Abgeordneten jeder Partei maßgebend wäre, so hätte die Sozial­demokratie 36 Abgeordnete zu beanspruchen gehabt.

Die Wahlen des Jahres 1878 nach den Attentaten brach­ten der Partei nur einen Abgang von 56 000 Stimmen und verminderte ihre Abgeordneten um drei. Das Sozialistengesetz löfte nicht nur die äußere Organisation der Partei auf, sondern verursachte zunächst auch heftige innere Wirren. Most und Haffelmann wurden Anarchisten. Es traten Meinungsverschie benheiten ein, und nnter diesen Umständen war es natürlich, deß die Wahlen von 1881 einen Rückgang brachten. Die Zahl der sozialdemokratischen Stimmen fiel auf 312 000 herab; bei der ersten nur in fünf Wahlkreisen auf 45-50 pCt. der Stimmen. Trotzdem gewannen sie in den engeren Wahlen 12 Mandate. Bei den Wahlen von 1884 erreichte die Partei ihren höchsten Stand mit 550 000 Stimmen; 9 Size wurden fofort, 15 in den Stichwahlen eingenommen, obgleich die Partei nur in vier Wahl­freisen zwischen 45 und 50 pCt. der Stimmen erhalten hatte. Nach dem Verhältniß der sozialdemokratischen Stimmen, welche bei den ersten ordentlichen Wahlen 1884 abgegeben worden find, müßte die Sozialdemokratie 38 Vertreter statt 24( oder 25) im Reichstage haben.

Von hundert giltigen Stimmen waren auf sozialdemokra­tische Stimmen gefallen:

in Wahlkreisen mit großen Städten.

15,0

ohne große Städte

4,2

in den überwiegend evangelischen Wahlkreisen mit mehr als 75 pCt. evangelischer Bevölkerung

15,3

in den überwiegend evangelischen Wahlkreisen mit meni ger als 75 pt. evangelischer Bevölkerung.

7,9

in den überwiegend katholischen Wahlkreisen mit mehr als 75 pCt. katholischer Bevölkerung

2,2

in den überwiegend katholischen Wahlkreisen mit weniger als 75 pCt. fatholischer Bevölkerung.

2,7

Ein Blick auf die dem statistischen Jahrbuche für 1886 beigegebene fartographische Darstellung zeigt folgendes Ver­breitungsbild. Von den zweiundzwanzig rein städtischen Wahl­freisen( einschließlich des Wahlkreises Wiesbaden 6: Frant furt a. M.) werden neun durch Sozialdemokraten vertreten; außerdem zeigt sich das sozialdemokratische Roth in Schleswig , Hannover , Braunschweig , dem Regierungsbezirk Düsseldorf , in den beiden Reuß, Koburg- Gotha, Sachsen , Hessen , Mittel­ franken und Oberbayern . Das ganze Gebiet rechts von der Elbe, mit Ausnahme von Altona und Breslau , weist nur zwei sächsische Wahlkreise, wo ein stärkerer Anhang der Partei vor­handen ist, sowie Kiel und den Königsberger Stadtkreis auf, wo sozialdemokratische Kandidaten es bis zur Stichwahl

brachten.

So weit ein von der Schles. Volksztg." gebrachter kurzer Auszug aus den ausführlichen thatsächlichen Angaben des Ar­titels der Grenzboten".

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Politische Uebersicht.

Die Versammlungsverbote während der Wahlvorberei tungen für den ersten Wahlfreis werden zweifellos noch den Reichstag beschäftigen, da man auf sozialistischer Seite der Meinung ist, daß das Verfahren der Behörden gesezwidrig war.§ 28 des Sozialistengefeßes bestimmt nämlich:" Für Bezirke oder Ortschaften, welche durch die im§ 1 Absatz 2 be­zeichneten Bestrebungen mit Gefahr für die öffentliche Sicher heit bedroht find, können von den Zentralbehörden der Bundes­ftaaten die folgenden Anordnungen, soweit fie nicht bereits landesgeseßlich zulässig sind, mit Genehmigung des Bundes­raths für die Dauer von längstens einem Jahre getroffen werden: 1) daß Versammlungen nur mit vorgängiger Ge­nehmigung der Polizeibehörde stattfinden dürfen; auf Versammlungen zum 3 med einer ausge= schriebenen Wahl zum Reichstage oder zur Landes­vertretung erstreckt sich diese Beschränkung nicht." wird die Behörde einwenden, daß sie nur solche Versamm lungen verboten habe, welche außerhalb des ersten Wahl­freises stattfinden sollten. Dem Reichstag wird zweifellos die Entscheidung nicht erspart bleiben, ob er diese Auffaffung gut­beißen will. Dagegen ist die Meldung der Berl. 3tg.", man habe sich seitens der Arbeiterpartei bereits entschlossen, Protest gegen die Wahl von Kloß einzulegen, durchaus ver­früht. Eine Entscheidung ist bislang noch nicht getroffen.- Der Kandidat der Arbeiter, Herr Christensen, wird am 15. b. M. das Gefängniß und damit Plauen verlassen. Wie­meit die Behörden von ihrer Ausweisungsbefugniß gegen ihn Gebrauch machen werden, muß sich sehr bald zeigen. Nach einem Briefe an einen Berliner Freund ist Herr Christensen durchaus frischen Muthes.

Nun

Zur Naturgeschichte des Anarchismus wird der Ham­burger Bürger- 8tg." folgendes aus Cleveland mitgetheilt: Es ist immer behauptet worden, der Anarchismus sei in Amerika wenigstens eine wirkliche Macht und werde ver­fochten durch eine Partei. Das ist ein gewaltiger Jrrthum. Der amerikanische Anarchismus hat ebenso wenig Substanz wie ber Anarchismus in anderen Ländern. Ein paar Schreier, die,

Mutter, die mittlerweile sich an dem auf dem Ofen stehenden Teignapf zu schaffen gemacht hatte, herbeizukommen und so sah sich Tonda plötzlich von drei Personen umringt, die sich gegenseitig anblickten und von denen keine es wagte, zuerst das Wort zu nehmen.

,, Wer erzählte Euch etwas von meinen Erlebnissen und was habt Ihr erfahren?" fragte Tonda wieder, den diese Vorbereitungen in Verlegenheit setzten.

Erfahren haben wir nichts," erwiderte der Vater, ,, aber Rosarka ist gestern von Leitmerig angekommen, wo fie feit zwei Jahren sich aufhielt, um Deutsch zu lernen, und die

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Hat sich gleich nach Dir erkundigt," ergänzte die ,, Sie ist, wie Du weißt, sehr flug-" Mutter. ,, Und schön auch!" warf Pepit ein.

Und wie ich ihr Alles ausführlich erzählte, was Du thuft, wie Du aussiehst, daß Du immer so traurig bist, tein Wort sprichst, wenn man Dich nicht dreimal fragt, immer seufzest, schreibst und Briefe liest, da sagte sie mir, es müsse ein Geheimniß dahinter stecken vielleicht eine unglückliche Liebe. Das sind ihre eigenen Worte."

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Tondas's Gesicht überflog eine dunkle Röthe, und man fah es ihm deutlich an, daß ein ungeheurer Schmerz sein Inneres zerwühle. Er hörte die Worte der Mutter schweigend an und senkte den Blick zu Boden. Nach einer längeren Pause fragte er:

Also Rosarka ist hier?"

3a, und wäre gleich zu Dir herübergekommen, wenn wir sie nicht zurückgehalten hätten," erwiderte Papit. Wir fürchteten, Du tönnstest sie so unfreundlich empfangen, wie es jetzt in Deiner Gewohnheit liegt, und um ihr die Kränkung zu ersparen, ließen wir sie nicht zu Dir. O sie ist so gut und liebenswürdig, Du verdienst es gar nicht, daß sie mit folcher Treue an Dir hängt."

Tonda konnte seine Bewegung kaum mehr bemeistern. ,, Ein Fehltritt ist ja wieder gut zu machen," tröstete der Vater, der den Schmerz des Sohnes errieth, und in ber großen Stadt ist ein junger Mensch so vielen Versuchungen ausgesetzt.

" Das hat Rofarta auch gesagt," fügte die Mutter

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eine Zeit lang Zuhörer und Mitschreier fanden- das ist Alles. Niemals eine Partei, niemals eine Macht! Schreien und nichts weiter. Die Chikagoer Bombe hat den ganzen amerikanischen Anarchismus in die Luft gesprengt, in Atome zerschmettert. Es ist nichts mehr zu sehen. Und die Freiheit", welche natürlich fortschimpft, hat nur ein par feste Abonnenten, und die paar hundert Exemplare, die noch herausfommen, von der Polizei. werden meist von Neugierigen gekauft und von der Polizei. Die Redakteure find ein gewiffer Schulz, Buchdrucker, den die Aerzte schon voriges Jahr in ein Frrenhaus schicken wollten, und ein Berliner Namens Könnike, den man in Berlin schon als irrfinnig einsperren wollte. Das find die geistigen Leiter des amerikanischen Anarchismus! Das Element der Verrückten hat bei den Anarchisten stets eine große Rolle gespielt. Ein gewiffer Mazinger, ehe maliger österreichischer Offizier und ci- devant Redakteur des ci- devant anarchistischen Organs in Chikago, fist seit acht Mo­naten im Frrenhaus. Ebenso zahlreich wie das Element der Verrückten ist das der verkommenen Lumpen. Ein gewisser Gorsuck, der seiner Zeit ein Hauptheld war und aus dem Clevelander Eisenbahnarbeiterstreit im Frühlinge des vorigen Jahres anarchistisches Kapital zu ziehen suchte, hat diese Auf­gabe doch etwas zu ernst genommen, und ist, zwar nicht mit ,, anarchistischen Kapitalien", aber doch mit den für gefangene Anarchisten gesammelten Geldern kühn durchgebrannt und wird heute noch gesucht. Doch diese Liste muß schnell geschlossen das ist der werden, denn sie würde endlos werden. Genug und als eine Anarchismus in Amerika ! Wenn er anders Macht geschildert wird, so hat das seinen Grund darin, daß gewiffe Leute das rothe Gespenst brauchen. Wir find aber im Stande, alles Gesagte zu beweisen, und fordern die gewissen Leute auf, ihre Flunkereien zu widerrufen andernfalls fie fich gefallen laffen müssen, von jedem anständigen Menschen als Lügner gebrandmarkt zu werden."

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Johann Philipp Becker , der bekannte alte Sozialdemo­frat, ist am Dienstag Abend in Genf gestorben. Becker ist 1809 zu Frankenthal in der Pfalz geboren. Er betheiligte sich am Aufstande in Baden 1849, führte eine Schweizerlegion und lebte nach Niederwerfung des Aufstandes in der Schweiz . Schrieb eine Geschichte der süddeutschen Mairevolution" und verschiedene Brochüren. Er lebte vielfach in Noth und Be­brängniß. Die Sache der Freiheit verliert in Becker einen hochherzigen, selbstlosen Kämpfer. Ehre seinem Angedenken!

Herr Miquel soll an Stelle des Herrn Scholz Finanz­minister werden. Das ist das ueueste Gerücht, das die poli­tischen Kreise durchläuft. Herr Miquel hat durch seine Ver­gangenheit bewiesen, daß er mit der hohen Finanz auf gutem Fuße steht; seine Verbindungen mit der Börse machten ihn in den Gründerjahren zum reichen Manne. Er wird die Jobber also nicht der Defraudationen" zeihen, auch nicht vom Gift­baum" sprechen. Da er sonst ein gehorsames Werkzeug Bis­marcs sein wird, so befißt er offenbar alle Eigenschaften, die in Preußen ein Finanzminister braucht. Freilich, 200 Millionen neuer Einahmen schaffen müssen, ist keine angenehme Aufgabe, und so wird Herr Miquel vielleicht in legter Stunde noch ab­lehnen. Seiner Ministerschaft entgeht er ja doch nicht.

Sozialistische Erfolge. Einen Sieg haben die Sozial demokraten bei der Gemeinderathswahl zu Langenberg bei Gera erfochten, indem sie einen tüchtigen Arbeiter, Namens Hermann Graul, früher in Zeiß, in den Gemeinderath brachten. Da Graul, nur" ein schlichter Arbeiter ist und sich erst 24 Jahr in der Gemeinde befindet, hat die Wahl bei den Philistern um so größeres Aufsehen gemacht und geradezu Schrecken hervorgerufen. Der Appetit fommt bekanntlich beim Effen und so glauben die Sozialdemokraten, bei den nächst jährigen allgemeinen Wahlen mehrere der ihrigen in den Ge meinderath abordnen zu können. Striesen bei Dresden . Die am vergangenen Sonntag hier stattgefundenen Ergänzungs­wahlen brachten einen vollständigen Sieg der Liste der Arbeiterpartei. Die bisherigen sozialdemokratischen Vertreter: Drechsler Eckert und Klempner Hünig, sowie der an sässige Handelsgärtner Freudenberg wurden wieder gewählt, auch die unansässigen Stellvertreter der Arbeiterpartei wurden sämmtlich gewählt.

Ueber die Anarchisten bei Magdeburg bekommt man aus den bürgerlichen Lügenblättern wieder etwas zu hören. Es heißt da: Die Voruntersuchung der wegen geplanter an archistischer Umfriebe verhafteten Arbeiter in Budau ist noch nicht abgeschloffen. Dieselbe soll bereits, wie die Saale- 3tg." meldet, ergeben haben, daß einzelne der Verhafteten fich mit dem Plane beschäftigt haben, das Regierungsgebäude, das Rathhaus und das kaiserliche Hauptpostamt zu Magdeburg mittelst Dynamit in die Luft zu sprengen." Wir werden ja seben!

Im Deutschen Tageblatt" lesen wir: Das Berliner Tageblatt" erlaubt sich gestern bei der Mittheillung unserer Tageblatt" erlaubt sich gestern bei der Mittheillung unserer Nachricht über die Hessische Ludwigsbahn aus unserer vorgestrigen zweiten Ausgabe folgende er bärmliche Insinuation. Das Blatt schreibt, es nähme von dem genannten Artikel schon deshalb Notiz" ,,, weil es nicht ohne Interesse ist, heute einem ungünstigen Artikel über die Bahn im Deutschen Tageblatt"

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hinzu, sie meint, daß gar nichts daran gelegen sei, wenn ein junger Menech einmal unvernünftig ist, er muß nur wieder zur rechten 3eit umlenken."

Wie glücklich wären Tonda und wir, wenn er nie den Einfall bekommen hätte, in die Stadt zu gehen und zu studiren," sagte Pepit, der die Gewohnheit hatte, die dritte Person zu gebrauchen, wenn er zur zweiten sprach, und Rosarka hat schon so viele gute Partien ausgeschlagen. Neulich erst hat der Sohn des Richters Rostawbat um sie angehalten; aber sie wollte ihn mit all seinem Gelde nicht."

Tonda war wie auf die Tortur gespannt, jede Muskel in seinem Gesichte arbeitete heftig und er fonnte seine Thränen kaum mehr zurückhalten. Der Vater machte dem Gespräche und dem Leiden Tonda's damit ein Ende, daß er diesen fragte, ob er Rosarka sehen wolle. Tonda nickte be­jahend mit dem Kopfe, und somit glaubten die drei Per­fonen sich ihres Auftrags genügend entledigt zu haben. Sie verließen das Kämmerchen weit zufriedener, als sie dasselbe betraten und gingen in das gemeinschaftliche Wohnzimmer, woselbst Rosarka auf sie wartete.

Die Mutter hatte sich indeß von Tonda die Erlaubniß erwirkt, ihm die Suppe bringen zu dürfen, und wich nicht früher von ihm, als bis er den Inhalt des Tellers geleert hatte, und erst als er den Löffel nieberlegte, ließ sie wie absichtslos die Bemerkung fallen, daß Rosarka soeben her­übergekommen sei und daß sie, wenn es ihm recht wäre, zu ihm in's Kämmerchen lommen wolle.

V.

Rofarta mochte etwa vier bis fünf Jahre jünger fein als Tonda, und wenn man sie neben einander sigen sie für Geschwister halten können, sah, hätte man als aber unter Kinder ganz gleich waren, die Einflusse einer verschiedenartigen Umgebung Dennoch war sich auch verschiedenartig entwickelten. eine gewisse Aehnlichteit zwischen ihnen vorhanden, die aber weniger in der Form, als im Ausdruck des Gesichtes be­merkbar war.

dem

Man sah auf den ersten Blick sowohl in ihm wie in ihr den Charakter: das Gewordene, das in sich Vollendete, nur mit dem Unterschiede, daß sie, einer Pflanze gleich,

zu begegnen, nachdem gestern in den Aktien derselben auffällige Abgaben erfolgt waren." Die hierin enthaltene freche Ver Ieumdung ist dabei in bekannter Manier so verschleiert, daß fich daraus eine Rechtfertigung vor dem Richter faum wird urgiren laffen. Wir fordern daher das Berliner Tageblatt" auf, wenn es nicht das Odium der" jämmerlichsten Feigbeit in optima forma und offiziell für sich in Anspruch nimmt, seine Beschuldigung in präziser Form zu wiederholen. -Wenn das Berl. Tgbl." auf diesen groben Klop wieder einen entsprechenden Keil seßt, so soll es uns nicht wundern, die Herren vom Börsenhintertheil demnächst mit geschwollenen Backen herumlaufen zu sehen.

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Von den bayerischen Staatsbahnen. Ein Nothschrei geht der Fränt. Tagespost " aus den Kreisen der niederen Eisenbahnbediensteten, resp. der Bahnhofarbeiter zu. In Nürn berg und Fürth find etliche 20 Hallarbeiter und Kollirwärter beschäftigt, die sich seit 15 bis 18 Jahren im Dienst befinden. Schon im Jahre 1877 und auch später haben dieselben um defretmäßige Anstellung als Wechselwärter nachgesucht. Sie wurden jedoch mit diesem Ansuchen abgewiesen, weil sie noch zujung zu diesem Avancement seien. In neuerer Zeit wurde diese berechtigte Bitte wiederholt; jezt wurde dieselbe aber zurückgewiesen, weil die Leute au alt" seien! Dieselben haben nämlich das 36. Lebensjahr sämmtlich überschritten. Es sei bemerkt, daß der größte Theil der betreffenden Leute den siebziger Feldzug mitgemacht hat. Merkwürdig ist nun, daß die jüngeren Leute, welche 5 bis 6 Jahre weniger im Dienst find( hauptsächlich sogenannte Militäranwärter), definitiv ange stellt werden. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Erst lehnt man die Anstellungsgesuche wegen zu großer Jugendlichkeit" der Bewerber ab, und nachdem diese lang genug geharrt, find fie für feste Anstellung zu alt geworden! Sollte dieser Zustand der obersten Leitung der Verkehrsanstalten unbekannt sein? Und wenn er ihr bekannt, gedenkt sie nichts zu thun, diesem schreienden Unrecht gegenüber Abhilfe zu treffen?

Die Verhandlungen über den deutsch - schweizerischen Handelsvertrag, welche von den deutschen Kommissaren nun mehr allein wieder aufgenommen find, sollen in etwa vierzehn Tagen beendet sein. Im Januar werden die schweizer Dele girten wieder in Berlin eintreffen, mit denen vereint die deut schen Kommissare die Berathungen aufs Neue beginnen sollen. Ob diese dann, wie die Kreuzzeitung " hofft, zu einem end­giltigen und befriedigenden Abschluß gelangen werden, ist ans gesichts der Stimmung der schweizerischen Industriellen gegen über der deutschen Schutzo Il politit sehr zweifelhaft.

Landesversicherungsämter. Auf Anfrage des Abg. Schrader konstatirte Staatsminister v. Boetticher in der Sigung der Budgetkommission, die Errichtung von Landesversicherungs ämtern auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes sei bis jetzt nur von Bayern und Sachsen vorbereitet. Gleichwohl sei es richtig, daß auch in Mecklenburg Erwägungen be züglich der Errichtung eines Landesversicherungsamts statte fanden.

Eine statistische Zusammenstellung der Bevölkerungs zunahme einer Anzahl sächsischer Städte in den letzten 50 Jahren ergiebt ganz interessante Ergebnisse. Wohl kaum irgend ein Land von der Größe Sachfens( 272 Quadratmeilen) dürfte so viele Städte mit einer so starken Bevölkerung haben Man zählt in Sachsen dermalen 3 Städte von mehr als 100 000, 6 von mehr als 20 000, 12 von mehr als 10 000 Ein wohnern. Vor etwa 50 Jahren, 1834, gab es in Sachsen erft 4 Städte( statt der jezigen 21) mit über 1000 Einwohnern. Die Bevölkerungszunahme in den einzelnen Städten ist natür lich eine sehr verschiedene gewesen. Sie beträgt in Zwidau von 1834-1885 455,8 pCt., in Meerane 427,6 pět., in Crimmetschau 424,4 pCt., in Chemnig 414,2 pCt., in Plauen 374,5 pCt., in Limbach( früher Dorf) 366,4 pCt., in Leipzig 280,2 pCt., in Dresden 171,1 pCt. u. s. w. Frappant ist der Kontrast, wenn man die Anfangs- und Endzahlen dieser 50 Jahre bei manchen Städten vergleicht. So hatte Dresden 1834 erft 66 133, 1885 246 086, Leipzig 44 802 und 170 340, Chemnit 21 137 und 110 817, Plauen 9029 und 42848, Zwickau 6701 und 39 243, Meerane 4172 und 22 013, Limbach 2250 und 10 494 Einwohner u. f. f. Die Bevölkerungszunahme feit 1834 giebt ein ziemlich genaues Bild von dem außer ordentlich günstigen Einfluß, welchen der bekanntlich am 1. Januar 1834 ins Leben getretene preußisch- deutsche Zoll verein auf die wirthschaftlichen Zustände Sachsens geübt hat. Die Zunahme innerhalb einzelner Perioden dieses ganzen 50jährigen Zeitraumes bietet nicht ganz gleiche Ergebnisse und zwar wieder verschiedene bei den verschiedenen Städten. Im allgemeinen zeigen die Perioden 1834-1846 und 1867-1875 die meisten Fortschritte, während in der von 1875-1885 fich bei 14 von 21 Städten( über 10 000 Einwohner) ein relativer Rückgang( gegen die prozentaale Zunahme vorher), bei 2 ein Stillstand und bei 5 ein Fortgang zeigt.

Oesterreich- Ungarn.

Der Pariser Intranfigeant" will wiffen, in Wien sei jüngst ein Photographengehilfe gestorben, der fein Anderer ge wesen sei, als jener Nihilist Wasiliewitsch Bach mutow, der sich unter der Maske eines bäuerischen Schreiner

unter der gleichmäßigen Milde der heimathlichen Sonne zur Kraft und Fülle herangereift, während er mehr einem Ge wächse ähnlich war, das, bald in die erstarrende Kälte des Nords, bald in die versengende Gluth des Süds versetzt, in der Fülle seiner Kraft sich zwar erhielt, aber nicht natu gemäß entfaltete, sondern abhärtete nnd verknöcherte; das, aber doch unge zwar nicht verkrüppelt, stark unbiegsam nießbar geworden war.

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Wir müssen hier, um die Handlungsweise Rosarkas, welche unsern sittsamen deutschen Leserinnen gewiß als un weiblich oder gar unerklärlich erscheinen muß, zu rechtfer tigen, Einiges über den Charakter der Czechen überhaupt und über den Rosarka's insbesondere vorausschicken. ( Fortsetzung folgt.)

Aus Kunst und Leben.

Eine streifende Sängerin. In Kingston in den Ver einigten Staaten sollte von der daselbst gastirenden Opern Gesellschaft Lucrezia Borgia " gegeben werden, als in dem Augenblick, in welchem der Vorhang vor dem überfüllten Hause aufgezogen werden sollte, Madame Abott, die Sängerin der Titelrolle, kategorisch erklärte, fie werde nicht den Mund öffnen, wenn ihr nicht von der Direktion vorher ihre restirende Gage ausgezahlt würde. Keine Bitten, feine Vorstellungen halfen, die energische Sängerin blieb unerschütterlich bei ihrer Erklärung bis der verzweifelnde Direktor in der Angst seines Herzens auf die Bühne vor das Publikum trat und diesem ungeschminkt den Fall vortrug. Sofoit wurde im Zuschauerraum eine Kollette veranstaltet, die so reichlich ausfiel, daß die renitente Sängerin noch einmal so viel eingehändigt erhielt, als der arme Direttor ihr schuldig war. Nun erst ging der Vorhang zum Beginnen der Oper hoch, und Madame Albott sang schöner als je.

In russischen literarischen Kreisen wird, wie man der Voff. 3tg. aus Petersburg mittheilt, ein Vorgang erzählt, der als Kuriosum gemeldet zu werden verdient. Im Janua 1887 gehen die Dichtungen Puschkin's die nach russischem Gesch über literarisches Eigenthum 50 Jahre lang der Familie bes Dichters gehören, in den Besitz des russischen Volkes über. Aus hilf

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