cheinlich ergrimmt über den verlorenen Prozeß, die großen Kosten und die von hier aus aufgelöste Handelsverbindung, Schrieb zum Schlusse seines legten Briefes an den Inhaber der hiesigen Firma wörtlich folgendes: Schließlich ersuche ich Sie, angesichts dieses sich zu Ihrem Rechtsbeistande zu begeben und demselben die Frage vorlegen zu wollen, ob es wohl eine Be leidigung involvire, wenn ich Ihnen schreiben würde: Sie find ein ganz gemeiner ( Das Schimpfwort
war ausgeschrieben, ist aber hier nicht wiederzugeben.) Diesen Gefallen hat denn auch unser Handelsherr dem Magdeburger gethan und von Seiten seines Rechtsanwaltes den Rath er halten, gegen den Briefschreiber im Wege des Injurienprozesses vorzugehen.
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weitere Besuche seitens des H. verbat. Um sich wegen der ver-| widerlegen diese Behauptungen, während einige Entlastungsschmähten Liebe zu rächen, lauerte H. gestern der G. auf dem Flur des Hauses Aleranderstr. 55, woselbst lettere beschäftigt ist, auf und goß ihr eine Quantität Salzsäure in's Geficht, wodurch die G. so schwer verlegt wurde, daß fie bis jetzt noch nicht vernommen werden konnte. Nach dem ärztlichen Gutachten ist ein Auge der Sehkraft beraubt. H. wurde heute zur haft gebracht.
Der„ Antragsteller". Eine typische Persönlichkeit in den Bereinen ist der Mann mit dem Antrage". Derselbe befigt eine wahre Sucht, alle seine Wünsche und Mittheilungen, und wären dieselben noch so bescheiden und geringfügiger Natur, in Form von Anträgen" zur Geltung zu bringen. Kaum, daß bie Sigung begonnen, und das Protokoll der letzten Versammliche, 11 weibliche, zusammen 27( darunter 6 außereheliche) lung verlesen worden, so stellt er den Antrag, das Protokoll anzunehmen, während es überhaupt sonst als angenommen be trachtet wird, wenn kein Widerspruch dagegen erhoben wird, oder er stellt den Antrag, diese oder jene fleine redaktionelle Aenderung vorzunehmen, die thatsächlich von nicht dem geringsten Belang ist. Ist der Hauptvortrag vorüber und schlägt der Vorfigende darauf eine Pause von fünf Minuten vor, so stellt er ben Antrag, diesen Vorschlag zu akzeptiren, oder er stellt den Antrag, die Pause einige Minuten länger dauern zu laffen. Kurz, bei der geringsten Veranlassung, handelt es sich dabei auch um völlig gleichgiltige Dinge, stellt er seine Anträge", ohne die er nicht leben und nicht sterben könnte. Im Uebrigen ist er höchst harmlos; die Vereinsbrüder kennen ihn mit seinen Eigenheiten und haben sich schon derartig daran gewöhnt, daß fie im bestimmten Augenblicke die Stellung irgend eines Antrages" von ihm mit pünktlicher Genauigkeit voraussehen, ja er warten dürfen. Wehe aber der parlamentarischen Körperschaft, der unser Antragsteller" einmal als Mitglied angehören sollte, fie käme vor lauter ,, Anträgen" nie und nimmer über den ersten Punkt der Tagesordnung hinaus.
Berliner Kinder. Auf dem asphaltirten Trottoir in der Mariannenstraße amüsirte sich eine ganze Schaar Knaben mit dem beliebten Springspiel, das unter Anbringung einer Kreidezeichnung auf dem Boden ausgeführt wird. Der im Keller des Hauses wohnenden Alten mochte das laute Spiel wohl verdrießen und fie goß deshalb einen Eimer Waffer über die Kreidefigur. Die Jungen machten eine neue Zeichnung dicht neben dem nassen Flecken, aber wiederum erschien die Alte mit einem zweiten Eimer voll Wasser und hinderte das Spiel, natürlich nicht ohne den üblichen Protest der Herren Jungen, die nun Rache brüteten und diese in einer Form zum Ausdruck brachten, welche in ihnen würdige Bürger eines zukünftigen Rechtsstaates erfennen läßt. Unter Führung des Aeltesten ging es zum nächsten Schußmann, der mit dem üblichen und einnehmenden Herr Wachtmeester" angeredet wurde, und dem man erzählte, daß die Alte zwei mal schmugiges Waffer auf das Trottoir gegossen habe. Der Mann des Gesetzes prüfte den Thatbestand an Ort und Stelle, verbot den Jungen ernst lich das Bemahlen des Trottoirs und notirte die Alte zur Be strafung. Vor der Kellerthür aber standen die Jungen und es fonnte faum zweifelhaft sein, auf wen ihr lautes Aetsch, Aletsch" gemünzt war.
Die Hungerleider- Kuren scheinen epidemisch zu werden. Neuerdings hat sich ein Steiermärker, Namens Anton de Crinis, in Koblenz wohnhaft, an den Verein deutscher Aerzte zu Berlin ", der, beiläufig bemerkt, gar nicht eristirt, mit dem Anerbieten gewandt, hier eine 40tägige Hungerfnr zu veranstalten. Er will nur 30 000 M. garantirt haben. Der Brief ist natürlich unbeantwortet geblieben. Wer sollte auch wohl in Berlin dafür 30 000 m. aufbringen, wo für derartige Kraftleistungen durchaus kein Boden vorhanden ist.
Des Mühlendammes zweiter Theil verfällt jetzt dem Abbruch. Die Bewohner scheinen sich aber nur schwer von der altgewohnten Stätte zu trennen. Denn während es über ihnen schon fracht, figen noch in verschiedenen Läden die Verfäufer fest.
Ein Krachen und Knaden im Mauerwerk versette am Freitag Abend zwischen 8 und 9 Uhr die Bewohner eines auf dem Grundstück Mühlenstraße 65 stehenden vierstöckigen Hintergebäudes in Aufregung. Die sofort vorgenommene Untersuchung ergab, daß die Fassade des nach der Spree zu gelegenen Flügels erhebliche, theilweise fingerstarke Risse und Sprünge zeigte, und wurde den Bewohnern, fünf Arbeiterfamilien, polizeilich aufgegeben, bis Sonnabend Mittag späte stens die Wohnungen zu räumen, da andernfalls die Feuer wehr requirirt werden müsse. Die Lage der so plöglich obdachlos Gewordenen soll eine höchst üble sein, da bis zum Augenblick noch keine Familie fich eine neue Wohnung beschaffen Tonnte.
Der berüchtigte Einbrecher Krüger, über dessen unter abenteuerlichen Umständen erfolgte Ergreifung in Köln a. Rh. wir vor einiger Zeit berichteten, hat eine bemerkenswerthe Vorstrafe hinter fich, die in den jüngsten Mittheilungen nicht erwähnt worden ist und darum hier noch nachgetragen sei. Krüger befand sich vor einer Reihe von Jahren in einer Unteroffizierschule wenn wir nicht irren, in Potsdam -, desertirte dort, kam nach Berlin und überfiel in Moabit im Laden eines Droguenhändlers, bei dem er erst eine Kleinigkeit kaufte, den Geschäftsinhaber, dem er eine lebensgefährliche Verlegung am Kopfe beibrachte. Er wurde deshab wegen versuchten Todtschlags zu 3 einhalb Jahren Buchthaus verurtheilt, welche Strafe er auch verbüßt hat. Diese That, die damals unge heures Aufsehen erregte und vielen Berlinern noch im Ge dächtniß sein dürfte, bildete den ersten Schritt Krügers auf der Verbrecherlaufbahn. Welches wird sein letter fein?
Der 20 Jahre alte obdachlose Kaufmann D. hat in Der vorlegten Nacht eine Unter den Linden aufgestellte Privats Bedürfnißanstalt mittels Nachschlüffels geöffnet und aus der selben das Wechselgeld im Betrage von 3,60 M. gestohlen. D. wurde von einem Schußmann bei der That betroffen und vers haftet.
Mit einem werthlosen Dokument der Frankfurter Raten- und Rentenbant, welches zur Begleichung der Zeche in Bahlung gegeben wird, versucht gegenwärtig ein unbekannter Schwindler in Restaurationen die Kellner zu betrügen.
Ein Schwindler. Dem Spediteur R. aus Strausberg , welcher die ihm zur Beförderung übergebenen Güter im hiesigen Drdonnanzhause in der Neuen Königsstraße in Empfang nimmt, übergab am 5. d. M. Nachmittags ein unbekannter junger Mann eine Riste nebst Brief, adreffirt an einen Raufmann H. in Strausberg gegen eine Nachnahme von 53 M. 85 Pf. A. nahm keinen Anstand, die geforderte Nachnahme an den jungen Mann zu zahlen, da derartige Geschäfte bei ihm täglich vorfamen. Als K. am folgenden Tage die Kiste an. abliefern wollte, und legterer die Annahme verweigerte, wurde Rifte und Brief geöffnet. Erftere enthielt vier Stüd Holz, alte Säcke und Lumpen, während sich in dem Briefum schlag Beitungsabschnitte befanden. Weitere Ermittelungen bei der auf dem Kouvert gedruckten Firma ergaben, daß eine solche in dem angegebenen Hause nicht eristirt, und daß bereits ein ähnlicher Fall vorgekommen war. Der Schwindler ist etwa 25 Jahre alt, 1,65 Meter groß, von schlanker Gestalt, hat blonde Haare, fleinen blonden Schnurrbart und war bekleidet mit einem dunklen Jaquet und rundem schwarzen Hut.
Aus Rache. Der Maler H. unterhielt seit einigen Monaten mit der Wittwe G. ein Liebesverhältniß und versprach, dieselbe fpäter zu heirathen. Vor einigen Wochen erfuhr jedoch die Wittwe, daß ihr angeblicher Bräutigam bereits verheirathet und auch schon Vater sei, weshalb sie das Verhältniß löste und sich
Bewegung der Bevölkerung Berlins nach den Ver öffentlichungen des statistischen Amts der Stadt. Die fortgeschriebene Bevölkerungszahl betrug am 16. Oftober inkl. der nachträglichen An- und Abmeldungen 1348 017, hat sich demnach gegen die Woche vorher um 3642 Seelen vermehrt. In der Woche vom 17. bis 23. Oktober wurden polizeilich gemeldet 6117 zugezogene, 2174 fortgezogene Personen; standesamtlich wurden 515 Chen geschlossen. Geboren wurden 854 Rinder, und zwar lebend: 424 männliche, 403 weibliche zusammen 827( darunter 83 außereheliche), todt 16 männ Kinder. Die Lebendgeborenen, aufs Jahr berechnet, bilden 32,0, die Todtgeborenen 1,0 pro Mille der Be völkerung, die außerehelich Geborenen 10,42 pet. aller in der Woche Geborenen, davon die bei den Lebendgeborenen 10,03, Woche Geborenen, davon die bei den Lebendgeborenen 10,03, die bei den Todtgeborenen 22,22 pCt. In der fgl. Charitee und Entbindungs- Anstalt wurden 35 Kinder geboren. Gestorben ( ohne Todtgeborene) find 586, nämlich 313 männliche, 273 weib liche Personen. Von diesen waren unter 1 Jahr alt 207( inkl. 39 außereheliche), 1 bis 5 Jahre 95( intl. 6 außerheliche), bis 10 Jahre 13, 10 bis 15 Jahre 2, 15 bis 20 Jahre 9, 20 bis 30 Jahre 28, 30 bis 40 Jahre 48, 40 bis 60 Jahre 86, 60 bis 80 Jahre 80, über 80 Jahre 18. Die Sterbefälle beim Alter von 0 bis 5 Jahren machen 51,54 pCt. sämmtlicher in dieser Woche Gestorbenen aus. Von den im Alter unter 1 Jahr gestorbenen Kindern starben 72 im ersten, 28 im zweiten, 25 im dritten, 12 im vierten, 15 im fünften, 9 im sechsten, 46 im fiebenten bis zwölften Lebensmonate; von denselben waren ernährt 32 mit Muttermilch, 2 mit Ammenmilch, 91 mit Thiermilch, 5 mit Milchfurrogaten, 43 Todes= mit gemischter Nahrung, von 34 war es unbekannt. ursachen waren besonders: Lungenschwindsucht( 62), Lungenentzündung( 32), Bronchialfatarrh( 17), Kehlkopfentzündung ( 15), Krämpfe( 26), Gehirnschlag( 19), Gehirn- und Gehirn hautentzündung( 19), Krebs( 28), Altersschwäche( 13), Abzehrung Lebensschwäche( 42), Masern ( 23), ( 4) Scharlach( 6), Diphtherie( 43), Typhus ( 4), Diarrhöe( 32), Brechdurchfall( 23), an andern Krankheiten starben 172 und durch Selbstmord 6, durch Erſchießen 1, durch Erhängen 2, durch Vergiftung 3. Die Sterblichkeit der Woche auf das Jahr berechnet, kommen durchschnittlich auf 1000 Bewohner in Berlin 22,9, in Breslau 26,6, in Frankfurt a. M. 20,2, in Köln 23,51, in Dresden 23,9, in München 31,4, in Bremen 14,7, in Stuttgart 18,2, in Wien 21,3, in Paris 21,8, in London 17,7, in Liverpool 24,0. In der Woche wurden dem Polizeipräsi dium gemeldet als erkrankt an Typhus 42, an Masern 55, an Scharlach 68, an Diphtherie 185. In den 9 größeren Krankenhä sern wurden in der Berichtswoche 847 Kranke aufgenommen, davon litten an Mafern 2, an Scharlach 12, an Diphtherie 57, an Typhus 17, an Rose 11. Es starben 141 Personen oder 24,1 pt. aller in der Woche Gestorbenen; als Bestand ver blieben 3660 Kranke.
Berliner Asylverein für Obdachlose. Im verflossenen Monat Oftober nächtigten im Männerasyl 9133 Personen da von badeten 1136 Personen, im Frauenasyl 1886 Personen, davon badeten 181 Personen.
Im Arbeitshause befanden sich am 1. Oktober d. J. 88 Familien mit 340 Personen. Am 1. November war der Bestand 74 Familien mit 295 Personen.
Polizei- Bericht. Am 8. d. Mts., Vormittags, wurde ein Mann in feiner Wohnung in der Köpnickerstraße todt im Bette liegend vorgefunden. Da derselbe am Abend vorher finnlos betrunken auf der Treppe vor seiner Wohnung liegend aufgefunden worden war, so ist anzunehmen, daß er in Folge übermäßigen Genusses von Spirituosen gestorben ist. Die Leiche wurde nach dem Leichenschauhause gebracht.- Um diefelbe Zeit wurde auch die unverehelichte Anna Töpfer in ihrer Wohnung, Morisstraße Nr. 1, todt im Bette liegend vorgefunden. Nach ärztlicher Feststellung ist der Tod in Folge Herzschlages erfolgt. Nachmittags fiel der Kutscher Bierfreund durch eigene Schuld vor dem Hause Fruchtstraße Nr. 65 von dem von ihm geführten Arbeitswagen während der Fahrt herab und wurde am rechten Fuße überfahren, so daß er mittelst Droschke nach dem Krankenhause im Friedrichshain gebracht werden mußte.- Ebenfalls am Nachmittag brachte sich im Thiergarten in der
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Nähe des Floraplages ein etwa 26 Jahre alter Mann mittelst eines Revolvers einen Schuß in die Brust bei. Er wurde schwer verlegt aber noch lebeud nach der Charitee gebracht.- Am Abend erhängte sich in einer Tischlerei am Tempelhofer Ufer der Werkführer.
Gerichts- Beitung.
Der Spremberger Krawall vor Gericht. ( Schluß des ersten Verhandlungstages.) Bürgermeister Wirth befundet auf Befragen des Präfi benten: Es haben in Spremberg mehrfach sozialdemokratische Versammlungen, in denen Berliner Abgeordnete gesprochen haben, stattgefunden. Vor etwa 2 Jahren trat Hasenclever als Redner auf. Ich sah mich veranlaßt, diese Versammlung wegen einer Aeußerung Hasenclevers aufzulösen. Es gelang uns nur mit Mühe, das Lokal zu räumen. Als wir auf die Straße tamen, wurden wir von der Menge mit Steinen beworfen. Es haben außerdem in Spremberg Begräbnisse mit sozialdemokratischen Demonstrationen stattgefunden, in verschiedenen Wirthschaften, Bigarrenhandlungen hat der Sozialdemokrat" ausge legen, ob aber alle diese Vorgänge mit dem in Rede stehenden Krawalle in Verbindung stehen, weiß ich nicht.
Auf Befragen des Staatsanwalts bemerkt der Zeuge noch: Der Sozialdemokrat" habe in der Zigarrenhandlung von Bergens, in der Gastwirthschaft von Bitter und bei einem Tuchmacher ausgelegen. Außer dem„ Sozialdemokrat" seien
viele Exemplare eines sozialdemokratischen Liederbuchs bei Hausfuchungen gefunden worden. Es wird hiernach noch einmal der Tuchmacher Tittel, der aus der Haft vorgefühet wird, vernommen. Auf Vorhalten des Präsidenten giebt der Zeuge zu: Er habe sich im Monat Juli aus eigenem Antriebe einmal zu dem Untersuchungsrichter führen lassen und diesem gefagt, er habe wohl der sozialdemokratischen Partei angehört, habe aber eingesehen, daß er dadurch nur Schaden habe. Der Zeuge erläutert diese Aussage, daß er nicht Mitglied, wohl aber Anhänger der sozialdemokratischen Partei sei. Präsident: Sie haben nun zu dem Herrn Untersuchungsrichter gesagt:
zeugen die wesentlichen Angaben der Angeklagten bestätigen. Der Präsident hält einigen der letteren vor, daß fie bei ihrer ersten gerichtlichen Vernehmung anders ausgesagt haben. Einem der Entlastungszeugen, der erklärte: Er habe wohl fingen ges hört, wife aber nicht, was für ein Lied gesungen worden, wird vom Präsidenten bemerkt: Er habe bei dem Untersuchungsrichter gesagt, es sei das Lied aus dem sozialdemokratischen Liederbuch:„ Es geht ein Ruf von Land zu Land" gesungen worden.
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Der Angeklagte Arndt bemerkt: Er sei durch Zufall wohl unter die Menge gekommen und habe auch die Aufforderung des Wachtmeister Hubrich zum Auseinandergehen gehört, ant ihn persönlich sei diese Aufforderung jedoch nicht ergangen. Präs. Sind Sie denn der Meinung, daß der Beamte an jeden Einzelnen herantreten muß und sagen: baben Sie die Güte, fich zu entfernen?" Angeklagter schweigt.- Wacht meister Subrich: Arndt hat sich ganz direkt unter der standa lirenden Menge befunden. Ich fagte noch zu Arndt:„ Schämen Sie sich, Sie haben mir im Schüßenhause noch eine Bigarre angeboten und jezt betheiligen Sie sich an solchem Krawall."
Der Angeklagte Frost bekundet, daß er dem Eäbischka das rothe Taschentuch geliehen, um es an einen Stock zu binden. Es sei zunächst das Lied aus dem sozialdemokratischen Lieder buche: Laßt die Fahnen fliegen" gesungen worden. Er habe fich allerdings unter der Menge befunden, habe sich aber sofort entfernt, als Subrich zum Auseinandergehen aufgefordert hatte. -Hubrich weiß bezüglich des Forst nichts zu befunden.
Der 18 jährige Angeflagte Rubendunst, der in der folgen den Anklage, die wegen des Erzesses am Abende des 1. Mai erhoben worden, Hauptangeklagter ist, will ebenfalls nur aus Neugier zu dem Krawall hinzugekommen fein. Er habe sich aber nicht in dem Haufen befunden und habe sich auch, der Aufforderung des Hubrich gemäß, sofort entfernt.
Die Beweisaufnahme ergiebt fein anderes Resultat. 34 bemerken ist hierbei, daß nicht, wie gestern irrthümlich berichtet worden, der Tuchmacher Tittel, sondern der Spinner Maltus an Rubendunst geschrieben: Er habe die Absicht, den neuen Bus", der ihn ins Gefängniß gebracht, zu erschießen. Maltusch, der, aus der Haft vorgeführt, heute als Entlastungs zeugen für Rubendunst erscheint, giebt zu, einen solchen Brief geschrieben zu haben. Es tritt hierauf eine längere Pause ein.
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Der Angeklagte Keil, der gleich nach der Pause vernommen wird, bemerkt: Er sei zufällig zu dem Krawall hinzugekontmen, aber nicht unter der Menge gewesen, da ihn seine Mutter sehr Wacht bald aus der Nähe des Krawalls entfernt habe. meister Hubrich befundet: Keil habe sich unter den Haupt Standalmachern befunden. Standalmachern befunden. Angeklagter Hutarbeiter Rittlis: Ich gehe gewöhnlich Mittags ein Glas Bier trinken, ich mußte in Folge dessen die Dresdenerstraße passiren, woselbst der Krawall stattfand. Raum war ich herangekommen, da kam Wachtmeister Sommer auf mich zu und brüllte mich an mit den Worten: Wer sind Sie, wollen Sie sich ents fernen!" Präf.: Angeklagter, Sie find Mitglied der sozial demokratischen Partei? Angell.: Herr Präsident, können Sie mir vielleicht sagen, was das bedeutet? Präs.: Das werden Sie wohl wiffen. Angefl.: Ich weiß es nicht, deshalb möchte ich gern Aufklärung haben.- Präs.: Benehmen Sie sich an ständig, ich bin nicht dazu da, um mich in Interpellationen einzulaffen, ich habe nur auf Ihre Parteiangehörigkeit hingewiesen, da Sie sagten: Der Wachtmeister Sommer habe Sie angebrüllt. Wachtmeister Sommer befand sich im Amte, er mußte so laut sprechen, daß er von allen Leuten ver standen wurde. Es ist daher sehr unpassend, wenn Sie sagen, der Wachtmeister habe Sie angebrüllt.
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Wachts
Die Beugen befunden: Kittlig habe sich auf die Auf forderung des Wachtmeisters nicht entfernt. Bürgermeister Wirth bemerkt: Kittlig habe sogar passiven Widerstand ge leistet. Der Angeklagte Tuchscheerer Bergemann ist au Leipzig nach Spremberg zur Musterung gekommen. Er be mertt: Er sei erst gegen 2 Uhr Nachmittags zu dem Krawall hinzugekommen. Er habe lediglich seinen Freund Just vor der Verhaftung befreien wollen, da ihm derselbe leid that. meister Hubrich: Bergemann, den er schon lange vor der beabsichtigten Arrestantenbefreiung beobachtet, habe auf ihn den Eindruck ge macht, als wenn er die Leute aufheze. Er habe sich auch nicht auf seine( des Hubrich) Aufforderung entfernt. Bestrafte Untreue. Seit Jahr und Tag unterhielt der Bauernsohn Auguſt Jänicke zu Marienfelde ein Liebesverhältniß mit der Tochter eines Bahnwärters, der in seiner Wärterbude
in der Nähe des Dorfes Giesendorf felde entfernt.
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Forts. folgt.)
1½ Meile von Marien
daß,
er in
in ländlicher Stille hauste; unter den Dorfs Berbewohnern galten die beiden Leute als Versprochene" und halten dem Mädchen gegenüber, obwohl seine Verwandten vo einer Heirath mit der armen Beamtentochter nichts wissen woll wenn er nicht dem Drängen seiner Familie nachgäbe, seinen Erbansprüchen zu Gunsten seines Bruders Wilhelm ver fürzt würde, löste endlich das ihm zuletzt zur drückenden Feffel gewordene Verhältniß und ließ das Mädchen fißen, troßdem das felbe furz zuvor einem Kinde das Leben gegeben. Die so schmachvoll Verlassene starb- vielleicht aus Gram- kurz na der Entbindung, ihres Verführers noch auf dem Sterbes bette gedenkend. Der Vormund des hinterbliebenen Kindes flagte nunmehr gegen Auguſt Jänicke auf Erfüllung der Alimentationspflicht; das zuständige Amtsgericht zu Rirdorf verurtheilte den Beklagten zur Zahlung von Alimentations geldern, und es war im Sommer des vergangenen Jahres die Zwangsvollstreckung gegen Jänice verfügt worden, weil der selbe freiwillig Zahlung nicht leistet. Um nun die drohende Zwangsvollstreckung aufzuhalten, griff Auguſt Jänice, nachdem er inzwischen Berufung eingelegt, zu einem höchst bedenklichen Mittel, unter dessen Anwendung er in seiner Verblendung fich einen für ihn günstigen Erfolg versprach und ein obfiegendes Urtheil in der Berufungsinstanz erwartete. Noch während der Zeit, als Auguſt Jänide mit der verstorbenen Geliebten verkehrt, hatte er die Wahrnehmung gemacht, daß er einen von
dem Mädchen indessen unbeachteten
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Rivalen habe;
diesen, einen Arbeiter, Namens Rieburg, ließ Auguſt Janide nach dem Dorftrug entbieten, woselbst er mit seinem Bruder Wilhelm ihn erwartete. Beide machten den Rieburg dann im Gasthof mit Branntwein betrunken und legten ihm zulegt eine von Wilhelm Krüger verfertigte Urkunde vor, welche ihrem In halt nach die verstorbene Geliebte des Auguſt Jänide noch im Grabe beschimpfte und lediglich zu dem Zwed angefertigt war, um vor dem Berufungsgericht durch Beibrin gung einer eidesstattlichen Versicherung den Nachweis zu füh ren, daß August Jänice als der Vater des hinterbliebenen Kindes nicht anzusehen sei. Nicht wissend, was er that, unterschrieb Rieburg im Rausch diese verfängliche Urkunde Die sozialdemokratische Agitation in Spremberg bezw. eidesstattliche Versicherung, nachdem ihm Wilhelm Krüger
habe den Krawall veranlaßt? Beuge: Jch wiederhole, ich habe im Gegentheil gefagt, die sozialdemokratische Agitation habe mit dem Krawall absolut nichts zu thun. Ich bin überzeugt, nicht einer der gegenwärtigen Angeklagten weiß,
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noch Versprechungen gemacht und ficht gestellt, falls gewinnen sollte.
bennoch
Geschenke in Aus nun Auguſt Jänide den Prozeß nicht. Die eidesstattliche Versicherung des Rieburg überreichte
Soweit
fam
es
aber
was Sozialdemokratie bedeutet. Die Sigung wird hierauf August Jänide dem Berufungsgericht, die Zwangsvollftreduug
gegen 6 Uhr Abends auf morgen( Dienstag) Vormittags 9 Uhr vertagt.
Präfident, Landgerichtsdirektor Ritgen, eröffnet gegen 9 Uhr Vormittags wiederum die Sigung und beginnt mit der Vernehmung der Angeklagten über ihre Betheiligung an dem Krawall. Die Angeflagten erklären im Allgemeinen, fie seien nur so zufällig, theils durch den Lärm veranlaßt, theils weil sie ihr Weg dort vorüberführte, zu dem Krawall hinzugekommen, fie haben sich aber nicht unter der Menge befunden, die von den Beamten zum Auseinandergehen aufgefordert wurde.
In
wurde in Folge deffen vorläufig aufgehalten und demnächst ein Verhandlungstermin vor der Zivilfammer des Landgerichts II zu welchem auch Kieburg geladen war. diesem Audienztermin tam jedoch das schändliche Lügen gewebe ans Licht,
angefeßt,
denn Kieburg Rieburg brachte
die
im
Dorffrug getroffene Abmachung zur Anzeige, indem er vor Ge richt erklärte, daß er von dem völlig unwahren Inhalt der eidesstattlichen Versicherung als er dieselbe unterschrieb, teine Kenntniß hatte; demgemäß wurde die Berufung des Auguft Belastungszeugen, ganz besonders Polizeiwachtmeister Hubrich, zwischen durch Uebernahme einer eigenen Wirthschaft seine Jänicke seitens der Zivilkammer verworfen und er, weil in
Die