1-

in

g

ig

50

Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 290.

Parlamentsberichte.  

Deutscher   Reichstag.

9. Sizung vom 10. Dezember, 1 Uhr. Am Tische des Bundesraths von Boetticher, Bronsart von   Schellendorff und Kommissarien.

Die Aufnahme der Albuminpapier Fabriken in das Ver= zeichniß der fonzessionsbedürftigen Anlagen wird in erster und zweiter, der Gesezentwurf, betr. Die Kontrole des Reichs- und Landeshaushalts von Elsaß   Lothringen für 1886 87 in britter Berathung genehmigt und darauf die Spezial berathung des Reichshaushaltsetat für 1887 88 ( Verwaltung des Reichsheeres) fortgesetzt.

=

Abg. Rickert: Im Sommer d. J. hat eine Angelegenheit, welche die Offiziere unserer Armee angeht, in weiten Kreisen großes Aufsehen und ein peinliches Gefühl hervorgerufen. Bis jest hat der Kriegsminister und überhaupt die Kriegsverwaltung, Soweit öffentlich bekannt geworden, dazu gar keine Stellung ge nommen. Da er auch bei der ersten Lesung des Etats fich darüber nicht geäußert hat und ich nicht weiß, ob er über die Sache unterrichtet ist oder nicht, so mache ich ihm Mittheilung von einem Zirkular, das schon in früheren Jahren zur Veröffent­lichung gelangt, zuletzt im Juli d. J. an die Offiziere der Armee versandt worden ist, und zwar im Auftrage des Vereins zur Verbreitung konservativer Zeitschriften, unterzeichnet von Herrn v. Köller- Cammin, wie ich annehme, dem Mitglied des Reichs­tags.( Zustimmung des Abg. v Köller.) Herr v. Köller hat keine Veranlassung, sehr viel Rühmens von dem Zirkular zu machen, das die Offiziere der Armee zu gefeßwidrigen Hand­lungen auffordert, und ich bedauere, daß ein Mitglied des Hauses keinen Anstand nimmt, gegnerische Parteien mit solchem Fanatismus zu bekämpfen. Das Birkular meist zunächst auf den Charakter der   sozialistischen und fortschrittlichen Zeitungen hin, welche das Gift der Auflehnung gegen jede göttliche und menschliche Ordnung in die Herzen der Leser streuen, und auf die Gefahren, welche auch für die Armee entstehen könnten, wenn einmal die oppositionellen Parteien die Mehrheit im Reichstag erlangten. Zur Bekämpfung dieser Bestrebungen habe sich der Verein zur Verbreitung konservativer Zeitschriften gebildet. Von den höchsten Führern des Heeres sei derselbe auf das Freudigste begrüßt worden, wiewohl eine Betheiligung von Offizieren an der Leitung des Vereins durch das Reichs­militärgesetz verboten sei. Die Offiziere sollten nur konservative Blätter lesen und ihnen allein ihre Inserate zuwenden. Was in dem Zirkular von den Offizieren verlangt wird, ist nichts anderes, als was das Wesen des Vereins ausmacht, sollen ste ja auch ausdrücklich zu Beiträgen herangezogen werden. Ebenso wie in der Preſſe fein Mangel an Ueberein­ftimmung des Urheils über dieses Zirkular war, wird wohl schwerlich hier im Hause die Meinung getheilt sein, wenn es sich darum handelt, ob unsere Offiziere zur Umgehung des Reichsmilitärgefeßes veranlaßt werden follen. Es wäre für uns allerdings von hohem Intereffe, zu erfahren, ob der Kriegsminister der Ansicht ist, daß die Würde unferes hochgeehrten Difizierstandes durch derartige Anreizungen würde aufrecht erhalten werden können. Namentlich in diesem Augenblick, wo mnn dem Lande große Opfer für das Heer zu­umuthen Veranlassung genommen hat, wird fortwährend bes font, daß für alle Parteien das Gebiet der Armee, die unser Baterland, Alle, ohne Unterschied der Parteien, schüßt, das jenige sei, auf dem alle Parteien zusammenstehen. Diese Armee nicht in die politischen Kämpfe hineinzuziehen, ist bisher politischer Grundsatz aller Parteien geweſen, welcher auch in dem zitirten flaren Paragraphen des Reichs- Militärgesezes Ausdruck gefunden hat. Der Abg. v. Köller scheint fich gar nicht vorstellen zu können, daß ein Offizier eine andere Mei­nung haben kann als er, daß es unter den Offizieren auch liberal denkende Männer giebt. Es ist traurig, daß wir Grund haben, und darüber zu beschweren, daß nicht immer diejenige Unparteilichkeit in der Armee gewahrt wird, die wir zu fordern berechtigt find. Ich erinnere, welche peinlichen Eindrücke es machte, des beim Leichenbegängniß Stadtver beren Vers ordneten Vorstehers der Reichshauptstadt, waltung, wie auch wie auch der Militärbehörde bekannt sein auch an höchfter Stelle die größte Anerkennung gefunden, die Militärmusit, welche zugesagt hatte, im legten Augenblid absagen mußte, weil sie die Erlaubniß von der Militärbehörde nicht erhielt, während dieselbe bei Festlichkeiten tonservativer Vereine ohne weiteres ertheilt wurde. Je mehr bie Kriegsverwaltung, und insbesondere glaube ich dies von dem Kriegsminister, das redliche Bestreben hat, die Armee hoch über allen Parteien zu halten, desto sorgsamer müßte darüber gewacht werden, daß von den Militärbehörden einzelnen gegen­aber feine Parteilichkeit geübt wird. Ich habe das Vertrauen, daß der Kriegsminister das Zirkular mißbilligen wird, und boffe, daß Sie alle mit mir übereinstimmen, Protest einzulegen gegen diesen Versuch, die Offiziere der Armee zu Agitatoren der tonservativen Partei herabzuwürdigen.( Lebhafter Beifall

wird

lints.)

als

Abg. v. Köller: Der Appell des Abg. Rickert, nicht zus ulaffen, daß die Difiziere zu Agitatoren der konservativen Partei berabgewürdigt werden, ist vielleicht durch seine Erregtheit erklär­lich, aber eine ganz unmotivirte und überflüffige Bemerkung. Der deutsche Offizierſtand läßt sich weder durch irgendeine Partei noch durch sonst etwas herabwürdigen. Diese Infinuation weise ich Namens des   deutschen Offiziertorps zurüd. Ich habe ja er. wartet, daß diese Angelegenheit, über die in der oppofitionellen Breffe ein furchtbares Geschrei erhoben worden ist, auch hier ur Erörterung tommen, und daß es gerade von Seiten des bg. Rickert geschehen wird, der allerdings der geeignetste Red­ner ist, um derartige Dinge mit schönen Redensarten aufzu bauschen.( Buruf rechts: Richter!) Nein, Herr Rickert versteht es beffer als Herr Richter. Die konservative Partei hat mit der ganzen Sache nichts zu thun. Das Zirkular ist unter mei­nem Namen und nicht unter dem der konservativen Partei in bas Land gegangen; es ist also als meine persönliche Ange legenheit zu betrachten. Den Angriff auf mich als Landrath bat der Abg. Ridert beute hier nicht wiederholt, sonst würde ich antworten: ich bin für meine Handlungen als Landrath meinem allergnädigsten Herrn Nechenschaft schuldig und keinem Barlament. Ich bitte, mir als Landrath hier keine Vorwürfe u machen.( Ruf lints: Jst nicht geschehen!) Dieses sei der Breffe gefagt, die doch in diesen Fragen mindestens Don Ihnen beeinflußt ist. Vor mehreren Jahren ist ein Verein zur Verbreitung konservativer Beitschriften gegründet worden, dessen Zweck die Verbreitung von Beit­chriften, Beitungen und Flugblättern ist, welche auf dem Boden Der faiserlichen Botschaft stehen. Der Verein bezieht sich nicht etwa lediglich auf die deutschkonservative   Partei, sondern auf die Parteien, welche sich auf den Boden der kaiserlichen Botschaft gestellt haben, und hat zur Aufgabe, denjenigen Breßerzeug­niffen entgegenzutreten, welche dieselbe bekämpfen. Derselbe ist also ein Desenfiofloß gegen die sozialdemokratische und die ihr fo nabe verwandte deutschfreifinnige Partei.( Gelächter links.)

Sonnabend, den 11. Dezember 1886.

Der Abg. Rickert meinte, der Verfasser des Zirkulars versuche die Offiziere zu Gesezwidrigkeiten zu verleiten. Trauen Sie doch unseren Offizieren nicht ein so leichtes Pflichtbewußtsein zu. Der Abg. Rickert ist ein sehr gewandter Redner, aber jeder Versuch von ihm, die Offiziere zu Ungefeßlichkeiten zu veranlassen, würde an ihnen wie an einer Mauer abprallen. In jenem Zirkular ist nicht eine Silbe vorhanden, durch welche die Offiziere aufgefordert werden, einem politischen Vereine bei­zutreten. Zwei Offiziere, welche glaubten, in einem Inaktivitäts­verhältniß zu stehen, waren zwar dem Verein beigetreten, sind aber unmittelbar nachdem ihnen bekannt geworden, daß sie der aktiven preußischen Armee angehören, ausgeschieden. Andere Offiziere find weder zum Beitritt aufgefordert, noch beigetreten. Dagegen find fie aufgefordert worden, dem Verein ihre Sympathien zuzuwenden und ihn mit ihren Mitteln hin und wieder zu unterstüßen. Dadurch wird man doch nicht Mitglied; das wird man nur durch die Erklärung, daß man dem Verein beitrete. Die ganze Angelegenheit ist also in ungerechtfertigter Weise von dem Abg. Rickert aufgebauscht worden. Beiträge sind mir aller­dings hin und wieder geschickt worden, und ich will die Ges legenheit nicht vorübergehen laffen, diejenigen Herren aus der Armee, die sich fortgesetzt unserer Sache wohlwollend gezeigt haben, zu bitten, in diesem Jahre unseren Verein wieder zu unterstüßen.( Beifall rechts.)

Kriegsminister Bronsart v. Schellendorff: Ich habe von der ganzen Angelegenheit nur aus den Zeitungen Kenntniß genommen. Mir ist ein solches Birkular nicht zugegangen, noch viel weniger, wie in der Presse behauptet worden ist, v. Köller oder irgend nach Vereinbarung mit Herrn

einem anderen Mitgliede des Vereins in die Welt ges schickt worden. Für mich hatte nur der eine Punkt Intereffe, daß aktive Offiziere, welche wirklich Grund hatten, über ihre Qualität als aktive Offiziere in 3weifel zu sein, Mit­Nach dieser Richtung glieder des Vereins geworden waren.

ist Remedur eingetreten, weil es sich, allerdings meiner Meinung nach, mit dem§ 49 des Reichs- Militärgefeßes nicht vertragen haben würde. Im Uebrigen, wenn die Offiziere der Armee Briefe bekommen, so kann ich wohl nicht gut dafür verantwort lich gemacht werden, und wenn mir ein Vorwurf gemacht worden ist, daß ich nicht in der Presse oder in irgend einer Weise Gelegenheit ergriffen hätte, zu veröffentlichen, was meiner­seits nach dieser Richtung hin veranlaßt worden ist, so erkläre ich Ihnen ganz offen, daß das Bedürfniß, seine Handlungen veröffentlicht zu sehen, ja ein sehr verschiedenartiges sein mag; bei mir besteht es nur im allerminimalſten Grade; nur wo es absolut nicht vermieden werden kann, thue ich es, sonst nicht. Wenn nun der Abg. Rickert gemeint hat, die Würde des Offizierstandes werde dadurch verlegt, daß die Herren vorzugs. weise konservative Zeitungen in den Kafinos halten oder auf der Wache oder in einer Konditorei fordern,( Abg. Rickert: Das habe ich nicht gesagt!) so bin ich dieser Meinung nicht. Im Uebrigen habe ich nicht gesagt!) so bin ich dieser Meinung nicht. Im Uebrigen bin ich sehr bestimmt der Meinung, daß der Offizierstand seine Würde ohne Erinnerung meinerseits und auch ohne Er­innerung des Abg. Rickert zu erhalten wissen wird.( Beifall rechts.)

Abg. Kayser: Meine Partei kann den Tadel Rickerts gegen v. Röller nicht theilen, weil, was dem Offfzier recht, den Soldaten billig ist( hört! hört! links.) Gewundert hat mich nur, daß, während man den Offizieren auf Grund des Art. 49 des Reichsmilitärgeseges die Teilnahme an politischen Dingen verbietet, man ihnen andererseits erlaubt, was Zivilisten ver boten ist, vor allem die Duelle. Weiter hat mich gewundert, daß die Kriegsverwaltung den Soldaten sogar den Besuch be stimmter Wirthschaften und Bigarrenläden verbietet, als ob diese staatsgefährlich seien. Die Armee ist nicht Eigenthum einer beſtimmten Verwaltung. Ich frage nun den Kriegsminister, was er dazu sagen würde, wenn wir( die Sozialdemokraten) einen Beitrag von den Soldaten und Unteroffizieren verlangen würden? Würde er sich da auch nicht darum fümmern? Ich bin überzeugt, das Heer, vom Feldwebel bis zum Kriegss minister, würde in Aufregung gerathen, und man würde über die Stadt, wo solche Beiträge von den Soldaten vers Wir langt werden, den Belagerungszustand verhängen. glauben, daß es keine Schande für einen Dfffarer ist, politisch zu agitiren, verlangen dann aber, daß in Bezug auf die Sol­baten mit demselben Maße gemessen werde. Ich habe dann noch an den Kriegsminister eine Anfrage zu richten. Es ist notorisch, daß bei Streits vielfach Soldaten zu Gunsten der  kapitalistischen Unternehmer verwendet worden sind, so in   Wesel und in   Berlin in der Sittenfeld'schen Druckerei. Auch meine Partei hat an der Wehrhaftigkeit des Vaterlandes ein Inter­esse, kann es aber nicht gutheißen, daß die Armee zu arbeiter­feindlichen Zwecken benutzt wird. In   München sind ebenfalls Soldaten zu gewerblichen Zwecken verwendet worden. Auf eine Beschwerde hin hat dann der   bayerische Kriegsminister die Zurückziehung der Soldaten angeordnet und fich dadurch den Dank der dortigen Arbeiter erworben. Würde der Kriegs­minister ebenfalls eine bestimmte Verordnung nach der Rich tung erlassen, so würde sie auch von den übrigen obersten Kriegsverwaltungen Nachahmung finden. Die Armee ist nur dazu da, dem Lande zur Wehr zu dienen und darf nicht zu einseitigen Parteiagitationen benußt werden, um die Arbeiter zu Gunsten der Rapitalisten zu schädigen.

Abg. Dirichlet: Was den materiellen Inhalt der Aus führungen des Herrn v. Köller betrifft, so haben Sie wohl alle den Eindruck, daß es ihm in feiner Weise gelungen ist, irgend wie den Eindruck abzuschwächen, den sein Vorgehen gemacht hat( Oho! rechts), daß es fich hier nämlich um eine offene Aufforderung zu ungefeßlichen Handlungen an die Dffiziere der Armee handelt. Und was Ton und Form seiner Aeuße rungen betrifft in Bezug auf die Anständigkeit von Leuten, welche anderer Meinung in politischen Dingen find, so ent spricht dieser Ton so wenig den Gewohnheiten des bürgerlichen Kreises, dem ich anzugehören die Ehre habe, daß ich es mir schuldig zu sein glaube, auf diesen Ton nicht weiter einzugehen. ( Sehr gut! links.) Mehr intereffirt mich die Antwort des Kriegsministers. Wenn er gesagt, die Ansprüche, welche er an das Maß der Publizität seiner Handlungen mache, seien sehr geringe, so ist das für seine Person ein durchaus berechtigter Standpunkt. Aber für ihn als Reffortchef und verantwortlichen Minister liegt die Sache doch etwas anders. Wäre wirklich das Bedürfniß nach Publizität seitens der Chefs unserer Ver waltungen ein so geringes, dann hätten sie es nicht nöthig, einen fog. Welfenfonds in Preußen zu benußen, und wenn hier diese Angelegenheit ein derartiges Aufsehen gemacht, ob durch fünft liche Aufbauschung oder nicht, ist gleichgiltig, dann hat, glaube ich, ein Reffortchef wohl eigentlich die Verpflichtung, seine eigenen Neigungen in Bezug auf das Maß der Publizität etwas zurücktreten zu laffen und den Rücksichten, welche er als Mi nister der Deffentlichkeit schuldig ist, etwas mehr Spielraum zu geben. Man macht die Erfahrung, daß in den ersten Jahren absolut nichts zu wünschen übrig läßt, daß sich dann aber eine gewisse Minitarbeit geltend macht, welche allmälig zu einer

3. Jahrg.

Entfremdung zwischen dem Militärstande und sehr weiten bürgerlichen Kreisen führt. Im Anfange dieses Jahrhunderts war es leider so weit gekommen, daß man in weiten bürger­lichen Kreisen die Niederlagen unserer Armee als eine heilsame Demüthigung für ihre erllufive Haltung ansah, und zehn Jahre nach den Freiheitskriegen wurde eine Kabinetsordre Seiner Majestät des Königs nöthig, um den Herren Offie zieren flar zu machen, daß sie nicht den Bürgerstand zu brusquiren hätten. In den fünfziger Jahren trat in meiner Heimath eine geradezu unleidliche Spannung ein, und jeder Ost­  preuße hat es noch in sehr dankbarer Erinnerung, daß Se. Majestät der jeßige   Kaiser damals in seiner Eigenschaft als Generaloberst der Infanterie einen Besuch in   Königsberg dazu. benutte, um dem heillosen Unwesen, welches in der ganzen Division dadurch eingerissen war, daß der Kommandeur der­selben sich vielmehr als Politifer wie als Militär fühlte, ein Ende zu machen. Leider hat sich auch jest wieder eine Wand­lung vollzogen, welche feineswegs unseren gemeinsamen Interessen entspricht. Es ist sehr ungeeignet, gerade jezt poli­tische Verhältnisse in die Armee zu tragen, wo man eine so starke Vermehrung derselben anstrebt, und die Stellung als Offizier denjenigen zu verschließen, welche das Unglück gehabt haben, in der Wahl ihrer Eltern nicht vorsichtig genug zu sein. In dieser Beziehung möchte ich dem Herrn Minister zwei Fälle mittheilen, ohne ihn persönlich dafür verantwortlich zu machen, weil er sie vielleicht nicht gekannt hat. Der erste Fall betrifft einen jungen Mann im Regierungsbezirk   Gumbinnen, defen Vater, ein hochgeachteter Domänen pächter, liberale Anschauungen hatte. Der junge Mann wurde vor Ablauf seiner Dienstleistung von dem betreffenden Regimentskommandeur nach seiner politischen Gesinnung gefragt und wie er sich bei den nächsten Wahlen verhalten würde.( hört! hört! links.) Mit einem Tatte, wie es von so jungen Leuten nicht immer zu verlangen ist, antwortete er: Ich bin zu jung, um mir darüber eine fest­stehende Meinung gebildet zu haben; sollte ich aber einmal mir eine eigene Meinung bilden, so glaube ich, daß mir die Autorität meines Vaters höher stehen wird, als irgend eine andere. Darauf erhielt er die Antwort: Dann kann ich Sie nicht brauchen. Erst nach langer Zeit erhielt der junge Mann seine Qualifikation zum Offizier, und obwohl bereits eine Reihe von Jahren vergangen ist, ist es absolut nicht möglich gewesen, den Bezirke kommandeur des Landwehrbattaillons zu   Goldap dazu zu bewegen, den Betreffenden zur Wahl zu stellen. Der zweite Fall betrifft einen älteren Landwehroffizier. Dieser Herr gehörte von jeher der Fortschrittspartei an. Nebenbei bemerkt, gehörten dieser Partei die große Mehrzahl der ostpreußischen Landwehroffiziere an.( Widersprich rechts.) Dieser Herr gehörte auch in seinen Zivilverhältnissen dem liberalen Wahlkomitee an. In dieser Eigenschaft wurde er von dem Regierungspräsidenten von   Gumbinnen in einer Weise angegriffen, welche der Kritik im preußischen Ab­geordnetenhause unterlag, und es ist eine gewiffe Remedur eingetreten. Er hat nun eine Schrift bezüglich seiner Recht­fertigung und Verhaltens gegenüber dem Regierungspräsidenten mitunterzeichnet. Wenige Tage nachdem erschien diese Publi tation erschien, erhielt er die Aufforderung, seinen Abschied ein­zureichen. Damals herrschte schon die Spannung mit   Rußland und er antwortete daher: Er fühle fich förperlich gesund und geistig frisch und hielte es daher für eine Pflichtvergessenheit, Er unter diesen Verhältnissen seinen Abschied zu nehmen. wurde nochmals aufgefordert und erhielt furze Zeit darauf den schlichten Abschied. Ich will den Kriegsminister nicht dafür verantwortlich machen, weiß auch nicht, wie weit er die Fähig feit hat, Remedur eintreten zu lassen. Ich darf aber nicht ver­hehlen, daß ein derartiges Vorgehen, die Söhne von Mitgliedren einer größeren politischen Partei im Lande direkt vom Offizier stande auszuschließen, nicht dem Wesen derjenigen Insti­tutionen entspricht, deren wir uns seit einem Jahrhundert zu erfrepen haben.

Abg. Rickert: Nachdem der Abg. von Köller nur für seine Person gesprochen, schwindet für mich vollständig das Interesse, mich weiter mit ihm zu beschäftigen. Ich habe nur ein Bedürfniß, dem Kriegsminister zu antworten. So lebhaft ich seine Erklärungen bedauere, so freue ich mich, daß er offen mit der Sprache herausgekommen ist. Diese kleine Verhandlung wirft ein helles Schlaglicht auf die ganze Situation. Wir haben die Absicht gehabt, die Armee vor politischen Agitationen zu bewahren. Der Kriegsminister hat feine Veranlassung, hier diesen Standpunkt zu wahren. Im Gegentheil, er spricht darüber, ob dieses Birkular einen Versuch bildet, die Offiziere zu gefeßmidrigen Handlungen zu bewegen, gar nicht; er scheint also implicite der Meinung zu sein, daß Dieses Köller'sche Birkular die Offiziere zu vollständig zulässigen Handlungen auffordert. Nun, dann haben wir ja über die ganze Sache nicht weiter zu diskutiren. Herr Kayser hat ganz Recht: was den Ronservativen recht, ist den Sozialdemokraten und anderen Parteien billig. Jezt kann die Armee zum Schaus plat aller politischen Agitationen gemacht werden. Wir be streben uns, file davor zu bewahren, der Kriegsminister ist anderer Meinung, mag er auch verantwortlich für die Folgen sein.

Kriegsminister Bronsart v. Schellendorff: Meine Herren, ich protestire auf das allerentschiedendste dagegen, daß in meinen Worten irgendwie die Zulässigkeit eines Zustandes gefunden werden könnte, welchen der Herr Abgeordnete hier eben damit charakterifirt hat, daß er gesagt hat, die Armee solle zum Schauplatz aller politischen Agitationen gemacht werden. Nein, meine Herren, die Armee soll nie ein Schauplatz politi­scher Agitationen werden. Im übrigen habe ich in meiner früheren Erklärung weiter nichts gesagt, als daß an der Stelle, wo ein offenbarer Verstoß, wörtlich genommen also, ein offen barer Verstoß gegen das Gesetz vorlag, daß Remebur eingetreten ist. Ich halte meine Erklärungen vollständig aufrecht, daß es weder entwürdigend für den Offizier, noch unpassend ist oder auch nur irgend cine Bulaffung der Vermuthung, als ob die Armee ein Tummelplas politischer Leidenschaften werden sollte, wenn ein einzelner Offizier fagt, wenn er in eine Konditorei tommt: Bitte, geben Sie mir die und die Zeitung. Das ist das, was von Herrn v. Köller oder von dieser Partei den Herren empfohlen worden ist. Also selbst wenn sie es thun, ebenso wenn fie in den Offizierkafinos oder auf der Wache eine folche Beitung halten. Meine Herren, die politische Neutralität, die fich äußerlich bei allen Gelegenheiten dokumentiren soll, wird dadurch meiner Meinung nach gar nicht verlegt, wenn vielleicht der Dffizier mit Vorliebe konservative Zeitungen lieft. Meine Herren, ich spreche es hier nebenbei ganz offen aus: Machen Sie doch nicht immer den Unterschied der Armee gegen­über zwischen konservativ und liberal, sagen Sie lieber regie rungsfreundlich oder oppofitionell, und sagen Sie: scharf oppofitionell. Wenn Sie die Zeitungen der deutschfreifinnigen Partei lesen, so werden Sie finden, daß die Zustände, wie fie in der Armee seit langer Zeit eristirt haben, und wie sie, so  Gott will, noch lange existiren werden, zuweilen in einer höchst unangemessenen Weise angegriffen werden, und daß dies