wurde, theilte er die Aufforderung dem Vorsitzenden mit Vereine und Versammlungen.

Geisler wurde demgemäß nicht nur wegen Betruges, und zwar zu 2 Monaten Gefängniß, verurtheilt, es wurde gegen ihn auch ein Verfahren wegen Verleitung zum Meineide eingeleitet. Wegen dieses Verbrechens hatte der berühmte Bauberer" fich heute vor dem bezeichneten Forum zu verantworten. Durch das Zeugniß Rademacher's wurde er vollkommen überführt. Der Staatsanwalt beantragte, den 66 Jahre alten Angeklagten zu einer Zuchthausstrafe von 1 Jahr zu verurtheilen. Der Gerichts­hof erkannte unter Einrechnung der wegen Betruges verhängten Strafe auf 1 Jahr 1 Monat Buchthaus. So das Schicksal des Herenmeisters von Friedrichshayn. Zweite Hälfte des 19. Jahr hunderts, so reich an Wissen, so reich an Erfindungen, du haft gerade keine Ursache, auf solche Vorfälle stolz zu sein. Nicht Deshalb, weil der" Brave" die Herenmeisterei betrieb, sondern deshalb, weil es diesem längst veralteten Geschäft durch so ge­raume Zeit nicht an Kunden fehlte. Dummheit, du bist un­überwindlich!

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Wien , 3. Dezember. Am Schlusse der ersten heutigen Verhandlung über eine Appellation gegen ein bezirksgerichtliches Erkenntniß spielte fich im Verhandlungssaale 2 des Landge­richtes, in welchem der Appellsenat des Landgerichtes unter Vorsiz des L.-G.-R. Langthaler tagte, ein aufregender Vorfall ab. Der bereits wiederholt bestrafte und aus Wien für immer ausgewiesene Julius Schmiß, der Sohn eines in Mähren befindlichen Ingenieurs, wurde unlängst vom Bezirks­gerichte wegen Rückkehr zu vier Monaten strengen Arrestes ver­urtheilt. Er ergriff dagegen die Berufung, worüber heute die Verhandlung stattfand. Es wurde das erstrichterliche Urtheil bestätigt. Da zog Schmiß aus seiner Rocktasche einen etwa ein halbes Kilogramm schweren Stein hervor und schleuderte ihn gegen den Verhandlungspräsidenten, traf aber nur den Ge richtstisch, wo der follernde Stein eine heilloſe Verwirrung unter den Aften und Schreibmaterialien anrichtete. Schließlich fiel er auf den rechten Schenkel des Präsidenten nieder. Schmit wurde aus dem Verhandlungssaale gebracht und hat nun die Anklage wegen qualifizirter öffentlicher Gewaltthätigkeit zu ge­wärtigen.

Ein Ehescheidungsprozeß. London , 1. Dezember. Ge genwärtig spielt vor den Londoner Gerichten ein Standalprozeß aus den vornehmsten" und höchsten" Kreisen, der uns zeigt, daß gerade die Leute, die soviel von Frömmigkeit und ähnlichen anderen schönen Dingen salbadern, gut daran thäten, vor allen Dingen mit der Befehrung zum Besseren bei sich selbst anzu­fangen. Der Prozeß bietet uns ein Bild moralischer Ver­tommenheit der prozesfirenden Ehegatten, von der glücklicher Weise diejenigen Volksklassen, denen man mit Vorliebe das meiste Böse nachsagt, denn doch verschont geblieben find. Es liegen nun über den Prozeß folgende Nachrichten vor: Die Träger der ersten Namen Englands spielen eine Rolle in diesem Prozesse. Lady Colin- Campbell, eine junge und schöne Schottin, verlangt die Ehescheidung von ihrem Manne, Lord Campbell ( dem Sohne des Herzogs von Argyll und Bruder des Marquis von Lorne, eines Schwiegersohnes der Königin von England), mit dem sie sich im Jahre 1881 verheirathet hatte. Lord Colin ist 32 Jahre alt; er sieht sehr herabgestimmt durch diesen Prozeß und in Folge einer unnennbaren Krankheit aus, die den Hauptanklagepunkt gegen ihn bildet und durch ärztliche Gut­achten bewiesen wurde. Ihr Vertheidiger, Sir Ruffell, führt aus, daß der Gemahl der Lady Campbell, trotzdem sie ihm die heftigste Abneigung wegen dieser Krankheit zu erkennen gab und froßdem sie erklärt hatte, vor den Augen der Welt nicht als seine Frau erscheinen zu wollen, fich dennoch ihr zu nähern suchte und auf ihre hartnäckige Weigerung die Gemeinheit be­ging, die Widerspenstige des Ehebruchs anzuflagen. Er bes schuldigte fie, daß sie während einer Reise vor achtzehn Monaten in Italien die Maitresse des Herzogs von Marlborough, des Bruders des Finanzministers, gewesen sei, was nicht als un­wahrscheinlich gilt, da dieser leichtlebige Herr schon zu wieder holten Malen als Liebhaber leichtsinniger Frauen figurirte. Seine Eroberungen auf diesem Felde haben ihn Unsummen ge­toftet; er mußte vor zwei Jahren seine Bildergalerie, die sich seit zwei Jahrhunderten vom Vater auf den Sohn vererbt hatte, verkaufen. Der zweite Mann, mit dem fich Lady Campbell vergangen haben soll, ist ein Fünfziger, Kapitän Shaw, Kommandant des Pompierkorps, in seine Frau zum Sterben verliebt und Vater mehrerer Kinder. Man tönnte, fagen die Engländer, eher den Glauben an die Bibel aufgeben, als an eine solche Verirrung des Bieder­mannes glauben. Als den dritten Liebhaber seiner Frau bezeichnet Lord Campbell den General Butler, der Miz Thompson, eine bekannte Malerin, geheirathet Miß hatte. Schließlich denunzirt er auch den Dr. Bird als Ge liebten einer Frau, der diese und ihn selber während seiner Krankheit behandelte. Sie find sämmtlich am ersten Verhand lungstage anwesend, wie auch der Herzog von Argyll, Marquis von Navas; die hervorragendsten Vertreter der Presse und des Advokatenstandes, sowie der Aristokratie sind im Verhandlungs saale. Lady Campbell fist neben ihrer Mutter, einer alten Dame. Der Vertheidiger ist in seinem Exposé unerbittlich und verlangt die chirurgische Darlegung der Operationen, die an dem Manne seiner Klientin vorgenommen werden mußten. Die erste Beugin, die aufgerufen wurde, Lady Miller, sagte ſehr abträglich für Lord Campbell aus. Am zweiten Verhandlungs­tage wurde das Beugenverhör mit Lady Miller fortgesetzt. Sie hat Campbell in sträflichem Verkehre mit ihrer Kammerfrau überrascht und erinnert sich genau des Datums, nämlich des 17. Juni 1886, weil sie dies in ihr Gebetbuch eingeschrieben hatte. Bei einem Kreuzverhöre mit dem Vertheidiger des Lords, dem Advokaten Finley, ver widelte fie fich in Widersprüche, und dieser produzirt selbst Briefe von ihr, aus denen hervorgeht, daß sie selbst eine Beit lang an den Ehebruch der Lady Campbell glaubte. Ge­reizt durch dieses inquifitorische Verfahren, schreit sie: Mein Herr, Sie verwirren mich! Das ist lächerlich, das ist eine Tortur!" Auf eine Fragestellung des Advokaten ruft fie: ,, Wie fönnen Sie es wagen, eine ehrbare Dame so zu fragen? Das ist abscheulich!" Dieser Zwischenfall ruft im Auditorium große Heiterkeit hervor. Nach der Vernehmung dieser Dame ergreift Finley das Wort zur Vertheidigung seines Klienten. Er be­streitet gleich vorweg den mittheilsamen Charakter der Krankheit des Lords und stellt somit in Abrede, daß dessen Frau, die überdies schon als Fräulein Blood ein Abenteuer hatte, das durch Schaden erleiden konnte. Die Familie des Fräuleins bestand, troßdem die Aerzte einen Aufschub der Vermählung angerathen hatten, mit allem Nachdruck darauf, daß diese so­fort vollzogen würde. Er sucht weiter zu beweisen, daß alle Schuld an Lady Campbell liege und daß fie in Wahrheit die ehebrecherische Frau ist, wie sie der Lord schildert. Sie hatte, nachdem fie verheirathet war und trotzdem ihr Gemahl frant lag, nichts Eiligeres zu thun, als Bälle und Gesellschaften zu besuchen. Er will die unleugbaren Beweise erbringen und eventuell die Beugen vorführen laffen, die darthun werden, wie Diese Dame mit verschiedenen Männern in infimstem Verhält niffe gelebt habe. Was ihren Verkehr mit dem Herzog von Marlborough betreffe, würden ihre eigenen Dienerinnen aus sagen, das fie diesen nicht allein während ihrer Reisen in

th. Eine öffentliche Versammlung von Handlungs­gehilfen der Material- und Kolonialwaaren- Branche mit Der Tagesordnung: Die Lage der Handlungsgehilfen in der Material- und Kolonialwaaren- Branche und was ist zu thun, um dieselbe zu verbessern?" wurde unter Vorsitz des Herrn Deutschland am Sonntag Nachmittag im Rosenlöcher'schen Lo­fale, Rosenthalerstaße 11/12, abgehalten. Der Referent besprach die Lage der Handlungsgehilfen der Rolonialwaarenbranche und wies darauf hin, daß diese noch immer für Kaufleute zweiter Klaffe erachtet würden. Diesem Vorurtheil, welches seinen hauptsächlichen Stüßpunkt habe an der durch die Ueberlastung bedingten Burückgezogenheit der Materialisten von allen die In­tereffen des Kaufmannsstandes berührenden Angelegenheiten, müßten die Materialisten energisch entgegentreten durch eifrige Wahrung ihrer Interessen und Anschluß an kaufmännische Ver­bände und so die Achtung beanspruchen und die Stellung ein­zunehmen trachten, die ihnen zukommt. Bevor man indessen an die Heilung eines Uebels gehen könne, müffe man zuvor die Ur­sachen desselben kennen, und diese seien bezüglich der Nothlage im Handlungsgehilfenstande hauptsächlich in drei Punkten zu suchen: im Lehrlingsunwesen, in der maßlosen Ar­beitszeit und in den willkürlichen Kündigungsfristen. Die sonstigen Uebelstände seien mehr oder weniger die nothwendigen Folgen dieser Haupt- und Grundübel, welche mit diesen be­seitigt würden. Der Referent besprach nunmehr die angeführten drei Punkte in der eingehendsten Weise und führte die Noth­wendigkeit einer zu schaffenden Abhilfe vor Augen. Diese Ab­hilfe werde aber nicht erreicht durch humane Vereinsbestrebungen, durch Verabfolgung von Speiſemarken u. dgl. m., welche größtentheils auch nur ermöglicht würden durch Zuwendungen von Prinzipalen, die oftmals besser zur Aufbesserung der Ge­hälter der eigenen Angestellten verwendet werden könnten. Aber auf den öffentlichen Ruhm eines Wohlthäters werde nicht gern Verzicht geleistet. Auch von der berühmten freien Verein­barung" sei eine Abhilfe nicht zu erwarten, da naturgemäß aus freien Stüden die Prinzipale gegen ihr eigenes Intereffe handeln würden, eine Abhilfe der Nothlage der Handlungs gehilfen könne nur durch den Zwang des Gesezes wirklich er­reicht werden. Die Ausbildung der Lehrlinge sei in der Kolonialwaarenbranche eine besonders mangelhafte, sie würden nur ausgebildet zu möglichst flotten und gewandten Verkäufern und angehalten, mit die Kundschaft erhaltender Liebenswürdig­feit namentlich die weiblichen Kunden zu bedienen; von Buchführung sei keine Rede, höchstens kämen sie dazu, einen geborgten Poften in die Tageskladde einzutragen und denselben wieder auszustreichen, wenn er bezahlt ist. Die Arbeitszeit der Lehr­linge sei eine ganz unerhörte, ebenso wie die der Gehilfen und betrage 17-18 Stunden. Daher sei dieser Beruf einer der ungesundesten und die Verkürzung der Arbeitszeit eine wirthschaftliche Nothwendigkeit. Verheirathete Gehilfen fänden gar feine Stellung, da die Prinzipale fürchten, sie könnten Kaffee, Bucker 2c. mit nach Hause nehmen. Die kurzen Kündi gungsfristen hätten nur den Zweck, die Gehilfen in größerer Abhängigkeit zu erhalten. Solche Zustände beseitigen zu helfen sei Pflicht aller Kollegen und zwar durch Unterstüßung der darauf hinzielenden Bestrebungen. Herr Hinze und Herr Hen, ning schloffen sich dem Referenten voll und ganz an und wies namentlich letterer auf die Vortheile hin, welche die Freie Organisation junger Raufleute" ihren Mitgliedern biete. Nach­dem noch mehrere Materialisten die Lage der Handlungsgehilfen dieser Branche ausführlich beleuchtet und besonders Herr Jaguttes hervorgehoben hatte, daß die Geschäfte sehr gut um 9 Uhr Abends geschloffen werden könnten, da die Kundschaft nach dieser Zeit sehr gut entbehrt werden könne, nahm die Vers sammlung die beiden Resolutionen an, welche in letter Beit mehrfach von kaufmännischen Versammlungen angenommen worden sind und die vom Reichstage die Regelung der Arbeits­zeit, der Sonntagsarbeit, der Kündigungsfristen c. und vom Magistrate die Einführung des Krankenversicherungszwanges fordern. Die erste wurde einstimmig, die zweite gegen 5 Stimmen angenommen.

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Verband deutscher Zimmerleute. Lokalverband Berlin Süd". Mittwoch, den 8. Dezember, Abends 8 Uhr, Versamm lung im Lokale Mariannenstr. 31 32. Z.- D.: 1. Vortrag. 2. Verschiedenes. 3. Fragelasten. Der Lokalverband Berlin Weft" hält ebenfalls am Mittwoch, Abends 8 Uhr, eine Ver sammlung ab in Gründer's Salon, Schwerinstr. 26. T.- D.: 1. Vortrag über Schiftungen auf umgeklappten Flächen". 2. Verschiedenes. 3. Fragekasten. Der Lokalverband Berlin Ost" versammelt sich am Mittwoch, den 8. d. M., Abend 8 Uhr, im Lokale Frankfurter Allee 127. T.- D.: 1. Wie ist es mög lich, der Sonntagsarbeit Einhalt zu thun? 2. Das Statut des Sanitätsvereins. 3. Zerschiedenes und Fragekasten. Neue Mitglieder werden in allen Verbandsversammlungen auf genommen. Gäste haben Zutritt.

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Gauverein Berliner Bildhauer. Dienstag, den 7. d. M., Abends 9 Uhr, Annenstr. 16: Bibliotheksabend.

* Zentralfranken- und Sterbekasse des deutschen Senefelder Bundes( E. H.) Verwaltungsstelle Berlin . Aleranderstr. 31, im Restaurant Weid, heute, Abends 8 Uhr, Mitglieder und Verwaltungs- Versammlung. Tagesordnung: Rechnungsabschluß pro I. Quartal.

Fachverein sämmtlicher im Drechslergewerk beschäftigten Arbeiter Berlins . Mitgliederversammlung am Dienstag, den 7. Dezember, Abends 8 Uhr, in Wohlhaupt's Lotal, Manteuffel­straße 9. Fachverein der Mechaniker, der Mechaniker, Optiker, Uhrmacher, chirurgischer und anderer Instrumentenmacher. Mittwoch, den 8. Dezember, Versammlung bei Nieft, Kommandantenstr. 71-72. T.- D.: 1. Vortrag des Herrn Dr. Bohn. 2. Diskussion. 3. Vers schiedenes. 4. Fragekasten.

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Gesang, Turn- und gesellige Vereine am Dienstag. Schäfer'scher Gesangverein der Elfer". Abends 9 Uhr bei Wolf und Krüger, Staligerstr. 126, Gesang. Gesangverein Bruderbund" Abends 9 Uhr Adalbertstr. 4, im Restaurant. Gesangchor des Gauvereins der Maler Berlins " Abends 8 Uhr bei Sodtke, Ritterstr. 123. Turnverein Hasenhaide " ( Männer Abtheilung) Abends 8 Uhr Dieffenbachstr. 60 61. Rauchklub Deutsche Flagge" Abends 8 Uhr im Restaurant Händler, Wrangelstr. 11.- Rauchklub Bum Wrangel" Abends 8 Uhr im Restaurant, Wrangelstr. 32. Verein ehemaliger Schüler der 37. Gemeindeschule, Abends 9 Uhr im Restaurant Kinner, Köpnickerstr. 68.- Vergnügungsverein der Bürsten- und Kammmacher jeden Dienstag nach dem 1. und 15., Abends 9 Uhr, bei Wollschläger, Münzstr. 5.

Vermischtes.

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Der Reklamesucht der Amerifaner scheint nichts meh heilig zu sein. Wir haben fürzlich von einer Trauung in einem Schaufenster behufs Reklame berichtet, durch eine Trauung auf der Bühne ist die Sache von einem geschäftskundigen Theaters direktor" noch überboten. Eine solche Trauung ist in aller Wirklichkeit in Norwich. im Staate Connecticut , gefeiert worden. Miß Adams und Herr Delmar, die erste Liebhaberin und der jugendliche Held der dort gastirenden dramatischen Gesellschaft, hatten fich so oft auf offener Bühne und vor den Augen des daß fie es vor einigen Tagen auch in Wirklichkeit zu thun be Publikums zum Schein die Hand zum ehelichen Bunde gereicht, Schloffen. Reverend Jewett, der Rektor der dortigen protestan tischen Kirche, vollzog dieſe merkwürdige Trauung. Das Era hatte nicht verfehlt, eine ungeheure Menschenmasse an diesem eigniß, wochenlang vorher gehörig in alle vier Winde ausposaunt, Abende in das Theater zu locken, welche zu drei, vier- bis zehnfachen Eintrittspreisen, um die man sich förmlich schlug, der Vorstellung des Abendstückes beiwohnten, nach dessen Beendigung die andere Vorstellung" vor fich ging. Man kann sich denken, welch schmunzelndes Gesicht der Theaterdirektor, der als Braut werber fungirte, machte, wie gefüllt seine Kaffe war, und wie die Geschenke aus dem begeisterten Publikum, diesem tausend föpfigen Trauzeugen, auf das glückliche neuvermählte Paar herabströmten. Nach diesem Beispiel wird man wohl nächstens von Trauungen hören, die im Sirkus, auf fliegerdem Trapez auf Roffes Rücken, auf dem Veloziped oder im Luftballon ftatt finden!

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Eine Fasterin des 16. Jahrhunderts. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts lebte in Augsburg eine im Geruch der Heilig feit stehende Frauensperson Namens Anna Laminitin, welche vorgab, seit 16 Jahren nichts genoffen zu haben, als wöchentlich eine Hostie, und deshalb wohl ein größeres Aufsehen erregt haben mag, als das Fasten unserer modernen Profeffionshunger leider Succi und Merlatti. So allgemein war der Glaube an dieses Wunder, daß es selbst Kaiser Marimilian 1. nicht vers schmähte, die Laminitin zu besuchen und ihr kostbare Geschenke zu machen. Selbst gelehrte Abhandlungen erschienen über die berühmte Fasterin. berühmte Fasterin. Nur des Kaisers Schwester, die Herzogin Kunigunde von Bayern, wollte nicht an die Wunderinge der Laminitin glauben, und beschloß, den Schleier des Geheim niffes zu lüften. Zu diesem Zwed liek fie die Laminitin zu fich nach München kommen. In der Mauer des Gemaches, in welchem dieselbe ihre Andacht verrichtete, wurde ein kleines Loch angebracht, vor welches die Herzogin Klosterfrauen beor derte, deren Wachsamkeit es in der That gelang, die Ursache des Fastenwunders zu ergründen. Man entdeckte nämlich, daß die Laminitin fich heimlicherweise allerhand Gebackenes, das fie versteckt bei sich trug, wohl schmecken ließ. Durch einen Boten ließ die Herzogin ihrem Bruder Kunde von der Entlarvung ber Laminitin thun und der Rath der Stadt Augsburg sah sich veranlaßt, die Schwindlerin aus der Stadt zu verweisen. Nun zog die Laminitin nach Kempten und später nach Kaufbeuren , wo fie fich verheirathete. Mit ihrem Manne aber pflog sie eine so daß ihr der Prozeß gemacht und sie zum Tode des Gr äußerst unfriedliche Ehe, beging allerhand Unfug und Lafter, faufens" verurtheilt wurde.

Wie man heute einen Gesellenausschuß wählt. Am Sonntag, den 5. Dezember, hatte die hiesige Drechsler- Innung nach der Landsbergerstraße 31 eine Versammlung unter dem strengsten Ausschluß der Oeffentlichkeit einberufen, um wiederum einmal die Wahl eines Gefellen- Ausschusses vornehmen zu laffen. Erschienen waren im Ganzen ,, 18 Personen". Der Herr Ober­meister Meyer eröffnete Punkt 12 Uhr die Versammlung" mit der Ankündigung: Wir schreiten jest zur Wahl" und der Mits theilung der bereits sattsam bekannten Motive, auf Grund deren die Wahl derartiger Innungs- Gesellen- Ausschüsse" stattfindet. Doch so rasch, wie der Herr Obermeister wollte, ging es denn doch noch nicht, sondern es entwickelte sich vorerst eine Dis­fuffion, welche drastische Beispiele zu Tage förderte von der Wirksamkeit" der Innungsbestrebungen auf die Beffergestaltung der Gewerkschaftsverhältnisse. Wir heben davon nur zwei Punkte hervor, fie genügen voll und ganz. Nr. 1 erklärte der Jnnungs­Obermeister auf eine von einem Gesellen- Ausschußmitglied ge­stellte Anfrage, daß die Jnnung fein Recht dazu hat, um den Gesellenausschuß bei der Einberufung einer öffentlichen Ver­ſammlung zu unterstüßen; wenn der Ausschuß einen Bericht seiner Thätigkeit öffentlich geben wolle, dann möge derselbe die etwaigen Ausgaben für die Versammlung durch eine Rollekte bei der Gesellenschaft decken! bei der Gesellenschaft decken! Nr. 2 führte der zweite Ober meiſter, Herr Gronau , eine scharfe Sprache gegen die- Rädels führer" des hiesigen Fachvereins sämmtlicher im Drechsler­gewerk beschäftigten Arbeiter", welche nur, wie fich der werthe Herr ausließ, das gute Einvernehmen zwischen Meister und Gesellen verderben.( D, diese Weisheit des braven Innungs­meisters!) Als hierauf einige der Anwesenden sich zum Wort meldeten, erklärte der Herr Obermeister Meyer, daß an der Debatte sich nur Mitglieder des Innungsvorstandes sowie des Gesellen- Ausschusses betheiligen dürfen, für alle übrigen sei die Debatte nicht vorhanden!( Ein Bravo diesem biederen" Innungsvorstande!) Ein Mitglied des Ge­fellenausschuffes wies nun darauf hin, daß, wenn von Seiten des Vorstandes derartige Angriffe auf den Fachverein geschehen, dann es ganz gut wäre, wenn einer der Rädelsführer" des Fachvereins anwesend sei, damit endlich einmal Klarheit in die Sache fäme. Der Redner machte zugleich den Vorschlag, dem im Vorderlokal anwesenden zweiten Vorfizenden des Fach­vereins, Herrn Sündermann, Butritt zu der Versammlung" zu gewähren; aber der Herr Obermeister erklärte sofort, das ließe Das Gesez nicht zu, das ginge nicht!( Immer fein säuberlich unter fich und dann tüchtig aufgemuckt, ist hier die Losung Länge einen furchtbaren Orfan aus West- Nord- West zu bes der Herren.) Auf die noch weiter angeregten Sachen wollen wir nicht mehr eingehen; doch die Wahl des Gesellenaus schuffes möge in nachfolgendem der Deffentlichkeit übergeben schuffes möge in nachfolgendem der Deffentlichkeit übergeben werden. Also es ging zur Wahl, die fünfe" wurden gewählt, und zwar von 18 der Anwesenden, stimmten 14" für die in Vorschlag gebrachten Randidaten; 4 der Anwesenden gaben unbeschriebene Stimmzettel ab. Doch der Zwed war erreicht, und die große Versammlung" ging nach Hause! Es sei uns vergönnt, an der Hand des Angeführten darauf hinzuweisen, wie bereits in den weitesten Schichten der Drechslergesellen der

Frankreich und Italien , sondern sogar in London zu jeder Zeit Innungs-, Mumpis" nicht mehr zieht; das beweist die griefige

empfangen habe. Die Feder sträubt sich, all das nachzu­fchreiben, was der unerbittliche Vertheidiger des Lords Campbell gegen deffen Frau vorbringt, und es ist wahrlich zu verwun Dern, daß die Damen bei so standalösen Offenbarungen nicht den Saal verlaffen.( Der Berichterstatter muß ein recht naiver Herr sein, weiß er denn nicht, daß sich die Damen der höhe ren Stände" mit Vorliebe zu allen schmußigen Sensations­affären drängen?)

Theilnahme" an der Versammlung, und hoffentlich geht der ganze Innungs, Rummel" bald in die Rumpelkammer zurück, aus der man ihn herausgeholt hatte. Doch nicht allein das müßige Buschauen sei die Sache der Arbeiter; hier heißt es vor allem: Auf zu gemeinsamer Arbeit innerhalb einer zielbewußten Arbeiterorganisation." Das mögen die Arbeiter nie vergessen! Der allgemeine Anschluß an die Fachvereine ist Pflicht aller Arbeiter.

Kleine Mittheilungen.

Würzburg , 5. Dezember. Die Anklage in Sachen der Faulenberger Katastrophe ist sieben Angeflagten gestern zuges stellt worden. Angeklagt find: Herr Offizial Ehrlich, Ober stationsmeister Sacher, Kondukteur Dürr, dann vier Wechsel wärter resp. Unterbedienstete. Der Lokomotivführer des Schnell zuges ist nicht angeklagt. Jedenfalls findet die Verhandlung Ende d. M. statt.

New- York , 2. Dezember. Der hier heute von Antwerpen angekommene Dampfer Westernland", von der Red Star Linie meldet, daß er am 27. November in 43° 57' westlicher

back", wodurch 4 Matrosen und zwei Zwischended- Passagiere Namens Livadiri und Max Frank, getödtet und 15 andere Seeleute und Passagiere mehr oder weniger erheblich verlegt

wurden.

Briefkasten der Redaktion.

Bei Anfragen bitten wir die Abonnements- Quittung beizufügen. Briefliche

Antwort wird nicht ertheilt.

H. Oberwasserstraße. Vom 1. Leibhusarenregiment Nr. 1 und 4 in Preuß. Stargard . Vom 2. Leibhusarenregiment Nr. 2 liegen der Stab und die 1. und 2. Eskadron in Posen, die 3.

4. und 5. in Lissa.

nicht verwenden. Für das Andere beften Dank.

E. G., Penzlin . Ihre Korrespondenz konnten wir leider

6. M., Andreasstraße. Sie haben Recht, doch können wir in der Sache nichts thun; wenden Sie sich an den Verlag

der Neuen Welt".

Berantwortlich für den politischen Theil und Soziales Max Schippel , für Vereine und Versammlungen F. Tutauer, für den übrigen Theil der Zeitung R. Gronheim, sämmtlich in Berlin .

Drud und Verlag von Max Bading in Berlin SW., Beuthstraße 2.