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größeren Anzahl von dergl. Inschriften selbst finden. Am meisten wird gesündigt in der Anwendung oder noch mehr in der Weglaffung des Trennungs- oder Bindezeichens(). Da nennt fich ein ehrsamer Bürstenbinder auf seinem Schilde: Pinsel und Bürstenfabrikant". Das ist doch allzu offenberzig und bescheiden!- Ein anderer empfiehlt Eisen- Stahl und Messingwaaren". Hier fehlt nicht nur das genannte Zeichen an einer Stelle, sondern auch an einer anderen ein Komma. Mein Nachbar hat an seinem Hause stehen: Rauch, Kau und Schnupftabacke; in und ausländische Litöre; Dampf und Land­brot; Tafel, Koch und Backbutter". Eine andere Inschrift lautet: Dampf, Tuch- Stoff- Prefferei- Decatur und Waschanstalt". Bählt man auch die geringsten Unrichtigkeiten mit, so wird sich eine verhältnißmäßig sehr hohe Bahl von falschen Inschriften er­geben. Denn nicht nur die Sazzeichen, auch die Wörter und namentlich natürlich die Fremdwörter enthalten viele Fehler. Ich las Gummisaucher, Ouverts( Qu heißt ja doch Ku!); wieviel tausendmal liest man Fabrick, Producten, Artickel", und zwar zuweilen über den Schaufenstern der größten Ge­schäfte! Vielen macht der Buchstabe z viel zu schaffen: statt Export las ich ,, Eyport" und" Egport". Auch v und y werden verwechselt; ein Barbier macht bekannt, daß er ,, Layements" besorgt. Was wird Alles aus détail, souterrain parterre"! Jch las ,, detail, detail, soutorrain, soutrain, parter, partere". Das Beste wäre natürlich, diese Fremdwörfer ganz zu vermeiden. Betrachten wir nun den Schaden, welcher der Allgemeinheit durch diese Fehler zuge fügt wird. Ein großer Theil der weniger Gebildeten und ins­besondere diejenigen Kinder, welche eben erst Lesen und Schreiben gelernt haben, also auch noch zu den weniger Gebildeten ge= hören, halten Alles, was sie gedruckt oder sonst verewigt ge­sehen haben, für richtig. Ich hab's gedruckt gelesen!" heißt's da. Wenn nun lettere z. B. auf ihrem täglichen Schulwege Jahre lang eine solche Inschrift lesen, so prägen sie sich die selbe sammt ihren Fehlern ein, und die Lehrer haben nachher die größte Mühe, die gesammelten falschen Eindrücke zu be­feitigen, falls das überhaupt gelingt. Das beste Mittel zur Verhütung dieses Uebelstandes würde offenbar sein, daß in jeder Stadt ein in dieser Hinsicht zuverlässiger Beamter die Thätig­feit der sog. Firmenschreiber" zu überwachen hätte, und daß feine öffentliche Inschrift angemalt werden dürfte, deren Wort­laut nicht vorher von jenem Beamten auf Fehler untersucht worden wäre. Müffen doch auch Maße und Gewichte von einem Beamten geprüft und gestempelt werden, ehe sie in den öffentlichen Gebrauch kommen. In Berlin   find bekanntlich die ,, flein gehauenen Holzhandlungen" berühmt ge­

worden.

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Ein Wort für die Feuerbestattung. Bereits seit mehreren Menschenaltern giebt sich, anfänglich auf einzelne Ge­biete beschränkt, dermalen in allen auf der Höhe moderner Kultur stehenden Staaten und von Tag zu Tag lebhafter das Bestreben fund, das Bestattungswesen zeitgemäß umzugestalten. Obwohl von Anbeginn der Bewegung an bereits Stimmen für Wiedereinführung der Feuerbestattung laut wurden, begnügte man fich anfänglich mit der Verlegung der Beerdigungsstätten aus dem Innern und der nächsten Umgebung der Kirchen vor die Stadtthore. An hartnäckigem Widerstreben von Seiten der bei Aufrechthaltung jener Unfitte Interesfirten fehlte es schon damals nicht. Zur Zeit ist man, wiederum einen Schritt vorangehend, fast allgemein zur Ueberzeugung gelangt, daß sehr viele der, sei es auch erst vor wenigen Jahrzehnten angelegten, Friedhöfe, namentlich in der Nähe rasch an Ausdehnung ge­winnender Städte, fich in keiner Weise im Einklang befinden mit den berechtigten Forderungen der öffentlichen Gesundheitss pflege. Hat doch die Wissenschaft nachgewiesen, daß sich bei der Verwesung der Leichen höchst giftige Stoffe, die sogenannte Ptomaine, bilden, daß die Keime ansteckender Krankheiten sich theilweise in feuchter Erde erhalten, weiter entwickeln und unter Umständen wieder auf Lebende übertragen werden. Außer den Forderungen der öffentlichen Gesundheitspflege find es in erster Linie Verlegungen der Moral, des Schön­heitsgefühles und der Pietät gegenüber den Hingeschiedenen, welche Viele dem dermaliaen Bestattungsverfahren abgeneigt machen. Während der Wohlhabende in prunthafter Weise der Erde übergeben wird und seine Gruft unverfehrbares Familieneigenthum bleibt, werden die Ueberreste der nicht mit Glücksgütern Gesegneten in furzer Zeit wieder ausgegraben und fortgeworfen, um neuen ins Grab finkenden Geschlechtern Vermögensloser Platz zu machen, bis auch deren Ueberreste nach wenigen Jahren dasselbe Schicksal ereilt. So wird da, wo jeder Standesunterschied aufhören sollte, eine ungleiche,-da­her eine bitter empfundene Behandlung den Ueberresten ganzer Volksklaffen zu Theil. Zahlreiche Geistliche und Ver treter aller zur Zeit bei den Kulturvölkern vorherrschenden Religionen haben sich dahin ausgesprochen, daß nirgends eine Vorschrift der Stifter jener Religionsgemeinschaften bestehe oder bestanden habe, welche eine bestimmte Bestattungsart vorschreibt, eine andere verbietet. Ein in den ersten Zeiten des Christen­thums lebender Papst, sowie Luther und hervorragende Kenner der jüdischen Religionsurkunden haben sich übereinstimmend über die Zuverlässigkeit der Feuerbestattung ausgesprochen. Noch vor wenigen Jahren wurden mit Santtionirung des Vatikans Bestimmungen veröffentlicht, welche anordnen, daß die fatholische Kirche ihr Begräbniß- Beremoniell der Feuerbestattung da, wo dieselbe eingeführt, anpassen solle. Wenden wir uns der Frage zu, was zur Verbesserung des Bestattungswesens ge­schehen könne und welche Vorschläge in in dieser Bee ziehung gemacht worden sind, so müssen wir zuge stehen, daß zur Zeit kein besseres Verfahren die Feuerbestattung bekannt geworden ist. Dieselbe be seitigt die Mißstände des jeßigen Verfahrens. Die edelsten Geister der Neuzeit, wie Goethe  , Schiller, Platen, Byron und Andere, haben die Feuerbestattung dichterisch verherrlicht: die Männer der eraften Wissenschaften unserer Tage find Für sprecher derselben; die hochentwickelte Feuertechnik unserer Beit macht das Verfahren von Jahr zu Jahr, auf Grund der in zahlreichen Verbrennungstempeln Italiens  , Nordamerikas  , wie Afiens gesammelten Erfahrungen, weniger kostspielig. Nicht wenige erleuchtete Regierungen haben hiernach die Feuerbestattung zu­gelaffen und nahmen theilweise ihr gegenüber eine geradezu be günstigende Stellung ein. Hiernach, und nachdem gewissen friminalistischen Bedenken gegen die Feuerbestattung durch an­gemessene Anordnungen der Behörden in völlig genügender Weise vielfach bereits Rechnung getragen worden ist, sowie ane derswo leicht getragen werden kann, ist es wohl nur noch eine Frage der Zeit, die Feuerbestattung in allen zivilifirten Staaten wieder in Uebung zu sehen. Wir Deutsche   werden damit zu einem echt nationalen Gebrauche unserer Vorfahren zurückkehren. Wiffen wir doch, daß viele germanische Stänime, auch nach der Befehrung zum Christenthum, mit Bähigkeit an der Feuerbes stattung festhielten. Diese Reformbestrebungen beziehen sich übrigens nicht allein auf die Bestattung im engeren Sinne, sondern auch auf Vervollkommnung der Gesetzgebung über amt­liche Bekundung des erfolgten Ablebens und der Todesursache, über Leichentransport, über Einrichtung und Benutzung von Leichenhäusern und Anderes mehr.

als

Kalauer Butterftullen. Ein Pendant zu dem Athleten Frühstück  " ist das Materialisten Frühstück", welches von den Kommis hinterm Ladentisch genoffen wird, lebhaft an die be fannten Anekdoten vom Schusterjungen erinnert und von den im Ueberfluffe darbenden jungen Kaufleuten mit dem vorbe zeichneten technischen Ausdrucke belegt" worden ist. Eine neue Spezialität aus Ralau!

Eine räthselhafte Persönlichkeit ist die einer seit dem August 1884 in Straubing   aufhältlichen Emma Estrella oder Ella de Strett, deren Identität der dortige Magistrat festzustellen judt. Die Genannte, welche fich seit 1880 in Stuttgart  , Dettingen und Kirchhain   durch ihrer Hände Arbeit ernährt und

demgemäß lautete das Urtheil wegen Beleidigung auf 3 Monate Gefängniß und wegen groben Unfugs auf 14 Tage Haft; auf die letteren wurde die Untersuchungshaft in An­rechnung gebracht.

Jahre hindurch Taubstummheit fingirt hat, scheint entweder| strengere Strafe erachtete jedoch der Gerichtshof am Plaze und durch ein von ihr oder an ihr verübtes Verbrechen beunruhigt zu sein und sucht gefliffentlich ihre Herkunft zu verbergen. Die frühere Angabe, daß fie als fleines Kind in Frankreich   von Schauspielern gefunden und zu einer Seiltänzerin herangebildet worden, im Alter von 14 Jahren aber, nachdem fie vom Seil gestürzt und hierdurch taubstumm geworden, ihren Adoptiv­eltern entlaufen sei, hat sie später dahin geändert, daß sie als Findellind von einem herumziehenden französischen   Sprachlehrer namens Sladowsky aufgezogen und in der deutschen, franzöfi schen, englischen und italienischen Sprache unterrichtet worden fei. Im 14. Lebensjahr sei fie aus dem zweiten Stockwerk eines Hauses gestürzt und habe Gehör und Sprache verloren, während ihren Pflegevater infolge des Schreckens der Schlag gerührt habe. Endlich behauptet die de Strett, daß sie von einem Grafen in der Nähe von Stuttgart   erzogen und unter­richtet, nach dem Tode desselben aber von den Erben verstoßen worden sei. Sicher ist, daß sie eine gute Erziehung und guten Unterricht genoffen, seit dem Jahre 1874 aber ein Wanderleben durch ganz Deutschland  , Desterreich, Polen   c. geführt hat. Eine Verlegung am Kopfe scheint von dem Sturz aus einem Fenster oder vom Seile nicht herzurühren.

Frizz Käpernick, der in der letzten Zeit wenig von sich hören ließ, der aber in Berlin   immer noch als ein Typus eines echten Schnellläufers bekannt und mit seinem Namen fast sprichwörtlich geworden ist, soll, wie man der ,, Voss. 3tg." mit­theilt, so schwer erkrankt sein, daß seine Auflösung zu erwarten ist. Er litt übrigens schon längere Zeit an der Krankheit, die bei Schnellläufern nur zu natürlich ist, an der Lungen­schwindsucht.

Die Diebstähle in der Zentral- Markthalle nehmen be ständig zu, so haben am Sonnabend, soviel der A. Fl.- 3tg." bekannt geworden, allein in den Räumen der fieben Bögen fünf Diebstähle stattgefunden. Weit größer aber ist die Bahl der gar nicht allgemein bekannt werdenden Diebstähle, denn die Mehrzahl der Bestohlenen macht von den Diebstählen überhaupt feine Anzeigen. Denn da in der Zentral- Markthalle nur die Marktpolizei, aber keine Kriminalpolizei stationirt ist, so müßte der Bestohlene erst jedesmal fich bis zum Moltenmarkt begeben, da die Marktpolizei zwar die Anzeigen von Diebstählen ent­gegen nimmt, aber durch ihre sonstige vielseitige Thätigkeit nur selten in der Lage ist, sofort die Untersuchung und Recherchen eintreten zu lassen. Natürlich können die Marktstelleninhaber nur selten sich zu diesem Wege nach dem Moltenmarkt ent­schließen, da dies mit all zu viel Zeitverlust verbunden ist und so ist es denn naturgemäß, daß die Diebe, da die meisten Diebstähle unaufgeklärt und unverfolgt bleiben, immer sicherer und frecher ihr einträgliches Handwerk in der Zentral- Markthalle fortseßen.

In Neuendorf bei Potsdam   ist, wie die P. N." er­zählen, am vergangenen Donnerstag eine eigenthümliche Ent­deckung gemacht worden. An dem betreffenden Tage in der Mittagsstunde tummelten sich einige Burschen der dort befind­lichen Jutespinnerei im Freien umber, als der eine von ihnen plöglich bis unter die Arme in den Erdboden versant. Bei näherer Untersuchung zeigte es sich, daß derselbe in eine Ver­tiefung gerathen war, deren Oberfläche mit Kartoffelkraut und einem großen Stein nur leicht bedeckt war. Ihrer Neugierde folgend, besichtigten sie die Stelle näher und stießen dabei auf einen langen Gang, welcher in einer Höhle auslief. Nach er­statteter Meldung unternahm der dortige Obermeister mit mehreren Leuten eine genaue Reviston der Stelle. Sie fanden die Höhle ausgestattet mit Betten, einer Bank und verschiedenen Utensilien, die darauf schließen ließen, daß sie einem Menschen zur Beherbergung gedient hatte. Obgleich der Eingang einige Beit hindurch bewacht wurde, hat man den romantischen Höhlen­bewohner bisher nicht ausfindig machen können.

Polizeibericht. Am 12. d. M. Nachmittags stürzte ein Knabe beim Versteckenspielen auf dem Boden des Hauses Oranienstraße 121 aus Unvorsichtigkeit in den vierten Stock hinab und erlitt einen Schädelbruch, an dessen Folgen er noch im Laufe des Tages starb.- Am 13. d. M. früh fiel ein Mädchen in der Gartenstraße plößlich um und starb auf der Stelle am Herzschlag. Gegen Abend wurde Unter den Lin­ den   vor dem kaiserlichen Palais eine 71 Jahre alte Frau durch eine im starken Trabe fahrende Droschke überfahren und am rechten Fuß verlegt. rechten Fuß verlegt. An demselben Tage fanden im Zentral­Hotel ein Gardinenbrand, im Geschäftslokal von Cohn, Leipzigerstr  . 130, ein unbedeutender Schaufensterbrand und in einer Wohnung Wiesenstr. 10 ein unbedeutender Brand an Möbeln statt. Ferner entstand gegen Abend desselben Tages in dem Schanklokal Kanonierstr. 9 durch unge­schicktes Umgehen eines der anwesenden Gäste mit einer brennenden Petroleumlampe Feuer, welches sich in kurzer Zeit über das gesammte Mobiliar verbreitete und dasselbe völlig vernichtete.

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Gerichts- Zeitung.

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Ein bösartiger Dummerjungen Streich führte den 17 jährigen Raufmannslehrling Georg Vielig aus Charlotten­ burg   vor das Forum der Straffammer des Landgerichts 11, belastet mit einer Anklage wegen verleumderischer und öffentlicher Be­leidigung, sowie wegen groben Unfugs. Der Angeklagte war bis zum Jahre 1884 Schüler des Charlottenburger   Kaiserin Augusta Gymnafii, welches er nach 1jährigem Aufenthalt in der Quarta verlassen, ohne von seinen Lehrern vermißt zu wer den, da es dem sonst zwar stillen und bescheidenen Knaben an besonderer geistiger Begabung nach der Ansicht seiner Lehrer stets gefehlt. Möglich ist es wohl, daß Vielig von dieser ihn betreffenden Anschauungsweise seiner Lehrer Kenntniß gehabt, denn anders sonst läßt sich das Gebahren des Vielit nicht er= flären, welches derselbe ausgeübt. Angeblich im Auftrage zweier ehemaliger Schulkameraden, Namens Hundrieser und Speyer  , gegenwärtig noch Schüler des genannten Gymnafti, schrieb Vielig im Laufe des Monats Oktober d. J. verschiedene offene Postkarten, die die unfläthigsten Beleidigungen enthielten, an den Direktor Dr. Schulz und verschiedene Lehrer der genannten höheren Lehranstalt als Schreiber jener Postkarten ward p. Wieliz bald ermittelt und demgemäß wegen Beleidigung an geflagt. Ferner machte fich der unternehmungsluftige junge Mann durch Einsendung verschiedener Annonzen, deren Inhalt erlogene Thatsachen darstellte, des groben Unfugs schuldig; die Charlottenburger Beitung Neue Beit", welcher Vielig ein In­ferat überbracht, enthaltend eine fingirte Geburtsanzeige, hielt jedoch vorher Nachfrage bei dem von derselben betroffenen Gymnasial- Lehrer Dr. Müller und dabei erfuhr man, daß ein Jungenstreich geplant war; eine andere Annonze dagegen fand den Weg in die Zeitung und in Folge des Inbalts derselben wurde der Gymnasial- Lehrer von Hausche tagelang von kauf luftigen Personen überlaufen, welche auf einen angeblich für 6 M. verkäuflichen Ueberzieher reflektirten. Ein bösartiges Stückchen aber verübte Vielig, indem er einem der Lehrer eine Karte zusandte folgenden Inhalts: Lieber Heinrich! Du hast es ganz recht gemacht, daß Du Deine Olle auf ein Paar Tage forts geschickt. Besuche mich doch heute Abend." Unterschrift. Diese Karte verfehlte aber den beabsichtigten Zweck und der eheliche Friede des betreffenden Lehrers ward infolge desselben keineswegs ge­stört. Bei Bar Marcus in der Paffage bestellte Vielis Ver lobungsanzeigen mit dem Namen eines anderen Lehrers und deffen angebliche Verlobte einer Schauspielerin; diese fingirten Anzeigen verschickte er an verschiedene Bewohner Charlotten­burgs. Vielig, welcher Ausgangs Oktober d. J. mit einem Auswandererschiff nach Australien   gehen wollte, wurde zur Haft gebracht; er bekannte sich im gestrigen Audienztermin als jenes Schabernacks Urheber und Absender der qu. Buschriften. Der Staatsanwalt beantragte 4 Wochen Gefängniß, sowie 14 Tage Haft unter Anrechnung der Untersuchungshaft. Eine

+ Der männliche Heirathsschwindler ist eine Figur, die sehr häufig vor den Straffammern der Gerichte zu finden ist. Daß es auch weibliche Gegenstücke giebt, bewies eine Ver handlung, die geſtern vor der fünften Straffammer gegen Fräulein Juliane Wallat stattfand. Die Angeklagte war vom Schöffengericht wegen Unterschlagung zu 10 Tagen Gefängniß verurtheilt worden und hatte gegen dieses Urtheil Berufung eingelegt. In ihrem Dienste als Köchin in einem Restaurant war fie mit dem Droschkenkutscher 3., einem fiebenunddreißigs jährigen Manne bekannt geworden und hatte in der Brust des Junggesellen zartere Empfindungen geweckt, so daß er ihr Herz und Hand anbot. Sie ging darauf ein und galt nun als erklärte Braut des Droschkenkutschers. Jm Mai vorigen Jahres erzählte sie ihrem Verlobten, sie müsse in ihre Heimath, einem Dorf in der Tilfiter Niederung, reisen, wo sie eine Erbschaft von 1000 M. zu erheben habe; es fehle ihr aber an Reisegeld. Der Droschkentutscher war bereit, ihr 40 m. zu borgen und es wurde ausgemacht, daß die Hochzeit stattfinden solle, sobald die Abgereiste nach Berlin   zurückgekehrt wäre. Mit dem baaren Gelde allein aber war Fräulein Wallat noch nicht zufrieden; unter den Habseligkeiten des Droschkenfutschers war ihr eine goldene Uhr mit Kette in die Augen gefallen, die jener. von seiner verstorbenen Schwester geerbt hatte. Sie bat ihn, ihr die Uhr für die Reise zu überlassen, weil sie den Verwandten ,, imponiren" wollte. 3. ging darauf ein, betonte aber aus­brücklich, daß er ihr die Uhr vorläufig nur borge, daß sie aber ihr Eigenthum werden solle, wenn sie verheirathet seien. Die Braut reiste ab und ließ nichts von sich hören. Inzwischen hörte der zurückgebliebene Bräutigam nicht gerade Günstiges über seine Verlobte. Sie hatte zu verschiedenen Frauen ge äußert, sie denke gar nicht daran, den Droschkenkutscher zu heirathen; sie wolle nur noch sechs Monate lang ihn in diesem füßen Glauben lassen, dann seien die Geschenke, die er ihr ges macht, verfallen und könnten von ihm nicht mehr zurückgefordert werden. Diese raffinirte Gesinnung brachte Herrn 3. so in Born, daß er ein für allemal darauf verzichtete, das Glück der The mit ihr zu theilen. Er schrieb ihr einen Brief, in dem er seine Absage in die höfliche Form fleidete, er wolle fich lieber aufhängen, als sie heirathen." Daneben verlangte er seine Geschenke, besonders die Uhr mit Kette, zurück. Es kam jedoch keine Antwort und nun wendete fich der getäuschte Droschkenkutscher an die Behörde. Fräulein Wallat hatte inzwischen wirklich eine Erbschaft, es waren aber nur 60 M., erhoben und war dann nach Rußland   gegangen. Als sie nach Berlin   zurückkehrte, wurde sie vor Gericht gestellt und zu der oben mitgetheilten Strafe verurtheilt. Ihre Be rufung war ohne Erfolg, denn die Berufungskammer bestätigte die von der ersten Instanz festgesetzte Strafe.

Wegen Beschimpfung der Einrichtungen der christ­lichen Kirche stand gestern der Maler Emil Rezerau vor der vierten Straffammer des hiesigen Landgerichts 1. In derselben Sache hatte bereits am legten Sonnabend Termin angestanden, der aber vertagt worden war, weil der als Belastungs­zeuge vorgeladene Polizeilieutenant Lederer seinen Be richt an das tönigliche Polizeipräsidium beibringen sollte. Es handelte sich um eine Aeußerung, die der Angeklagte in einer Versammlung der Arbeitslosen", die am 25. Januar unter Vorsiz des Buchbinders Michelsen in ,, Sanssouci  " stattfand, hatte fallen gelassen und welche nach Angabe des Beamten den Grund zur Auflösung gegeben hatte. Diese Aeußerung wurde in der gestrigen Verhandlung mit aller Bestimmtheit von dem Polizeilieutenant bekundet; mit derselben Bestimmtheit sagten aber die Entlastungszeugen, die Stadtverordneten Mitan und Görcki, der Metallarbeiter Nez­band und der Maler Wentker aus, daß sie die Aeußerung in der von dem Beamten angegebenen Form, in welcher zwei Schimpfworte gegen die christliche Kirche vor= kamen, nicht gehört hätten, trotzdem sie dieselbe hätten hören müſſen. Der Gerichtshof war jedoch der Ansicht, daß die Aussage des Polizeilieutenants, welche sich auf das sofort niedergeschriebene Protokoll über die Versammlung stüßte, durchaus durchaus sicher sei, während die Entlastungszeugen die fraglichen Worte doch über So hört haben fönnten. wurde der Angeklagte zu einer Gefängnißstrafe von drei Monaten verurtheilt, während der Staatsanwalt nur zwei Monate beantragt hatte. Die Ers höhung der Strafe rechtfertigte der Gerichtshof damit, daß die Beschimpfung vor einer großen Versammlung gefallen sei, unter der fich doch mancher befinde, der dadurch in seinen heiligsten Gefühlen" verlegt worden sei.

Mannheim  , 9. Dezember. Der Frankf. 3tg." wird ge schrieben: Wie ich Ihnen s. 3. mittheilte, hatte die Verhand lung vor der hiesigen Straffammer gegen die Vorstände der Kaffe der Metallarbeiter- Vereinigung Deutschlands  , Hänsler, Willig und Müller, insofern ein Nachspiel, als Willig anzus nehmen glaubte, Stadtdirektor Siegel, welcher als Zeuge vers nommen wurde, habe den wirklichen Thatsachen entgegenstehende Aussagen gemacht. Willig hatte dies auch öffentlich ausges sprochen und gedroht, Herrn Siegel deswegen gerichtlich bes langen laffen zu wollen, obgleich er dies später in einer an die Frantf. 8tg." gerichteten Erklärung abzuschwächen versuchte. Es wurde nun seitens der großh. Staatsanwaltschaft Anklage erhoben wegen Beleidigung des Stadtdirektors Siegel gegen J. Willig, Stadtrath Dreesbach, Stadtrath Königshausen und Redakteur Frey. Lepterer ist an das Schwurgericht verwiesen, weil er die Angelegenheit im hiesigen General- Anzeiger" mit theilte. Die drei ersten Angeklagten haben sich heute vor der Straffammer zu verantworten und zwar geht die Anklage dahin, daß Willig die inkriminirten Aeußerungen öffentlich und wieder holt gethan habe, daß ferner Königshausen die Aeußerungen Willig's in einer Wirthschaft öffentlich erzählt und schließlich. daß Treesbach dem Redakteur Frey Mittheilungen über die Sache gemacht habe. Aus der heutigen Beweiserhebung ergiebt fich insofern eine Schuld Willig's, als in der That festgestellt wird, daß dieser mehrfach die Absicht ausgesprochen hat, er werde Anzeige gegen Stadtdirektor Siegel wegen Meineids er statten, obwohl Willig sich bewußt sein konnte, daß nach den Aussagen Siegels ein Meineid vollständig ausgeschloffen sei, was der Angeklagte heute auch selbst zugiebt. Er will nur die Absicht gehabt haben, einen eventuellen Irrthum durch die Staatsanwaltschaft aufklären zu laffen. Der Angeklagte Königshausen stellt nicht in Abrede, im Badener Hof" öffent lich vor den Aeußerungen Willigs Mittheilung gemacht zu haben, betont jedoch auf das Entschiedenste, daß ihm jede Ab­ficht der Beleidigung gegen Herrn Siegel ferngelegen. Drees bach, welcher als der am mindesten Gravirte erscheint, bestreitet die Ausführungen des Zeugen Frey, welcher unvereidigt vers nommen wird, und der angiebt, Dreesbach habe ihm bestätigt, daß Willig Anzeige gegen Siegel wegen Meineids erstattet babe. Demgegenüber behauptet Dreesbach, Fren sei zu ihm gekommen, um ihn in der Angelegenheit zu befragen und ba habe er weiter nichts gesagt, als er habe von Willig auch schon berartiges gehört. Frey solle fich indeß nicht etwa auf ihn bes rufen und überhaupt mit einer Notiz über diese Sache sehr vors fichtig sein. Der Vertreter der großh. Staatsbehörde, Herr 1. Staatsanwalt Diet hält die Anflage gegen alle drei Ange flagte aufrecht und beantragt die Verfügung von entsprechenden Gefängnißstrafen, während der Vertheidiger Willig's, Herr Rechtsanwalt Dr. Herz auf Freisprechung plädirt, herr Rechtsanwalt Dr. Rosenfeld als Vertheidiger Königshausen's und Dreesbach's bezüglich des ersteren bei Schuldigfprechung eine geringe Geldstrafe für angemessen hält und für Dreesbach Freisprechung beantragt. Seitens der Staatsanwaltschaft wird