nicht nur formell, sondern auch thatsächlich herrsche.
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Den § 153 der Gewerbeordnung möchte man am liebsten streichen. Man soll kein besonderes Strafrecht für die Arbeiter schaffen; für grobe Ausschreitungen genügt das allgemeine Strafrecht. Da aber die Streichung nicht zu erzielen ist, so verlangen wir, daß die Arbeitgeber wenigstens in derselben Weise betroffen werden wie die Arbeiter, wenn sie daffelbe thun. Die Zahl der Verurtheilungen von Arbeitern auf Grund dieses Paragraphen betrug 1882: 5, 1883: 19, 1884: 54, 1885: 50, während von Verurtheilungen von Arbeitgebern nichts bekannt ist. Görlig wurde wegen Aufreizung ein Maurer zu 3 Wochen Gefängniß verurtheilt, weil er bei einem Streit zu einem Kameraden sagte:„ Schämst Du Dich nicht, wieder in Arbeit zu freten?" In dem Verein der Dresdener Bauunternehmer wurde beschlossen, eine sog.„ Schwarze Liste " aufzustellen, welche Die Arbeiter enthalten sollte, die sich irgendwie vergangen haben und bei einer Geldstrafe nicht mehr in Arbeit genommen wer den dürfen. In dem sächsischen Wochenblatt kam die Liste mit allen Statutenbestimmungen des Bauunternehmervereins zur Veröffentlichung, und nun wurde der Redakteur von dem Staatsanwalt vorgeladen, weil darin eine Aufreizung liege. Das schließliche Resultat war ein Bescheid der Staatsanwaltschaft, daß die Statuten zum Schuß gegen Streits dienen, und in der Androhung einer Geldstrafe feine Nöthigung zu erkennen sei, sondern nur ein moralischer Zwang. Dann hätte man aber auch bei dem Maurer in Görlig nur von einem moralischen Zwange reden dürfen. Das Vorgehen der Polizei und der Gerichte gegen die Arbeitervereinigungen sucht man Damit zu rechtfertigen, daß sonst die Streits zunehmen und eine öffentliche Gefahr werden könnten. Das heißt, die Waffe der Koalition nur geben, um, wenn die Arbeiter davon Gebrauch machen wollen, sie ihnen wieder zu nehmen. Die Streits find nichts anderes als eine Nothwehr gegen den Kapitalismus. Die gefeßlichen Organisationen, die wir zum Schuße der Arbeiter verlangten, wie Arbeitskammern, Minimalarbeitslohn 2c., haben Sie ja abgelehnt. Bei jedem Streif, sagt man, sei die Gefahr der Anarchie und Gewaltthat vorhanden. Jeder Einfichtige aber, der sich um die sozialpolitische Entwickelung der Verhältnisse gefümmert hat, weiß, daß diese Gefahr bei den unorganisirten und nicht bei den organisirten Arbeitern vorliegt. In den schlesischen Zuckersiedereien, wohin man die polnischen Arbeiter wie Viehmassen holt und fie ebenso wieder abschickt, da kommen Gewaltthaten vor; Arbeiter, die organisirt find, kennen den Mechanismus der Gesellschaft und wissen, daß sie nur in ihren Formen etwas durchseßen können, und in dieses Gewebe ſollten die groben Polizeifinger um deshalb nicht eingreifen. Nur die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit greift zur Gewalt; die Hoffnung arbeitet mühselig nach Berbesserung und Vervollkommnung. Einen deutlichen Beweis hiervon haben die legten Vorgänge in Amerika gegeben. Die verzweifelten Anarchisten werfen Bomben, die organisirten Arbeiter in New- York betheiligen fich bei der Bürgermeisterwahl und wollen auf diesem Wege das Recht der Mitbestimmung erlangen. Ich glaube deshalb, daß auch diejenigen, die auf dem Boden der heutigen Gesellschaftsordnung stehen, die freie Vereinigung der Arbeiter nicht hindern sollten. In dieser Frage stehen nicht blos die sozialistischen Arbeiter, sondern auch alle diejenigen, die sich noch nicht zur sozialistischen Anschauung bekannt haben, hinter uns. Ich möchte das Zentrum bitten, doch nicht blos immer ihren großen Sozials politiker, den Herrn v. Hertling, sondern auch einmal den Abg. Stößel, den einzigen Arbeitervertreter in ihren Reihen, zu Rathe zu ziehen. Staat und Gesellschaft fahren am besten, wenn man den Armen und Elenden, die ohnehin schon Die Lasten des Lebens schwer zu tragen haben, die freie VerVor dem einigung zur Befferung ihrer Lage gestattet. Sflaven, wenn er die Kette bricht, vor dem freien Menschen erzittre nicht!"
Präsident: Ich hatte verstanden, der Abg. Kayser habe gefagt, daß die Richter das, was die Polizei ihnen vorwirft, einfach approbiren, und in dieser Aeußerung feine Veranlaffung zum Einschreiten finden können. Nach dem stenographischen Bes richte bemerkte aber der Abg. Kayser, daß die Richter das, was die Polizei ihnen vorwirft, einfach apportiren. Diese Aeußerung muß ich als eine ordnungswidrige erachten und rufe deshalb den Redner zur Ordnung.
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General- Staatsanwalt Held( Bevollmächtigter für Sachsen ): Der Abg. Kayser hat einen Fall aus Dresden vorgetragen, wo ein Baugewerkverein seine Mitglieder unter Androhung von Geldstrafe verpflichtete, Arbeiter, welche an Streits theilge nommen, nicht zu beschäftigen. Hierüber erschien im Sächsischen Wochenblatt" ein Artikel, welcher eine Beschuldigung der Buwiderhandlung gegen§ 153 der Gewerbeordnung seitens Der Arbeitgeber enthielt und die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten provozirte. Der General Staatsanwalt ersuchte in Folge deffen die Staatsanwaltschaft in Dresden zu veranlassen, daß der Redakteur dieses Blattes zu einer Begründung seiner Beschuldigung angehalten werde. Die Absicht des GeneralStaatsanwalts war keine andere als die, mit gleichem Maße zu messen, und wenn eine Beschuldigung gegen die Arbeitgeber begründet gewesen wäre, rücksichtslos gegen dieselben einzuschreiten. Der Erfolg des Vorgehens war der, welchen der Vorredner geschildert hat. Er befand sich aber im Irrthum, menn er das Motiv des Vorgehens der Staatsanwaltschaft in deren Annahme erblickte, der betr. Artikel unter der Spismarke: Schwarze Listen " enthalte eine Aufreizung. Es hat sich herausgestellt, daß keinerlei 3wang durch irgend Jemand verübt worden war, der dem§ 153 der Gewerbeordnung hätte unterstellt werden können. Es scheint mir ein schwerer Rechtsirrthum in Arbeiterkreisen zu sein, den ich auch in der Vorlage ausge drückt finde, als sei die Verrufserklärung an fich im§ 153 der Gewerbeordnung mit Strafe bedroht. Nein, sie ist mit Strafe bedroht lediglich als Nöthigungsmittel zu dem unter Strafe ge stellten widerrechtlichen Zwecke. Der Verabredung der Bauspeku lanten, um welche es sich hier handelt, hatten sich sämmtliche Be theiligten freiwillig unterworfen. Ich laffe dahingestellt, ob überhaupt in einer solchen Verabredung und in der eventuellen Verrufserkärung ein 3wang gegen die Arbeiter im Sinne des §153 gefunden werden könnte. Allein selbst für solchen Fall kam hier in Betracht, daß die schwarzen Listen ein Internum Der Vereinigung der Bauspekulanten und Bauunternehmer waren( hört, hört! links) und daß ihre Veröffentlichung nur einer Indiskretion zu verdanken war.( Seiterkeit links.) Wäre es Absicht der Bauunternehmer gewesen, die Listen zur Kennt niß der Arbeiter zu bringen, dann hätte ja die Frage ent stehen können, ob darin ein Zwangsvorgehen gegen die Arbeiter zu finden wäre. So aber lag nach der gegenwärtigen Gesetz gebung fein Grund zum Einschreiten vor. Eine Aenderung Derselben wäre vielleicht diskutabel und akzeptabel. Der Vor schlag der Antragsteller aber, unannehmbar in redaktioneller Beziehung, fönnte doch sachlich afzeptirt werden, ohne daß an der bestehenden Gesetzgebung irgend etwas verändert würde. Was müßt es Ihnen, wenn Sie die Verrufserklärung definirer und bestimmen wollen, daß auch die schwarzen Listen darunter fallen, wenn Sie nicht den Begriff des Delifts ändern? Und dann: Sie wollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit gleichem Maße messen( Zustimmung links) und kehren doch die Spize ihres Antrages lediglich gegen die Arbeitgeber. Es müßten doch auch die Arbeitnehmer in ähnlicher Weise getroffen
werden.
Abg. Ackermann: Es ist wiederholt behauptet worden, daß die in dem§ 153 den Arbeitern eingeräumte Koalitions freiheit, von welcher fie bis in die neueste Beit zur Erzwingung höherer Lohnsäge, Aenderung der Arbeitszeit u. s. w. Gebrauch gemacht haben, gemeingefährlich sei und darum wieder aufgehoben oder wesentlich beschränkt werden müffe. Man hat an geführt, daß die Arbeitseinstellungen in den meisten Fällen doch zu einer Niederlage der Arbeiter führten, daß die Arbeiter
in Noth und Elend geriethen, daß auch die Arbeitgeber, wenn fie auch die mit den Streit verbundenen Opfer länger ertragen könnten, als die Arbeiter, doch in Mitleidenlahm gelegt schaft gezogen würden, da ihr Geschäft werde u. s. w. Alle diese Einwendungen haben mehr oder weniger eine gewiffe Berechtigung, fie können uns aber nicht bestimmen, zu empfehlen, daß an dem natürlichen Recht der freien Selbstbestimmung für Arbeiter, das ihnen ges seglich garantirt ist, irgend etwas geändert wird, man würde sonst die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen illus forisch machen und das wäre fittlich verwerflich. Eine andere Frage ist, ob die Arbeiter gut thun, so häufig von dem zwei schneidigen Schwert der Arbeiteinstellungen Gebrauch zu machen. Die Streits enden meist zum Nachtheil der Arbeiter. Es werden dabei die Arbeiter auch oft ungerechtfertigter Weise geneigt gemacht für die Pläne der Umsturzparteien, sie werden unzufrieden gemacht mit dem ihnen von Gott erwiesenen Loose und geneigt gemacht zur Empörung und Revolution. Ich bin weit entfernt, in der eigentlichen Arbeiterbewegung nur ein wüstes, unberechtigtes und destruktives Wesen zu erblicken. Ich möchte nur mit meinen Freunden den gewiffenlosen Verfüh rungen, welche angebliche Wortführer der Arbeiter versucht haben, auf allen Gebieten entschieden entgegentreten. Der vorliegende Antrag will zunächst den Vereinen das Recht geben, sich zu verbinden. Abgesehen davon nun, daß diese Vereine unter die Bestimmungen der Vereinsgefeße des deutschen Staates fallen, scheint es mir nicht nöthig, eine solche Bestimmung im Interesse der Arbeiter zu erlassen. Durch die Einwirkung der Arbeitervereine wird der eigentliche Zweck der Streiks, daß ein Zuzug in den Ort, wo ein Arbeitermangel vorhanden ist, nicht stattfindet, unmöglich gemacht. Ebenso ungerechtfertigt ist das Verlangen, daß Lehrlinge und Frauen Mitglieder von Fachvereinen werden sollen. Junge Leute, die noch nicht das Recht haben, über Person und Eigenthum zu verfügen, sollen in die Schule gehen und lernen. Verheirathete Frauen dagegen haben den Beruf, für ihre Familie zu sorgen, und gehören daher ins Haus. Ihr Vertreter ist der Mann. Der Hauptzweck der Antragsteller ist der, in den Fachvereinen, welche einen politischen Charakter haben, Manövrirkadres für die Sozialdemokratie zu erhalten. Mit großem Geschick hat man eine große Anzahl von Fachvereinen in Deutschland zu gründen gewußt. Sie treiben Politik, und weil sie als folche nicht in Verbindung treten dürfen, will man ihnen das Recht geben, sich vereinigen zu dürfen. Nun wollen fie diese Fachvereine zu Nationalverbänden, vielleicht zu internationalen machen und eingestandenermaßen die den Behörden durch das Gesetz gegebenen Waffen stumpf machen. Die Arbeiter mögen doch die Methode des Haffes, die ihnen von der Sozialdemokratie eingeimpft wird, ablegen und von ihrer trogigen und feindseligen Haltung ablaffen, vielmehr sich aufrichten in Liebe zum Vaterlande, in diesem Einigungspunkt aller Stände und Berufsklassen, und die Liebe zu Fürst und Vaterland durch die Einflüsterungen der Sozialdemokraten fich nicht entreißen lassen. Eine solche Liebe aber wird nicht bezeugt durch Verbindung auf dem Gebiete des Materialismus, Irreligiosität und Freigeisterei. Wenn sie das thun, dürfen sie Frreligiofität und Freigeisterei. Wenn sie das thun, dürfen sie auf unsere Sympathien rechnen und wir werden sie in bes rechtigten Forderungen unterstüßen. Die Antragstellee wünschen eine Aenderung des§ 153 der G. D. Dieser hat die ur sprüngliche Tendenz gehabt, die Arbeiter gegen die Einwirkungen der Agitatoren zu unterstüßen. Nun bringen hinein, diesen Paragraphen ein paar Worte Sie in um die Arbeiter gegen verwerfliche Mittel der Arbeits Wollen Sie dies, geber zu schützen. dann müssen Sie die ganze Sache besonders behandeln, schon des halb, weil durch Ihre Aenderung der Paragraph an Klarheit verliert. Was wollen Sie mit der Einschaltung der schwarzen Listen. Ich habe mich, als ich den Antrag zuerst las, mit einer gewissen Genugth nung erinnert des vielfach angefeindeten Antrages auf Einführung obligatorischer Arbeitsbücher. Hätte der Arbeiter ein Arbeitsbuch in der Hand, so könnte er sich auss weisen über die Erfüllung seiner Pflichten, und da brauchte man teine schwarzen Listen.( Lachen links.) Jezt haben Sie die schw rzen Listen. Ich glaube, die Aufnahme einer besonderen Bestimmung hierüber ist überflüssig, denn wo die schwarzen Listen mit einer Verrufserklärung identisch find, sind sie schon jest strafbar. Nach meiner Meinung liegt der Grund, weshalb bisher Arbeiter und Arbeitgeber in den meisten Fällen nicht zu einem Ausgleich gekommen, in dem Mangel eines Drgans, das zur rechten Beit bei in Szene gesetzten Arbeitseinstellungen vermittelnd, versöhnend und unter Umständen auch entscheidend eingreift. Ein solches Organ, in dem natürlich Arbeiter und Arbeitgeber gleichmäßig vertreten sein müßten, wäre vielleicht zu schaffen Durch die Berufsgenossenschaften, durch die Innungen. man fte zu Arbeitss nachweisen heranziehen, dann wäre viel gewonnen. Damit würde nicht nur den zunächst Betheiligten, sondern auch Staat und Gemeinden ein guter Dienst erwiesen werden. Aber Anträge, wie sie Abg. Kayser und Genossen einbringen, find für uns völlig unbrauchbar. Wir haben für sie nur das eine Wort: Nein und niemals!( Beifall rechts.)
Könnte
Der
Abg. Schrader: Niemand hat erwartet, daß von jener Seite( rechts) diesem Antrage besondere Sympathie entgegengebracht werden würde. Tenn die Arbeiterfreundlichkeit des Herrn Ackermann und seiner Freunde ist eine andere, als sie von dieser Seite vertreten wird. Ihnen liegt nur daran, die 3wangsgewalt des Staates und die Macht der Arbeitgeber möglichst zu stärken. Wenn Herr Ackermann die Schaffung von Schiedsgerichten verlangt, so hätte er zunächst eine lebhafte Res monstration an die verbündeten Regierungen richten sollen, welche ihrerseits auf den Beschluß des Reichstages Einführung obligatorischer Schiedsgerichte, die übrigens zur Lösung der Frage auch nicht genügend beitragen würden, ab Boden gelehnt haben. So lange wir auf dem jezigen Gesellschaft stehen, halten wir die Koalitionsfreiheit für nothwendig. So lange der Arbeitgeber und Arbeiter von einander getrennt sind, werden sie verschiedene Interessen haben. Der Arbeiter ist gegenüber dem Arbeitgeber entschieden der Schwächere, und daraus folgt mit Nothwendigkeit, daß die Arbeiter fich vereinigen müssen. Eine Vereinigung für den einzelnen Streitfall genügt nicht. Zur Sicherung der Interessen der Arbeiter bedarf es vielmehr einer festen Vereinigung unter einander. Das liegt auch im Interesse der Arbeitgeber. Denn nur mit organifirten Vereinigungen, an deren Spiße Führer stehen, welche durch lange Geschäftsführung das wirkliche Verfrauen der Arbeiter genießen und nicht durch agitatorische Reden im einzelnen Fall, fann mit Erfolg verhandelt werden. Die lange Dauer und die Ausschreitungen der letzten Streifs find großen Theils auf den Mangel solcher umfassenden Arbeiter vereinigungen zurückzuführen.( Bustimmung links.) Auch die Gesellschaft hat ein Interesse an einer solchen Ordnung. Nichts ist schädlicher als die häufige Wiederkehr und lange Dauer von Streits. In England ist man darüber längst außer Zweifel. Es find dort die Verhältnisse erheblich besser als früher, nachdem sich die Gewerkvereine zu festen, dauernden Verbänden zusammengeschloffen und unter Führern stehen, welche das vollste Vertrauen nicht nur der Arbeiter, sondern auch der Arbeitgeber genießen. Sind doch hervorragende Per sonen aus den Kreisen der Gewerkvereine zu hohen Staats ämtern sowohl von fonservativem wie liberalem Regiment berufen. Erst in legter Beit find Aenderungen eingetreten, wo man fand, daß auch Fachvereine politische Vereine find. Tas entspricht nicht den geseglichen Bestimmungen wie fie liegen. Diese Bestimmungen haben allerdings verschiedene Auslegung gefunden von Seiten der Behörden den Arbeitern gegenüber, so daß es Zeit ist, diese Frage hier zu besprechen, und dann, wenn möglich, auf gefeglichem Wege Wandel zu schaffen. Diese Auslegung erstreckt sich nun aber keineswegs auf Vereine,
die keine Arbeiter zu Mitgliedern haben, wohl aber vielleicht eher als politische Vereine betrachtet werden könnten als die Fachvereine. Dieser frappanten Ungleichheit in der Anwendung der Geseze müssen wir umsomehr entgegentreten, als es sich um Arbeiter handelt, die heutzutage weniger im Stande find, ihr Recht zu wahren, als wir. Ich möchte sodann noch auf eine Schwierigkeit hinweisen, auf welche weder vom Antragsteller noch vom Abg. Ackermann hingewiesen ist. Es wäre sehr wohl denkbar, daß auch nach der Annahme dieses Antrages das Vers einsgesetz in der jeßigen Weise angewendet werden würde. Das Mißliche ist nämlich, daß nicht genauer bezeichnet ist, in welchen Fällen ein Verein nach dem Vereinsgesetz oder nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung zu behandeln ist. Es wäre deshalb vielleicht zweckmäßiger gewesen, wenn wir in eine gründliche Aenderung der Vereinsgesetzgebung eingetreten wären. Da ein Antrag in dieser Richtung indessen kaum Aussicht auf Ers folg hat, da sich wenigstens ein Ergebniß herausstellen würde bei der jebigen Zusammensetzung des Reichstags, das uns in eine noch schlimmere Lage bringen würde, so verzichten wir auf einen solchen Antrag. Hinzufügen will ich noch, daß es eine dringende Nothwendigkeit ist, die Theilnahme der Frau an Vereinen und Bersammlungen zur Aufbefferung der Lohnverhältnisse nicht zu beschränken. Herr Ackermann meint, die Frau gehöre ins Haus. Aber die, welche sich in den Fabriken befinden, die sollen dasselbe Recht befizen, wie die männlichen Arbeiter. Schaffen Sie uns Zu stände, in welchen die Frau nicht mitzuarbeiten braucht in der Fabrit, dann wird die Betheiligung derselben an Vereinen schon von selbst aufhören. Wenn in lezter Zeit speziell Ar beiterinnenvereine aufgehoben find, so halte ich ein solches Vorgehen für noch unberechtigter, als das Verbot von Arbeitervereinen; denn bei den weiblichen Arbeitern besteht ein schwererer Nothstand, als bei den männlichen. Was den zweiten Theil des Antrags betrifft, so will ich nicht verkennen, daß der Vorschlag hier in vielen Beziehungen zu wünschen übrig läßt. Aber die Tendenz desselben, alles das zu entfernen, was die Koalitionsfreiheit beeinträchtigen könnte, ist richtig. Bisher hat wohl Niemand daran gedacht, daß dem§ 153 der G.-D. eine solche Auslegung gegeben könnte, wie das heute vom Bundesrathsbevollmächtigten Held geschehen ist. In der That bildet die uns vorgelegte schwarze Liste ein scharfes Mittel der Nöthigung. Aufgabe der Kommission muß es sein, diesen Bunft genauer zu prüfen. Denn auch wir haben keine Veranlassung, eine Bes ftimmung zu treffen, die ihre Spipe etwa gegen die Arbeitgeber allein kehren könnte. Ich schlage eine Kommission von 21 Mitgliedern vor und wünsche, daß sie ihre Aufgabe ernstlich auffaffe und möglichst schnell zu Ende führe. Es handelt sich hier um eine große Klaffe von Personen, welche durch Schließung der Vereine schwer beeinträchtigt find. Das ist ein Mißstand, der weit hinausreicht über die Reihen der Sozialdemokraten. Gerade die nichtsozialdemokratischen Arbeiter werden durch die gegenwärtige Handhabung des Vereinsrechts den Führern der Sozialdemokratie in die Arme getrieben. Das möchten wir verhindern. Das Maß an Freiheit, das den Arbeitern durch das Roalitionsrecht eingeräumt wird, ist nicht ein derartiges, daß die Entwickelung der Gesellschaft dadurch gefährdet wird, daß wir die Arbeiter gewöhnen, in Vereinen für ihre Intereffen einzutreten. Ich wünsche auch im Interesse der Gewerkvereine eine sorgfältige Prüfung des Antrags, die von allen Seiten anges feindet doch vorwärts gekommen sind und die jetzt neuen Angriffen ausgesezt werden sollen. Auch den Fachvereinen sollte man das Leben erleichtern, und sie so in die Lage segen, die Bes strebungen zu fördern, welche sie sich in ihren Statuten vorge schrieben haben.( Beifall links.)
werden
Abg. Struckmann: Herr Schrader hat mit großer Ans erkennung über die Bestrebungen der Arbeiter, sich in Vereinen zusammenzuthun, gesprochen. Aber ich bin doch im Zweifel, ob auf Grund dieses Gesetzes das erstrebte Ziel zu erreichen ist. Er hat ganz richtig den Punkt hervorgehoben, wo die Schwierigkeit liegt und daß wirthschaftliche Bestrebungen in den Vereinen vermischt werden mit Bestrebungen anderer Art. Ich war zuerst im 3weifel, wie fich der Antragsteller in Art. die Sache gedacht hat. Herr Schrader hat gesagt, daß derselbe sich nur beziehen könne auf Vereine, welche sich zum Zwecke der Erreichung befferer Arbeitsbedingungen gebildet. Was heißt das? Sollen hier nur Vereine in Betracht kommen welche fich lediglich mit dieser Aufgabe Herr befaffen? Schrader hat das angenommen. Ich bin nach der Herrn Kayfer doch zweifelhaft geworden, Rede des Herrn Kayser ob er in der That diese Absicht gehabt hat. Ist aber Herrn Schraders Auffassung die richtige, so behaupte ich, daß ein großer Theil dessen, was der Antrag erstrebt, auf Grund der bestehenden Gefeßgebung bereits vorhanden ist. Wird dieselbe falsch gehandhabt, so mag man hiergegen zunächst ein Mittel ergreifen. Herr Kayser legt ein Hauptgewicht darauf, daß die Vereine behufs Erzielung befferer Arbeitsbedingen mit einan der in Verbindung treten können. Aber das steht den Vereinen frei, wie§ 152 der G.-D. ergiebt. Wenn in Preußen Be stimmungen gegolten haben, welche diesem Paragraph ents gegenstehen, so find dieselben durch das Reichsgesetz aufge= hoben. Ich sage aber, auch die preußische Gesetzgebung farnte ein solches Verbot nicht. Dasselbe bezog sich nur auf politische Vereine. Des Weiteren war auch der Theilnahme jugendlicher Arbeiter und der Frauen an Vereinen zur Erzielung besserer Arbeitsbedingungen fein Verbot entgegen gestellt. Was den zweiten Theil des Antrags betrifft, so hat Herr Schrader nicht Recht, wenn er die Interpretation, welche Herr Kommissar Held dem§ 153 der Gewerbeordnung gegeben, eine eigenthümliche genannt hat. Ich habe diesen Paragraphen niemals anders aufgefaßt, und zwar aus rein juristischen Gründen. Eine Auslegung, wie der Antragsteller und auch Herr Schrader sie dem Paragraphen gegeben, dürfte fich als ein äußerst zweischneidiges Schwert er weisen. Wenn es den Arbeitgebern verboten sein soll, Berab redungen gegen die Aufnahme bestimmter Arbeiter zu treffen, so muß es auch den Arbeitern verboten werden, sich dahin zu verabreden, bei einem bestimmten Arbeitgeber Arbeit annehmen zu wollen. Das würde einen schweren Eingriff in das Koalis tionsrecht bedeuten. Gegen eine fommissarische Berathung des Antrages haben wir nichts einzuwenden. Die nationalliberale Partei, die 1869 in hervorragender Weise an der Umgestaltung unferer Gewerbeordnung theilgenommen hat, wird immer da am Blaze sein, wo es gilt zu sorgen, daß die Bestimmungen derselben richtig gehandhabt werden.
Abg. Dr. Lieber: Die legte Erklärung hat mich sym pathisch berührt. Wir freuen uns, auch die nationalliberale Bartei zum Bundesgenossen zu haben, wenn es gilt, die Koalitionsfreiheit zu schügen. Etwas anderes will weder der Ans tragsteller noch der Abg. Schrader. Ich gehe auf die juristis schen Zweifelsgründe des Vorredners nicht ein. Man fann Geseze abändern, wenn sie eine Lücke aufweisen, oder wenn fie so gehandhabt werden, daß die Erwägung nahe tritt, ob In wir denselben nicht eine andere Faffung geben sollen. einer solchen Lage befinden wir uns hier. Ich habe nur das Wort ergriffen, um zu erklären, daß ein dringendes Bedürf niß vorhanden ist, die Koalitionsfreiheit zu schüßen, und wir können dem Herrn Antragsteller nur danken, daß e Anstoß gegeben hat zu einer Arbeit, an der auch wir uns betheiligen wollen. Auf einzelnes will ich nicht eingehen. Ein Theil der Bedenken, die Herr Ackermann vorgetragen, halte auch ich für berechtigt, so wenn er sich gegen die Theil nahme von minderjährigen Arbeitern an Vereinen erklärt hat. Wenn man minderjährigen Arbeitgebern versagt, in ihrer eige nen Angelegenheit Dispositionen zu treffen, so muß man auch minderjährigen Arbeitern die Theilnahme an derartigen Ver einen verbieten. Aber ich möchte Herrn Ackermann fragen, ob es wohl gut gethan war, so oft von dem zweischneidigen Schwert zu sprechen; mit derartigen Ermahnungen wird den Arbeitern