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Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 281.

Parlamentsberichte.

Deutscher Reichstag .

3. Sigung vom 30. November, 121 hr. Am Tische des Bundesraths: von Boetticher, Jacobi, von Scholz, von Caprivi, Bronsart von Schellendorff u. A. mit zahlreichen Kommiffarien. Der Reichstag wird um die Ermächtigung zur strafrecht­lichen Verfolgung des Redakteurs der Darmstädter freien Preffe" ersucht, der nach Auffaffung des Kreisamtes zu Darm­ stadt in der Nummer vom 2. Oktober d. J. den Reichstag be­leidigt hat. Das betr. Schreiben wird an die Geschäfts­ordnungskommission verwiesen.

Eingegangen ist die Uebersicht über den Stand der Bau­ausführungen und der Beschaffung von Betriebsmitteln für die Eisenbahnen in Elsaß- Lothringen und für die im Großherzog thum Luxemburg belegenen Strecken der Wilhelm- Luremburg­Eisenbahn vom 30. September 1886. Ferner ein Beschluß des Bundesrathr, betr. die Aufnahme der Anlagen, in welchen Albuminpapier hergestellt wird, in das Verzeichniß der ge werblichen Anlagen, welche nach Bestimmung des§ 16 der Gewerbeordnung einer besonderen Genehmigung bedürfen.

Die erste Berathung des Reichshaushalts= etats für 1887 88 nebst dem Anleihegesetz leitet der Staats­sekretär des Reichsschazamts Dr. Jacobi mit einem sehr umfassenden Vortrage ein, der zum großen Theil auf bekannte Thatsachen und die in Aller Händen befindlichen Uebersichten über die Einnahmen und Ausgaben des Etatsjahres 1885 86 zurückgreift. Seine Mittheilungen bieten daher im Ganzen wenig Neues, leider auch wenig Erfreuliches". Der definitive Abschluß des Jahres 1885, 86 weicht naturgemäß mehrfach von Schäzungen ab, die im vorigen Jahre an dieser Stelle auf Grund der Erfahrungen eines halben Jahres aufgestellt werden fonnten. Vornehmlich fällt ins Gewicht der erhebliche Ausfall der Rübenzudersteuer, der sich schon im Jahre 1884 85 auf 14 Millionen stellte und im Vorjahre auf etwas Beim Reichsheere über 20 Millionen gestiegen ist. wurden 25 nahezu Millionen weniger verausgabt, wesentlich durch Ersparnisse bei der Naturverpflegung, bei der Marine über 3 Millionen mehr verausgabt in Folge der umfangreichen Indienststellung der Schiffe. Im Schlußergebniß hat sich für Rechnung des Reichs ein auf das Konto der Rüberzuckersteuer zurückführender Fehlbetrag von 17 480 377 M. ergeben, der im Etatsjahr 1887 88 seine Deckung zu finden haben wird. Bezüglich der Abgaben, deren Mehr erträge den Einzelstaaten zu überweisen sind, sind die erwarteten höheren Beträge nicht voll eingegangen; bei der Tabackssteuer ist eine Minderefnnahme von etwa Million zu nennen. Die Zölle haben ein Mehr von nur 15 856 490 M. und die Stempelabgaben ein solches von 2640 528 M. aufzuweisen. Diese Mehreinnahmen bilden nämlich nicht im gewöhnlichen Sinne einen Ueberschuß gegen die etatsmäßigen Anfäße, fie find wesentlich durch die bei der Etatsaufstellung nicht berücksichtigten im Laufe des Jahres 1885 bezw. mit dem 1. Januar 1886 eingetretenen Bollerhöhungen und durch die seit dem 1. Dt­tober 1885 erhobenen Stempelabgaben von Kauf- und sonstigen Anschaffungsgeschäften herbeigeführt. Eine stärkere Einfuhr von Kaffee und Betroleum hat mitgewirkt.

Die Mehrüberweisungen an die Einzel­staaten beziffern sich auf 18 454 064 M., so daß hierin ein Ausgleich für den vorhin erwähnten Fehlbetrag zu

finden ist.

Die Ausprägung egyptischer Münzen auf der Münzstätte in Berlin hat der egyptischen Regierung Anlaß ge­geben, Anträge auf die Ueberlaffung von Silberbarren zu ſtellen.( hört, hört! links.) Diesem Antrage ist stattgegeben worden( hört, hört! links), um die fortgesetten Binsverluste zu vermeiden und um die Schwächung der Betriebsfonds, welche um den früheren Münzwerth der Silberbarren gekürzt waren, zu beheben. Es sind also ganz unbeschadet der Stellung zur Währungsfrage wesentlich praktische Rücksichten für die Regie­rung maßgebend gewesen. Ein Druck auf den Silberpreis fonnte natürlich bei diesen Abschlüssen, die sich im Stillen voll­30gen, nicht geübt werden. Aus gleicher Erwägung ist dann Der genannten Regierung im laufenden Jahre der Rest der vorhandenen Silberbarren überlassen und auch nur, um den Bedarf für die Ausprägung der egyptischen Münzen voll zu im Betrage von 14 Millionen Mark eingeschmolzen.

Mittwoch, den 1. Dezember 1886.

nur eine Ausgabe vorweg nimmt, die später doch zu leisten ge= wesen sein würde.

Erheblicher werden fich die Minde einnahmen gestalten, auf 19 200 000 m.( 23 516 000 M. nach Abzug der Mehr­einnahmen von 4474 000 m.). Ausschlaggebend ist auch hier wieder die Zuckersteuer, deren Minderung sich für das laufende Jahr wahrscheinlich auf 21 714 000 M. stellen wird. Im Jahre 1885 86 belief sich der wirkliche Ausfall genau auf Seit 20 190 256 M., 1881 85 auf rund 14 Milliouen. diesem Jahre haben wir fortgesezt mit der Fehlsamkeit und Unsicherheit dieses an fich erheblichen Einnahmepostens zu kämpfen. Erst wenn die Novelle zum Zuckersteuergesetz zu ihrer vollen Geltung gelangt sein wird, dürfen wir wieder auf übersichtlichere und gleichmäßigere Resultate rechnen.

In dem Fehlbetrag von 24 121 000 M. für das laufende Jahr befinden sich Mehrausgaben von 6 969 000 M., welche im Falle der Vorausbewilligung durch Anleihen zu decken gewesen wären, so die Ausgaben für Kompletirung des Waffenmaterials und die Bauten in Saarburg . Um so viel würde sich also der Fehlbetrag vermindern, wenn man diese Beträge noch nachträg­lich der Anleihe zur Rechnung zu stellen für geeignet befinden sollte. Auch bei der Ueberweisung an die Bundesstaaten be= stimmter Zölle und Steuern wird ein erheblicher Ausfall nicht zu vermeiden sein, weil die Getreideausfuhr weit hinter den Voraussetzungen zurückgeblieben ist. Angenommen wurde eine Einnahme von 56 650 000 M. aus den Getreidezöllen, wobei der Durchschnitt der Einfuhr von 1882-84 zu Grunde gelegt wurde zugleich mit der Annahme, daß die erhöhten Ge freidezölle nicht schon für das laufende Jahr die Einfuhr zu­rücdrängen würden. In Wirklichkeit haben diefelben in der ersten Hälfte dieses Etatsjahres eine Einnahme von nur 13 900 000 m. ergeben. Berechnet man das zweite Semester in analoger Weise, so berechnet sich die Einnahme an Getreide: zöllen auf 31 603 000 m., im Ganzen also auf 25 047 000 M. niedriger als bei der Etatsaufstellung angenommen ist, in Folge der reichlicheren Ernteerträge. Etwa 10 Millionen dieses Aus­falles werden eingebracht auf Mehreinnahmen von anderen Zoll­artikeln, auf die man rechnen kann. Die Vorauszahlungen an die Einzelstaaten würden also etwa um 16 600 000 m. hinter den Voraussetzungen des Etats zurückgeblieben, aber immer noch um 18 Millionen Mark höher sein als im vorigen Jahre.

Indeffen

Nach diesen Erklärungen wird die Lage des Etatsentwurfs für 1887-88 vielleicht wieder überraschend erscheinen. Er bedingt unter Einrechnung eines um 11 059 000 M. gesteigerten Fehlbetrages aus dem Jahre 1885-86 eine Erhöhung der Matrikularbei­träge um 29 117 777 M., während den Bundesstaaten an Ueberschüssen 2 208 000 M. weniger überwiesen werden konn ten. Die außerordentlichen Zuschüsse sind auf 72 891791 M. berechnet. Bei Aufstellung des Etats ist in Frage gekommen, berechnet. Bei Aufstellung des Etats ist in Frage gekommen, ob nicht noch ein größerer Theil der einmaligen Ausgaben der Heeresverwaltung auf die Anleihe zu verweisen sei. ist es richtiger erschienen, an den Grundsäßen früherer Jahre ist es richtiger erschienen, an den Grundsäßen früherer Jahre festzuhalten. Fortdauernd wird beim Auswärtigen Amt eine Steigerung der Ausgaben um 384 955 M. eintreten; u. A. be­darf der Kommissionskostenfonds zu Gunsten der Entwickelung des überseeischen Handels einer Verstärkung. Für die deutschen Schußgebiete find erstmalig feste Besoldungen für die Beamten vorgesehen; für dieselben Gebiete tehrt bei den einmaligen Aus­gaben ein Zuschußbeitrag an Verwaltungskosten wieder, wo­gegen die für die gleichen Zwecke im laufenden Jahre einge stellten Pauschsummen höheren Betrages wegfallen. Von den fortdauernden Ausgaben des Reichsamtes des Innern treten in den Vordergrund die Verstärkung des Fonds zur Förderung der Hochseefischerei um 100 000, sowie 100 432 m. für die neu zu errichtende physikalisch- technische Reichsanstalt zur experimentellen Förderung der eraften Naturwissenschaft.

Bei dem Reich sheer ist mit Berücksichtigung der baye­rischen Quote eine dauernde Mehrbewilligung von 2 443 000 m. erforderlich. Daneben verursacht die Abnahme von Manque­ments von Offizieren eine Mehrausgabe von mehr als 1 Million. An Brot und Fourage ergiebt sich ein Mehrerforderniß von 150 000 M. Im Uebrigen aber hat in Rücksicht auf die billigen Oktoberpreise eine Minderausgabe von 8125 M. statt­gefunden.

Die Marineverwaltung erfordert zur Erhaltung ihrer Ein­richtungen und Verstärkung des Materials eine Mehrsumme von 1 237 007 M. Der allgemeine Pensionsfonds weist namentlich in Folge der neuen Pensionsgefeße ein Mehr von faft 23 Millionen auf. Einbegriffen find die 350 000 M. für allerhöaste Be­willigung behufs Verbefferung der Lage ausgeschiedener Offi ziere, Aerzte, Beamten. Ebenso soll der Etat des Reichs- Echat­amtes zu Gunsten der Kombattanten um 200 000 m. erhöht werden. Dem Anwachsen der Staatsschuld entsprechend, hat auch der Zinssat um 1617 000 M. erhöht werden müssen. Der Reffort des Reichsamtes des Innern ist mit 17 080 000 und die Verwaltung des Reichsheeres mit 14 534 000 M. betheiligt. Bum Bau eines Gebäudes für das Patentamt ist die erste Rate mit 200 000 m. eingestellt. Auch bei der Verwaltung des Reichsheeres vermindert sich der Mehrbetrag im ordentlichen Etat auf 8 333 000 M. Die im außerordentlichen Etat vor kommenden Ansäge lasten zu einem Betrage von 2337 000 m. Bei der Reichs- Justizverwaltung find 850 000 M. zur Einrich tung eines Dienstgebäudes ausgeworfen. Bei den Einnahmen schließen die Zölle und Verbrauchssteuern mit einem Mehrbe trag von 471 330 M. Hinsichtlich der Zölle, Branntwein- und Tabakssteuern ist zu sagen, daß im Laufe des Monats Oktober feine höheren Einnahmen gegenüber dem Vorjahre, vielmehr Mindereinnahmen zu verzeichnen find.( hört! hört! links.)

Der Schäßung der muthmaßlichen Ergebnisse des laufen­den Jahres konnten die Erfahrungen der ersten 7 Monate zu Grunde gelegt werden, aber nicht in allen Punkten. Natür­Es werden sich Dlebrausgaben herausstellen bei dem Aus­ wärtigen Amt , bei der Verwaltung des Reichsheeres und bei dem allgemeinen Pensionsfonds. Bei dem Auswärtigen Amte find 4 035 000 M. geschäßt. Es handelt sich um Mehrbedürf­nife ähnlicher Art, wie sie schon im Vorjahre hervorgetreten find.Bezüglich der Verwaltung des Reichsheeres wird vor­läufig auf ein Mindererforderniß bei den fortdauernden Aus gaben von 2 877 000 M., dagegen auf eine Mehrausgabe bei ben einmaligen Ausgaben von 6 845 000 M. gerechnet, zu wel chen die antheilige bayerische Quote hinzuzurechnen ist. Außer dem find noch Mehrausgaben an Manöverkoſten zu erwarten, welche jedoch bisher nicht haben ziffermäßig festgestellt werden tönnen. Ersparnisse bei dieser Verwaltung in der Höhe von etwa 4700 000 m. werden auch in diesem Jahre namentlich in Folge der Preisrückgänge bei den Brot und Fourage naturalien und bei den Viktualien vorausgesehen. Gegenüber Stehen Mehraufwendungen in Folge der Verminderung der Manquements, in Folge der Steigerung der Pferdepreise ge­ringere Einnahmen aus der Bewirthschaftung der Remonte depots und Vermehrung der Reise-, Vorspann- und Transport­tosten. Mit der Kompletirung des Waffenmaterials hat schneller vorgeschritten werden fönnen, als vorausgefegt war und mögen hierfür 5 200 000 M. mehr aufzuwenden sein, als veran schlagt war. Hierzu außeretatsmäßige Ausgaben für Garnisons­bauten in Saarburg , deren Fortseßung im Jahre 1887 88 vor­gesehen ist. Auf Rechnung des allgemeinen Pensionsfonds werden in Folge der neuen Vensionsgeseße beim Reichsheer loose. Innern, der Marine, der Justizverwaltung, der Reichsschuld in Minderausgaben stehen bei dem Reichsamt des Aussicht. Hervorzuheben hierbei ist namentlich eine Ersparniß dampferverbindungen, da diese erst mit Ablauf des ersten Don 1300 000 M. bei Unterſtügung der überseeischen Post­Quartals ins Leben getreten find, während eine nicht etatifirte Ausgabe von 440 000 M. bei dem Nord- Ostsee- Kanal schon im Laufe diefrs Jahres nöthig werden wird.

gabt werden.

Im Ganzen ist nach Abzug der Minderausgaben auf einen Mehrbetrag der Ausgaben von 5 079 000 M. zu rechnen, der jedoch seine Bedeutung verliert, wenn man erwägt, daß die Verstärkung der Kompletirung des Waffenmaterials eigentlich

Sie werden fich erinnern, daß im Bundesrath im Sep­tember 1885 Bestimmungen getroffen wurden gegen Zollbehand lung der mit Mineralöl eingehenden Fäffer. Diese Bestim mungen traten am 1. November 1885 in Kraft. Die Vorein­fuhr im Oktober 1885 hat fich auf 500 000 Doppelzentner ge­stellt mit einer Zolleinnahme von 3 600 000 m.

Der Ertrag der Stempelsteuer für Rauf- und Anschaffungs geschäfte hat um 4398 000 M. geringer zum Ansatz kommen müffen; einen Ausgleich von 1377 000 M. gewährte ein Mehr­ertrag aus der Verdoppelung der preußischen Staatslotterie

Bei der Post- und Telegraphenverwaltung noch ein Mehr von 889 777 M., bei der Eisenbahnverwaltung ein Weniger von 1150 800 m.

Wenn wir nun die Matrikularbeiträge und die Ueber­

weisungen an die Bundesstaaten gegenüberstellen, so find bei den ersten in Abzug zu bringen die Aequivalente für die nicht allen Staaten gemeinsamen Einnahmen. Wenn wir so für die drei bisher behandelten Jahre Matri­fularbeiträge und Ueberweisungen gegeneinander abwägen, so ergiebt fich, daß für 1885/86 13 Millionen den Bundesstaaten mehr zu empfangen als zu zahlen waren, daß für 1886/87 diese Mehrauszahlungen auf 15 400 000 M. zu schäßen sind und sich für 1887 auf den aller

von

3. Jahrg.

dings sehr bescheidenen Betrag von 686 000 M. reduziren. ( Bewegung links.) In mehrfachen Beziehungen ist der Etat von 1887 88 durch besondere Umstände ungünstig beeinflußt. Dahin gehört die Nothwendigkeit der Deckung des erheblichen Fehlbetrages aus dem Jahre 1885 86, die Thatsache, daß die Wirkungen der Zuckersteuernovelle noch erst später voll eintreten werden, und der Umstand, daß der Ertrag der Stempelabgaben erheblich hinter den Erwartungen zurückſteht.

Nun werden aber noch erhebliche Mehrbedürfnisse eintreten, die bei der Etatsaufstellung noch nicht berücksichtigt werden fonnten, Mehrbedürfnisse, bedingt durch die Entwürfe seitens des wichtigen und dringlichen Heeresgesetzes und des Seetarif gesetzes. Demgegenüber werden die Mehreinnahmen, welche fich aus der geplanten Einführung der Reliktenversicherung für die An­gehörigen der Militär- und Marineverwaltung ergeben werden, ich sage, insofern ergeben werden, als die Wittwen- und Waisenbeträge vorläufig in den ersten Jahren hinter den Bes trägen der betreffenden Funktionäre zurückbleiben werden. Mehrbedürfnisse, meine Serren, fonnen nicht ausbleiben, wenn wir nicht auf die nothwendige Befestigung der Reichsinstitu tionen verzichten wollen.

Ein Stillstand in dieser Beziehung ist nicht möglich und Mehrbedürfnisse bedingen auch finanzielle Opfer. Versäumniſſe in dieser Beziehuna bestrafen sich in der Zukunft, nicht blos in der Gegenwart. Die Bundesregierungen haben deshalb ihrer­feits nicht verzichten fönnen, die nöthigen Mehrbedürfnisse zur Geltung zu bringen, auch wenn sich die befriedigende Lösung der Deckungsfrage noch weiter verzögern sollte. Die Bundes regierungen find nicht minder der Pflicht bewußt gewesen, wie die Thatsachen gezeigt haben, auch die Mittel zur Befriedigung der Mehrbedürfnisse an die Band zu geben, und es ist ange­fichts der heutigen Sachlage wohl die Frage berechtigt, wie würden sich die Finanzverhältnisse stellen, wenn nicht die früher von den Regierungen vorgelegten und wenn auch mit mehrseitigem Widerstreben zur Annahme gelangten Zölle und Steuern zur Hilfe gekommen wären. Es ist auch die weitere Frage berechtigt: um wie viel günstiger würden sich heute unsere Finanzverhältnisse stellen, wenn die eine oder an= dere der von den Regierungen in der günstigen Zeit einge brachten Vorlagen zur Annahme gelangt wären? Angesichts nun aber der seitens des Reichstages in der letzten Zeit fort­dauernd angenommenen ablehnenden Haltung haben die Bundes regierungen zur Zeit davon abstehen müssen, ihrerseits mit neuen Versuchen vorzugehen und den Reichstag wiederholt um neue Eteuerbewilligungen anzugehen. Selbst die im vorigen Jahre wohl mehrfach fundgegebene Bereitwilligkeit auf eine Neuregu lirung der Branntweinsteuer einzugehen, hat praktische Resultate nicht gezeitigt.

Unter diesen Umständen ist den Regierungen nur übrig geblieben, den Versuch zu machen, die Schwierigkeit so zu lösen, daß die Mehrbedürfnisse festgestellt werden, und zu erwarten, daß die für die Finanzwirthschaft, namentlich der Bundesstaaten, auf die Dauer nicht erträgliche Unzulänglichkeit der Ein­nahmequellen dem Lande und den Wählern die Nothwendig­feit eines Wandels zum Bewußtsein fommt. Meine Herren! Die Regierungen verfennen am wenigsten die Schwierigkeiten und die daraus erwachsende Nothlage; fie müssen aber dieser Nothlage entsprechend handeln und fönnen nicht Resultate er­zwingen, zu deren Erreichung fie die Zustimmung des Reichs­tags bedürfen. Möchte endlich die Auffassung aufgegeben werden, als ob die Bundesregierungen die neuen Mittel im wesentlichen für sich in Anspruch nehmen.( Seiterkeit links.)

Es kann nicht oft geaug wiederholt werden, daß nicht die Regierungen bedürftig sind, sondern das Reich und die Bundes­staaten.( Sehr richtig rechts.). Wir dürfen zum Lande und zu Ihnen gewendet wohl sacen: restua agitur und wir würden dieser restua gern die res nostra substituiren, wenn wir nur auf Entgegenkommen hätten rechnen können. Meine Herren, neue Steuern, die Jedem genehm sind und die keine vermeint lichen und feine wirklichen Belästigungen mit sich führen, laffen sich überhaupt nicht erfinden. Wenn wir aber in jedem Einzelfalle die Belästigungen in den Vordergrund stellen wollen, kommen wir überhaupt nicht weiter. Größer als der Druck, den diese oder jene Steuer üben kann, wird unter Um­ständen der Druckt sich gestalten, welcher erwächst, wenn die nothwendigen Bedürfnisse des Reichs nicht befriedigt werden tönnen. Meine Herren, wenn die nothwendige Nothlage die allseitige Ueberzeugung befestigt, daß mehr Bedürfnisse auch mehr Bedeckungen erfordern, so machen wir damit einen großen Fortschritt und fönnen hoffen, daß bald die Lösung der vor­handenen Schwierigkeiten eintrete. Was wir suchen, das ist eine sachliche, von Barteirücksichten nicht beeinflußte, wohl aber von dem Bewußtsein der allgemeinen Verantwortlichkeit ge= tragene Mitarbeit( Bravo ! sehr gut! rechts), im Erfassen des nothwendig Gemeinsamen. Daß dann nicht noch genug Diffe­renzen zum Kampf übrig bleiben würden, glaube ich, brauchen wir nicht zu befürchten.( Beifall rechts.)

Abg. Rickert: Ich hatte nicht vermuthet, daß der Herr Schatzsekretär, den wir heute zum ersten Male die Ehre haben unter uns zu sehen, seine Rede mit theoretischen Auseinander­segungen schließen würde, für welche in diesem Hause fein Boden ist. Er sollte doch aus unseren früheren Verhandlungen wiffen, daß es gar nicht nöthig ist, eine so kindliche Anschau­ung wie die, die Regierung verlange die Steuern für sich und nicht für das Land, zu widerlegen. Es kommt aber auf das Maß der Steuern an, und ob sie dem Wohle des Landes ent­sprechen oder nicht. Das einzig Erfreuliche, was uns der Herr Schagfekretär mitgetheilt hat, war, daß die Regierung neuer dings einen Theil ihrer Silbervorräthe abgestoßen habe. Daß er sich dabei verwahrt hat, es sei dies geschehen unbeschadet der Stellung der Regierung zur Währungsfrage überhaupt, halte ich nur für eine kleine Beruhigung nach einer gewissen Seite hin. Die Maßregel war richtig, vernünftig und verdient alle Anerkennung. Im Uebrigen waren die Auseinander­setzungen des Herrn Schassefretärs schwül und nieder­drückend: geringere Einnahmen höhere Ausgaben, ein Defizit des laufenden Jahres 25 Millionen nicht unwesentlich ist, noch und ich füge hinzu, was immer fein Wirkt Reichsfinanzminister. denn der jezige Echagiekretär in irgend einer entscheidenden Weise bei dem ganzen Etat mit, ist er Derjenige, welcher den Verhält niffen des Landes den Etat anpast? Wir brauchen eben einen Finanzminister, wie ihn früher Preußen hatte und andere Staaten noch haben, um unsere Finanzen auf eine einheitliche, solide Bafis zu stellen. 1879 forderte der damalige Finanz­minister 164 Millionen neue Steuern, um die Klassen und Einkommensteuer zu reformiren, die halbe Grund- und Gebäude­Steuer den Kommunen zu überweisen und eine Ermäßigung der Gewerbesteuer herbeizuführen. Was ist aus diesem hochtönenden Programm geworden? Bei der Klaffensteuer haben wir es nicht viel weiter gebracht, als bis zu dem mechanischen Abstrich der zwei untersten Stufen, von einer Ueberweisung der halben Grund­und Gebäudesteuer und einer Reform der Gewerbesteuer ist keine Rede, ebensowenig von den übrigen Steuererleichterungen.

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