erschiedenen Seiten versichert wird, in feiner Weise im GeSchäftslokal irgendwie Propaganda gemacht; er ist also lediglich ein Opfer feiner privaten Ueberzeugung geworden. Ein Kommentar hierzu ist überflüffig, ein Jeder weiß, wie solche Hardlungsweise zu bezeichnen ist.
Man entsinnt sich wohl noch des raubmörderischen Ueberfalls, welcher vor etwa zehn Jahren gegen den Kaufmann Schünemann in seinem Zigarrengeschaft in der Kom mandantenstraße vollführt wurde. Wie verlautet, ist Herr Schünemann nunmehr einem langjährigen Gehirnleiden, einer Folge jenes Verbrechens, zu Saalfeld in Ostpreußen im sechsundvierzigsten Lebensjahre erlegen.
Beim Taschendiebstahl ergriffen wurden am Sonntag, den 7. d. M., Nachmittags, Unter den Linden in der Paffage zwei Knaben. In ihrem Besize befanden sich u. A. ca. 13 M. baares Geld, ein altes Portemonnaie, ein buntes Halstuch und ein weißes, ungezeichnetes Taschentuch. Sie räumten ein, einer jungen Dame ein Portemonnaie mit 60 Pf. und das Taschentuch, einer älteren Dame hingegen ein Portemonnaie mit 10,60 m. und das bunte Halstuch entwendet zu haben, als die Damen vor dem Schaufenster des Panoptikums standen. Die Bestoh lenen find noch nicht ermittelt und wollen sich dieselben im Kriminal- Kommissariat, Moltenmarkt 1 II, Zimmer 77, in den Vormittagsstunden melden.
Die Warnungen in der Presse gegen das Auf- und Abspringen bei einem in der Fahrt begriffenen Pferdebahnwagen scheinen vollständig unberücksichtigt zu bleiben, denn fast täglich werden hierdurch entstandene Unglücksfälle gemeldet. Auch gestern hat sich ein derartiger schwerer Unglücksfall ereignet. Ein alter Herr wollte gegen 2 Uhr an der Köpenicker Brücke auf einen in der Fahrt begriffenen Wagen der Ringbahn springen, stürzte aber, nachdem er eine kurze Strecke zum Entseßen der Fahrgäste und der Basanten mitgeschleift worden, auf das Straßenpflaster und blieb hier mit gebrochenem Schenkelbein liegen. Er wurde von zwei herbeigeeilten Schußleuten aufgehoben und per Droschke nach dem nahen Krankenhause Bethanien gefahren. Mögen doch endlich unsere Warnungen beim Bublifnm Gehör finden!
Zur Warnung vor einem Schwindler wird uns folgendes gemeldet: Am 6. d. M. miethete der Hausdiener Reinhold Sielaff bei einem Schuhmacher in der Invalidenstraße eine Schlafstelle, zahlte 3 M. Angeld und engagirte zum Transport feines Roffers einen unbekannten Mann, den er auf der Straße getroffen hatte. Als der Koffer im neuen Quartier untergebracht war, trennte fich S. von dem Unbekannten. Etwa eine Stunde später ging letterer zu dem Schuhmacher und verlangte den Koffer zurück unter der falschen Angabe, daß sein Freund, als welchen er den S. bezeichnete, inzwischen eine Stellung erhalten habe und in Folge dessen nicht zuziehen könne. Der Koffer wurde ihm unbedenklich herausgegeben, ebenso der größere Theil des gezahlten Angeldes. Abends fam S. in sein neugemiethetes Quartier und war sehr erstaunt, daß sein Koffee abgeholt wor den war. In demselben befand sich außer Kleidungsstücken ein Militärpaß für S., vor deffen Mißbrauch hiermit gewarnt wird. Der Schwindler ist etwa 35-40 Jahre alt, hat starken Schnurrbart und war mit graubuntem Rock und schwarzer Tuchmüße bekleidet.
Die Grünauer Affäre wird voraussichtlich noch ein NachSpiel haben. Die königliche Staatsanwaltschaft hat gegen zwei der Theilnehmer, die Herren Roll, Arndtstraße 13, part. rechts, und Müller noch nachträglich eine Anflage wegen öffentlicher Beleidigung erhoben. Es liegt daher im Interesse sowohl der Angeklagten als in demjenigen sämmtlicher Theilnehmer an jener Partie, wenn sich Zeugen, die etwas über die Unschuld der genannten Herren zu befunden wissen, bei Herrn Roll melden.
Wegen eines eigenthümlichen Schwindels sind der wohnungslose, bereits mehrfach bestrafte Kolporteur Melzer und der gleichfalls wohnungslose Buchhändler Frankenberg von der Kriminalpolizei verhaftet worden. Melzer suchte ein Engagement als Provisionsreisender bei hiesigen Konditoren, denen er demnächst Aufträge für die angebliche Firma Frankenberg aufgab. Die Bestellung ging dahin, die gewünschten Waaren an einen Kartonfabrikanten abzuliefern, woselbst sie angeblich verpackt werden sollten. Von dort wurden sie durch die Befchuldigten abgeholt und verschleudert.
In der Spree hinter dem Grundstück vor dem Stralauer Thor Nr. 12 wurde gestern Vormittag die Leiche eines neugeborenen Kindes weiblichen Geschlechts aufgefunden und zum Leichenschauhause geschafft. Am Hinterkopf der Leiche, welche bereits start in Verwesung übergegangen war, war eine zirka drei Zentimeter lange und zwei Bentimeter breite Wunde fichtbar.
Seltene Geistesgegenwart eines 17jährigen Mädchens. Ein Rettungswert, welches wohl verdient, in den Annalen der Berliner Lokalchronik verzeichnet zu werden, vollbrachte in der vergangenen Nacht cin 17jähriges Mädchen bei einem auf dem Grundstück Dresdenerstraße 103 ausgekommenen Schadenfeuer. Die in dem genannten Hause in der 3. Etage wohnenden Lorenz'schen Eheleute hatten fich gestern Abend zu einer Privatfestlichkeit begeben; ihre vier Kinder unter Aufsicht der ältesten 17jährigen Tochter Rosa zurücklaffend. Gegen 3 Uhr Nachts erwachte das Mädchen plößlich durch einen penetranten, bran digen Geruch, der sie veranlaßte, schleunigst aufzustehen und nach der Ursache zu forschen. Im Begriff, eine nach der Küche führende Thür zu öffnen, schlug ihr plöglich eine mächtige Rauchwolfe entgegen, während die Küche selbst in lichterlohen Flammen stand. Schnell entschlossen stürzte sie sich in das neben der Küche belegene Schlafzimmer ihrer Geschwister, ergriff dieselben und brachte die noch Schlaftrunkenen, welche in den nächsten Minuten zweifellos erstickt wären, in Sicherheit; dann erst durch Hilferufe die Hausbewohner zu einer Alarmirung der Feuerwehr veranlaffend. Die Arbeit der letteren selber war eine furze, da das gefahrvolle Rettungswerk von dem jungen Mädchen bereits vollbracht war.
Polizeibericht. Am 9. d. M. Vormittags wurde bei dem Grundstück Vor dem Stralauer Thor 12 die bereits stark ver weste Leiche eines neugeborenen Kindes aus der Spree gezogen und nach dem Leichenschauhause gebracht. Gegen Mittag wurde in der Thurmstraße eine obdachlose Frau frank auf dem Bürgersteig liegend vorgefunden und nach dem Krankenhause in Moabit gebracht. Am Nachmittag verunglückte in der Köpniderstraße der Hausdiener Weigelt dadurch, daß er beim Abspringen von einem in der Fahrt befindlichen Pferdebahnwagen hinfiel, und dabei mit dem linken Bein unter die Räder desselben gerieth. Er erlitt mehrere schwere Knochenbrüche des selben und mußte mittelst Droschte nach dem Krankenhause Bethanien gebracht werden.
Wallner- Theater.
Die Sternschnuppe.
Schwant in 4 Aften von G. v. Moser und Otto Girndt.
R. C. Das war ein tolles Durcheinander, ein wahres
nicht der bissige Sarkasmus, der nur in äßender Ironie seinen Ausdruck findet. Moser fultivirt außerdem die Komit der Sis tuation, er verläßt aber auch hier den Boden der Möglichkeit nicht, er weiß sich genau auf der Grenze zu halten, welche das Groteske vom Albernen scheidet.
Von dem vorliegenden Stück der Sternschnuppe" ist nicht viel zu sagen, es ist mit den denkbar einfachsten Mitteln, aber mit viel Geschick aufgebaut.
Ein eigenwilliger, obstinater und etwas jähzorniger Stadtverordneter einer kleinen Stadt will durchaus der Feier seines fünfundzwanzigjährigen Amtsjubiläums entgehen. Jedermann im Städtchen freut sich bereits auf das Fest oder thut wenigstens so, nur der Stadtverordnete und Rentier Schubert nicht. Er weiß keinen besseren Rath, als während der Dauer der Fest lichkeit zu verreisen. In seinem Neffen, dem Dr. West, findet er einen hilfbereiten Beistand, und es gelingt ihm auch, wäh rend der Vorbereitungen zu seiner Jubiläumsfeier unsichtbar zu bleiben. Der Dr. West, der seinen Onkel verbirgt, hat dies nur gethan, um durch Vermittelung seines Onfels und dessen Grobheit einen listigen Besuch loszuwerden, von dem er meint, daß er seiner Frau den Hof macht. Dies ist gar nicht der Fall, der Besuch verliebt sich vielmehr in die Tochter des verschwuns zum Schluß: Versöhnung, Heirath denen Stadtverordneten zum Schluß: Versöhnung, Heirath und Jubiläumsfeier.
Die Idee ist, wie man sieht, nicht besonders neu und auch nicht allzu fruchtbar, dennoch verstand es Moser, allerdings in trefflicher Weise von dem Personal des Wallner- Theater unterstüßt, das Publikum während des ganzen Abends in der vortrefflichsten Weise zu unterhalten.
Dem vielgewandten Gast, Herrn Schweighofer, der den Rentier und Stadtverordneten Schubert mit viel Geschick aber auch mit etwas starken Farben gab, standen die Herren Meißner, Guthery und Blenke in würdiger Weise zur Seite; von den Damen sind besonders Fräulein Kramm, die fich täglich mehr vervollkommt, Fräulein Meyer und Fräulein Sandow zu
nennen.
Gerichts- Zeitung.
Der Spremberger Krawall vor Gericht. ( Dritter Verhandlungstag.)
Präsident Landgerichtsdirektor Ritgen eröffnet die heutige Sigung gegen 9 Uhr Vormittags mit folgenden Worten: Ehe ich in die Verhandlung eintrete, muß ich auf eine falsche Stelle eines Zeitungsreferates aufmerksam machen. Ich werde hierüber den Landrath Hoffmann vernehmen. Herr Landrath, laut eines eingegangenen Zeitungsberichts sollen Sie auf meine Frage, ob Sie den Krawall für eine sozialdemokratische Demonstration gehalten, geantwortet haben: Das bezweifle ich, denn ich muß bemerken, daß die meisten der Erzedenten stark angetrunken waren." Ich glaube, das ist nicht ganz forreft?- Landrath Hoffmann: Ich habe nicht gesagt, ich bezweifle, daß der Kra wall eine sozialdemokratische Demonstration war, sondern ich fagte: Ich habe von einer sozialdemokratischen Demonstration nichts wahrgenommen; als ich hinzufam, da wurde nicht mehr gesungen, auch habe ich keine Fahne gesehen.
Präsident: Sie bezweifeln aber nicht, daß der Krawall die Frucht der sozialdemokratischen Agitation war, sondern Sie find im Gegentheil der Meinnng, daß der Krawall die Folge der sozialdemokratischen Agitationen gewesen ist. Beuge: Jawohl.
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Präsident: Sie haben ferner gesagt, Sie wissen nicht, ob die gegenwärtigen Angeklagten zur sozialdemokratischen Partei gehören. Beuge: Das ist richtig.
Präfident: Ueber diesen Punkt werden wir noch den Herrn Bürgermeister vernehmen.
Es wird alsdann in der Beweisaufnahme über den Vorgang am 30. April fortgefahren. Eine Anzahl Zeugen berichtet über bereits bekannte Einzelheiten. Tuchmacher Wobesa befundet: Am Abend des 29. April habe er gehört, dem Hubrich werden wir es schon noch besorgen.- Der Zeuge bewegt sich alsdann bezüglich der Betheiligung der verschiedenen Zeugen an dem Krawall im Widerspruch mit seiner in der Boruntersuchung abgegebenen Aussage.- Der Präsident bemerkt dem Zeugen: Es soll ein Mann, der sich im Zuhörer
raum
aufgehalten, einen Einfluß auf die Beugen versucht haben, er stelle deshalb an die Zeugen die Frage: Ob Jemand auf sein Zeugniß habe Einfluß ausüben wollen. Der Beuge antwortet verneinend.
Bräf.: Angeflagter Riftlig, ich muß jeßt die direkte Frage an Sie stellen, gehören Sie der sozialdemokratischen Partei an? Angell.: Nein, ich habe keine Ahnung davon.
-
Präs. Ich frage Sie nicht, ob Sie zu den Führern gehören, ich frage Sie blos, ob Sie zu den Leuten gehören, die in Spremberg als Sozialdemokraten bekannt sind?- Angekl.: Nein.
Es
hatte. Alle diese Vorgänge haben zweifellos in der Arbeiter bevölkerung Sprembergs eine gewisse Erregung hervorgerufen. Ich will es dahingestellt sein laffen, ob der Krawall ein ge planter war. Der Herr Bürgermeister Wirth hat allerdings befundet, daß in einer Fabrik von einem Putsch, der in Sprem berg inszenirt werden sollte, die Rede gewesen ist, bestimmte Thatsachen hierüber haben sich jedoch nicht ermitteln laffen. Fest steht jedenfalls, daß der Krawall eine sozialdemokratische Demonstration war Dafür spricht die rothe Fahne und der Gesang des sozialdemokratischen Liedes. Der in einer anderen Sache Angeklagte, hier als Beuge erschienene Tuchmacher Tittel fagte: Die gegenwärtigen Angeklagten haben jedenfalls feine Ahnung, was Sozialdemokratie bedeutet. Ich theile diese Meinung Was Sozialdemokratie bedeutet, wissen überhaupt die wenigstens Sozialdemokraten. Zweifellos waren die jungen Leute, die hier auf der Anklagebank figen, vom sozialdemokratischen Gift angefressen, die wollten einmal sehen, was sie ausrichten, wenn sie die Gewalt in Hän den haben, die Erfolge, die sie erreicht, sind allbekannt. muß ferner erwogen werden, daß in der Arbeiterbevölkerung Sprembergs ein großer Haß gegen den Polizeibeamten Hubrich herrschte, weil dieser sich keiner Pflichtverletzung schuldig machte, sondern Ungehörigkeiten zur Anzeige brachte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in der Spremberger Arbeiterbevölkerung längst die Absicht herrschte, an dem versezten Polizei beamten Hubrich Rache zu üben. Die Ausführung dieser Absicht verbanden fte mit einer Sozialdemo Demonstration. Daß der Erzeß ein sehr kratischen arger gewesen, hat die Beweisaufnahme ergeben. Die ganze Sachlage erfordert deshalb, weit über das Minimal- Strafmaß hinauszugehen. Der Staatsanwalt beleuchtet hierauf in ein gehender Weise die einzelnen Vorgänge und beantragt: Gegen Gloger, obwohl derselbe Sozialdemokrat sei, die Freisprechung gegen Sydow, Weinhold, Teuß und Plake wegen Auflaufs je drei Monate Gefängniß, gegen Teuscher wegen Auflaufs zwei Monate Gefängniß, alle übrigen Angeklagten beantragte der Staatsanwalt wegen Aufruhrs und Auflaufs zu bestrafen und zwar Jäckel, Kucher, Bär, Forst, Büttner, Keil, Bergmann und Kittlig mit je 1 Jahr 2 Monate, Rubendunst mit 10 Monaten Gefängniß.
Berichtigend ist mitzutheilen, daß es am Eingange der Rede des Staatsanwalts heißen muß: Ich bin entfernt zu behaupten, daß die Führer der sozialdemokratischen Partei den Krawall angezettelt haben."
Der Staatsanwalt beantragt ferner, diejenigen Angeklagten, gegen die 1 Jahr Gefängniß und darüber erkannt werden follte, in Haft zu nehmen.
Die Angeklagten bitten theils um ihre Freisprechung, theils um mildernde Umstände. Der Anklagte Arndt bemerkt: J erhebe Widerspruch, ich werde mir einen Rechtsanwalt annehmen. Der Präsident bedeutet ihm, daß er das hätte früher thun sollen.
Nach langer Berathung verurtheilte der Gerichtshof die ange flagten Arndt, genannt Jäckel, Büttner, Sydow, Weinhold, Teuß und Platte wegen Auflaufs zu je 3 Monaten, Teuscher wegen desselben Vergehens zu 2 Monaten, die übrigen Ange flagten wegen Aufruhrs und Auflaufs, und zwar Heuchar, Arndt, Baer und Frost zu je 1 Jahr, Rubendunst zu 9 Monaten, Keil und Kittlig zu je 1 Jahr und 2 Mo naten, Bergmann zu 1 Jahr Gefängniß und sprach Gloger frei. Außerdem beschloß der Gerichtshof: Arndt, Baser, Frost, Kittlig und Bergmann sogleich zu verhaften.
Der Präfident, Landgerichts- Direktor Ritgen bemerkt bei der Urtheilsmotivirung: Der Gerichtshof ist nicht der Meinung daß die sozialdemokratische Partei den Krawall inszenirt hat der Gerichtshof ist jedoch der Ueberzeugung, daß durch die fozialdemokratischen Agitationen der Boden zu diesem Krawall vorbereitet worden ist.
ber
Wenn
Es war zweifellos, daß der von sozialdemokratischen Partei in Spremberg gepflegte Geist Unordnung, der Auflehnung und Widerspänstigkeit gegen die bestehenden Geseze den Krawall verursacht hat. auch der Krawall zunächst aus Haß gegen den Polizei Wacht meister Hubrich unternommen worden ist, so war doch gleich Der Polizei- Wachtmeister Hubrich hat daher nur seine Pflicht erfüllt, wenn er den Aufzug mit einem rothen Taschentuch und dem Gesang sozialdemokratischer Lieder untersagte. Angefichts deffen, sowie in Berücksichtigung des gesammten Vorfalles mußte
wie geschehen erkannt werden.
Berliner Arbeiterinnenbewegung. Am 9. d. M.
auf Grund des Vereinsgefeges vorläufig" geschloffenen hielten die angeklagten Vorstandsmitglieder des im Mai d. J Verein zur Vertretung der Interessen der Arbeiterinnen", nämlich Frau Dr. Marie Hofmann( 1. Vorfißende) Frau Stägemann( 2. Vorsitzende) Frau Ihrer( 1. Schriftführerin) und Fräulein Jagert( stellvertretende Schriftführerin) Vorladung zur Hauptverhandlung vor die 1. Straffammer des hiefigen
schen Partei?-Bergmann: In keiner Weise, ich besuche weder Landgerichts. Da der Andrang des Publikums, namentlic
Versammlungen, noch lese ich verbotene Schriften.
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Präs. Danach habe ich Sie nicht gefragt Bergmann: Ich weiß gar nicht, was Sozialdemokrat ist und verkehre auch nicht mit solchen Leuten.
Präs. Sie wissen doch aber, daß in Spremberg Sozialdemokraten existiren?- Bergmann: Das ist mir wohl bekannt, diese Leute sind ja jezt überall vertreten.
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Präs. Angeklagter Kucher, gehören Sie zur sozialdemo fratischen Partei? Rucher: Ich habe keine Ahnung. Präs. Angeflagter Gloger, gehören Sie zur sozialdemofratischen Partei? Gloger: Nein.
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Der hierauf vernommene Bürgermeister befundet: So viel ihm bekannt, gehören Kucher und Kittlig zur sozialdemokratischen Partei, von den Angeklagten Bergmann, Arndt, Baer und Gloger wisse er in dieser Beziehung nichts zu befunden. -Angeklagter Kittlig: Ich frage den Herrn Bürgermeister, ob ich einmal in einer sozialdemokratischen Versammlung gewesen bin oder mich an einem sozialdemokratischen Begräbniß betheiligt habe?
aus Arbeiterinnenfreisen ein ganz immenser sein wird, ist der große Schwurgerichtssaal im Justizpalast" als Sigungsraum
bestimmt worden.
Daß die beiden anderen, ebenfalls ge schloffenen und angeklagten Berliner Arbeiterinnenvereine, ber Fachverein der Mäntelnäherinnen" und der Verein der Ar beiterinnen Berlins " auch schon Vorladungen erhalten hätten, darüber verlautet nichts. Bekanntlich wurde der Hauptverbands lungstermin gegen die Angeklagten des Fachvereins der Mäntel näherinnen auf Antrag des Vertheidigers des Frl. Wabnis
vertagt.
bes
Ein sonderbarer Pseudo- Kriminalbeamter. Unter der Anklage, ein öffentliches Amt unbefugt ausgeübt zu haben, stand gestern der fünfzigjährige Kunststopfer Ernst Hafenbein vor der ersten Straffammer des hiesigen Landgerichts I. Der noch nicht vorbestrafte Angeklagte hatte am Vormittage 17. Juni d. J. in einer Restauration den Agenten Rabbas fennen gelernt. Die beiden Leute waren ins Gespräch ges tommen und Raddaß hatte erzählt, daß er den Auftrag erhalten habe, eine Destillation zu verkaufen. Hafenbein wußte awei in dieser Beziehung nichts aus eigener Wahrnehmung, verabredet, daß die Provision( fünfzig Mark) getheilt werden Präfident: Der Herr Bürgermeister hat gesagt, er wiffe Leute, die zu einem solchen Kaufe geneigt wären und es wurde
Sie find jedoch in den Polizeiakten als Sozialdemokrat bezeichnet. Rittlig: Beweise hierfür liegen nicht vor. bezeichnet.
-
Wachtmeister Sommer: Der Polizei in Spremberg find Kucher, Kittlig, Bergmann und Gloger als Sozialdemokraten bekannt. Bergemann; Welche Beweise hat der Herr Wachtmeister, daß ich Sozialdemokrat bin?
Präfident: Die Aussage des Herrn Wachtmeisters beruht gekommen sei, das die feinen Nasen der übrigen Detektivs
solle. Tie beiden Männer plauderten noch mehr, Raddas ers zählte Familiengeschichten und flagte, daß er mit feiner Frau nicht glücklich lebe. Schließlich nahm man Abschied, nachdem der Kunststopfer seinem neuen Freunde noch vorher mit getheilt hatte, er sei Geheimpolizist und von einer Gemeinde, in der er einem schweren Verbrechen auf die Spur nicht zu entdecken vermocht hätten, 500 M. Belohnung befom men. Während Raddaß noch in der Kneipe blieb, begab fich Hasenbein in die Wohnung des Agenten, traf deffen Frau an, stellte sich als Kriminalbeamter vor, schrieb auf einem Fegen weiter faullenzen wolle, so werde er sie an die Nähmaschine Papier alle Personalien und drohte der Frau, wenn fie noch anwalt Haude: Ich bin entfernt, die Führer der sozialdemo- Irgend einen Vortheil für fich suchte er durch sein angebliches Es nimmt nunmehr das Wort der erste Staats- bringen und dafür sorgen, daß sie in das Arbeitshaus fäme
nicht auf eigenen Wahrnehmungen, derartige Wahrnehmungen werden aber von verschiedenen Personen gemacht. Berg mann: Als ich aus der Untersuchungshaft entlassen wurde, da haben fich meine Chefs sehr genau erkundigt und festgestellt, daß ich keiner Partei angehöre.
Die Beweisaufnahme ist danach beendet.
fratischen Partei für den Krawall verantwortlich zn machen.
Amt nicht zu erreichen.
Zur Begründung seiner ganz uner
Wettrennen des Wiges und der sprudelnden Laune, welches Ich bin sogar der Meinung, die ganze Sache kam ihnen sehr klärlichen Handlungsweise führte der Angeklagte an, daß er im G. v. Moser vorgestern Abend im Wallner- Theater verursacht ungelegen, da fie einmal die Zeit noch nicht für gekommen Intereffe seines neuen Freundes habe handeln und deffen Frau
hatte. Fast hätte man glauben können, die alte Zeit sei im Wallner- Theater wieder erwacht und zu Ehren gekommen so gewaltige Lachsalven erschütterten während des ganzen Abends das Haus. Allerdings, weswegen man gelacht, worüber man fich amüfirt hat, dessen kann man sich am folgenden Tage nur schwer erinnern, aus dem bunten Wirrwarr bleibt nicht viel im Gedächtniß haften. Und doch bei allem Uebermuth, den Mofer in seine Stücke zu verpflechten versteht, sinkt er niemals zu dem Boffenblödsinn gewöhnlichen Genres hinab, es find immer Gestalten von Fleisch und Blut, die er dem Publikum vorführt, sein Humor hat etwas gemüthlich deutsches, es ist eben
hielten, um in dieser Weise die sozialdemokratische Gesinnung zu bethätigen und weil sie außerdem wußten, daß durch derartige Vorgänge die gutgefinnte Bevölkerung Sprembergs fich ihnen feindlich gegenüber stellen würde. Es ist jedoch andererseits zu
zur Raison habe bringen wollen.
Er bestreitet aber ent
Der Agent Raddaß ist als Beuge
porgeladen
berücksichtigen, daß zu einer Beit in Spremberg Agitationen statt zählt sehr umständlich, wie er mit dem Angeklagten bekannt
aufregend
schieden, sich als Kriminalbeamter ausgegeben zu haben. I und betritt unter vielen Büdlingen den Sigungsfaal. Er er geworden sei. Vorfißender: Haben Sie mit Hafenbein auch über ihre Familienverhältnisse gesprochen?- Beuge( zögernd): Ja, er sagte... Ich weiß nicht, ob ich das hier sagen darf. ( Bauſe. Der Beuge wirft einen Blick auf die im Zuhörerraum Verbot wegen Beschränkung von Streit- Versammlungen erlassen fizenden Damen und fährt dann mit sehr leiser Stimme fort)
gefunden haben, die wohl geeignet waren, auf die Arbeiterbevölkerung zu wirken. Es haben sogar Verfammlungen im Freien, im Walde bei Spremberg , stattgefunden. Ich erinnere außerdem daran, daß zu jener Zeit die belgischen Unruhen stattfanden, daß der Herr Minister des Innern ein
Vorsitzender: Reden Sie nur!- Beuge: Er fagte..
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