Nr. 288.
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für 1896 unter Nr. 7277.
13. Jahrg.
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Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.
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Mittwoch, den 9. Dezember 1896. Expedition: SW. 19, Benth- Straße 3.
V
den vor
Die politische Polizei wird von der bürgerlichen| Stellung wird zum Polizeispion gemacht, weil er Nach dem Vorpoffengefecht. Presse nun in der schärfsten Weise verurtheilt. Sie keine andere Alternative sieht, als ausgewiesen thut so, als ob alles, was in diesen Tagen über um seine Existenz gebracht zu werden oder schmähDer Prozeß Leckert Lützow beherrscht auch heute die Thätigkeit des Polizei Kommissarius v. Tausch lichen Verrath zu üben. Wird deshalb mit dem noch die Diskussion in der ganzen Presse des Fu- und Aus- und seiner Agenten, über die Art der Nach Systeme der Rechtlosmachung der Ausländer aufgeräumt landes. Endlich haben auch die Zeitungen, welche bisher richten Beschaffung, über die Anwerbung der Agenten werden? Beileibe nicht! Es wird alles beim alten mit der Politik des Vogel Strauß dem Prozesse gegenüber etwas Funkelnagelneues wäre. So lange die Thätigkeit der bleiben. Ausländer haben sich eben zu hüten, lästig zu zu operiren suchten, die Kreuz- Zeitung " und die Hamb . Vertrauens leute der politischen Polizei blos in Geheim- werden. Gehört alles zum System! Nachrichten" das Wort genommen. Und die Diskussion bunds- Prozessen, bei der Verfolgung von Sozialdemokraten wird nicht so bald abschneiden, denn Erklärungen auf Er- und Anarchisten zu tage trat, da war alles gut und Herr v. Tausch war immer in den größten Gelds flärungen folgen einander, die Zeitungen suchen gegenseitig schön, da war kein Wort des Tadels am Platze, da war verlegenheiten. Er machte große Ausprüche an's Leben, die fich die Spigel von den Rockschößen abzuschütteln und freund- die Art der Thätigkeit der Agenten im Staatsinteresse mit einem Gehalte von 2700-3000 M. nicht befriedigt werden nachbarlich anderen Redaktionen zuzuschieben. Den Ein- geboten, da sprach man höchstens davon, man höchstens davon, daß die konnten. Aber dafür hatte er anscheinend weitgehendste druck aber, daß die bürgerliche Presse infolge ihrer Vigilanten ein nothwendiges Uebel seien. Nun Verfügung über die geheimen Fonds, über die er, wie im Sensationslust, ihrer Jagd nach Neuigkeiten, ihres Wett- aber, wo die Verleger, Chefredakteure und Redakteure der Prozesse nachgewiesen wurde, auf grund fingirter Quittungen rennens in der Aktualität kein Mittel der Information bürgerlichen Bresse sich selbst umstellt fühlen selbst umstellt fühlen von verfügen konnte. scheut, daß sie die gewagtesten Wege einschlägt, keine Hinter- Agenten der politischen Polizei, jetzt, wo sie merken, v. Tausch war ein bevorzugter Kriminalkommissar, treppe vermeidet, fich glücklich preist, vor hohen Herren daß ihre wohl gehüteten Redaktionsgeheimnisse wie häufig wohnte er Monarchenbegegnungen bei, er befand sich antichambriren zu dürfen diesen Eindruck kann sie nicht ein offenes Buch Herren auf dem nicht selten im kaiserlichen Gefolge, er besaß nicht nur zerstören. Freilich sucht sie nun zu säubern; das„ Berliner Alexanderplatz liegen, da rufen sie nach einem eisernen Besen, mehrere Orden, sondern auch fostbare Andenken höchster Tageblatt" hat seinen Redaktionsspizel entlassen, die Leckert und mit dem ausgekehrt werden soll. Herrschaften, so einen Brillantring des Kaisers von RußLüßow, die in den Redaktionen des Volk", der Deutschen All ihr Rufen wird umsonst sein, der eiserne Besen land und einen kostbaren Ring des Prinzen von Wales. Warte", der Welt am Montag" 2c. 2c. aus- und eingingen, fehlt und die Hand, die ihn führen soll. Man wird sagen, Man will für Herrn v. Tausch Kaution stellen. Wir figen hinter Schloß und Riegel, Herr v. Tausch, der das Herr v. Tausch war eine Ausnahme, sonst ist alles zum werden uns freuen, wenn sie angenommen werden sollte, Berliner Tageblatt" und andere Beitungen zu inspiriren und besten gestellt. Das heutige System braucht die politische und dann Fälle veröffentlichen, in denen sie abgelehnt zu informiren suchte, hat auf Jahre hinaus andere Beschäf- Polizei, wie sie ist, braucht die Agenten, Vertrauens- wurde.- tigung vor sich, aber an die Stelle der Tausch, Leckert, Lützow 2c. Leute, Gummischlauchmänner und alles, was damit werden andere treten, denn gleiche Ursachen erzeugen gleiche zusammenhängt. Es wird alles so bleiben, so Aufklärungen hat der Prozeß geschafft, dies läßt sich Wirkungen, das System wird das gleiche bleiben. lange die herrschenden Klassen Angst vor der Sozial nicht bestreiten, aber noch weit mehr hat er im Dunkel demokratie haben, so lange sie selbst infolge ihrer jahr gelaffen, es lag auch gar nicht in der Absicht der zehntelangen Feigheit und Lässigkeit noch weiter die Macht Beranlasser und Leiter des Prozesses, alles aufzudecken; der Regierenden stärken. Erst mit der Ablösung der heutigen sie hatten, wie Oberstaatsanwalt Drescher mit anerkennensOrdnung", mit der Aenderung des Gesellschaftssystems werther Offenheit schon zu Beginn des Prozesses betonte, den wird die heutige politische Polizei verschwinden.- Zweck verfolgt, zu beweisen, daß die Anschuldigungen gegen die angebliche Breßmißwirthschaft des Ausivärtigen Amtes un berechtigt find; als dieser Beweis gelungen war, schien die Aufgabe für Herrn Drescher beendet, es wurden die Köller, Bismarck anderer nicht auf den Zeugenstand gerufen, die berufenen Zeugen von vielen Fragen verschont, die ihnen vielleicht recht unbequem gewesen wären, die aber möglicherweise der Deffentlichkeit viel Aufklärung geboten hätten.
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Auch die politische Polizei wird weiter ihre Fäden ziehen und bis dahin mehr oder minder unbescholtene Männer in ihren Dienst zu bringen und Redakteure zu Verräthern des ihnen zur Ehrenpflicht gemachten Redaktionsgeheimniffes zu machen suchen; nach wie vor wird man auf dem Alexanderplatz ein Interesse daran haben, zu konstatiren, wer bestimmte Artikel schreibt; ja man wird den Eifer Leckert war natürlich auch nur ein Polizeispion. Be anspannen, um sich vor dem Auswärtigen Amte zu rehabili- warb er sich doch als 22jähriger Bursche um die Stelle tiren, um fünftig auch von Herrn von Marschall eines Chefredakteurs einer Tageszeitung, blos um zu er- Bater und Sohn, Chrysander, Hartmeyer und so mancher und seinen Nachfolgern wieder mit dem bisher so sehr ent- fahren, wer die Zeitung gründen wolle und welche Zwecke behrten Vertrauen des Auswärtigen Amtes beehrt zu sie verfolge.
werden.
Deshalb dürfen wir auch nicht erwarten, daß diejenige Die Ausweisungsbefugniß der Polizei, die beStelle, die am meisten der Deffentlichkeit Erklärungen schuldet, kanntlich eine weitgehende ist, kann sie doch ohne jede Andas Berliner Polizeipräsidium, dieser unabweisbar erscheinenden gabe von Gründen jeden lästigen" Ausländer ausweisen, Pflicht überhaupt oder doch wenigstens in irgend einer be- hat sich für die bürgerliche Presse in dem Prozesse friedigenden Weise genügen wird. Das Polizeipräsidium Leckert- Lützow als eine fürchterliche Waffe in der Hand wird schweigen, doch Schweigen ist auch eine Antwort. der politischen Polizei offenbart.
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Rienzi.
Monreal's Bankett.
Ein ökonomisch gut gestellter Redakteur in sicherer militärische Geschicklichkeit bewiesen und versprach, falls das Schicksal sein Leben verschonen sollte, einer der tüchtigsten Hauptleute seiner Zeit zu werden.
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Theurer Annibaldi," sagte Rienzi, endlich kann ich den Plan ausführen, den wir schon insgeheim besprochen. Ich nehme die beiden provenzalischen Hauptleute mit mir nach Romich lasse Euch an der Spitze des Heeres. Wenige Tage später erhielt Rienzi Nachrichten aus Balestrina wird sich jetzt ergeben- he! ha, ha, ha!- Rom , die eine freudige Aufregung in ihm zu erwecken Palestrina wird sich jetzt ergeben!" schienen. Seine Truppen lagen noch vor Palestrina , und Bei meiner Rechten, ich denke so, Senator," versetzte die Banner der Barone wehten nach wie vor von seinen Annibaldi." Diese Fremden haben bis jetzt nur Streit un bezwungenen Mauern. In Wahrheit vergeudeten die unter uns selbst veranlaßt, und wenn nicht Schurken, sind Italiener die Hälfte ihrer Zeit in Streitigkeiten nuter- fie ganz gewiß Verräther!" einander; die von Velletri lagen in Fehde mit dem Volke Bst, bst, Verräther!" Der gelehrte Annibaldo, der von Tivoli und die Römer fürchteten sich immer noch, die tapfere Brettone! Nein, sie sind ausgezeichnete EhrenBarone zu besiegen. männer, aber nicht glücklich im Feld nicht glücklich im Feldbesser, man schafft sie in die Stadt! Und jetzt an das Geschäft."
" Die Hornisse," sagten fie, sticht noch schlimmer, wenn sie todt ist, und weder von einem Orsini, noch von einem Savelli oder Colonna weiß man, daß je Einer ver ziehen."
Wieder und immer wieder hatten die Hauptleute seines Heeres den ungehaltenen Senator versichert, daß die Veste uneinnehmbar sei, und daß Zeit und Geld vergebens bei der Belagerung verschwendet werden. Rienzi wußte es besser, aber er verheimlichte seine Gedanken.
Wir wollen ein Beispiel hervorheben. Als Beuge machte sehr gewundene Aussagen der Redakteur und Hofberichterstatter des Wolff'schen Telegraphenbureaus Herr Otto v. Grahl. Wer ist der Mann? Das werthvolle, leider vergriffene Buch„ Briefe deutscher Bettelpatrioten an Louis Bonaparte " giebt über den Mann folgende Auskünfte: Monreal , indem er einen großen Becher voll schänkte, das muß ihn für die Geschäfte verderben es ist schade!" " Ja gewiß," sagte Pandulfo, ein Mann, der an der Spitze eines Staates steht, sollte mäßig sein, ich mische stets meinen Wein mit Wasser."
" D!" flüsterte Wionreal, wenn Euer ruhiger ver nünftiger Geist Rom regierte, dann würde die Hauptstadt Italiens sicher sich des Friedens erfreuen. Signor Vivaldi," und er wendete sich an einen reichen Tuchhändler,„ diese Unruhen sind sehr nachtheilig für den Handel." Sehr, sehr!" sagte der Tuchhändler.
Bruttini.
Die Barone find Eure besten Kunden," bemerkt " Jawohl, jawohl!" erwiderte der Tuchhändler. " Es ist schade, daß man sie so rücksichtslos vertriebe hat," sagte Monreal in bekümmertem Tone.„ Sollte ea nicht möglich sein, wenn der Senator( ich trinke auf seins Gesundheit) weniger eifrig, weniger übereilt wäre, freiere Der Senator setzte Annibaldi jetzt den Plan auseins Inftitutionen mit der Rückkehr der Barone zu vereinigen? ander, den er zur Einnahme der Stadt entworfen und Das müßte ein wahrhaft weiser Staatsmann sich zur AufAnnibaldi's militärischer Scharfblick sah sogleich die Mög- gabe machen!" lichkeit der Ausführung ein.
Es möchte wohl möglich sein," erwiderte Vivaldi ,, dle Savelli allein geben mir mehr zu verdienen, als alle meine übrigen Kunden."
" Ich weiß nicht, ob es möglich ist," sagte Brutti, aber ich weiß, daß es jeden Anstand verletzt, wenn der Sohn eines Schänkwirths in den Stand gesetzt wird, die Paläste Roms öde zu machen."
Mit seinen römischen Truppen und zu jeder Seite einen von Monreal's Brüdern, reiste Rienzi dann nach Rom ab. An jenem Abend gab Moureal dem Pandulfo di Guido Er berief jetzt die Brüder aus der Provence in sein und mehreren der vornehmsten Bürger, die er nach und Belt und machte sie mit seiner Absicht bekannt, sogleich nach ausgeforscht und der Sache des Senators wenig geneigt nach Rom zurückzukehren. Die Göldlinge sollen gefunden hatte, ein Bankett. die Belagerung unter unserem Lieutenant fortsetzen, Pandulfo saß zur Rechten des Johanniterritters, und" Es scheint allerdings ein unedles Jagen nach der Ihr sollt mich mit meiner römischen Legion Monreal überhäufte ihn mit Höflichkeiten. Gunst des Pöbels anzudeuten," sagte Monreal . Uebrigens begleiten. Euer Bruder Walter und ich bedürfen Eurer" Thut mir Bescheid, der Wein ist aus dem Chianathal hoffe ich, daß alle diese Differenzen noch ausgeglichen werden Anwesenheit; wir haben Geschäfte unter uns zu ordnen. bei Monte Bulciano," sagte Monreal , ich glaube, ich tönnen. Rienzi meint es vielleicht, nein, gewiß, ohne Zweifel Nach wenigen Tagen werde ich in der Stadt Rekruten aus habe von Gelehrten gehört( Ihr wißt, Signor Pandulfo, recht gut." heben und dann zurückkehren." wir sollten jezt alle Gelehrte sein), daß früher dort Ich wollte," sagte Vivaldi , daß wir eine gemischte ein herrliches Gewächs gezogen wurde. Der Wein hat auch Konstitution bildeten- Plebejer und Patrizier, jeder Stand wirklich eine köstliche Blume." mit seinen besonderen Freiheiten."
und
Gerade dies wünschten die Brüder; mit sichtlicher Freude willigten sie in den Vorschlag des Senators.
Nun sandte Rienzi zunächst nach dem Lieutenant seiner Leibwache, demselben Riccardo Annibaldi , dessen sich der Leser aus einem früheren Theile des Werkes als eines Gegners von Monreals Lanze erinnern wird. Dieser junge Mann einer von den wenigen Adligen, welche der Sache des Senators beigetreten waren- hatte großen Muth und
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" Ich höre," sagte Bruttini, einer von den weniger angesehenen Baronen( ein vertrauter Freund des Colonna), daß der Sohn des Schänkwirths in dieser Beziehung seine Gelehrsamkeit gut anwendet; er kennt genau alle Drte, wo der beste Wein wächst."
"
Was, der Senator ist ein Trinker geworden?" fragte
Aber," sagte Monreal ernsthaft, ein so neues Er periment würde große Streitkräfte erfordern."
" Ja, allerdings, aber wir könnten einen Unparteiischen, einen Fremden, der kein Interesse für irgend eine Partei hätte, herbeirufen, um den neuen Staat zu beschützen, einen Podesta, wie es früher der Fall war, Branca Leone zum