Oesterreich-Ungarn.no  

Der Inhalt der Thronre de wird allgemein als ernster angesehen, als wie man nach den ersten kurzen Tele­grammen annehmen wollte Er verräth mehr Festigkeit gegen die russischen   Pläne, als die Passivität der österreichischen Politit in den letzten Tagen hatte vermuthen laffen. Die N. F. Pr." schreibt: Das heißt wohl, daß, was immer General Kaulbars unternehmen mag, selbst, wenn es bis zur theilweisen oder gänzlichen Offupation Bulgariens   fommen follte, Defterreich keine vollzogenen Thatsachen anerkennen werde, und daß er hierfür der Zustimmung und Mitwirkung der Signaturmächte sich versichert habe. Ist diese Deutung richtig, dann dürfte diese Stelle der kaiserlichen Ansprache nicht ver­fehlen, auch in Bulgarien   eine gewisse Wirkung hervorzubringen und die legale Regierung, welche angefangen hat, dem Terrorismus Rußlands   und der Zankowisten zu weichen, in hirem Widerstande wieder zu befestigen."

Rußland.

Bur räthselhaften Angelegenheit der Tödtung eines Herrn v. Reutern durch den 3 aren wird dem Berliner Tageblatt" von einer Seite, welche sehr wohl unterrichtet sein soll, folgendes mitgetheilt: Dieser in der Presse so vielfach besprochene Vorfall habe sich thatsächlich zugetragen und das Opfer desselben sei der junge Reutern, der Sohn des kaiser­lichen Flügeladjutanten. Das Ereigniß hätte sich folgermaßen abgespielt: Es war im Hochsommer dieses Jahres, als eines Tages der junge Reutern die Wache im Vorzimmer des kaiser­lichen Arbeitsgemaches hatte. Der Bar begab sich Vormittags fort, um irgend einem offiziellen Afte, und zwar, wenn wir recht berichtet sind, einer Truppenbesichtigung beizuwohnen. Mit größter Regelmäßigkeit pflegte der Bar bei solchen, an festen Tagen wiederkehrenden Gelegenheiten eine ganz bestimmte Beit, etwa anderthalb Stunden, weg zu bleiben. Bei der brückenden Hige machte Herr v. Reutern es fich bequem; er batte den Säbel abgelegt, Waffenrock und Halsbinde geöffnet, als urplöglich, eine Stunde vor der gewöhnlichen Zeit, der Bar eintritt. Herr v. Reutern springt erschrocken auf, nestelt noth­dürftig den Rock zusammen und will den an der Wand leh­nenden Säbel wieder an sich nehmen und sich umschnallen da zieht der Bar einen Revolver und erschießt den unglücklichen jungen Mann. Darauf allgemeines Entfeßen im Palais, nur Giner verliert die Ruhe nicht und dieser Eine ist der Bar! Mit unheimlicher Kaltblütigkeit erklärt er, er habe den jungen Reutern seit Monaten beobachtet und stets ein äußerst verdäch­tiges Benehmen an ihm wahrgenommen; es sei ihm seit Lan­gem klar gewesen, daß Reutern ein Attentat auf sein, des Baren, Leben geplant habe, nur mit genauer Noth sei er soeben der Ausführung deffelben zuvorgekommen. Darauf aufmerksam gemacht, daß bei dem Erschossenen gar feine Waffe gefunden ward, erklärte der Zar mit derselben unheimlichen Ruhe und Sicherheit, daß Herr v. Reutern dann ein Attentat mit dem Säbel geplant gehabt habe. Bei dieser Anschauung verharrt Kaiser Allerander 111. bis zur heutigen Stunde. Es erhellt hieraus wohl zur Genüge, daß die nervöse Erregtheit und Reizbarkeit des Monarchen einen besorglichen Grad angenommen haben muß.

Belgien  .

Die Art der Zusammensetzung der Kammer 97 Klerikale und 41 Liberale steht bisher in Belgien   einzig da. Obschon alle offiziösen Blätter die Majorität zur Mäßigung ermahnen, so herrscht doch allgemein die Ansicht, daß diese Mahnung wenig fruchten dürfe, da das Kabinet sich in allen wichtigen Fragen der Mehrheit werde unterordnen müssen. Die Kammer­feffion wird ohne Zweifel an Ueberraschungen reich sein, da die flerifalen Heißsporne Thaten" sehen wollen.

Die Regierungskommission für die Arbeiter Enquete hat beschlossen, dreierlei Syndikate, und zwar die der Arbeiter, Die der Unternehmer und die gemischten, aus Arbeitern und Batronen bestehenden, Syndikate anzuerkennen, also ihnen staat­liche Korporationsrechte zu verleihen; sie werden also Schen tungen annehmen, erwerben und klagen können. Es ist das ein Fortschritt, sobald dem Beschlusse die Ausführung folgt, was in Belgien   lange dauert.

tonte. Er fügte hinzu, daß die Armee am 26. März nur ge zwungen auf die Arbeiter geschoffen habe. Die Soldaten ließen es fich auch nicht nehmen, ihre sozialdemokratischen Freunde bis an den Bahnhof zu begleiten und auf offener Straße die Marseillaise  " zu singen. Darnach scheint die belgische Armee start mit sozialistischen Elementen durchseßt. Fälle, daß Sol­daten an sozialistischen   Konventikeln theilnähmen, wären gar nichts Seltenes mehr. Ja Anseele habe einen förmlichen Kursus für angehende" Rekruten eröffnet."

Frankreich  .

Der Generalrath des Seine  - Departements gab auf Antrag Michelin's dem Wunsche" Ausdruck: daß alles filberne Kleingeld, das vor 1874 geprägt wurde und das Bild eines Kaisers oder eines Monarch en trägt, aus dem Ver­fehr zurückgezogen würde und daß ferner an die Stelle des Kupfergelds Nickel träte, das eine andere Form hätte, als die gleich großen Silbermünzen."

Großbritannien  .

Aus britischen Häfen wanderten in den am 31. Oktober beendeten zehn Monaten dieses Jahres 295 523 Personen na ch überseeischen Ländern aus. Diese Bahl ergiebt im Vergleich mit dem entsprechenden Zeitraum von 1885 einen Zuwachs von 57 261 Personen. Unter den Auswanderern be­fanden sich 209 304 Briten  , 83 523 Ausländer und 2696 Per­fonen, deren Nationalität nicht ermittelt wurde.

In sechs der größten Ba um mollspinnereien in Darwen( Lancashire  ) haben 800 Spinner gegen die an gekündigte Lohnherabsetzung von 5 pt. einen Streit be­gonnen. In Blackburn   hat ein Weberstreit gestern sein Ende gefunden.

Die Kohlenarbeiter in den Gruben des Lord Lonsdale haben in einer Massenversammlung beschlossen, die Arbeit niederzulegen, da ihnen bei der letzten Lohnauszahlung wiederum ein Abzug von 5 pCt. gemacht wurde. Was das für die Arbeiter sagen will, geht am deutlichsten aus dem Umstande hervor, daß ihnen innerhalb der letzten fünf Monate der Lohn schon um 20 pCt. heruntergedrückt worden ist!

Balkanländer.

Die bulgarische Regierung erhielt nach der Frankf. 3tg." ein Telegramm von dem Kreisvorstande in Burgas  , in welchem über den Ursprung und Verlauf des Putsches folgendes mitgetheilt wird: Kaulbars telegraphirte dem russischen  mitgetheilt wird: Kaulbars telegraphirte dem russischen  Konsulate in Burgas  , Bulgarien   befinde sich im vollsten Auf­stande, die Regentschaft und die Regierung seien gestürzt und die Mitglieder der Sobranje verhaftet. Dieses Telegramm wurde in der Garnison von Burgas   durch einen aufrührerischen Lieutenant vorgelesen und die Garnison leistete dem 3 aren den Eid. Die Aufrührer wurden jedoch durch den Kapitän Araiwanow mit einer Kompagnie Soldaten zersprengt und die verführten Soldaten baten kniefällig um Pardon. Die Führer der Rebellen sind geflüchtet, doch ist Nabokoff bei Anchialo ( nördlich von Burgas  ) gefangen worden.

Die Erscheinung des russischen   Kanonenboots vor Burgas  , welches die europäische Presse mit Einstimmig feit als den zweiten Akt des russischen   Putsches prophezeite, hat in der That nicht auf sich warten laffen. Ueberraschend und originell ist nur die Begründung dieser Sendung, nachdem die Anstrengungen auf Herstellung der Anarchie in Burgas  mißglückt find. Es liegt folgendes Telegramm vor: Tirnowa, 8. November. Der russische   Konsul in Burgas   zeigte dem dor­tigen Präfekten an, daß die Absendung eines ruffischen Kanonen­boots nach Burgas   nothwendig geworden sei, um die Verbin­dung zwischen Burgas   und Varna   aufrecht zu erhalten, da der Telegraph während der legten Unruhen in der Umgegend von Burgas   zerstört worden sei.

Der Pester Lloyd" erfährt aus Philippopel, 3. November. Seit einigen Tagen befindet sich unsere Stadt in großer Auf­regung. Es heißt, daß die Bewohner von Abraschlave und Berufchtiza( ersteres ungefähr 20 Kilometer nördlich, letteres ebenso weit westlich von hier gelegen) fich zu einem Ueber­falle auf Philippopel rüsten. Aus Abraſchlave und Konaremo tam auch im vorigen Jahre am 18. September die erste aufständische Menge. Das Militär ist Tag und Nacht in Bereitschaft. Auf den nach den beiden Orten führenden Straßen sind in der Nacht starke Kavallerie- Patrouillen aufge­stellt. Gestern Abends hieß es in der ganzen Stadt, die

Bekanntlich mußte seiner Zeit die Garnison von Gent  gewechselt werden, weil die Goldaten der dort früher stationirten Regimenter Stammgäste des sozialdemokratischen radikale Reforme" über einen Vorgang, der sich in legter unsere Stadt überfallen. ,, Vooruit" geworden waren. Jest nun berichtet die Brüsseler Bauern, ungefähr 1500 an der Bahl, werden gegen 2 Uhr früh

gebung vom 31. Oftober waren die Delegirten der sozialdemo fratischen Vereine noch in Charleroi   zurückgeblieben, wo fie im Lokale der aus den letzten Arbeiterunruhen her bekannten Union verri re" eine Versammlung abhielten. Zu dieser hatten sich auch eine Reihe von Soldaten eingefunden, welche erhaltung der Ruhe zu sorgen. Dieselben fraternisirten jedoch einfach mit den Sozialdemokraten, und ein Unteroffizier hielt vor den versammelten Delegirten eine förmliche Rede, in welcher er die Sympathien der Ärmee für den Sozialismus be­

zur guten Hälfte in einem Paar hoher Stulpenstiefel, die fie bisher bedeckt hatten. Der dunkle Ueberrock erlitt eine erhebliche Einbuße an seiner Eleganz dadurch, daß er an Sammettragen einige nachdrückliche Striche in verkehrter Richtung erhielt. Aus einer seiner Taschen kam ein Päckchen zum Vorschein, das außer einem trefflich gearbeiteten großen Bollbart auch eine blaue Brille mit ziemlich großen, beinahe runden Gläsern enthielt, welche beiden Gegenstände das Ge­ficht des Doktor Ramfeld binnen wenigen Sekunden voll­ständig untenntlich machten. einer anderen Tasche eine weiche schirmlose Müge heraus­Als nun gar noch die Tiefe gegeben hatte, die sich ganz über die Stirn herabziehen ließ, da war von dem jungen eleganten Manne, der noch vor wenigen Minuten von dem Kellner des Schwarzen Adlers" so unterthänig bedient worden war, nichts mehr übrig ge­blieben, als ein häßlicher schäbig aussehender Kerl von jener Sorte, die in der Stadt mit verächtlichen Blicken bei Seite gestoßen werden, denen aber auf einsamer Landstraße Jeder­mann gern in einem Bogen aus dem Wege geht. ( Fortsetzung folgt.)

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Aus Kunst und Leben.

Stadttheater wird am Mittwoch zum letzten Male

Die Bewohner flüchteten in die Kellerräume, fortwährend sprengten Gendarmerie  - Patrouillen durch die Stadt. In Peruſchtiza selbst ist eine starke Kavallerie­Eskadron eingezogen, ist jedoch auf heftigen Widerstand ge stoßen. Es soll Todte und Verwundete gegeben haben. Heute mehren fich die alarmirenden Nachrichten. Auch an anderen Orten find Unruhen ausgebrochen. Die Stadthauptmannschaft läßt durch offizielle Anschläge die Bevölkerung beruhigen und droht den Verbreitern von beunruhigenden Nachrichten mit gericht­licher Bestrafung. Solchen amtlichen Beschwichtigungen glaubt jedoch die Bevölkerung nicht, denn sie hat schon öfter Gelegen­heit gehabt, sich zu überzeugen, daß die Behörden gerade dann

führung fam. Es wurde kürzlich vorgefunden und veröffentlicht. Die Hackney Choral- Association" in London   hat es auf das Programm ihres nächsten Konzertes gesetzt. Ob es sich

hier nicht um einen Unterschleif handelt?

Der Panamatanal, sein Bau und seine Zukunft. Unter diesem Titel liegt eine in Dresden   erschienene Schrift über dieses schon vielfach besprochene Unternehmen vor; Ver­faffer ist der Generalkonsul C. Koep. Wir beschränken uns auf faffer ist der Generalfonful E. Koep. Wir beschränken uns auf folgende Mittheilungen daraus: Im Jahre 1884 betrug die Bahl der an den verschiedenen Punkten beschäftigten Arbeiter 13 200; gegenwärtig ist dieselbe bedeutend größer. Die aller wärts, insbesondere aber von Colon, Portorico und Venezuela  herstammenden Arbeiter werden bei ihrer Ankunft in Colon ärztlich untersucht und dann den Sektionen zugetheilt. Von Colon aus, östlich der Bai von Limon, durchfurcht der Kanal mit einer natürlichen Tiefe von 8,50 Meter die Moraste von Midi und vereinigt sich bei Gatun mit dem Chagrefluß, den er im weiteren Verlauf mehrmals durchschneidet. Der Kanal wird eine Breite von 22 Meter auf der Sohle und eine solche von 50 Meter auf dem Wasserspiegel bei einer Tiefe von etwas über 8 Meter( wie der Suezkanal) haben. Die größte Schwierig­feit bilden die Waffer des Chagrefluffes, welcher gelegentlich ungeheuer anschwillt und Alles zerstört. Das Arbeitsmaterial besteht aus riefigen Grabe- und Baggermaschinen, Eisen­bahnen, Dampfschiffen 1. f. w. Jede der großen Baggermaschinen besteht aus 7, auf einem Bonton vereinigten Dampfmaschinen von zusammen 330 Bferde stärken. Zwei von zusammen 200 Pferdestärken bewegen Die Ketten der Baggerlufen oder Eimer; 2 andere von 30 Pferdeftärken bewegen den Ponton; wieder 2 andere von 30 Pferdestärken dienen zum Heben und Senken des die Eimer

Bäumen und Wurzeln dienenden Krahn. Ferner heben zwei

die Salingre'sche Posse Der Onkel aus Amerika  " zur Auf­städtischen Theater sich oft als Bugstück bewährte Schauspiel Dampfmaschine bewegt den zum Heben von Felsstücken, Tragau vom Stadttheater in Reichenberg hat die Hauptparthie Dampfpumpen von 40 Pferdestärken stündlich 150 000 Liter ( den Fischer Ringo) übernommen.

Waffer, das dazu dient, den Schlamm und Sand, welchen die Eimer faffen, aus denselben in ein 1 Meter weites und 50 Meter langes eisernes Leitungsrohr zuspülen und darin forts

Deutsches Theater. Herr Dr. Bohl ist von einem leichten Unwohlfein befallen. In Folge dessen wird in der heutigen Aufführung der Räuber" im Deutschen Theater" Herr Fried- zuschwemmen. Drei Dampffefsel liefern den Betriebsdampf

mann den Franz Moor spielen.

Ein neues Wert von Mozart  . Diese Nachricht mag wohl etwas unwahrscheinlich flingen, doch ist dieselbe, englischen Blättern zufolge, dennoch richtig. Während seines Aufenthaltes in Paris   foll Mozart   ein Konzert für vier Blasinstrumente

und jeder Apparat verbraucht in 10 Stunden 2 Tonnen Kohlen. Das ausgehobene Material fann bis auf 15 Meter hoch über die Wafferfläche gehoben werden und es werden mit einer folchen Baggermaschine in 10 Stunden 5700 Rubikmeter Material aus dem Kanalbett herausgeschafft. Zur Bedienung

und Orchester komponirt haben, welches aber nie zur Auf- find 6 Mann angestellt. Auf der Strecke arbeiten im Ganzen

mit den Beschwichtigungsversuchen aufzutreten pflegen, wenn die Gefahr am größten ist.

Die von der Sobranie durch Afflamation angenom­mene Antwort auf die Botschaft der Regentschaft lautet wie folgt: Indem die Versammlung die außerordentlichen Be­mühungen der Regentschaft für die Aufrechterhaltung der Rechte der Bürger, sowie des Friedens und der Ruhe des Landes an­erkennt, spricht fie volles Vertrauen zu der Regent schaft aus. Die Versammlung ist überzeugt, daß die Regent­schaft mit derselben Selbstverleugnung die Staatsgeschäfte fort­führen werde, bis der vom Volke Erwählte den Thron besteigt. Die Versammlung erkennt ferner an, das ihre prompte Be­rufung unumgänglich nothwendig und daß diese der einstimmige Wunsch des Volkes war. Die Versammlung wird sofort zur Wahl des Fürsten   schreiten, um das geliebte Vater­land aus der Krisis zu befreien, in welche es gestürzt worden ist. Es lebe das unabhängige Bulgarien  !" Die Mit­glieder des Bureaus begaben sich zu den Regentschaftsmit gliedern, um ihnen die Adresse zu überreichen.

Afrika  .

Jm Sudan   scheint es sich wieder zu regen. Einer aus Suafin eingegangenen Meldung zufolge marschirt Osman Digma  , nachdem er sich mit den Derwischen geeinigt hat, an der Spiße einer großen Rebellenstreitkraft zum Entsatze von Tokar heran, welches verzweifelt aushält.

Amerika.

Nachdem am Sonnabend in Chikago unter den Fleisch­verpackern und den auf den Viehhöfen beschäftigten Arbeitern wiederum ein Streit ausgebrochen ist, hat der Gouverneur, um etwaigen Ruhestörungen vorzubeugen, befohlen, zwei Infanterie­Regimenter in Bereitschaft zu halten.

Gerichts- Zeitung.

Reichsgerichts- Entscheidung. Leipzig  , 8. November. Eine für die Presse wichtige Entscheidung fällte am vorigen Freitag der erste Straffenat des Reichsgerichtes in den Straf­fachen gegen die verantwortlichen Redakteure der Freifinnigen Zeitung" und des Berliner Tageblatt". Nachdem am 12. März d. J. bei Gelegenheit der Debatte über die Ent­schädigung unschuldig. Verurtheilter im Reichstage der Ab­geordnete Heine verschiedene ihm im Gefängniß zu Halberstadt  widerfahrene Unannehmlichkeiten erzählt und daran den Vor­wurf geknüpft hatte, daß der erste Staatsanwalt Schöne ein Geständniß von ihm habe, erpressen" wollen, brachte die ,, Freis. 3tg." am 16. März einen Artikel, der in der Hauptsache aus der objektiv wiedergegebenen Rede Heine's bestand und außer­dem nur noch eine redaktionelle Einleitung sowie einige Schluß­worte enthielt, in denen gesagt war, daß, wenn Heine's An­gaben wahr seien, gegen den Staatsanwalt eine Untersuchung eingeleitet werden müsse. Durch diesen Artikel fühlte sich der Staatsanwalt Schöne beleidigt und er stellte deshalb gegen den verantwortlichen Redakteur Strafantrag. In der Haupt­verhandlung vor dem Landgericht I in Berlin   suchte der An­geklagte den Beweis der Wahrheit zu führen, jedoch erachtete das Gericht diesen Beweis als mißlungen. Heine hatte von seiner Frau, die ihn im Gefängniß besuchte, den bestehenden Vorschriften zuwider, eine Wurst zugesteckt erhalten, was zur Kenntniß des Staatsanwaltes gekommen war. Da derselbe annahm, daß der betr. Gefängnißwärter bestochen worden sei, so verlangte er von Heine Auskunft in dieser Beziehung, die jedoch verweigert wurde. Wegen der Ordnungswidrigkeit, deren sich der Strafgefangene Heine durch Annahme der Wurst schuldig gemacht batte, entzog der Staatsanwalt ihm die Ver­günstigung einer angenehmeren ,, Wohnung" und bedeutete ihm, er werde so lange in der weniger freundlichen Belle figen müssen, bis er die gewünschte Auskunft gebe. In diesem Verfahren des Staatsanwaltes erblickte die Straffammer keineswegs die ungefeßliche Erzwingung eines Geständnisses, sondern eine durch die Vorschriften der Gefängnißardnung begründete Maß­regel zur Ermöglichung einer befferen Kontrole. Die Aeuße rungen Heines wurden daher als für den Staatsanwalt belei­digend angesehen. Nun sagt der Artikel 22 der Reichsver­faffung, daß wahrheitsgetreue Berichte von Parlamentsverhand­lungen von jeder Verantwortlichkeit frei sind, und der Redakteur hätte wegen jenes Berichtes ebenso wenig zur Verantwortung gezogen werden können, wie der Abgeordnete Heine wegen seiner Rede, wenn nicht das Landgericht der Ansicht gewesen wäre, daß der Artikel 22 der Reichsverfassung hier nicht zutreffe. Er führte aus, daß nur referirende, nicht aber auch mit Räsonne­ments versehene Berichte straflos feien und bezog sich daher auf eine Entscheidung des früheren Obertribunals. Es sei sogar fraglich, so wurde weiter ausgeführt, ob der bloße Abdruck der Heine'schen Rede straflos sei, da die Verfassung nur von wahr­heitsgetreuen Berichten über die Verhandlungen spreche und daß bei tendenziöser Weglaffung einzelner Theile der Verhandlungen recht wohl ein anderer Zweck als der der objektiven Bericht­erstattung, nämlich der der Beleidigung verfolgt werden könne. Hier komme es aber darauf nicht an, da die Heine'sche Rede nur in sehr losem Zusammenhange mit den übrigen Verhand­

40 Baggermaschinen, 159 Baggerschiffe, 116 Ausgrabemaschinen ( Trockenbagger), 131 Lokomobilen, 171 Lokomotiven, 29 Dampf­Schiffe, 468 Pumpen; zur Fortschaffung der Erdmaffen find 314 Kilometer breitspurige und 175 Kilometer schmalspurige Bahnen gelegt, auf denen 4622 Waggons laufen. Was die Sterblichkeit unter den Arbeitern anbelangt, so starben in den Jahren 1884 und 1885 8 pet. und unter den Beamten 6,4 pCt. Jedenfalls find noch große Schwierigkeiten zu über­winden, aber nach dem Stande der Dinge könne die baldige Fertigstellung des Kanals in sichere Aussicht gestellt

werden.

Egyptische Tänzerinnen. Der berühmteste unter den noch heutigen Tages in Egypten   beliebten Tänzen ist wohl un­streitig die Biene", der sich wie fast alle dortigen National­tänze mehr durch Absonderlichkeit als durch Schönheit aus­zeichnet. Er wird von nur einer Tänzerin ausgeführt. In Blick und Geberde, mit allen mimischen Mitteln, die ihr zu Gebote stehen, giebt sie dem fimulirten Schmerze Ausdruck, von einer Biene gestochen zu sein. Sie durchsucht ihre Ge­wänder, um der kleinen Uebelthäterin habhaft zu werden. Sie findet nichts, und Zorn und Rache malen sich in ihren Zügen, immer lebhafter werden ihre Bewegungen, immer drohender ihre Haltung. Mit wild rollenden Augen, Zähneknirschen und Gesten aller Art sucht sie dem Zuschauer die Martern 31 ver­anschaulichen, die dem Insekte zu Theil würden, sobald es nur in ihrer Gewalt wäre. Zwischen zwei Fingern die Biene pan­tomimisch bei den Flügeln haltend, ergeht sie sich in phantasti­schen Drohungen mit der Rechten. schen Drohungen mit der Rechten. Der Tanz wird immer wilder und ausgelassener, die Musik beginnt zu toben. Außer fich wirft die Tänzerin das Mieder ab und durchforscht es in bebender Erwartung. Sie zerreißt ihr Gazehemd und finft endlich in höchster pantomimischer Erschöpfung und nachdem auch alle Register ihrer Kunst erschöpft sind, glühend an Leib und Seele, ihrer sämmtlichen Gewänder fast entledigt, auf den Boden nieder. Die holde" Tänzerin ist bisweilen eine ver fleidete Mannsperson, wie solche ihre pseudonyme Kunst auf offener Straße zu treiben pflegen. Die Almehs( Sängerinnen) und Ghaziehs( Tänzerinnen), sehr schöne Weiber zumeist, leben verspottet und verachtet in abgelegenen, ihnen angewiesenen Stadttheilen oder unter Zelten, und dürfen seit dem Jahre 1834 an öffentlichen Orten sogar nicht mehr entschleiert tanzen, er­scheinen seit dem entsprechenden, durch die Mollahs erwirkten Verbote vielmehr nur noch in den Harems bei Hochzeiten und sonstigen häuslichen Festen.