Vernunft. Denn allzu viel nügt niemals. Sind die architetto­nischen Verhältnisse nicht danach, so wird auch durch das stärkste Schnüren der gewünschte Effekt nicht erreicht, und find sie danach, so findet man auch mit weniger ſein Auslangen. Was gewalt fam erzwungen ist, kann niemals schön sein, weder in der Kunst noch in der Natur, laffen wir also das Mieder gelten und respektiren wir die guten Werke. Es ist löblich, die Hungrigen zu speisen, die Nackten zu bekleiden, die Fremden zu beherbergen, die Betrübten aufzurichten, aber es steht nirgend geschrieben, daß man die Gefangenen befreien soll. Etwas muß an dem Schnüren und dem Schnürleib doch sein, sonst hätten fie der jahrhundertelangen Bekämpfung wohl nicht Stand halten tönnen, nur müßte sich einmal eine Fachfrau finden, die uns da ganz reinen Wein einschenkt. Woher einen Fachmann nehmen? Unser Wissen ist Stückwert. Unsereins bleibt doch troß alledem und alledem immer nur ein Dilettant, aber man vergeffe nicht, daß zu den Hauptmerkmalen des Dilettanten die Liebe zur Sache gehört. Vom Dilettanten zum Liebhaber ist nur ein Schritt, und mich däucht, daß diesen Schritt so Mancher schon gemacht hat.

Infam! Wenn ein armer Mensch in der äußersten Verzweiflung fremdes Eigenthum antastet, so verfällt er zwar der Strenge des Gefeßes, allein selbst der Richter wird in solchen Fällen dem Verbrecher sein Mitgefühl nicht versagen tönnen. Ganz anders liegt die Sache bei jenen sogenannten Lebemännern der besseren Gesellschaft", welche mit voller Ueberlegung in raffinirtester Weise armen Arbeitern und Hand­wertern die Sparpfennige rauben, um ihren noblen" Passio nen weiter nachgehen zu können. Daß solche Menschen nicht einmal davor zurückschrecken, die in ihren eigenen Geschäften angestellten Arbeiter auszuplündern, beweist der Fall Salo Pincus. Dieser Herr gründete bekanntlich in den siebenziger Jahren hierselbst ein Bankgeschäft, wirthschaftete aber derartig, daß bereits 1882 die erste Pleite fam. Guter Rath fand sich jedoch bald; Herr Pincus blieb im Geschäft und dieses wurde von seinem bisherigen Rassirer, einem Herrn Stroß, weiter ge­führt. Im Juni 1885 nahte die zweite Pleite. Herr Pincus hatte jedenfalls aus der ersten gelernt, wie's gemacht werden muß, denn er schwindelte und raffte zusammen, was er irgendwie erlangen fonnte und verduftete mit seinem Raub nach Amerika  , wo er sich den Namen Palm beigelegt haben soll. Der Herr Strop entwickelte ebenfalls eine recht merkwürdige Thätigkeit vor dem Krach. Es war ihm bekannt, daß der Kassenbote des Geschäfts, ein schon bejahrter Mann Namens Karl Wezel, welcher der Firma bereits 9 Jahre treu und ehrlich diente, im Befis von 2000 M. 5 pCt. rumänischer Staatsanleihe war, deshalb ließ er ihn einige Tage vor dem öffentlichen Zusam menbruch zu sich rufen und ersuchte ihn, die Papiere dem Ge schäfte auf einige Tage zur Verfügung zu stellen. Seinem Chef konnte der alte Mann das Gesuch natürlich nicht ab­schlagen und so wanderten die Rumänen in die sauberen Hände des Herrn Strot, um für immer ihrem rechtmäßigen Befizer zu verschwinden. Klüger als der Vater, war die Tochter des Kaffenboten. Raum hatte Herr Stroß erfahren, daß sich Fräu­lein Wegel 200 M. erspart und in Stadtobligationen angelegt habe, so versuchte er, auch diese Papiere an sich zu bringen. Dies gelang ihm glücklicherweise nicht; das Mädchen lehnte den Antrag rundweg ab und rettete dadurch ihre Spargroschen. Wezel ist Briefträger bei der Packetfahrtgesellschaft geworden, der erlittene Verlust hat ihn aber fast tiefsinnig gemacht. 34 Jahre hatte er gespart, um für's Alter einen Nothgroschen zu erlangen und nun ist Alles auf einmal dahin. Der Mann wandte fich brieflich den Herrn Kommerzienrath Pincus, einen Bruder des verschwundenen Bankiers, mit der Bitte, ihm die verlorene Summe aus seiner Kaffe Wie viel zu ersetzen, leider ohne Erfolg. arme Leute durch die genannten Herren geschädigt wurden, dürfte sich erst bei der folgenden Gerichtsverhandlung herausstellen, vorausgesetzt, daß dem von der hiesigen Staatsanwaltschaft ge­stellten Auslieferungsantrag bezüglich des Herrn Pincus in Amerika   stattgegeben wird. Bis jetzt ist die Auslieferung durch pfiffige amerikanische   Advokaten vereitelt worden. Herr Strop weilt ungestört in Berlin  . Allem Anschein nach hat er das Strafgesetzbuch in einiger Entfernung vorsichtig umschifft. Es giebt aber noch eine öffentliche Meinung, welche oft da vers urtheilt, wo der Strafrichter freisprechen muß, und diese wird ihr Urtheil über die Handlungen der Herren Pincus und Strot ficher fällen.

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Pfefferkuchenlyrit. Zum bevorstehenden Weihnachtsmarkt find auch die Pfefferkuchenhändler bereits auf den Plan getreten. Ihre Erzeugnisse sind, wie immer, auch diesmal mit viel schönen" Versen versehen, aus denen das eine hervorzugehen scheint, daß die Pfefferkuchenlyrifer wie ihre anderen Brüder in Apoll   dem Zuge nach Modernem, nach Aktuellem folgen. So giebt ein Poet, der für das Politisch- Aktuelle" ein ganz beson­deres Feingefühl zu haben scheint, den Besitern eines Pfeffer­fuchen- Herzens den folgenden wohlgemeinten Rath- allerdings nicht in gleich wohlgelungenen Reimen:

Wie der Zar mit Alexander Rommet ja nicht aneinander,

Denn sonst geht's Euch wie den Bulgaren  , Deren Staatsschiff nun verfahren."

Ganz praktisch denkt ein Pfefferküchler in der Schön­ hauser Allee  , der seinen Leibpoeten das Dichterwort variiren läßt natürlich in Zuckerguß auf einem großen Lebkuchen­Mann:

Willst wissen, Mächen, wie der schmeckt, So frage schnell nur hier im Laden an!"

In Berlin   N., in der Nähe des Oranienburger   Thores, hat ein neuer Mirza Schaffy   folgenden allerdings schwer verständ­lichen Weisheitsspruch in weißem Zuckerguß auf einen mächtigen Quadrat- Lebkuchen gefprißt:

Es wird wohl niemals ganz Ein Pfefferkuchen geblieben sein!

Selbst Fischkuchen will mang Die Karpfensauce gerieben sein.

Und findest Du sonst was mang,

Muß hundert Mark drauf geschrieben sein!"

Für die chemische Fabrik vor dem Schlesischen Busch wurde vor einiger Zeit vom Magistrat bei der Stadtverordneten Versammlung die Genehmigung dafür nachgesucht, daß die Ent­wäfferung dieser Fabrikanlage durch Anschluß derselben an das städtische Kanalisationssystem und unter der Bedingung erfolge, daß die Besißer der Fabrik, eine Aktiengesellschaft, die Kosten des Anschlusses selbst tragen. Das Bekanntwerden dieser Nach richt hat die Bewohner der Gegend am Görliger Bahnhof, die nächsten Nachbarn jener Fabrik, in einige Aufregung verfest. Bereits seit Jahren erwartete man die Verlegung der Fabrik und damit den Moment, wo man an schönen erquickenden Abenden auch in dieser Gegend frei werde aufathmen können,

Motivirung für den Magistratsantrag. Eine Petition, welche gegenwärtig unter den Adjazenten zirkulirt, die Genehmigung für den Kanalisationsanschluß der Fabrik von weiteren und ausreichenden Vorkehrungen gegen die Luftverschlechterung in der dortigen Gegend abhängig zu machen, ist gewiß sehr berechtigt und begründet, dürfte aber post festum kommen.

Anscheinend betrunken fand sich vor einigen Tagen der Ehemann einer auf dem Dranienplay- Wochenmarkt ausstehenden Händlerin bei seiner Frau ein, wenigstens glaubte die Frau aus der schlotternden Körperhaltung und der fallenden Sprache ihres Mannes, der sich nicht verständlich machen konnte, auf einen zu reichlichen Genuß von Getränken schließen zu dürfen; ste hielt daher den unvermeidlichen ehelichen Sermon und brachte nach Beendigung der Marktgeschäfte ihren Mann nach Hause und zu Bett, wenig darauf achtend, daß dieser fortwäh­rend den Mund bewegte aber fein verständliches Wort hervor brachte. Als aber am nächsten Tage der Mann noch immer in seinem verdächtigen Zustande sich befand und namentlich der Ausdruck der Auger der Frau verdächtig schien, schickte ste zum Arzt, der denn auch sofort erschien und einen Schlaganfall konstatirte und eine energische Blutentziehung am Kopfe des Erkrankten, der auch der Sprache beraubt ist, vornahm. Der Zustand des Kranten ist sehr besorgnißerregend.

Schwindler. Seit dem 16. d. M. logirte in Meinhardt's Hotel hierselbst ein junger Mann, welcher sich Slop von Caden­berg nannte, und dem Hrtelpersonal erzählte, daß er von seinem Vater zum Zwecke der Belehrung und des Vergnügens nach Berlin   geschickt worden sei. Auch sprach er von einem in Effen als Oberpostsekretär angestellten Onfel. Acht Tage lang bezahlte der Gast regelmäßig seine Rechnung, dann blieb er im Rückstande mit den Zahlungen, und erweckte, als seine Schuld auf 70 Mark angelaufen war, den Verdacht der Diret tion, welche sich an die Polizei wandte. Der angebliche Slop von Cadenberg entpuppte fich als der Handlungslehrling Carl Hausmann, welcher nach seiner eigenen Angabe aus Steele   bei Effen geflüchtet ist, nachdem er seiner dort wohnenden Mutter 800 Mart entwendet hatte. In dem Befiße des Hausmann wurden außer einem Revolver und einer großen Anzahl von Visitenkarten auf den Namen Slop von Cadenberg mehrere gefälschte, über hohe Beträge lautende Wechselformulare vorge funden. Ob die letzteren zum Zwecke von Schwindeleien ange­fertigt und benußt worden sind, oder ob die Angabe des Haus­mann richtig ist, daß er durch Vorzeigung dieser Wechsel fich nur das Ansehen eines wohlhabenden Mannes, namentlich den Kellnerinnen der von ihm besuchten Restaurants gegenüber, hat geben wollen, hat noch nicht festgestellt werden können.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge­sundheitsamts sind in der Zeit vom 14. November bis 20. No­vember cr. von je 1000 Einwohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin   20,2, in Breslau  30,0, in Königsberg   26,5, in Köln   20,1, in Frankfurt   a. M. 18,1, in Wiesbaden   15,0, in Hannover   26,3, in Kaffel 16,2, in Magdeburg   23,6, in Stettin   27,7, in Altona   26,3, in Straßburg   23,7, in Meg 18,3, in München   23,2, in Nürnberg   24,9, in Augsburg   22,9, in Dresden   21,3, in Leipzig   16,5, in Stutt­ gart   18,7, in Karlsruhe   19,6, in Braunschweig   17,1, in Ham­ burg   36,5, in Wien   19,5, in Best 37,4, in Prag   26,2, in Triest   27,7, in Krakau   23,2, in Basel   16,9, in Amsterdam   21,5, in Brüffel 23,5, in Paris   22,2, in London   17,4, in Glasgow   23,8, in Liverpool 20,5, in Dublin   24,5, in Edinburg   19,4, in Kopenhagen   20,2, in Stockholm   18,0, in Christiania   20,2, in St. Petersburg   22,7, in Warschau   25,7, in Odeña 32,8, in Rom 18,9, in Turin  , in Venedig   19,0, in Alexandria   41,5. Ferner in der Zeit vom 25. Oktober bis 30. Oftober cr.: in New- York   24,3, in Philadelphia   20,8, in Baltimore   18,5, in Calfutta 27,5, in Bombay 24,2, in Madras 38,5.

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In der Berichtswoche waren die Sterblichkeitsverhältnisse in den meisten europäischen   Großstädten günstige, wenn auch theilweise etwas höhere Sterblichkeitsziffern als in der Vorwoche gemeldet wurden. Nur in wenigen deutschen   Städten( Sam burg, Barmen, Stettin  ) war die Sterblichkeit eine nennenswerth gesteigerte; dagegen werden aus einer sehr großen Bahl, beson­ders deutscher   Städte, kleine Sterblichkeitsziffern mitgetheilt. Auch in Pest und Triest   hat die Sterblichkeit abgenommen. Einen weiteren ziemlich allgemeinen Rückgang der Sterblichkeit erfuhren Darmtatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder, die nur in Hamburg   in ansehnlich vermehrter Bahl zum Tode führten. Die Theilnahme des Säuglingsalters war daher im Allgemeinen eine fleine; von 10 000 Lebenden starben( aufs Jahr berechnet) in Berlin 56, in München   68 Säuglinge. Dagegen tamen afute Entzündungen der Athmungsorgane in vielen Städten in größerer Bahl zum Vorschein und führten auch eine größere Bahl von Sterbefällen herbei. Von den Infektionstrants heiten haben Masern, Keuchhusten, Scharlach und Diphtherie  vielfach größere Ausdehnung gefunden, während typhöse Fieber und Pocken mehrfach eine Abnahme der durch sie hervor gerufenen Sterbefälle und Erkrankungen aufwiesen. Todes­fälle an Masern   waren in Berlin  , Barmen, Dresden  , Hamburg  , Magdeburg  , Nürnberg  , Lübeck  , Plauen  , Prag  , Paris  , London  , St. Petersburg   häufig, auch in Breslau   und in den Regierungs­bezirken Aurich  , Schleswig  , Düsseldorf  , Marienwerden, Stettin  herrschen Masern  . Das Scharlachfieber forderte in Hamburg  , Chemnitz  , Pest, Odessa   viel Opfer; in Berlin  , Hannover  , London  , Dublin  , Liverpool, Kopenhagen  , Christiania  , St. Peters burg, Warschau   nahm die Zahl der Sterbefälle und der ges meldeten Erkrankungen ab. Die Sterblichkeit an Diphtherie und Kroup war in Berlin  , Dresden  , Danzig  , Kaffel, Magde­ burg  , Barmen, London  , Paris  , Kopenhagen  , Christiania  , St. Petersburg  , Warschau   eine größere, während sie in Breslau  , München  , Leipzig  , Altona  , Stettin  , Wien  , Prag  , Pest, ein wenig fleiner wurde. Die Zahl der gemeldeten Neu- Er frankungen war jedoch in den meisten der genannten Städte eine geringere, als in der Vorwoche. Todesfälle an Unter­leibstyphus waren in Berlin  , London  , St. Petersburg   vermindert, in Hamburg  , Paris  , Lyon   gesteigert. Erkrankungen haben aber auch in Hamburg   etwas abgenommen. An Flecktyphus wurden aus den Regierungsbezirken Marienwerder und Münster   4 bezw. 1, ferner aus Wien 1  , aus St. Petersburg   2 Erkran fungen, an Rückfallsfieber aus St. Petersburg   3 Todesfälle mitgetheilt. An epidemischer Genicstarre fam nur 1 Todesfall ( aus Berlin  ), an Rindbettfieber 5 Sterbefälle aus Berlin  , 7 aus London   zur Berichterstattung. Erkrankungen an rosen­artigen Entzündungen des Zellgewebes der Haut waren in Berlin  , Wien  , Kopenhagen   nicht selten, in London   führten fie auch häufiger zum Tode Der Reuchhusten rief in Berlin   we niger  , in Paris   und London   mehr Todesfälle hervor; Erkran fungen waren in Berlin  , Hamburg  , Nürnberg  , Kopenhagen   ge­steigert.-Todesfälle an Poden tamen aus Berlin  , Wien  , Prag  ,

neuerdings in Genua  , sowohl in er Stadt wie in der Provinz stärker auf.

Polizei Bericht. Am 28. v. Mts. fiel eine Frau im Hause Strelizerstraße 13 von der Treppe und brach das Schlüsselbein. Ungenügende Beleuchtung scheint die Veran­laffung zu dem Unfall gegeben zu haben. Am 29. v. Mts., Nachmittags, gerieth in der Prenzlauer Allee eine Frau in Folge eigener Ünvorsichtigkeit unter die Räder eines Arbeits­wagens und erlitt durch Ueberfahren einen Bruch des linken Unterschenkels. Sie wurde nach der Universitäts- Klinik gebracht. -Gegen Abend fiel der Fuhrmann Jancer, während er mit Aufladen von Müll beschäftigt war, rücklings vom Wagen herab und erlitt außer mehrfachen Verlegungen am Kopf an scheinend auch eine Gehirnerschütterung. Er wurde mittelst Droschke nach seiner Wohnung gebracht.

Gerichts- Zeitung.

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Wegen Sittlichkeitsvergehens angeklagt, erschien gestern, Dienstag, der 65jährige Rentier und frühere Glasermeister Jean Heinrich Taumeyer vor der Strafkammer des Landgerichts II. Ueberaus traurige Familienverhältnisse offenbarte die unter Aus schluß der Deffentlichkeit stattgehabte Verhandlung der Sache. Vor einer Reihe von Jahren betrieb der Angeklagte, als ein wohlhabender und im Bekanntenkreise allgemein geachteter Mann hierselbst, in der Friedrichstadt   ein umfangreiches Ges schäft; das legtere ging jedoch immer mehr und mehr zurüd, nachdem Taumeyer seine erste Frau durch den Tod verlor und in Folge eines Schlaganfalls geistesschwach geworden war. Unter diesen Umständen erklärte die zweite Frau eine Dame in den zwanziger Jahren, welche T. furz zuvor geheirathet-, daß fie mit T. feinen gemeinschaftlichen Haushalt mehr führen könne; angeblich auf ärztliche Anordnung brachte die Frau deshalb ihren Mann zur besseren Pflege auf's Land" d. h. nach Rir­dorf. Bei einer daselbst in der Juliusstraße wohnhaften Fas milie wurde der unglückliche Mann untergebracht; es fehlte jedoch an genügender Aufsicht und daher konnte es fich, wie geschehen, ereignen, daß in einem unbewachten Moment Tau­meyer mehrere auf dem Hof spielende Mädchen im Alter von noch nicht ganz 10 Jahren verlockte. Das Bewußtsein der Strafbarkeit seiner Handlungen ist dem Angeklagten, wie sein Benehmen vor Gericht bewies, vollständig abhanden gekommen; drei zum Audienztermin geladene Sachverständige, Kreisphysikus Dr. Falt, Professor Dr. Mendel und der Bezirksphysikus Dr. Garnier, gaben fast übereinstimmend ihr Gutachten dahin ab, daß der Angeklagte, welcher zur Zeit im Lazareth des Moabiter Untersuchungs- Gefängnisses verweilt, geistesschwach sei. Der Gerichtshof erachtete demgemäß den Angeklagten für nicht verhandlungsfähig und beschloß die vorläufige Einstellung des Verfahrens.

Vermischtes.

Erdbeben auf hoher See. Wie es auf hoher See zu geht, wenn ein starkes Erdbeben stattfindet, darüber giebt Kapitän Leo Vogel, der sich nicht fern von den Küsten Süd Carolina's befand, als das Erdbeben Charleston   zerstörte, folgenden Bericht: Am Morgen des Erdbebentages war der Küste ents lang reguläres tropisches Sturmwetter. Der Regen goß in Strömen und die Atmosphäre war drückend. Das Barometer ging herunter bis zu 29.9; ein für jene Gegend niedriger Barometerstand. Seit vielen Jahren habe ich an der Südküste manche Studien über atmosphärische Erscheinungen gemacht und wußte somit, daß sich etwas Absonderliches ereignen mußte. G schien, als ob wir einen scharfen Südwest bekommen sollten. Meine Familie war von den Bergen Nord Carolinas herunter gekommen und wollte mit mir nach Florida   reisen. Ich sagte, die Fahrt würde wahrscheinlich stürmisch und unangenehm werden und überredete dieselbe, bis zur nächsten Reise in Charleston zu bleiben. Am Abend stachen wir in See und mochten ungefähr 50 Meilen von Charleston und acht Meilen vom Ufe entfernt sein, als wir das Erdbeben verspürten. Der Wind fam aus Süden und die See war merklich unruhig. Blöglich erhielt ich ein Gefühl, als wäre das Schiff auf den Grund gestoßen. Doch das konnte nicht sein, wie ich wußte. Das war nicht meine erste Erfahrung mit einem Erdbeben auf hoher See und so erkannte ich, daß es ein Erdbeben war. Mein erster Gedanke war an meine Familie in Charleston. In Folge früherer Gr fahrungen wußte ich, daß, wenn der Erdstoß in Charleston ebenso heftig gewesen, als auf meinem Schiffe, daß dann schwerlich in jener Stadt ein Stein auf dem andern bleiben würde. Und ich war auf die Stunde gefaßt, daß Charleston vollständig zerstört worden sei. Die Erschütterung mochte un gefähr eine halbe Minute andauern und war von einem dumpfen donnerähnlichen Ton begleitet. vorüber fich die See wieder und kam zuvor. von Südost, wie

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Meiner Anficht nach wurde Charleston vor gänzlicher Zerstörung gerettet durch den Umstand, daß die See wie ein Polster wirkte und so die Heftigkeit des Stoßes mäßigte. Denn wir verspürten den Stoß 5 Minuten früher als die in Charleston. Und da wir 50 Meilen von dort entfernt waren, so ergiebt sich, daß die Erschütterung fich mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 600 Meilen bi Stunde fortpflanzte. Wir mußten in St. Johns anlegen und dort geraume Zeit verweilen. Jedermann an Bord, der Charleston Verwandte oder Freunde hatte, war erklärlicher Weise in großer Angst. Erst in Jacksonville   erhielten wir dürftige Nachricht über das Unglück. Meine ersten Telegramme nach Charleston blieben ohne jegliche Antwort. Endlich kam die ers freuliche Antwort:" Wir find alle wohl und befinden uns a

Bord des Delaware  ". Meine Familie wohnte nämlich in einem der Gebäude, die durch das Erdbeben nur theilweise zerstört wurden. Sie hatten, wie dort fast Jedermann, nicht anders geglaubt, als daß ihr leztes Stündlein gekommen sei. Der Eisenwurm. Damit es auch am Humor in der Wittener   Ausstellung für Orts und Heimaths- Runde" nicht fehle, ist nach der Rhein.  - Westf. 3tg." in der Nähe der alt deutschen   Weinkneipe der Wittener Eisenwurm( Vermis ferri­

vorax periculosus Hntg.) ausgestellt.

Bekanntlich hatte wäh

rend der diesjährigen Hundstage ein Wittener   Berichterstatter die schaurige Mär mitgetheilt, daß das Eisenbahngeleise der Ruhr- Siegbahn von einem Eisenwurm angefressen werde und daß mehrere Exemplare dieses gefährlichen Thieres der Eisen­bahnhauptwerkstätte zur Beobachtung eingesandt seien. Der Wurm, ein echtes Produkt der fauren Gurkenzeit, führte fobann in den Spalten nicht allein deutscher, sondern auch ausländi scher Blätter eine Zeit lang ein fideles Dasein und erregte so große Aufmerksamkeit, daß es undankbar gewesen sein würde, ihn in der Ausstellung einer Stadt, in der er das Licht der Welt erblickte, nicht einem größeren Publikum vorzuführen. Jezt ist dies denn auch geschehen, und es wird namentlich die

was bisher die betäubenden Dünste, welche den dortigen Venedig   je 1, aus Hamburg  , Paris  , Rom je 2, aus St. Petersburg Eiſenindustriellen interesfiren, das merkwürdige Thier in Augen

Fabrikationsräumen entstiegen, stets unmöglich machten. Dieses lang ersehnte Ziel scheint nun wieder in die weiteste Ferne gerückt, oder richtiger gesagt, ganz entschwunden, denn durch ihren Anschluß an die Berliner   Kanalisation ist der Bestand der Fabrik für lange Zeit gesichert. Auffälliger Weise motivirte der Magistrat seinen Genehmigungsantrag mit dem Hinweise darauf, daß etwa 150 Berliner   Arbeiter in der Fabrit thätig seien, die durch deren Eingehen brotlos werden würden. Jedenfalls hätte aber die Verweigerung des Anschlusses nur die Verlegung der Fabrik in die entferntere Umgegend nöthig ge­macht und dort würden auch die Arbeiter in einer freieren Ge­gend gefündere Wohnungen gefunden haben. Die abscheulichen Ausdünstungen der Fabrik schädigen heute und in Zukunft einen ganzen Stadttheil und tausende von Familien, und die Arbeiterfreundlichkeit ist eine verdächtige und wenig zutreffende

und Warschau   je 4, aus Best 57 zur Mittheilung. Erkrankungen zeigten fich in Breslau  , im Regierungsbezirk Marienwerder   nur in einzelnen Fällen, in Berlin   und im Regierungsbezirk Schleswig   in je 2, in Wien   in 3, in Hamburg   in 6, in St. Petersburg   in 15, in Peft in 207 Fällen.- In Breslau  ist ein aus Ungarn   auf der Durchreise begriffener Auswanderer an asiatischer Cholera erfrantt angekommen und gestorben. Ein weiterer verdächtiger Erkrankungsfall ist seitdem nicht zur Kennt niß gelangt. Von den Behörden find Maßregeln zur möglichen Verhütung einer erneuten Einschleppung getroffen worden. Aus Desterreich- Ungarn   lauten die Nachrichten über die Cholera im Ganzen günstig. In Szegedin   und Triest   ist die Seuche erloschen, in Best tommen nur noch vereinzelte Erkrankungen vor. Auch aus einigen Orten Kroatiens   und Krains werden

Ein Stück angefreffener Schiene ist neben

schein zu nehmen. dem Wurm ausgestellt.

Wasserstand der Spree   in der Woche vom 14. November

bis 20. November 1886.( Angabe in Metern.

Tage

14/11. 15 11. 16/11. 17/11. 18/11. 19 11. 2011.

Am Oberbaum 2,35 2,35 2,37 2,35 2,32 2,35 2,36

Dammmühle, Oberwaffer Dammmühle,

2,33

2,42 2,34 2,33 2,30 2,32 2,32 noch neue Erkrankungen gemeldet. In Jtatien tritt die Cholera Unterwasser. 0,71 0,71 0,80 0,80 0,79 0,82 0,84

Verantwortlich für den politischen Theil und Soziales Max Echippel, für Vereine und Versammlungen F. Tubauer, für den übrigen Theil der Zeitung N. Cronheim, sämmtlich in Berlin  .

Drud und Verlag von Mar Bading in Berlin   SW., Beuthstraße 2.

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