gegangen, und zwar wesentlich durch Vorkehrungen von öfter­reich- ungarischer Seite. Sämmtlichen Billeterpeditionen der Kaiser Ferdinands- Nordbahn   und der Kaschau- Oderberger Bahn  ist in legter Beit von ihren Direktionen eine Verfügung des österreichischen Ministeriums des Innern zugegangen, nach welcher, so lange die Cholera in Ungarn   nicht als gänzlich er­loschen zu betrachten ist, an Personen, die im Verdachte der Auswanderung nach Amerika   stehen, Fahrbillets nicht verkauft werden dürfen, mögen diese Personen unbemittelt oder bemittelt fein. Diese Maßregel und höhere Verordnungen der ungarischen Regierung haben die Auswanderung so eingeschränkt, daß in der leztvergangenen Woche täglich im Durchschnitt höchstens sechs solcher Personen über Oderberg   nach Deutschland   weiter gereist find. Diese wenigen Leute besaßen fast sämmtlich Ver­wandte in Amerika   und hatten von diesen Schiffskarten für die Fahrt von Hamburg  , Bremen   oder Rotterdam   nach den Ver einigten Staaten zugesandt erhalten. Bei den Oberberger Aus wanderungsagenten wurden nur sehr wenige Schiffstarten ge­löst. Wie die ungarische so ist auch die österreichische Regierung mit großer Strenge gegen die Agenten der Dampfschifffahrts Gesellschaften und deren Unterhändler vorgegangen. Die meisten Auswanderer fahren von Oderberg   aus mit Billets nach Ra­ tibor  , Breslau   oder Berlin   weiter und leugnen mit Hartnäckig­teit die Absicht, nach Amerika   zu reisen, um der petuniären Res vifion in Ratibor   zu entgehen. Das gelingt jedoch nicht allen, es fommen vielmehr öfters zurückgewiesene Paupers in Oder berg wieder an. Der preußische Arzt Dr. Stein ist noch in Oderberg   stationirt; irgend welche verdächtige Erkrankungen von Reisenden find in der letzten Woche nicht vorgekommen. Die Desinfektionen mit dem Karbolsäure- Sprengapparat werden im Bahnhofe Oderberg   jezt nicht mehr wie früher täglich aus­geführt, dagegen werden die zur Beförderung der Auswanderer dienenden österreichischen Eisenbahnwagen täglich desinfizirt. Von neuen Cholerafällen im nördlichen Ungarn   ist in legter Zeit nichts bekannt geworden.

Die Bevölkerung der Reichslande nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1885. Darnach hat das ganze Reichsland 1564 355 Einwohner und davon kommen auf Unterelsaß 612 077, auf Oberelsaß 462 549 und auf Lothringen   489 729 Einwohner. An Städten über 20 000 Einwohner find nur vier vorhanden, nämlich Straßburg   mit 111 979, Mülhausen   mit 69 759, Mez mit 54 072 und Rolmar mit 26 537 ortsanwesen Den Zivilpersonen. Die Zunahme beträgt für Straßburg   7516, für Mülhausen   6130, für Met 941 und für Kolmar   431. Die weitaus größte Bunahme( 9 pCt.) zeigt also Mül­ hausen  , was entschieden seinen Grund in der besseren Ge schäftslage der Baumwollenindustrie gegen 1880 haben dürfte, da die Fabriken zur Beit der letzten Zählung bedeutend mehr Arbeiter beschäftigten als 1880. Eigen thümlich ist das Verhältniß der männlichen Bevölle rung zu der weiblichen. Während im Elsaß   die lettere um 28 645, also reichlich 2 pCt., überwiegt, bleibt dieselbe merkwürdigerweise in Lothringen   um 6851( zirka 12, pCt.) zurück. Dieser Umstand erklärt sich einmal daraus, daß die elsässische männliche Jugend mehr nach Frankreich   auswandert als die lothringische die Liste der zurückkehrenden Optanten beweisen dasselbe und dann, daß die deutsche   männliche Einwanderung in Lothringen   bedeutend größer ist. Ein an derer Umstand ist der, daß die Lothringerinnen, die im Ganzen nicht gern Landarbeiten verrichten, massenhaft nach französischen   Städten auswandern. Während z. B. in Straß burg der größte Theil des gesammten Dienstpersonals fich aus Baden und der Pfalz   rekrutirt, soll es in Paris   und Nancy   von Megerinnen förmlich wimmeln. In Meg allein find 7318 männliche Seelen" mehr gezählt als weibliche, wobei selbstverständlich die 22 000 Mann Soldaten nicht mit gezählt find.

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Oesterreich- Ungarn  .

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Im österreichischen   Reichsrath fündigte am Dienstag Schönerer   einen Antrag gegen die Einwanderung der Juden an. Im böhmischen Landtage beantragte Plener, die Sprachenordnung von 1880 und den jüngsten Justiz­erlaß aufzuheben.

Rußland.

Wenn es nach dem einflußreichen Berl. Tagebl." geht, bekommt Rußland   eine Verfassung. Das Blatt schreibt nämlich: Der Bar fand kürzlich auf seinem Arbeitstische einen Brief, welcher, von einem Nihilist en geschrieben, auf uner tlärliche Weise dorthin gelegt wurde. Der Schreiber dieses Briefes sagt, daß sowohl Rußland   als auch die sogenannten Nihilisten, die nur Freunde des russischen Volkes und nicht Nihilisten dem Worte nach seien, jeßt ihre Geduld verloren haben und nicht länger auf die Befreiung des Volkes aus den Feffeln der Knechtschaft warten wollen. Das Schreiben fordert den Baren auf, Rußland   zu geben, was schon sein Vater seinem Volfe geben wollte. Der Bar ordnete darauf die Einberu fung des Staatsrathes und die Vorlage eines den Verhältnissen des Reiches angemessenen Verfassungs­projettes an. Die Einberufungsordre schrieb er eigenhän big an den Rand des geheimnisvollen Briefes. Dieser aber

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Die Beschaffenheit der Waldluft hat Prof. Ebermayer in München   zum Gegenstand sehr eingehender Untersuchungen geniacht, welche zu folgenden intereffanten Resultaten geführt haben: Was zunächst den Kohlensäuregehalt der Waldluft be trifft, so sollte man denken, daß derselbe relativ gering sein müsse, da die Laubgewächse bekanntlich Kohlensäure aus der Luft aufnehmen und dafür Sauerstoff ausgeben. Es hat sich aber gezeigt, daß weder bezüglich des Kohlensäure- noch des Sauerstoffgehalts der Luft innerhalb und außerhalb des Waldes wesentliche Unterschiede wahrnehmbar find, und zwar erklärt sich diese auf den ersten Blick überraschende Erscheinung dadurch, daß die Ausgleichung und Vermischung der Bestandtheile der Waldluft mit der freien Atmosphäre in Folge der Luftbewegung außerordentlich schnell vor sich geht. Wenn nun auch ungefähr äußert sich Profeffor Ebermayer von einem irgend wie ins Gewicht fallenden geringeren Rohlensäuregehalte oder größeren Sauerstoffreichthum der Waldluft keine Rede sein kann, fo befigt die Land- und besonders die Waldluft doch im Ver­gleiche zur Stadtluft so wesentliche Vorzüge, als welche vor allem ihre Armuth an Staub- und Robletheilchen, ferner an Mikroorganismen und übelriechenden Bersegungs- und Fäulniß­gasen zu erwähnen sind, daß derselben nach wie vor eine hohe bygienische Bedeutung zugesprochen werden muß. Vergegen wärtigt man sich, daß die Waldluft in der wärmeren Jahreszeit erheblich fühler, feuchter, und ozonreicher ist, als die freie Atmosphäre, ferner daß der Wald Echutz bietet gegen starte und rauhe Winde, daß der würzige Duft der Blätter, Blüthen und des terpentinreichen Harzes der Nadelbäume überaus ange nehm empfunden wird, endlich, daß ein Aufenthalt im Walde die verschiedensten ästhetischen Genüsse darbietet und in Folge deffen auf das Gemüth und das geschädigte Nervensystem des modernen Rulturmenschen den günstigsten Einfluß äußert, fo bat man alle Ursache, den sanitären Werth des Waldes möglichst hoch zu schäßen und seine Luft in tiefen Athemzügen zu genießen.

Die Flora der norddeutschen Moore. Bu jener Beit, als mächtige Eismaffen ganz Europa   bedeckten, und die klimati schen Verschiedenheiten zwischen Nord und Süd, zwischen hoch und tief so gut wie verwischt waren, fonnte an den wenigen Stellen, die der furze Sommer von Eis und Schnee befreite, nur eine beschränkte Anzahl von Pflanzen zur Entwicklung tommen, welche fich mit einem Mindestbetrag von Wärme zu begnügen im Stande waren. Als später die Gletscher schmolzen, fand eine Pflanzen- Einwanderung von Osten her statt, während die Eiszeitflora verschwand und den schmelzenden Gletschern

war plöglich, ehe er noch seiner Bestimmung zugeführt wurde, auf unerklärliche Art und Weise wieder vom Bulte des Baren verschwunden. Gleichwohl ist der Staatsrath einberufen und Pobedonoszew soll demselben das Projekt einer Rußland zu verleihenden Verfassung vorgelegt haben, deren wichtigster Ba­ragraph bestimmt, daß jedes Jahr in Moskau   ein Reichstag zufammentreten soll. Man dürfte dem Berl. Tgbl." wieder einmal eine Brillanttaube aufgebunden haben.

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Belgien  .

Nach zuverlässigen Berechnungen nimmt Belgien   die dritte Stelle sowohl unter den Branntwein als den Bier ver zehrenden Ländern ein, ein doppelter Vorzug, den fein anderes Land beanspruchen kann. Der Branntweinverzehr beträgt z. B. in Belgien   6Liter reinen Alkohols auf den Kopf und das Jahr, im Deutschen Reich nur 4 Liter; im Biertrinken ist nur der Durchschnittsbayer mit 210, der Württemberger mit 187 Liter dem Durchschnittsbelgier voran, der 166 Liter Bier braucht, während jene aber kaum 2 Liter Altohol als Branntwein ver zehren. In Belgien   giebt es 144 000 Schankstellen, eine Bahl, welche im Verhältniß zur Bevölkerung in feinem anderen Lande erreicht wird.

Frankreich  .

Am 12. Nachmittags fand in Paris   im Saale Rivoli eine Versammlung beschäftigungsloser Arbeiter statt, zu welcher ungefähr 500 Personen erschienen waren. Die Redner ergingen sich in heftigen Angriffen auf die Regierung, das Ministerium, ja sogar auf den Cri du Peuple", dessen Mäßigung verdächtig geworden sei.

Großbritannien  .

In der Phönirhalle zu Clerkenwell( London  ) wurde am Sonnabend ein Meeting von Sekretären und Delegirten der Londoner   Zweigvereine der sozialdemokratischen Föderation abgehalten und zwar im Zusammenhange mit der von dieser Körperschaft seit einiger Zeit in Fluß gebrachten Agitation zu Gunsten der beschäftigungslosen Ar­beiter. Die von achtzehn Zweigvereinen erstatteten Berichte schildern in der That traurige Bustände, und die eingehensten, in den Arbeiterdistrikten angestellten Recherchen ergaben, daß resp. 34, 38, 40, 42, ja 60 pCt. der erwachsenen männlichen Arbeiterbevölkerung ohne Be schäftigung sind. Die von dem Meeting schließlich an­genommene Resolution stellte an die Regierung das neuerdings oft wiederholte Verlangen, unverzüglich nüßliche Arbeit zu ge rechten Lohnfäßen zu beschaffen.

Das am 14. d. vom Dubliner Gerichtshofe im Prozeß Dillon gefällte Urtheil erklärt den Plan der Pächter, eine Organisation zu bilden zum Zwecke, die Bahlung des Pacht zinses   ganz von ihrem Belieben abhängig zu machen, für un gesetzlich und die Reden Dillon's als geeignet, eine Verlegung der Verträge und öffentliche Unordnung herbeizuführen. Dillon wird aufgegeben, für sich selbst eine Raution von 1000 Bfd. Sterl.( 20 000 Mark) zu leisten und innerhalb 12 Tagen zwei andere Bürgen zu stellen, welche ein Jeder 1000 Pfd. Sterl. als Garantie für Dillon's fünftiges gutes Verhalten zu leiſten hätten. Würden diese Garantien nicht gegeben, so verfiele Dillon in eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten.

Der andere von der Regierung in Anklagezustand versette irische Abgeordnete D'Brien sucht mittlerweile seiner ,, Pflicht" der Renteneinsammlung dadurch eine gewiffe Abwechselung zu verleihen, daß er den Pächtern es ans Herz legt, unter Um ständen vom paffiven zum thätigen Widerstand überzugehen. Dem gegenwärtigen Schatlanzler ist er für ein passendes Schlag wort für diesen Rath zu Dant verpflichtet. Wie Lord Randolph Churchill   gesagt hat: Ulster   wird fämpfen und Ulster   wird im Recht sein", so räth O'Brien den Männern von Connaught  , mit dem Schwert ihre Rechte zu vertheidigen. Thatsächlich wird das in Frland geltende englische Recht vom Volfe gar nicht geachtet und geradezu verlacht. Zur Befferung dieses Bustandes wird schließlich doch nichts anderes übrig bleiben, als Gladstone's Rath zu befolgen, daß Frland durch Irländer nach irischen Jdeen regiert werde.

Balkanländer.

Der vielgenannte türkische Kommissar Gadban Pasch a tritt in Sofia   immer feder auf und versucht es seit Neuestem, den Regenten gegenüber die Rolle eines Turban- Kaulbars zu spielen. Gadban hat sich wiederholt bemüht, den Regenten mittels dringender Vorstellungen, Drohungen und zuletzt fogar wüster Schimpfereien den Mingrelier als Kandida ten aufzudrängen. Selbstverständlich sind Stambuloff und seine Freunde auf diesen Vorschlag nicht eingegangen, sondern wiesen dem unangenehmen Patron furzweg die Thür. Der bulgarische Minister des Aeußern brach in der That jeden Verkehr mit dem Pascha ab, der allem Anscheine nach ruffi­sches Gold erhalten hat. Gabban gedenkt nun abzu reisen, und die Bulgaren   werden ihm ein Gott befohlen! nach­rufen.

Afrika  .

Wie es heißt, beabsichtigt die englische   Regierung, die ständige egyptische Armee auf 10 000 Mann und die

einerseits nach dem hohen Norden, andererseits nach den Gipfeln der Alpen   hin folgte, wo die Bedingungen, unter denen diese Pflanzen bisher gelebt hatten, einigermaßen dieselben blieben. Zwischenein aber findet man so führt Dr. R. Hilbert in der Naturwissenschaftlichen Rundschau" aus- noch heute Kolonien von Ure oder Eiszeitpflanzen, welche fich an solchen Orten ere balten haben, an welchen ein falter und feuchter Boden im Winter von großen Schneemassen, im Frühling von eifigem Waffer bedeckt ist. Diese Drte sind die norddeutschen Moore. Hier findet man die interessantesten Kinder unserer ältesten Flora, die sich eben dadurch als solche zu erkennen geben, daß fie noch außerdem im hohen Norden und auf den Gipfeln der Alpen heimisch find. Durch eine Vergleichung dieser Moorflora mit den Floren arktischer Länder und des Alpengebiets zeigt Dr. Hilbert, daß 85 pCt. unserer Moorflora der Eiszeit ent stammen, denn von den 125 norddeutschen Moorpflanzen kommen nicht weniger als 106 auch noch in Lappland  , Jsland, auf der Nordküste Sibiriens   und auf den Alpen vor.

In einer Philippika, die vor 200 Jahren ein Dr. Menge ring gegen die Bierbra ter und Schankwirthe gehalten, sagt er: Die Bierbrauer und Schankwirthe laffen Rofent oder frisch Brunnenwaffer in die Fäffer mit einspringen und wenn es in die Keller fommet, wird noch einmal geplausschert und das Bier verderbet, daß es in denen Körpern fizen bleibet. Und wenn das Bier sommerenzend und fauer wird, wissen sie mit Kreide und anderen Dingen demselben einen lieblichen Ges schmack zu geben. Sie nehmen Trebreich mit unter das Malz oder bängen Rututs- Rörner ins Faß, daß die Köpfe desto eher wüste und dumm werden. Schlechte Biere und Gauche heben sie auf, bis Feiertage oder Gelage find, wo das Volk Sft's heute beffer ge­zuläuft; da wird Alles getrunken." worden?

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Spät entdeckt. Mülheim   a. d. Ruhr. Ueber die merk würdige Entdeckung eines Mörders berichtet man der Rh.-W. 8tg." von hier unter dem 7. d. M.: Gestern ist ein Mann dem hiesigen Amtsgerichte zugeführt worden, welcher identisch mit dem zu sein scheint, der Ostern 1879 bei der Monning ( Duisburg  ) in später Abendstunde einen Arbeiter im Verlauf einer Schlägerei erstochen hat. In jener Schreckensszene, die um 7 Uhr, nach anderer Verfion um 11 Uhr Abends fich abe gespielt haben soll, ging ein junges Mädchen von hier nach Duisburg   des Weges gerade an der Stelle vorbei, wo der Mann sein Opfer hingestreckt hatte, der dann der Dienstmagd entgegengelaufen lam, mit einem Taschentuche seine Hände reibend. Das Mädchen war von Duisburg   nach Kalf gekom­

dortige englische   Okkupationsarmee auf 5000 Mann herab­zusetzen.

Australien  .

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Die Engländer scheinen sich durchaus nicht beeilen zu wollen, die neuerworbenen Befizungen in Neu Guinea  auszunuzen. Wie bereits erwähnt wurde, hat das Kolonial­amt welches bekanntlich von ,, patriotischen" und ,, kraftvollen" Konservativen gelenkt wird am 3. Dezember an die auftra lischen Kolonien ein Telegramm gerichtet, in welchem ausgeführt wird, daß die Herstellung der Souveränetät über das britische Neu- Guinea   schwere Ausgaben mit Aussicht auf kleine Ein­nahmen bedingt und nicht nöthig ist zur Vertheidigung Austra liens gegen fremde Angriffe". Dieser Zweck sei genügend durch das Protektorat gesichert. Besonders der Finanzpunkt schreckt die Engländer ab. Die Kolonien wollen nämlich nur für die ersten fünf Jahre einen fleinen Beitrag zahlen, worauf Enge land alle Lasten allein zu tragen haben würde. Das Kolonial amt meint nun, das Umgekehrte wäre das Richtige. Da man außerhalb Englands häufig auf den praktischen Sinn der Engländer in Betreff der Behandlung von Kolonien hinzu weisen pflegt, so werden die Ausführungen des englischen Kolonialamtes vielleicht auch anderswo nicht unberücksichtigt bleiben.

Amerika.

Auch die Central Labor Union( die Zentral- Arbeiter- Ver einigung) von New Yort hat einen Aufruf zu Gunsten eines neuen Prozesses nicht für Begnadigung- der Chikagoer Verurtheilten erlaffen. Sie bes gründet ihr Begehren mit folgender Motivirung: Nicht als Anarchisten oder Sozialisten erlassen wir diese Petition, fone dern im Namen aller ehrlicher Männer, im Namen Aller, die Gerechtigkeit hochschäßen, versuchen wir den dunklen Punkt in der Geschichte, der dadurch entstand, daß diese Männer ihres öffentlichen Meinungsausdrucks wegen verurtheilt wurden, zu entfernen. Wir appelliren an Sie, weil die Umstände der Ver urtheilung folgende Behauptungen rechtfertigen: 1. Daß ein gerechter und unparteiischer Prozeß unter den Umständen un­möglich war. 2. Daß bei dem Prozeß dieser Leute kein Beweis dafür erbracht wurde, daß irgend einer derselben sich des Werfens der Bombe schuldig gemacht oder daß einer derselben direkt oder indirekt mit dem Werfen der Bombe in Verbindung stand. 3. Daß die Verurtheilung der Leute nicht in Uebereine stimmung mit einer gerechten und unparteiischen Ausführung der Geseye war, sondern in Uebereinstimmung mit dem Ver langen einer unfinnigen und von Vorurtheilen geleiteten öffent lichen Meinung, hervorgerufen durch die kapitalistische Presse." Die Petition ist bereits in Umlauf gefeßt.- Die Küfer Affembly in Chit a go verschickt ebenfalls ähnliche Petitionen an alle Assemblies der Arbeitsritter im Lande. Die Central Labor Union von Cincinnati   hat in ihrer letzten Sizung Protestbeschlüsse gegen das Urtheil gefaßt.

Die Legislatur von Minnesota  , welche im Januar zusammentritt, hat einen ausgesprochenen Sozialisten zum Mitgliede. Es ist dies Mr. Lucas in Minneapolis  , ein Zimmerer. Es werden bald mehr dort ihre Size nehmen.

Gerichts- Zeitung.

In beständiger Furcht und Angst schwebten unlängst die Bewohner zahlreicher Dörfer des Kreises Ost- Havelland. Während des vergangenen Sommers schon hatten vereinzelte, in jenen Dörfern auf unerklärliche Art entstandene Brände die Befürchtung wachgerufen, daß eine unheimliche Mordbrenner­bande ihr Unwesen treibe, welche anscheinend auf das dürftige Besigthum des ärmeren, noch unter Strohdächern wohnenden Theils der Bevölkerung ihr Augenmerk gerichtet hatte; all­mälig beruhigten sich jedoch die aufgeregten Gemüther, bis Ende September abermals ein neues Ereigniß Schrecken verbreitete und Jedermann fich der Befürchtung hingab, daß ihm über Nacht das Haus über den Kopf in Brand gesetzt werden würde. Auf dem Gehöft des Bauerngutsbesizers Schulz in Hoppenrade fand an einem Septembertage ein Knabe Namens Nikolai einen Drohbrief; der Inhalt desselben enthielt, ge schrieben von ungeübter Hand, die fürchterliche Drohung, daß demnächst verschiedene Häuser in den Dörfern Buchow- Carpzow, Glienice, Hoppenrade, Macau  , Madee, Marquard, Wernig und Wustermark   in Brand gesezt werden sollen; das mit Strohdächern zum Theile versehene Schulz'sche Gehöft in Hoppenrade war als dasjenige bezeichnet, bei welchem der Anfang gemacht werden soll, denn heißt es unverblümt wörtlich zunächst soll es in den Stroh dächern brennen!" und der Schluß des Schriftstücks lautete: Bitte Herrn Schulz, zu lesen und diesen Brief aufzuheben; friegen thut uns doch keiner!" Als der Fund des Knaben bekannt geworden war, mehrte sich, mit Rücksicht auf die früher stattgehabten Brände, die Aufregung der Insaffen jener Dörfer und unausgesetzt bestürmten die um ihr Hab und Gut bes sorgten Leute den in Wustermart stationirten Gendarmi Kosante mit Fragen in Bezug auf die Entdeckung der Brandstifter bezw. Drohbriefschreiber. Diese letteren wurden denn auch bald er mittelt und zwar in den Personen des Kleinknechts Wilhelm

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men, und mit ihr die einzige Beugin jener Schreckensthat ver schwunden. Es wurden seiner Zeit wegen dieser Mordthat einige Personen in Haft genommen, die aber wegen Mangel an Beweisen wieder aus der Haft haben entlassen werden müffen, und nachher fing über die Geschichte an Gras zu wachsen. Vor einigen Tagen, nach acht Jahren also, fügte es der Zufall, daß das Mädchen hier einen Dienst bekam. ging neulich über die Straße, und ihr entgegen tam jener Mann, deffen Phyfiognomie das Mädchen seither nicht hat aus dem Gedächtnisse verlieren tönnen. Sie erkannte ihn und sprach ihn an; es entwickelte fich ein näheres Gespräch, in deffen Verlaufe der Mann das Mädchen zu überreden suchte, mit ihm nach Belgien   zu reisen. Als die Magd darauf nicht einging, verleumdete er fie bei ihrer Herrschaft, und aus Rache über diese Verleumdung denunzirte sie ihn bei der Polizei­behörde.

Ein frecher Betrüger. Die Saarbr. 3tg." schreibt: Kürzlich betrat cin Fremder eine Seifenfiederei und kaufte sich für 50 und etliche Pfennige Seife, die er dann in 100 und noch mehr kleine und gleichmäßige Stücke zerkleinerte und jedes Stück verpackte er forgfältig in Seidenpapier. Der Fremde gab dabei die Erklärung: Diese Seife ist, wie Sie sehen, die schlechteste Sorte, die ich aber in den Dörfern als Fleckseife das Stückchen zu 25 Pf. verkaufe und bis heute Abend habe ich wenigstens 20 M. dafür gelöst. Die Welt," meinte dieser Gauner, der auch schon in Amerika   Geschäfte dieser Art ge macht zu haben behauptete, will und muß beschwindelt sein." Auch in einem Nachbarhause des Seifenfieders habe er, so Sprach der Schwindler weiter, der Hausfrau einige Stückchen verkauft.

Ein weiblicher Deserteur. Am 18. Februar 1865 wurde im Dorfe Pulvélarie( Correze) ein Mädchen Namens Franziska Negrevergne geboren, aber aus Irrthum auf dem Standesamt unter dem Namen Franz eingeschrieben und als Knabe be zeichnet. Infolge dieses Umstandes wurde Franziska auf die diesjährige Refrutenliste gesezt und sie war eben im Begriff, nach Algier   abzureisen, wohin fie fich als Dienstmädchen ver dungen hatte, als ihr der Gendarm ihren Gestellungsbefehl überreichte. Sie wandte fich an den Bürgermeister, damit der Frrthum berichtigt werde, allein derselbe gab die merkwürdige Antwort, es sei zu spät und die Sache sei jest nicht mehr zu. ändern." Inzwischen hat sich Franziska nicht gestellt, sondern ist nach Algier   abgereift und will abwarten, ob man fie, wegen Fahnenflucht unter Antlage stellen wird.