Man fteht aus diesen Zahlen mit einem Blicke, wie das Proletariat in seinem politischen Emanzipationskampf immer vorwärts geschritten ist, ohne jeden Rückschlag. Und wenn von den Stimmen, die vorgestern bei der Stichwahl auf Dreesbach mehr als bei der ersten Wahl entfielen, auch einige der bürger lichen Demokratie zuzuschreiben sein dürften, so ist und bleibt Die Zunahme der eigentlich sozialistischen Stimmen in Mannheim  doch eine ganz rapide.

Geradezu kläglich nimmt sich demgegenüber der Anblick der bürgerlichen Parteien aus. Die Konservativen im ersten Ber­ liner   Kreise brachten es vor zwei Jahren auf 6754 Stimmen, heute müssen sie sich mit 4783, mit nahezu 2000 meniger, be gnügen. Der Freifinn" hat zwar im ersten Anlauf gefiegt, aber auch er steht die Schaar seiner Anhänger, troß einer fieber­haften Agitation, reduzirt: von 8428 auf 7207! Das find froß alles äußerlichen Erfolges beschämende Resultate gegenüber der aufstrebenden Arbeiterpartei!

Und in Mannheim  ? In Mannheim   hat allerdings ein Nationalliberaler noch niemals soviel Stimmen erhalten, wie vorgestern. 1884, in dem für sie günstigsten Jahre, brachten es die Nationalliberalen auf 8380 Stimmen und vorgestern auf 10 792. Aber von diesen Stimmen ist ein großer Theil von den süddeutschen Bourgeois­demokraten abgegeben worden, die fich offenbar viel­mehr als Bourgeois denn als Demokraten fühlen und die daher einem sozialistisch en Demokraten viel feindseliger gegenüber stehen als einem rückgratlosen Mittelparteiler und Reaktionär, der bie Intereffen der befigenden Klaffen vertritt. Schon nach der Wahl vom 26. v. M. wurde allgemein angenommen, daß von Den 7636 Stimmen Diffené's ein Theil von den ,, Demokraten  " abgegeben worden sei, noch mehr gilt dies natürlich von den 10 792, die vorgestern auf Diffené entfielen. Alle Auf­forderungen des Mannheimer Komitees und der Demokraten im Reichstage haben die Mannheimer ,, Volksparteiler" offenbar nicht bewegen fönnen, aus ihrer Bourgeoishaut herauszufahren. Zieht man das alles in Rücksicht, so ergiebt sich zweifellos, daß auch in Mannheim   die nationalliberale Partei nicht stärker ge­worden ist, während die bürgerliche Demokratie, die früher den Kreis beherrschte, sich als vollständig politisch bankerott er­wiesen hat.

Also überall Stillstand und Rückschritt der bürgerlichen Parteien! Ueberall Fortschritt und Aufschwung der Arbeiter­partei! Das ist das Ergebniß der Wahlen vom 6. Dezember.

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Wir fügen hier gleich noch eine Zusammenstellung an, wie fich am Montag in den einzelnen Bezirten Berlins  Das Ergebniß der Abstimmurig gestaltete:

Stadttheil Berlin  .

1. Stadtbez. 1. Wahllokal: Berlinisches Rathhaus: Klop 276, Gerold 111, Marggraff 17, Christensen 42.

2. Stadtbez. 1. Wahllokal: Jüdenstr. 55: Klog 241, Gerold 92, Marggraff 5, Christensen 31.

3. Stadtbez. 2. Wahllokal: Stralauerstr. 11: Klotz 213, Gerold 95, Marggraff 5, Christensen 31.

4. Stadtbez. 2. Wahllokal: Stralauerstr. 43: Klotz 254, Gerold 144, Marggraff 5, Christensen 80.

5. Stadtbez. 3. Wahllokal: Stralauerstr. 57: Klop 311, Gerold 106, Marggraff 11, Christensen 78.

6. Stadtbez. 3. Wahllokal: Kloster str. 41: Alog 227, Gerold 111, Marggraff 6, Christensen 42.

7. Stadtbez. 4. Wahllotal: Panoramastr.: Klot 347, Gerold 86, Marggraff 11, Christensen 44.

8. Stadtbez. 5. Wahllokal: Heilige geist str. 34: Klotz 264, Gerold 49, Marggraff 11, Christensen 34.

9. Stadtbez. 5. Wahllokal: Neue Friedrich str. 44: Klop 223, Gerold 56, Marggraff 5, Christensen 43.

Alt- Cölln.

10. Stadtbez. 6. Wahllokal: Scharrenstr. 7: Kloz 210, Gerold 130, Marggraff 17, Christensen 60.

11. Stadtbez. 6. Wahllokal: Brüderstr. 26: Klop 226, Gerold 183, Marggraff 9, Christensen 30.

12. Stadtbez. 7. Wahllofal: Fischerstr. 10: Klog 140, Gerold 122, Marggraff 4, Christensen 82.

13. Stadtbez. 7. Wahllokal: Friedrichsgracht 16: Klog 173, Gerold 119, Marggraff 3, Christensen 63.

14. Stadtbez. 8. Wahllokal: Roßstr. 5: Alog 178, Gerold 135, Marggraff 6, Christensen 66.

15. Stadtbez. 8. Wahllokal: Scharrenstr. 12: Alop 192, Gerold 135, Marggraff 9, Christensen 74.

Friedrichswerder.

16. Stadtbez. 9. Wahllokal: Niederwall str. 18: Klot 154, Gerold 77, Marggraff 8, Christensen 51.

17. Stadtbez. 9. Wahllotal: RI. Kurstr. 1: Klotz 185, Gerold 107, Marggraff 8, Christensen 54.

18. Stadtbez. 10. Wahllokal: Jägerstr. 54: Alot 227, Gerold 186, Marggraff 17, Christensen 36.

Dorotheenstadt.

19. Stadtbez. 11. Wahllokal: Dorotheenstraße 12: Klog 110, Gerold 128, Marggraff 10, Christensen 13.

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morfen hätte; von jetzt an sind sie gelöst. Sie können gehen, Antonio."

,, Und um mir diese Erklärung zu geben, hatten Sie nöthig, solche Vorbereitungen zu treffen, mich, ich weiß nicht durch welche Ränke, in diese Mörderhöhle meiner Ehre und männlichen Tugend zu schleppen! Sie wollten mir sagen, daß ich ein Elender sei, daß Sie mich verachten; vergessen Sie nicht, daß diese Ihre Verachtung das einzige Mittel ist, mich vor mir selbst zu rechtfertigen. Ich wäre noch viel elender, als ich es schon durch Sie geworden bin, wenn nicht eben in Ihrem Hasse der einzige Beweis läge, daß ich noch rechtzeitig um gefehrt bin, daß ich noch Hoffnung habe, ein Mensch unter Menschen zu werden; ich weiß nicht, welcher neue Berrath, welches raffinirte Lafter hinter diesem Ihrem letzten Schritte verkappt ist. Hoffen Sie nur nicht, mich unvorbereitet zu finden, ich werde im schlimmsten Falle." i ditt

Was willst Du im schlimmsten Falle thun, Antonio?" rief die Frau, indem sie ihren Schleier zurückwarf und ihren leidenschaftlich glühenden Blick auf Antonio heftete. Sieh' mir ins Auge und wage es auszusprechen, was Deine feige Furcht Dich denken ließ. Du suchst Deinen Verrath an mir hinter der Schußwehr Deiner erträumten männlichen Tugend zu verbergen, das soll Dir nicht gelingen; Du hast mich, nachdem ich Dir meine Ehre, meinen Ruf, die Liebe meines angetrauten Gatten, mein Lebensglück und mein Seelenheil geopfert, verlassen ich vergebe es Dir. Du haft meiner Trauer gespottet, haft meine Liebe belacht und meinen Schmerz verhöhnt, ich will es Deiner blinden Thor­

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heit zu Gute halten; Du hast mir mit der herzlosesten Grausamkeit eine einzige, die letzte Unterredung verweigert, um die ich Dich flehentlich bat; Du bist mir zum Hohne an der Stelle gewesen, wohin ich Dich beschied, ohne mich und mein Flehen zu beachten- ich vergebe es Deinem Leicht finn. Du hast mich gezwungen, mich vor Dir zu erniedrigen, wie eine Magd; Du hast mir nicht geglaubt, daß zwei Menschenleben von der Unterredung, die Du mir ver­weigertest, abhingen; Du wolltest mich zur zweifachen Mör­berin machen ich will diesen Frevel Deiner halsstarrigen Selbstsucht zuschreiben; Du betrachtest Dein Verhältniß zu

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20. Stadtbez. 11. Wahllokal: Mittelstraße 65: Alog 108, Gerold 124, Marggraff 22, Christensen 10.

21. Stadtbez. 12. Wahllotal; Friedrich- Werder= sches Gymnasium: Klog 64, Gerold 149, Marggraff 6, Christensen 6. 22. Stadtbez. 12. Wahllokal: Dorotheenstadt  . Realgymnasium: Kloz 133, Gerold 128, Marggraff 7, Christensen 21.

23. Stadtbez. 13. Wahllokal: Dorotheenstraße 31: Alot 122, Gerold 185, Marggraff 9, Christensen 20.

24. Stadtbez. 13. Wahllokal: Dorotheenstraße 66: Klop 117, Gerold 137, Marggraff 8, Christensen 22. 25. Stadtbez. 24. Wahllokal; Behrenstr. 52: Aloß 134, Gerold 135, Margaraff 14, Christensen 23.

26. Stadtbez. 14. Wahllokal: Unter den Linden   4a: Klos 142, Gerold 165, Marggraff 8, Christensen 9. Friedrichstadt.

27. Stadtbez, 15. Wahllofal: Deutscher Dom  : Klog 168, Gerold 104, Margaraff 21, Christensen 23.

28. Stadtbez. 15. Wahllokal: Französischestr. 33a: Klop 154, Gerold 116, Marggraff 25, Christensen 8.

29. Stadtbez. 16. Wahllofal: Leipzigerstr. 33( Glas­halle): Klog 272, Gerold 96, Marggraff 19, Christensen 32. 30. Stadtbez. 17. Wahllotal: Rraufenstr. 10: Klos 152, Gerold 81, Marggraff 24, Christensen 26.

31. Stadtbez. 17. Wahllofal: Leipzigerstr. 33( oberer Saal): Klog 153, Gerold 129, Marggraff 19, Christensen 29. 32. Stadtbez. 18. Wahllokal: Taubenstr. 54: Kloz 164, Gerold 134, Marggraff 19, Christensen 55.

33. Stadtbez. 18. Wahllofal: Mauerstr. 76: Rlog 200, Gerold 126, Marggraff 22, Christensen 51.

34. Stadtbez. 19. Wahllotal: Französischestr. 10: Kloz 165, Gcrold 124, Marggraff 43, Christensen 35.

35. Stadtbez. 19. Wahllokal: Kanonier str. 14-15: Klot 182, Gerold 112, Marggraff 16, Christensen 40.

36. Stadtbez. 20. Wahllokal: Leipzigerstr. 14: Klog 152, Gerold 126, Marggraff 11, Christensen 21.

37. Stadtbez. 20. Wahllokal: Leipzigerstr. 132: Klot 111, Gerold 145, Marggraff 17, Christensen 5. Thiergarten.

38. Stadtbez. 283. Wahllotal: In den Belten 1: Klot 221, Gerold 158, Marggraff 16, Christensen 14.

39. Stadtbez. 284. Wahllokal: Luisenhof: Klotz 142, Gerold 137, Marggraff 23, Christensen 50.

Politische Uebersicht.

200 Millionen neue Steuern. Während die Thronrede selbst und die Vertreter der Reichsgerierung bei der ersten Bes rathung des Etats im Reichstage die Unmöglichkeit betonen, dem gegenwärtigen Reichstage eine Vorlage wegen Deckung des Defizits in der Reichsfinanzverwaltung zu machen, weil derselbe frühere unzweckmäßige Vorlagen abgelehnt hat, werden nach einer Mittheilung der Lib. Korr." in aller Stille Steuerpro­jefte vorbereitet, welche eine Mehrbelastung von etwa 200 Mill. Mark in Aussicht stellen. Es unterläge danach keinem Zweifel, Es unterläge danach keinem Zweifel, daß die Reichspartei des Reichstags und zwar im Einverständniß mit der Regierung einen Branntweinsteuerplan ausarbeite, deffen Ertrag auf 120 Millionen Mark veranschlagt wird. Als Antragsteller wird Geh. Ober- Reg.- Rath Gamp genannt. Es würde das die Einführung einer Konsumsteuer von etwa 50 Bf. pro Hekto­liter, das Doppelte des vom Zentrum in der legten Session angebotenen Sages voraussetzen. Schon damals stand ein Rompromißoorschlag" diefes Inhalts zur Erörterung felbst­verständlich hinter den parlamentarischen Kouliffen der aber fallen gelaffen wurde, weil die Regierung Bedenken trug, den Voraussetzungen dieses Vorschlags, d. h. dem Wegfall der den Brennern zugedachten Begünstigungen zuzustimmen. Db die Regierung, wie behauptet wird, jest bereit ist, die Sonderinter­effen der Kartoffelbranntweinbrenner_preiszugeben, um dem Geldbedürfniß der Reichskaffe zur Befriedigung zu verhelfen, bleibt abzuwarten. Wenn die Angelegenheit noch nicht weiter gediehen ist, als es bisher den Anschein hat, so liegt, der zi tirten Korrespondenz zufolge, der Grund darin, daß die Re­gierung mit einer Einnahme von 120 Millio= nen nicht zufrieden ist. Sie verlangt weiterhin eine Erhöhung der Tabatssteuer bezw. des Tabakszolls, welche eine Mehreinnahme von 60-70 Millionen Mark herbeiführen foll. Und während Finanzminister von Scholz im Reichstag  den Entrüsteten spielt, wenn Jemand behauptet, daß die Re gierung an dem Projekt des Tabakmonopols festhalte, wird unter der Hand gedroht, die Regierung werde das Monopol wieder bringen, wenn der Ertrag des Tabakszolls nicht um den bezeichneten Betrag gesteigert werde.

Zu den Freiberger Verurtheilungen. Wir meldeten fürzlich, daß der Landtagsabgeordnete Karl Ulrich, der zu den in Freiberg   zu 9 Monat Gefängniß ver­urtheilten Sozialdemokraten gehört, die Aufforderung des Chemniger Staatsanwalts Schwabe zum Strafantritt abge=

mir, wie eine Krankheit, von der Du noch nicht genesen bist; Du wahrst mit zarter Schonung für Dein liebes Ich Dein Herz vor jeder Berührung mit Deiner jüngsten Ver­gangenheit; Du schläferst Dein Gewissen mit verkehrten Theorien ein- all das verzeihe ich Dir; aber Du beab­fichtigst, um in Deiner Ruhe nicht gestört zu werden, den Mann, den ich Deinetwegen dem Spotte der Welt preisgab, zum Schuße gegen mich anzurufen; Du willst mich strafen für meine heiße Liebe, Du willst mich selbst zum Richtplage führen, Du willst mein Verräther, der Knecht meines Henkers werden das vergebe ich Dir nicht, Antonio!"

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Die junge Frau hielt, nachdem sie diese mit immer ge­steigerterer Leidenschaft ausgestoßenen Worte geendet hatte, plößlich inne, dann trat sie ganz nahe an Antonio heran, so daß ihr Athem fast den seinen berührte und sagte in herabgestimmtem, fast flüsterndem Tone:

Gestern, Antonio, als ich Dich unter tausend Thränen. um eine Unterredung bat, schwur ich Dir, daß zwei Menschen­leben auf dem Spiele ständen; das Loos ist gefallen, aber nicht zwei, sondern drei Leben verlangt es." Nach einer furzen Pause fügte sie hinzu: Ich habe Dich durch tau­

send Ränke hierher bringen lassen, Antonio, um Dich zu tödten."

H

,, Sie spielen ihre Rolle vortrefflich, gnädige Frau, erwiderte Antonio mit faltem Lächeln, aber darf ich auch wissen, wer außer mir und Ihnen noch dem Tode ver­fallen ist?"

Die Frau zuckte bei dieser in vollkommen ruhigem Tone Sichtbar hatte

Iehnt habe. Dies geschah mit dem Hinweis auf Artikel 84 der hessischen Verfassung und§ 6 des Einführungsgefeßes zur Strafprozeßordnung, auf die geſtüßt, Ulrich dem Staatsanwalt das Recht bestritt, ihn verhaften zu lassen. Darauf hat nun mehr der Staatsanwalt Schwabe unterm 27. November eine wiederholte Aufforderung zum Strafantritt an den Verurtheilten gerichtet. In derselben heißt es, daß der Artikel 84 der heffischen Verfaffung nach früher ergangenen Entscheidungen lediglich Untersuchungs, nicht aber Strafs haft im Auge habe, und daß hiernach ein weiterer Anlaß zu einem Strafaufschub nicht vorliege. Schließlich wird abermals mit persönlicher Sistirung gedroht, wenn Ulrich fich nicht bis zum 3. Dezember fielle. nicht bis zum 3. Dezember fielle. Dies veranlaßte den Abge ordneten Ulrich zu nachstehender Erklärung: An die königl Staatsanwaltschaft in Chemniz. Shre neue Buschrift und Auf­forderung zum Strafantritt vom 27. v. M. beantwortend, will ich zunächst feststellen, daß ich keinen Strafaufschub gewünscht habe. Ich habe lediglich ein mir zustehendes Recht hervor gehoben und muß dies auch heute noch gegenüber Ihrer ers neuten Aufforderung zum Strafantritt thun, da darin aber mals persönliche Sistirung" angedroht ist. Nach Artikel 84 der hessischen Verfassung find die Abgeordneten während der Dauer des Landtages feiner Art von Arrest, als mit Bewilli gung der Kammer, zu welcher fie gehören, unterworfen, den Fall der Ergreifung auf frischer That bei strafbaren Handlungen ausgenommen" 2c. 2c. Und nach§ 6 Absatz 2 sub 1 des Eins führungsgesetzes zur Strafprozeßordnung bleiben die landes­gefeßlichen Bestimmungen":" über die Voraussetzungen, unter welchen gegen Mitglieder einer geseßgebenden Versammlung während der Dauer einer Sigungsperiode ein Strafverfahren eingeleitet oder fortgesetzt werden kann", in Kraft. Die hessische Verfaffung kennt für den Landtag nur eine Sigungsperiode während der Dauer desselben; vom Augenblick seiner Eröffnung bis zur Schließung befindet er sich in einer immerwährenden Sizungsperiode, auch wenn eine Zeit lang keine Plenarsizungen stattfinden, denn die Ausschüsse des Landtages arbeiten auch während der Vertagung der Plenarsizungen fort. Un richtig ist, daß der Art. 84 der hessischen Landesverfassung nach früher ergangenen Entscheidungen lediglich Untersuchungshaft, nicht aber Strafhaft im Auge hat, denn derselbe sagt ganz flar, daß Personen, welche zur Ständeversammlung gehören, kein er Art von Arrest, als mit Einwilligung der Kammer", unters worfen find. Eine Entscheidung in der Sache steht lediglich der zweiten Kammer der Stände Heffens, deren Mitglied ich bin, zu. In dieser Auffassung der Sachlage befinde ich mich mit einer Anzahl meiner Kollegen, an die ich mich gewendet, in vollem Einverständniß und auch der Herr Präsident der Kammer, bei dem ich persönlich vorgesprochen, neigt sich meiner Ansicht zu. Ich erkläre also wiederholt, daß ich auf Erfüllung des Artifels 84 der hefs. Verfassung bestehen muß und bemerke noch, daß ich die großherzogliche Regierung ersucht habe, mich in meinen Rechten zu schüßen und event. eine Verlegung der Ver faffung zu verhindern. Offenbach   a. M., 30. November 1886. C. Ulrich, Mitglied der zweiten Kammer der Stände des Groß herzogthums Heffen. Man darf nun wohl gespannt darauf sein, was der erste Staatsanwalt von Chemnig, Herr Schwabe, jest thun wird.

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Zur neuerlichen Ausweisung des Herrn Keßler schreibt der letzte Baugewerkschafter":" Ausgewiesen aus der Stadt München   und dem ganzen Königreich Bayern   wurde unser ges schägter Mitarbeiter Herr Keßler. Obgleich die gegen ihn ge faßten Beschlüsse noch nicht rechtskräftig geworden sind, wurde ihm am 24. November aufgegeben, München   und das Königs reich Bayern   innerhalb drei Tagen zu verlassen, da er sonst durch Zwang entfernt werden würde. Herr Keßler ist am Sonnabend, den 27. November, von München   abgereift. Herr Keßler war in München   nach keiner Richtung hin politisch thätig, sondern lebte ganz zurückgezogen mit seiner Tochter. Die leß tere wird sich dem Vernehmen nach wieder nach Berlin   zurü begeben, um dort ihre Studien an der Königlichen Kunstgewerbe schule fortzufezen. Wenn sie, wie es jetzt nothwendig ist, fich von ihrem Vater einmal trennen muß, fo geht sie lieber nach Berlin  , deffen Lehranstalt für Kunstgewerbe weit über der Mün chener Anstalt steht, obgleich fie die jüngere ist. Die Ausweis fung trifft Herrn Keßler besonders deshalb hart( abgesehen von der Trennung von seiner Tochter), weil er glaubte, man würde ihn in München   überhaupt unbelästigt lassen, da er einen gan zen Monat daselbst unbelästigt blieb. Er hatte darauf, hin seine Wohnungseinrichtung nach München   fommen lassen, die nun wieder, theilweise wenigstens, zurückwandern muß mit erheblichen Kosten. In der Kürze der Zeit ist es Herrn Reßler natürlich auch nicht möglich gewesen, als Baumeister fich in München  irgend welche Einnahme zu verschaffen, so daß es nicht zu ver wundern wäre, wenn er und seine Tochter in Bedrängniß gerathen würden. Man berichtet uns aber, daß Herr Keßler den frischen Humor, den ja seine Bekannten an ihm fennen, nicht verloren hat. Möge er bald irgendwo Ruhe finden!

Die Börsenjobber find nicht gewillt, die Vorwürfe des Finar zministers ruhig einzustecken. Das Aeltestenkollegium der. Berliner   Kaufmannschaft beschloß am Montag, die fich inters effirenden Handelskammern zu gemeinsamen Schritten aufzu

könnte. Du hast ein Recht, an meiner Wahrhaftigkeit zu zweifeln, weil ich seit dem ersten Tage unseres Busammen­treffens bald an mir, bald an Dir, bald an dem Manne, dem man meine Jugend verkauft, zur Lügnerin wurde. Ich habe Dir damals meine wahren Verhältnisse verschwiegen, weil meine Leidenschaft mich blind und wahnsinnig machte; ich bin in Italien   geboren, und könntest Du auch die Liebe des Weibes im Allgemeinen ermessen, meine Liebe, die Gluth, die Hin gebung, die bis zur Raserei gesteigerte Leidenschaft eines Weibes aus meinem Volfe ist Dir fremd. Ich habe Dich ich habe meine Freunde, ich habe die Welt betrogen aus Liebe zu Dir; ich bin zur Sünderin geworden aus Liebe und selbst in diesem Augenblicke, wo ich ein dreifaches Ber brechen zu begehen gewillt bin, ist es die Liebe, die mich dazu zwingt. Ich kann mir keine Rechenschaft von meiner Schuld geben, ich weiß nur, daß ich von einer höheren Macht getrieben handle, und ich mache diese hohe Macht, die meine Leidenschaft entzündet und mich zu ihrer Stlavi gemacht hat, für mein Thun verantwortlich." mit tief bewegter, zitternder, von zurückgedrängten Thränen halb

erstickter Stimme fuhr sie fort:

Frage Dich selbst, Antonio, was mich, das stolze Weib, um deren Gunst die halbe Männerwelt Dich beneidet, deren freundlicher Blick Hunderte zu Sklaven macht, was mich veranlassen könnte, in dieser Gestalt zerknirscht, ge demüthigt vor dem Manne zu erscheinen, der mich verachtet; Du fragtest mich, was ich von Dir will? Was kann ich jezt noch von Dir wollen? Die Bande wieder knüpfen, die Du gewaltsam zerrissen? Unmöglich! Dir Vorwürfe

machen? Wozu? Wich vor Dir rechtfertigen? Nein, das thäte fie von der letzten Wendung ihrer Rede eine ganz andere ich auch dann nicht, wenn ich mich wirklich schuldbewußt fühlte;

Wirkung erwartet; im ersten Augenblick machte sie Miene, oder glaubst Du etwa, daß es mir Freude macht, mich selbst den Mantel, der noch immer ihren ganzen Körper umhüllte, fortwährend durch Deinen Anblick zu foltern? Du glaubft, zurückzuschlagen, doch gleich darauf zog sie ihn enger um sich zusammen, und indem sie wieder einen Schritt von An- recht, ich hatte mir wohl überdacht wie ich Dich behandeln ich spielte eine einstudirte Rolle; Du hast nicht ganz Un tonio, der ohne die leiseste Bewegung an seiner Stelle ge- wollte, wenn ich Dich in diesem Hause, wo ich die glück blieben war, zurücktrat, sagte sie mit einer Ruhe, die dem lichsten und unglücklichsten Stunden verlebt, wiederfände; Fragetone des jungen Mannes entsprach:

Antonio, diese Stunde ist zu ernst für mich, als daß geffen, was ich Dir sagen, wie ich mich benehmen wollte; aber ich habe gleich nach dem ersten Begegnen alles ver die neue Kränkung, die Du mir zufügst, mich berühren ich bin aus der Rolle gefallen. Ich weiß es, Antonio, ich