über die Beschlüsse des Bundesrath auf die Resolutionen des Reichstags eingegangen find.( Buruf lints: gestern!) Der Be­schluß des Bundesraths lautet dahin, daß der Resolution keine Folge zu geben sei.( Buruf links: Warum?) Das ist sehr klar! Die Fabrikinspektoren find Landesbeamte; macht sich daher das Bedürfniß einer Vermehrung dieser Beamten geltend, so ist die Befriedigung deffelben Sache der Einzel- Landtage.( Sehr richtig!) Das Reich kann nach der gegenwärtigen Lage der Gesezgebung nichts dafür thun.( Beifall rechts.)

Abg. Heine( Sozialist): Der Generalbericht ist durchaus einseitig abgefaßt; er enthält schönfärberische Redensarten in Bezug auf die Mißstände in den Fabriken und andererseits Fußtritte für die deutschen Arbeiter; er ist eine Streitschrift wider die Sozialdemokratie, welche natürlich an Allem schuld ist. Die wohlwollenden Anträge des Zentrums werden in diesem Bericht auf's Grausamste perhorreszirt; perhorreszirt; weder der schweizerische noch der österreichische, geschweige denn der englische   Bericht enthält so viel Hegmaterial gegen die Sozialdemokraten. Ich protestire im Namen des deutschen Arbeiterstandes gegen die Fuftritte, die er in diesem Bericht erhält, und Namens meiner Partei gegen die Beleidigungen, die gegen die Sozialdemokratie und besonders gegen ihre Führer ausgestoßen find. Der Bericht fonstatirt mit Recht eine Ver­besserung der Lage der Fabrikanten, die Lage der Arbeiter ist aber eine tief betrübende. Das einzige Gute in dem Bericht ist, daß er konstatirt, daß fie fich noch nicht gegen früher ver­schlechtert" habe. Die Zahl der Fabriken, in welchen Kinder von 12 bis 14 Jahren beschäftigt werden, hat zugenommen; eine große Anzahl von Meistern nimmt mehr Lehrlinge an, als fie ausbilden fönnen. Was sagen nun die Fabrifinspektoren dazu? Daß eine Verbesserung eintreten müsse? Reineswegs, fie zucken einfach die Achseln und sagen, es sind zwar Mißstände vorhanden, aber das lasse sich einmal nicht ändern. Das Schlimmste ist, daß es anscheinend mit den bestehenden, ohne hin nicht ausreichenden Vorschriften zum Schuß der Frauen und Kinder in den Fabriken nicht einmal genau genommen wird. Redner geht in seinen weiteren Darlegungen auf die Einzelheiten des Berichts ausführlich ein, wobei namentlich fast alles aus dem Plauen  'schen Bezirke Beige brachte zitirt, und kommt zu dem Schluffe: die Fabrikinspek toren haben nachgerade das Vertrauen der Arbeiter verloren; es herrscht bei ihnen die Meinung, daß die Inspektoren nur zur Unterdrückung des Arbeiterstandes vorhanden und ein dienst­williges Werkzeug der herrschenden Klaffen find.( Beifall bei den Sozialdemokraten.)

er

Abg. Kalle( nat.- lib.): Ich bedauere, daß der Bundesrath fich gegenüber dem vorjährigen Beschlusse des Reichstags auf Vermehrung der Fabrifinspektoren ablehnend verhalten hat. Der Hinweis darauf, daß die Fabrikinspektoren Beamte der Einzelstaaten seien, auf deren Ernennung die Reichsregierung feinen Einfluß habe, trifft nicht zu, da der Reichskanzler in der betreffenden Resolution nur ersucht wurde, bei den Einzel­staaten auf eine Vermehrung der Inspektoren hinzuwirken. Wenn der Reichskanzler der Ansicht war, daß es an sich wün­schenswerth sei, die Zahl der Inspektoren in gewissen Be­zirken, insbesondere Preußens, zu verwehren, so wäre es ihm bei seiner maßgebenden Stellung nicht schwer ge­wesen, diesen Zweck zu erreichen; er brauchte fich ja nur an den preußischen Ministerpräsidenten zu wenden.( Heiterkeit.) Der Abgeordnete Baumbach hat fich, um ein gewisses gleichmäßiges Verfahren der Inspektoren herbeizuführen, für periodische Konferenzen derselben ausge sprochen. Ich freue mich, daß der Herr Staatssekretär sich diesem Gedanken sachlich freundlich gegenübergestellt hat, und hoffe, daß es troß gewiffer Bedenten möglich sein wird, unserem Wunsch zu entsprechen. Das Bestreben der Berufsgenossen­schaften, durch Erlaß von Vorschriften auf Verhütung und Minderung der Unfalle hinzuwirken, muß dankbar anerkannt werden; die Anfänge, die hierin gemacht sind, lassen das Beste erwarten. Die Form des Generalberichts entspricht vollkommen dem von uns gewollten Zweck der Uebersichtlichkeit, und dem, der die Verhältnisse der Arbeiter innerhalb einer gewissen Land­schaft kennen lernen will, find ja die Originalberichte gleichfalls zus gänglich. Es kann den Einzelstaaten überlassen bleiben, falls es das Intereffe erfordert, die Einzelberichte besonders heraus­zugeben; so werden die Berichte der sächsischen Fabrikinspektoren für das Königreich Sachsen ertra veröffentlicht. Bedenklich wäre der Generalbericht nur, wenn bei der Bearbeitung der einzelnen Theile tendenziös verfahren würde. Ich habe ihn daraufhin sorg­fältig geprüft, aber an feiner Stelle die bewußte Abficht, den Gegen­stand irgendwie vom Parteistandpunkt zu behandeln, hervor treten gefunden. Bei dem ablehnenden Verhalten der Re­gierung gegenüber unseren Wünschen auf eine Verschärfung der Arbeiterschutzgesetzgebung hätte sie doch darauf hinwirken können, daß die thatsächlichen Verhältnisse der Arbeiter nicht zu düster dargestellt werden. Bei einem sorgfältigen Vergleich des Ge­neralberichts mit den Spezialberichten habe ich aber gefunden, daß in jenem nichts Wesentliches von dem, was in diesem aus­gesprochen ist, gestrichen worden ist. Aus dem Berichte geht benn auch hervor, daß eine Revision und Erweiterung der Arbeiterschutzgesetzgebung absolut nothwendig ist, und ich hoffe, daß die Regierung den Weg, den wir immer empfohlen haben, betreten wird.

Abg. Lingens( Bentrum) bemerkt, gerade der Umstand, daß der sächsische Bericht besonders gedruckt werde, beweise, daß der Generalbericht nicht den Ansprüchen genüge, die man an ihn zu stellen berechtigt sei. Redner bedauert, daß der Bee richt die Sonntagsruhe nicht berühre, und es wäre keine Ent­schuldigung, wenn man sich auf die Enquete beriefe, von der er übrigens wünschen möchte, daß ihre Ergebnisse noch diesem Reichstag vorgelegt würden.

Abg. Baumbach( deutschfreis.): Ueber die Berufsgenossen schaften nnd ihre Wirksamkeit zu sprechen ist die Zeit noch nicht gekommen. Was sie bisher geleistet haben, hat mich noch nicht zur Bewunderung hinreißen können. Von 4 Berufsgenossen­schaften im Ganzen sind bis jetzt Vorschriften zur Verhütung von Unglücksfällen erlassen worden. Daß die Fabrikinspektoren nicht Reichsbeamte find, ist auch uns nicht entgangen. Aber dem Kaiser steht nicht blos die Verkündigung der Reichsgefeße, sondern auch die Ueberwachung ihrer Ausführung in den Einzel­staaten zu, und hier handelt es sich um eine Bestimmung der Reichsgewerbeordnung, die in den einzelnen Staaten ausgeführt wird. Der Reichskanzler könnte also die Initiative ergreifen, daß die Ausführung dieses Reichsgefeges seitens der Einzelstaaten wirklich stattfindet. Ein Analogon! Die Reichstagswahlen beruhen auf einem Reichsgesetz, find aber Sache der Einzelstaaten. ist mir ein

Fall bekannt, in welchem der Reiche kanzler Veranlassung nahm, fich an eine Einzelregierung zu wenden, um diese zu er suchen, fie möge darüber wachen, daß ihren Beamten die amt­liche Beeinfluffung der Reichstagswahlen untersagt werde. Die Kompetenz dazu ist auch in diesem Falle dem Reichsfanzler teinen Augenblick zu bestreiten. Wir werden unser Votum in Dieser Frage wiederholen und die Autorität des Reichstags in vollem Umfang aufrechterhalten.

Staatssekretär v. Boctticher: Das Institut der Fabrik

fie die Einzelstaaten für eine weitere Vervollständigung des Inspektoreninstituts nicht in Anspruch nimmt. Es ist ja auch gar nichts verloren. In jedem einzelnen Landtage tann die Sache zur Sprache gebracht und jede einzelne Regierung um die Vermehrung des Personals angegangen werden. Sie sollten deshalb dem Reichstanzler Ihren Zorn nicht so sehr zu wenden, daß er hier die Fürsorge den Landesregierungen über­läßt. Dann ist die Frage erörtert worden, ob von den Berufs­genoffenschaften eine ausreichende Fürsorge auf dem Gebiete der Unfallverhütungsvorschriften zu erwarten sein dürfte oder nicht. Es ist von Ihnen in dieser Beziehung schon ein hübscher Anfang gemacht worden. Nicht blos 4, sondern schon 6 Berufsgenoffen­fchaften haben solche Vorschriften erlaffen und eine ganze Reihe anderer ist gegenwärtig damit beschäftigt. Daß nicht gleich im ersten Jahre die Berufsgenossenschaften einen großen Erfolg auf diesem Gebiete erzielen, ist leicht erklärlich. Aber der Beweis ist geliefert, daß fie auf diesem Felde wirken können, und es ist auch gar kein Zweifel, daß die Erkenntniß immer mehr zunimmt, daß es im Interesse der Berufsgenoffen­schaften selbst liegt, wirksam für die Unfallverhütung zu forgen. Für das Reich ist es außerordentlich schwer, Vorschriften zu Vorschriften zu erlassen, welche für alle gleichartigen Bes triebe in gleicher Weise in Wirksamkeit treten sollen. Die Verhältniffe liegen eben nicht im ganzen Reich und in allen Betrieben derselben Branche gleich, und es würde eine foloffale Verlegung der Intereffen nicht blos der Unternehmer, sondern auch der Arbeiter sein, wenn man hier schablonifiren und alle Betriebe über einen Kamm scheeren wollte. Deshalb ist es vorzuziehen, daß die Berufsgenossenschaften und ins besondere auch die Sektionen nach Maßgabe der lokalen Be­dürfnisse auf dem Gebiete der Arbeiterschußgesetzgebung vor­gehen. Im Uebrigen hoffe ich, daß der Abg. Lingens nunmehr einen formellen Antrag stellen wird, wie die Berichte der Fabrikinspektoren fünftig eingerichtet werden sollen; denn sonst würde ich unglücklicher Staatssekretär nach den Diskussionen, die hier gepflogen worden find, in der That nicht wissen, wie ich es machen soll.( Heiterkeit.) Ich verzichte zwar von vorn­herein darauf, es allen Leuten recht zu machen, aber es wäre doch für mich von Werth, zu erfahren, ob die Meinung der Mehrzahl nach der Seite des Generalberichts oder der Einzelberichte gravitirt. Geschehen soll in dieser Beziehung, was der Reichstag   wünscht; wir können das alles machen. ( Seiterkeit.)

Abg. Hartmann( tons.) konstatirt, daß die Ablehnung der vom Reichstage in der vorigen Seffion gefaßten Refolution nur aus formalen Gründen erfolgt sei. Er erblicke darin die Auf­forderung, nunmehr in dieser Frage in den Einzellandtagen vorzugehen. Er ersuche alle, die in denselben Einfluß befäßen, diesen dahin geltend zu machen, daß das Institut der Ges werberäthe in der Weise ausgebaut werde, wie es die Reso­lution des Reichstags vorgeschlagen habe. Herr Heine wolle es nicht gelten lassen, daß die Fabrifinspektoren Vertrauensmänner der Arbeiter seien. In Sachsen   ist das allerdings der Fall. Ihm gegenüber habe mehr als ein Arbeiter gesagt, daß der Fabrikinspektor sein volles Vertrauen befize. Thatsache ist, daß die Aufsichtsbezirke jezt zu groß find. Der Aufsichtsbeamte fann nicht überwachen, ob das, was wir an Arbeiterschuß­gefeßen befizen, befizen, auch auch eingeführt ist und ausgeführt wird. Die periodischen Konferenzen, welche heute verlangt sind, würden ficher an denselben formalen Bedenken scheitern, welche dem Bundesrathe eine Zustimmung zu der vom Reichs­tag beschlossenen Resolution unmöglich gemacht haben. In den Einzelstaaten sind derartige Konferenzen schon jetzt üblich. Aus Preußen ist davon gemeldet worden. In Sachsen   finden dieselben alljährlich unter dem Vorfit eines Ministerialbeamten statt. Auch das ist schon ein Fortschritt. Anerkennenswerth ist es, daß die Mittheilungen aus den Be­richten endlich so eingerichtet sind, wie das vor einem Jahr hier gewünscht wurde. Der Generalbericht giebt wörtliche Bitate aus den Einzelberichten wieder, auf dem Bureau lagen die Einzelberichte selbst, gewaltige Stöße, die nicht jeder durch­zuarbeiten wünscht. Das Haus kann nur dankbar sein für die umsichtige Weise, in welcher Alles geordnet ist. Was Anlaß zu Beschwerden gegeben, das find die Aeußerungen der Gewerbe­räthe, die nicht unterdrückt werden konnten, wenn nicht das Gesammtbild gestört werden sollte. Wünschenswerth wäre es, wenn den Mittheilungen wieder eine Aufstellung über die Auf­fichtsbezirke, die Namen der Aufsichtsbeamten, sowie die Größe der Bezirke beigefügt würde. Auf alle Angriffe des Abg. Heine auf die Fabrikinspektoren will Redner nicht eingehen, er will nur die gegen den Inspektor des Plauen  'schen Bezirks erhobenen Beschuldigungen zurückweisen, weil ihm derselbe persönlich bekannt. Abg. Heine habe die Auslassungen desselben nur verstümmelt wiedergegeben. Der Gewerberath hat allerdings erklärt, daß er gegen die Ausbeutung der Kinder in der Hausindustrie kein gesetzliches Mittel habe. Aber weiß denn der Abg. Heine ein Rezept, wie dem abzuhelfen sei( Nuf: Dia!), nicht ein Rezept, der Gesezgebung des zukünftigen sozialdemokratischen Staates entnommen, sondern eines, welches uns die gegenwärtige Gesetz­gebung an die Hand giebt. Es wäre interessant, von Herrn Heine einen Gesezesparagraphen zu erfahren, welcher die Aus beutung der Kinderarbeit in der Hausindustrie unmöglich macht. Herr Heine hat auch erklärt, daß die Arbeiter zu den Fabrik­inspektoren fein Vertrauen hätten. Doch nur die, welche der Fahne des Herrn Heine folgen, die sozialdemokratischen, welche zu keinem Menschen mehr Vertrauen haben.

Abg. Kayser: In dem Generalbericht tritt allerdings die Tendenz zu Tage. Staatssekretär v. Bötticher hat das bestritten und gesagt, daß überhaupt kein Ministerialbeamter mit der Abfaffung betraut gewesen sei. Ich möchte wissen, was das für eine mystische wunderbare Perfon gewesen ist. Wenn

Sie muß ein mit homöopa nicht behoben.

ausreicht, so verlangen wir eine andere. fräftiges Rezept an die Hand geben; die Hand geben; thischen Mittelchen wird der Uebelstand Um die Stellung der Handlungsgehilfen zu verbessern, war übrigens auch Herr Hartmann zu einer Aenderung der Gesezgebung bereit. Wir waren mal beide in einer Versamm lung, und Herr Hartmann erklärte damals, er reiche mir die Hand, er könne dem, was ich gesagt, nur beistimmen.( Abg. Hartmann: Dabei bleibe ich. Heiterkeit.) Nun so hoffe ich, daß Sie uns auch bei unseren Arbeiterschußanträgen unterstützen werden.

Der Titel wird bewilligt; desgleichen der Rest des

Kapitels.

Die übrigen Titel des Ordinariums und der Einnahmen aus Spezialetats des Reichsamts des Innern, soweit sie zur Plenarberathung stehen, werden ohne Debatte bewilligt, das Kap. 12 der Ausgaben, Reichs- Gesundheitsamt", auf Anregung des Abg. Schrader für heute ausgesezt.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Schluß 4 Uhr. Nächste Sizung Dienstag 1 Uhr.( Vore lage, betr. die Errichtung eines orientalischen Seminars, Bericht der Reichsschuldenkommission, Fortsetzung der Etatsberathung; Reichsjustizamt, Reichseisenbahnamt, Rechnungshof, Allgemeiner Pensionsfonds.)

Lokales.

Zur Wahl im 1. Berliner   Reichstagswahlkreise. Gestern früh um 10 Uhr wurden die 39 Wahllokale eröffnet. Man fann nicht sagen, daß sich die allgemeine Betheiligung der Wähler schon am Vormittag besonders bemerkbar gemacht hätte. Erst in der zwölften Stunde und Nachmittags wurde es leb hafter und die Wahlvorstände befamen zu thun. Entsprechend den meistens den ,, mittleren" und ,, oberen" Klassen angehörenden Bewohnern des 1. Reichstagswahlkreises, war die Signatur des Tages feine sehr charakteristische. Die Majorität des Arbeiter standes hat in anderen Vierteln sein Quartier aufgeschlagen; nur in gewiffen Gegenden, wie an der Friedrichsgracht und Petristraße, sah man in der Mittagestunde Arbeitertrupps den Wahllokalen zueilen. Soviel wir sahen, waren an jedem der legteren Stimmzettelvertheiler der sozialdemokratischen Partei aufgestellt. Viele Arbeiter hatten opferfreudig für den Tag ihre Dienste zur Verfügung gestellt. Sie eilten, soweit es die Informationen gestatteten, von Haus zu Haus und holten Säumige heran. Sehr regsam waren auch die Deutschfreifinnigen", für die ja nicht wenig auf dem Spiele stand. Fast sämmtliche Bezirks vereine hatten ihre Hauptkräfte entsandt. Der reaktionäre Bund der Konservativen, Antisemiten und Nationalliberalen legte die Hände aber auch nicht in den Schooß. So sah man die gescheitelten Häupter der Jünglingsvereinler überall auftauchen und die Häuser unsicher machen. Selbstverständlich war auch das Gros der famosen Bürgervereine und des Anti­semitenbundes auf dem Plan erschienen. Herrn Gerold, dem Stadtverordneten, Hauptmann a. D. und Hoflieferanten"( so bezeichnete ihn fonsequent das Wahlkomitee der Konservativen aalt der Schweiß der Edlen. An den Eingängen sämmtlicher Wahllokale wurden bei Beginn der Wahl Plakate mit den Namen der betreffenden Kandidaten angeschlagen, sie mußten aber auf Anordnung der Polizei sofort wieder entfernt werden. Uebrigens war die Wahlbetheiligung in den einzelnen Bezirken eine sehr verschiedene. Während sie in der einen Straße eine relativ bedeutende war, ist sie in einer anderen wieder äußerst schwach gewesen, ja, es fam sogar der sonderbare Fall vor, daß in der Scharrnstraße, in welcher an zwei Stellen gewählt wurde, in dem einen Lokal die Wahl recht flott von statten ging, in dem zweiten dagegen die Staatsbürger nur vereinzelt und in großen Zwischenräumen erschienen, um ihr Wahlrecht auszus üben. In der Dorotheen-, Mittel- und Leipzigerstraße fuhren zahlreiche Equipagen, denen gelangweilt aussehende Wähler entstiegen, vor die Wahllokale. Die Diener- und Beamtenschaft war auch in Menge erschienen.

Zum Schuße der Gesundheit der Kinder ist in einer Schule der Stadt Chemniz in Sachsen   eine recht vorsorgliche und anderwärts Nachahmung verdienende Einrichtung getroffen worden. Die Kinder werden dort durch die Direktion aufge fordert, fich Hausschuhe oder anderes Schuhwerk zum Wechseln mit in die Schule zu bringen. In jedem Klassenzimmer ist ein Stiefelfnecht vorhanden, die nassen Stiefel werden vor Beginn des Unterrichts ausgezogen und bleiben während deffen in warmen Zimmer stehen. Bei Schluß der Schule findet das Kind das Schuhwerk warm und trocken, während des Unter richts bleibt es in seinen Hausschuhen. Jedermann weiß, wie unbehaglich und gefährlich es sein tann, stundenlang mit naffen Füßen figen zu müssen; Kinder, die an falten Füßen leiden und bei solch naffem Wetter, wie gegenwärtig, einen weiten Schulweg zu machen haben, werden durch diese umfichtige praktische Anordnung jedenfalls vor mancher Erkrankung bes hütet. Es wäre gewiß wünschenswerth, auch in Berlin   eine ähnliche Einrichtung einzuführen, leider aber verbietet sich die felbe namentlich bei den ärmeren und ärmsten Volksklaffen von selbst. Man soll doch einmal bei den Arbeiterfamilien nach fragen, ob die Kinder überhaupt Schuhwerk zum Wechseln humoristisch sein sollende Entschuldigung durch die Blätter haben. Es ist uns erinnerlich, daß vor einiger Zeit eine ging, wonach ein Vater das Fehlen seines Sohnes in der Schule mit den lakonischen Worten: Wegen Stiebeln" moti virt haben sollte. In den beiden Worten liegt entschieden mehr bittere Wahrheit als Mancher sich denken mag. Das Beste wäre, wenn von der Stadt, wenigstens den Schülern und Schülerinnen der Gemeindeschulen, für die Wintermonate warme Filzschuhe, die während der Schulstunden getragen werden, gratis geliefert würden. So ungeheuer erheblich würden die Roften faum fein, vielleicht findet sich einer der Vertreter der Arbeiter in der Stadtvertretung bereit, diesen Vorschlag aufzu nehmen. Ob fich eine Majorität dafür finden würde, ift ja mehr wie zweifelhaft, jedenfalls aber würden die Nach bewilligungen für gewisse Festivitäten bei eventueller Ablehnung in der denkbar drastischsten Weise illustrirt werden.

ein objektiver Auszug gemacht werden sollte, so lag kein Grund vor, gerade die gehäffigen Aeußerungen der Fabrikinspektoren einzugreifen, dagegen müssen wir uns wehren. Die Beamten find nicht dazu da, gehässige Aeußerungen gegen die Sozialdemokraten fallen zu lassen, dazu werden sie nicht bezahlt. Herr Hartmann fagt, im Königreich Sachsen seien die Fabrikinspektoren Vertrauensmänner der Ar­beiter. Ich muß sagen, daß ich diese Tendenz in Sachsen  , wenigstens im Dresdener   und Leipziger   Bezirk, nicht gefunden habe. Ich weiß, daß Arbeiter dort sich scheuten, mit Bes schwerden an die Inspektoren heranzutreten, weil sie Bedenken trugen, sich mit den hohen Herren, wie fie fich den Arbeitern gegenüber zu zeigen pflegten, ins Benehmen zu setzen. Der Blauen'sche Inspektor scheint allerdings Beschwerden zugäng licher zu sein. Herr Hartmann fagt, die Sozialdemokraten hätten zu nichts Vertrauen. Wenn wir nicht etwas Vertrauen zu Ihnen hätten, würden wir Ihnen dann von Jahr zu Jahr mit Anträgen zur Arbeiterschußgefeßgebung kommen? Wir hoffen immer noch, daß Sie noch einmal zu der Ueberzeugung fommen werden, daß unsere Forderungen berechtigt find. Der Bericht enthält auch gehäffige Bemerkungen über die Wirkjamkeit der Fachvereine bei Arbeitseinstellungen; aber es

er berichtet fcin Wort davon, daß in Leipzig   beispielsweise gerade die Innungen die Beendigung des Streiks verhindert haben. Derartige Bemerkungen, wie fie über die Fachvereine

In diesen Tagen wird das Telephon ein Vierteljahr hundert alt. Im Dezember 1861 gab Philipp Reis   im phy kalischen Vereine zu Frankfurt   a. M. zuerst Runde von seiner Erfindung; dort bestand sie auch die erste öffentliche Probe. Der Empfänger" der Vorrichtung war in dem Vortragssaale aufgestellt, der ,, Geber" befand sich 100 Meter davon entfernt in einem verschlossenen Hause. Es wurde zuerst in den ,, Geber"

auf Instrumenten gespielt. Die Darlegung wirkte mächtig auf die Hörer. Die gesprochenen Worte und der Gesang wurden deute lich übertragen, weniger aber die Instrumentalmufit. Reis' Entdeckung machte Aufsehen in den Fachkreisen. Auf der Na

Müller in Freiburg   im Breisgau verzeichnete den Apparat als

inspektoren besteht in allen Einzelstaaten, und die Frage ist gefallen find, sollte man einem Leipziger   Polizeiwachtmeister wohl gerieth die Erfindung später in Vergessenheit. Als 1877

nur, ob es in ausreichendem Umfange besteht oder ob eine Er Der Reichstag  gänzung wünschenswerth und nothwendig ist. ist nun der Meinung gewesen, daß eine Vermehrung noth wendig ist, und hat dies in einer Resolution dem Bundesrath mitgetheilt, der diese Frage den Einzelregierungen zugewiesen hat. Der Bundesrath hat da vollständig innerhalb seiner Kompetenz und freien Auffassung gehandelt. Der Reichs­fanzler befindet sich also augenblicklich in der Lage, daß er zwischen einem Beschluß des Bundesraths und einem Beschluß des Reichstags zu wählen hat. Da können Sie es doch der Reichsverwaltung nicht verargen, wenn

überlassen. Nicht nur wir greifen übrigens den Bericht an, Angriffe gegen denselben kann Herr Hartmann auch in der

anfangs den Erfinder des Telephons nennen.

Nur all

Graham Bell   sein Telephon befannte gab, fonnte er fich fogar Münchener Allgemeinen Zeitung" und in den Preußischen mälig und vielem Widerspruche entgegen wurden Reis'

Jahrbüchern" lesen. Die Berichte find ganz so abgefaßt, als ob die Fabrikinspektoren nur Beamte der Fabrikanten wären. Wir haben das Institut derselben in Anregung gebracht; wir find in Sachsen   auch für die Vermehrung der Aufsichtsbeamten ein­getreten. Gerade aus diesem Grunde bekämpfen wir jede ein­feitige Entwickelung dieser Einrichtung. Herr Hartmann ver langt von uns ein Rezept für die Behandlung der Kinder arbeit. Nun, wenn die bestehende Gesetzgebung dazu nicht

Vorrechte anerkannt. Viele Physiker und Mechanifer wollten Ivor Bell und vor Reis das Telephon erfunden haben; einer schon in den vierziger Jahren, als er fich mittellos in der Havanna   umhertrieb. Allein Freunde von Reis( derfelbe war 1874 verstorben) traten für dessen Rechte thatfräftig ein, unter ihnen zunächst Prof. Schenk in Friedrichsdorf  , so daß heute Reis allgemein als der erste Erfinder des Telephons anerkannt ift. Die ersten von ihm selbst gefertigten Apparate von Bleche