtmeister, neulich fiftitt haben. ch, Das ist der Tischler Bobliewicz, versezte der Herr Machimeifter. Bräf.: Nun, Angeflagter, was fagen Sie dazu?- Angell.: Der Beuge ist sich. Ich muß bemeilen, daß ich erst am 12. März vorgeladen wurde, wenn mich der Beuge sofort er. fannt hatte, dann wäre ich wohl sehr bald feftgenommen wor Den. Abring: ch bleibe bei meiner Aussage. Präs.: Murben Sie verlegt?- Bruge: Jawohl, ich hatte drei Wunden am Kopf und zuide außerdem am Auge und am Halse ver legt. Bräs.: Waren Sie arbeitsunfähig?-Beuge: Beuge: Sch war 8 Tage bettlägerig, babe allerdings feinen Arzt ge braucht. Der zweite Beuge war der Polizeilieutenant Hennig, der am fraglichen Abend die Versammlung überwacht hatte. Dieser belundete: Auf meine Frage an bring, ob er bie Echläger tenne, antwortete bring: Ja, ich lenne einige, ich lann fie jedoch augenblicklich nicht nambaft machen.
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Da ift
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Schmeuß und Tischlermeister Langer belunbeten übereinstimmend: Sie felen in jener Versammlung zugegen gewesen und wiffen genau, Bobliewicz lönne nicht zu den Schlägern gehört haben, ba er fich zur Beit an einer anderen Seite des Saales aufge balten habe. Auf Befragen des Bräftdenten bemerkte Jbring: Er lönne fich niet inrer, er wiffe genau, daß Bobkiewicz zu den Schlägern gehört habe.
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Die Beweisaufnahme war danach beendet. Staatsanwalt beantragte hierauf, die Beugen
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2. Dllober. Ein junger Arzt, der fürzlich zum Doktor der Medisin promovirt war, unterhielt hier mit einem Mätchen ein Liebesverhältniß. Das Mädchen glaubte, er werde es zum Altare führen, wenn er Doktor geworden set. Nachdem legtes res geschehen. ertlärte Jener, er werde das Mädchen nicht hei rathen. Die Angehörigen der getäuschten Braut machten die Strafanzeige und dieser Tage wurde die Verhandlung vor dem Bezirksgerichte unter Ausschluß der Diffentlichkeit burchgeführt. Der Medizinal Dottor wurde im Sinne des§ 506 Str. G. wegen gebrochenen Heirathsversprechens zu strengem Arrest in Der Dauer von von vierzehn Tagen verurtheilt.
Bit und Bremer nicht zu vereidigen, Da Diese fich bereits in der gegenwärtigen Sache wegen Verdachts Gerichtshof beschloß jedoch, sämmtliche Beugen zu vereidigen.- bes Meineides in Untersuchungsbart befunden haben. Der Staatsanwalt Dr. Wagner bemerlie: 3 balte ble Unllage in Soziales und Arbeiterbewegung.
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vollem Umfange aufrecht. Der Beuge Sbring wurde von seiner Behörde beauftragt, einen Theil der Berliner sosialdemokra tischen Bewegung zu beobachten, ganz besonders hatte er ben Auftrag, die Leute lennen zu lernen und Phyfiognomien zu ftubiren. Dafür sprechen auch seine Berichte, die er an seine vorgefegte Behörde geliefert hat. Es ist deshalb zweifellos, vorgefegte Behörde geliefert hat. Es ist deshalb zweifellos, daß bring ben Bobliewicz ertannt hat. Sein Beugnis wird vollständig bestätigt durch das des Wachtmeisters Weinert und des Polizeilieutenants Hennig. Ich erachte daher den bring als einen vollständig flafflichen Beugen. Daß der Un geflagte erst am 12. März vernommen wurde, erklärt sich daraus, daß noch Erhebungen wegen Feststellung der anderen Schläger angeftellt wurden. Es war deshalb nothwendig, die Ange legenheit vorläufig möglichst aebeim zu balten. Die Sache wäre auch nicht sobald in die Deffentlichkeit gelommen, wenn dieselte nicht der Abgeordnete Singer im Reichstage erwähnt bätte. Das Beugniß des Thring wird auch wesentlich durch andere Beugen unterfügt, benen gegenüber fich der Angeklagte gerühmt bat, den bring geschlagen zu baben. Einen Ent lafturgszeugen hat der Angeklagte nicht au zitiren vermocht. Es ist lein Beuge aufgetreten, ber be funden lonnte: er babe genau beobachtet, daß fich der An getlagte während der ganzen Dauer der Salägeret an einem anderen Theile des Saales aufgehalten hat. Ich erachte daber, ben ingetlagten für vollständig überführt. Was das Strafmas anlangt, so caratterifirt fich heute die That als eine viel schlimmere, als in erster Jaftans. Es ist zunächst zu erwägen, daß der Angellagte gar nicht Mitglied jenes Vereins gewesen, Man bar Die ganze Sache ihn also gar nichts anging. aber unter Anderen ihn zum Schlagen bestimmt, da man fich fagte: Die Bolen werden fich dazu hergeben, wenn man ihnen fagt, daß Sbring die Ausweisung des befannten gitators Santicheffstt verschuldet babe. Erwogen muß ferner werben, daß der Ueberfall ein planmäßiger und gemeinschaftlicher war und daß der Angeklagte mit einem Schlüffel geschlagen hat. Ich be antrage bemnach vier Monate Gefängniß.
Bertheidiger Rechtsanwalt Freudenthal: Der Herr Staatsanwalt fagte, der Saugmann Jbring war beauftragt, ganz besonders Blyftognomien zu ftudiren, er war daher mehr wie jeder Andere in der Lage, fich die verschiedenen Gefichter einzuprägen. Ich muß dabei bemerken, daß der Schußmann bring nicht blos berichten mußte, was er gefehen, sondern auch über das, was er gebört. Er mußte baber aus seinem Ge bächtniß berichten. Dies Gedächtniß hat ihn jedoch im Stich gelaffen. Er bat, wie er befundete, den Angeklagten schon mehrere Monate gelannt, fein Name war ihm jedoch ent fallen. Als tlaffischer Beuge, wie ihn der Herr Staats, anwalt bezeichnet, dürfte baber Shring wohl keineswegs gelten tönnen. Daß der Angeklagte zu einigen Beugen ge außert: wir haben den Schußmann Sbring tüchtig verbauen, dürfte doch nicht dahin zu verstehen sein, daß er fich felbft an Der Schlägerei bethetligt habe. Gegen das Beugnis der Ent laftungszeugen dürfte nichts einzuwenden sein. Ich beantrage Demnach prinzipiell ble Freisprechung, eventuell beantrage ich, Die beute ausgebliebenen Entlastungsaugen noch zu laden.
Nach längerer Berathung verkündete der Präfident, Land gerichtsdirektor Humbert, folgendes Urtheil: Der Gerichtshof bat zunächst den Antrag auf Ladung der heute nicht er fchtenenen Entlaftungszeugen abgelehnt, da er der Meinung ift, daß diese Beugen nichts anderes belunden werben, als Die heute vernommenen Entlastungszeugen. Bur Sache selbst bat ber Gerichtshof dem Beugen Jhing vollen Glauben ge identt. Der Gerichtshof ist nicht befugt, zu erklären, daß die Entlastungszeugen einen Meineid geleiftet baben, er ist jedoch Der Ueberzeugung, daß deren Beugniß vollständig unzuverläffta ift. Es ist nicht anzunehmen, daß die Beugen den Angeklagten fo genau, wie fte befunden, beobachtet haben, es liegt vielmehr in der Natur der Sache, daß bei einer solchen Hauetet alle Angellagten als der That für überführt erachtet. Der Ge Augen fich auf diese richten. Der Gerichtsbof hat somit den richtshof hat jedoch nicht für erwiesen angenommen, daß Der Angeklagte mit einem Schlüffel gebouen habe, er erachtet uur eine planmäßige gemeinschaftliche Mithandlung für vorliegend und bat beskalb, unter Aufhebung des frei Sprechenden Erkenntnisses des Schöffengerichts, auf eine Ge fängnißftrafe von zwei Monaten ertannt.
In der Straffache gegen die 12 jährige Mörderin Marie Schneider hat, wie bereits mitgetheilt wurde, deren Bertheidiger Dr. Fr. Friedmann gegen das feine Klientin au acht Jahren Gefängniß verurtheilende Erkenntniß der dritten Straflammer biefigen Landgerichts I das Rechtsmittel der Revifion eingelegt. Geftern erbieit derselbe aber vom Gericht Revifion eingelegt. Geftern erbieit derselbe aber vom Gericht die Mittheilung, daß die Angeklagte felbft fich bei dem er gangenen Urtheil berubigt hat und daß die von deren Mutter ertheilte Vollmacht das Recht der Einlegung eines Rechts mittels gegen ben Willen der Angellagten nicht gewähre, ba nach§ 340 Strafprozeßordnung nur der gesegliche Bertreter bes Beschuldigten binnen der für den letteren laufenden Frist selbstständig ron den zulässigen Rechtsmitteln Ger brauch machen tönne, die Mutter der vaterlosen n geflagten aber nicht als deren gefeglicher Vertreter an aufeben fet. Der Bertheidiger, der bisher noch nicht unter
Der dritte Beuge war der Tischlergefelle Widbold. Bräs.: Sind Sie Mitglied des Arbeiterbegirlsvereins für den Often Berlins ?-Beuge: Gewesen.-Präf.: Weshalb find Sie auf dem Vereine aufgetreten? Angell.: Job erhielt Arbeit in einer töniglichen Werkstatt und verboten, Mitglied eines Vereins zu sein. Bräs.: Waren Sie am 2. februar in jener Ber fammlung? Beuge: Nein, aber Bobliemics fagte mir einige Tage darauf bei Weserad, daß er den bring gebauen habe. Berth.: Haben Sie nicht bei dem Herrn Untersuchung richter belundet, Bobtiemics babe Ihnen gefagt: Wir haben Den Sbring verbauen? Beuge: Ja, das hat er gefagt, er bat aber auch gesagt: babe tüchtig mit mang gehauen". Angell.: Wenn ich zu dem Beugen diefe Neußerung gethan hätte, dann hätte er fich wohl früher als Bauae gemeldet. Er hat dies aber erft gethan, als ich vom Schöffengericht freige fprochen war und to im Rai verhaftet wurde. Der Beuge blieb bei feiner Aussage. Die Frage des Berriatet ist, ob die Wittwe Schneider vielleicht Vormünderin thelbigers, ob der Beuge von dem Schußmann bring für Butragen von Nachrichten über sozialdemokratische Borgänge Besoldung erhalte, verneinte derselbe, er lenne den Boring erft seit dem 11. Mai. Verth. Ich lonftatire, daß der Schusmann bring soeben belundet hat: der Tischler Widbold bat mir 14 Tage nach jenem Botfall mitgetheilt, daß Bob tiewicz mich geschlagen hat.- Der Staatsanwalt und der Referent, Landgerichtsrath v. Salpius bemerken, daß fie eine folche Neußerung von Jbring nicht gehört haben. Wacht meifter Weinert bestätigte die Aussagen des Shring. Lesterer babe fofort gefagt: Herr Wachtmeister, es war ber Bole mit den großen Händen, den Sie am vergangenen Sonntag fiftirt baben. Ich muß noch bemerten fo fubr ber Beuge fort daß Shring den Bobliewicz schon seit längerer Beit observitt hat. Tischler Wilinsky: Der Angeklagte bat erzählt, daß der Schußmann bring tüchtig verbauen worden fet, ob er fich aber an der Schlägeret betheiligt, miffe er( Beuge) nicht. Tischler Dobrczynali, der jegt bei der Garde Artillerie bient, also in Uniform erschien, belundete ebenfalls: Der n getlagte habe ihm von der Hauerei erzählt, aber nicht gefagt, Daß er mitgeschlagen habe. Bräl.: Welchen Einbrud machte die Erzählung auf Gle? Beuge: Ich hatte die Ueberzeugung, daß Bobliewicz fich an der Schlägeret betbeiligt batte. Präs.: Woraus entnahmen Sie das?- Beuge: Der Angeflagte fagte, thm tönne man nichts be weisen, er habe dafür Beugen. Riminalfomiffat Sdöne:
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Bon einem Shugmann turbe mic mitgetheilt eine Anzahl Leute bätten befundet, Boblieries babe zu den Schlägern gehört. Die Tischlergesellen Wittlowsly, Bremer ,
ihrer minderjährigen Rinder ist, wird zunächst diese Thatsache eruiren und beabsichtigt, für den Fall, daß feiner Klientin ein Vormund nicht bestellt sein sollte, gegen eine etwaige Burüd weifung feiner als Bevollmächtigter der Mutter eingelegten Revision die Beschwerde beim Reichsgericht einzulegen. Auf Den Ausgang dieser Streitfrage, die bisher noch nicht entschieden worben is, barf mon grabe in dem gegenwärtigen fo inter effanten und hochwichtigen Fall mit Recht gespannt sein.
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Bremen , 5. Ottober. Am vorigen Sonnabend beschäftigte fich das bieftge Schöffengericht mit einem Bergehen gegen das Sozialistengefet. Die Shuhmacher L und M. fowie die Bigarrenmacher R. und B. waren beschuldigt, den verbotenen Büricher Sozialdemokrat" verbreitet au baben. Da gleich bei Beginn der Berhandlung auf Antrag des Staatsanwalts die Deffentlichkeit ausgeschloffen wurde, fo find wir nicht in der Lage, nähere Details über die Sache au bringen, sondern müffen uns auf die Belanntgabe des Urtheils beschränken. Daffelbe lautete in Bezug auf L. und M. auf loftenlose Frei fprechung, ba das Gerist nicht die Ueberzeugung gewinnen fonnte, daß fich dieselben durch ihre Handlungen einer Ber breitung im Sinne des Gesezes schuldig gemacht hätten; be süglich bes R. und B. wurde jedoch eine Verbreitung des Sozialdemokrat" in mehreren Fällen als feftgestellt erachtet und wurden dieselben deshalb in eine Gefängnißßrafe von je ein Monat verurtheilt, welche ieboch als burch bie 5 wöchentliche Untersuchungshaft verbüßt betrachtet wurde, worauf die sofortige Entlassung sämmtlicher Angellagten erfolgte.
Die schamlose Ausbeutung des Publikums durch die großen induftriellen Gesellschaften, welche in den Ber einigten Staaten betrieben wird, scheint endlich den Gipfelpunkt des Erträglichen erreist und zu ftaatlichen Maßregeln bebufs tbrer Unterdrüdung herausgefordert zu haben. In dem Hauptkohlenbeden des Landes, Pennsylvanien, haben
wir folgen hier der ,, Magdb. 8tg." bie Grubengesell schaften eine Bereinigung gebildet, deren Mitglieder fich ver pflichteten, die Rohlenförderung zu beschränken und die Preise ber Waare bedeutend zu erhöhen. Dieser Ausbeutungsabficht tritt jezt die Staatsbehörde hindernd entgegen. Der Gouverneur von Bennsylvanien hat an den Generalstaatsanwalt ein Schreiben gerichtet, worin er sagt:„ Das Bublifum ift den Gesellschaften auf Gnade und Ungrad: verfallen. Die Handlungsweise ber felben verfößt gegen die Staatsgefeße. Ste bindert die Kon furrens und beschränkt die Ausbeutung des Mineralreichthums Des Staates." Nachdem in dem Schreiben ausgeführt ist, wie Die einzelnen Industrien darunter leiden, wird der Staatsanwalt zugleich auch auf die Schätigung aufmerksam gemacht, welche die materiellen Intereffen des Landes durch die Ver bindung der Haupteisenbahn- Gesellschaften erleiden. Bum Galuffe weift der Gouverneur den Generalstaatkarmalt an, je nach Erfordern gegen Roblen und Eisenbahngesellschaften vor zugehen. Der Staatsanwalt wird, wie es heißt, sofort eine Antlage erheben. Dem Vorgehen des Staates wird die größte Bedeutung beigelegt.
Die Kreuz Zeitung " und Herr Schulze- Delizich. Wie die„ N. Wefif. Boltsatg." mittheilt, hat die Sneider innung in Bielefeld die Begründung eines RobftoffLagers befchloffen, um die einzelnen Meister mit wohlfeilem Material aus zuverläffiger Quelle verforgen zu lönnen. Die Streujata." bemerkt hierzu: Wir wünschten, daß dieses Vorgeben von anderen Jnnungen möglichst nachgeabmt würde. Sier handelt es fich in der That um einen Aft pratiticher Selbstvertheidigung des fleinen Kapitals gegen das große. Der einzelne Meister lann fich bei seinen naturgemäß be fchränkten Mitteln den Vortheil großen Rabattes wie längerer Kreditfristen nicht verschaffen, wie er den Wagasininhabern zur Verfügung steht. Die Jnnung aber vermag es wohl; bamit wird fte fonkurrensfähig, D. b. fie lann diefelben Bretie halten, mit melden ihre Magasinin baber, die fich noch häufig ,, marchand tailleur" nennen, den einen Mann" aus dem Felde schlagen."- Dieselben Mittel empfahl vor einem Viertel jabrpundert belannilich der nunmehr verschiedene Schulze Delisich, und damals waren die Sozialpolitiker der Kreuzatg." ein fichtig genug, in Gemeinschaft mit Laffalle an dem Vor geben Schulze's die ägendfte Stritit zu üben. Heute leben wir im Beitalter der Sozialreform", man fann und die Umlehr von der früheren manchesteslichen Richtung, den großen Um fchwung in den wirthschaftlichen Auffassungen nicht genug rühmen und die Kreuzztg.", eine der Hauptvorlämpferin der neuen Wirthschaftspolitit, ift nunmehr glüdlich bei Schulje Delizich angelangt. Und auf diesen Fortschritt" ist man aud noch ftels!
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Arbeiterschidsal. Sever, 1. Dllober. Die ,, Sv. Nachr.", bas Blatt ter, Getreuen", schreiben in ihrer Nr. 152 folgend: n Artikel: Der Schneider R. von hier hat gestern mittels Er hängens seinem Leben ein Ende gemacht. Was den R welder als ein fleißiger, solider Mann bekannt war, zu ber That veranlaßt baben mag, ist nicht belannt. Er binterläßt eine Wittme mit zablzeichen, theils noch unerzogenen Kindern."
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Daß derselbe ein fleißiger und soliber Mann war, wird ja schon von den Getreuen" bestätigt und ich muß noch hinzu fügen, daß derfelbe auch ehelic mit Frau und Kindern im beften Einvernehmen lebte. Ja, werden die Betreuen fich fragen, wie fommt denn der Mann zu folder That? Daß bas soziale Clend auch bei unserer Arbeiterbesöllerung mächtig an die Thür hämmert, werden fie fich in unserem patriotischen Jever nicht eingesehen wollen. Ich bin nun in der Lage, Näheres darüber zu berichten. Der Verstorbene, früher als Schneidermeister bier am Blage thätig, wurde vor mehreren Jahren von dem Ehef eines biefigen Herrengarderoben gefchäfts überredet, für sein Geschäft zu arbeiten, er würde bet ihm stets bauernbe und lobnende Arbeit erhalten. Ich muß nebenbel bemerten, daß R. ein sehr geschickter und zuverlässiger Arbeiter war, und wird dies wohl der Grund zur Ueberrebung ge wesen sein. St. i auch damals auf den Vorschlag einge gangen. Im Anfang ist diese Verabredung seitens des Chefs auch wohl so ziemlich gehalten, später, als R. älter geworden - er war jest im 50. Lebensjahr- find jüngere Kräfte mehr und mehr berangezogen und ist in Folge deffen R. Immer mehr zurüdgefeßt, so baß derselbe fich mit M. 7-8 möchent lichem Verbienft begnügen mußte. Daß davon die Familie Frau mit 7 Rindern, nicht existiren fonnte, auch wenn fie fich auf das Allernothdürftigfte beschränkte, ift erklärlich, und wird wohl hieraus der Grund zur That beroorleuchten, denn denselben Morgen, als er die halbjährliche rädständige Miethe au sablen hatte, bat er feinem Leben ein Ende gemacht. Hier lann doch nicht wie es von belannter Seite so gerne gefchte ht- bem Schnapsteufel Schulb beigemessen werden.
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Aus Dresden wird dem Bentralvorstand der einge schriebenen Hilfslaffe der Sattler geschrieben: 3 batten vo einiger Belt im rienal in Dresden mehrere Kollegen Arbell genommen, nach Verlauf von furger Beit wurde ihnen be Deutet, daß fie aus der freien bilfstaffe aus fcheiden müßten, oder fte würden entlaffen. Ja, es sollte den Kollegen nicht einmal gestattet sein, in die beftebende fenalstaffe einzutreten und außerdem in der Hilfstaffe su bleiben, da ja, wie belannt, bie Militärarbeit nur eine fur Beriode anhält und die betreffenden Kollegen, falls fte ab reiften, dann gar feiner Raffe angehören würden. Sie sogen es also vor, die Arbeit zu verlaffen, und wird der Bentral vorftand fi jebenfalls veranlagt sehen, die Mitglieder ge eigneter Welle vor solchen Maßregelungen in Schus nehmen. Hoffentlich thun auch die Dresdener Rollegen thre Sauloigkeit.
Streits. Mus Itona, 5. Dltober, schreibt die ,, Weser seitung" um heutigen Tage find die Schuhmacher hier und in St. Pauli abermals in einen partiellen Streit einge treten. Bei den legten Versammlungen hatte man fich nicht über einen Tarif einigen tönnen; es wurde beshalb beschloffen nur bei denjenigen Meistern die Arbeit nieberzulegen, die be im April aufgestellten Tarif nicht innehalten. Der Strelt bat übrigens durchaus leine weitergebende Bedeutung und dürfte
für die Unternehmer recht ungünstig ausfallen. alergefellen aus Gamburg , Altona und Ottener Auch bie waten gestern in Roppelmann's Salon versammelt, um über einen Streit au berathen. Sie waren der Anficht, daß bal fel, und wurde vorgeschlagen, Andhellicheine à 20 M. au geben, um einen Generalfonds von 20 000. für Streifswede
Beftraft, weil er nicht heirathen wollte. Gras, den zu sammeln.
Berantwortlich für den politischen Theil und Soziales/ Mag Schippel, für Bereine und Versammlungen 8. Tugauer für den übrigen Theil der Beitung N. Gronheim, fämmtlich in Berli
Sieran eine Beilage