Kr. SW.Konnabend, de« 18- Dezemder 1886.3. Jahr»StlimerVslksblMKrgan snr die Interessen der Arbeiter.4Keinen Mann nnd keinen Tagkönnen wir von den Militarforderunaen, die wir beim Reichs-tage gestellt haben, ablassen— so soll Fürst Bismarck er-klärt haben. Ob diese von Reichstagsabgeordneten im FoyerdeS ReichstagsgebäudeS kolportirte Nachricht wirklich aufWahrheit beruht oder nicht, ist gleichgiltig. DaS eine stehtfest, daß der Sinn obigen Ausspruchs vom Kriegsminister inder Militärkommission mehrfach bestätigt worden ist. Wieder-!loIt erklärte Herr Bronsart von Schellendorff, daß sämmt-iche Anträge, welche auf Herabminderuna der gefordertenPräsenzziffer oder auf Beschränkung der Zeitdauer hinaus-Uesen, für die Regierung unannehmbar seien.Nun sind aber bei der ersten Lesung in der VorlageAbstriche an den geforderten Mannschaften and auch ander geforderten Zeitdauer in der Kommission gemachtworden. Für diese von Zentrum und Fortschritt verein-barten Abstriche stimmten außer den genannten Parteienauch die Sozialdemokraten und der Pole.So hat sich in der ersten Lesung die Vorlage als einefür die Regierung unannehmbare gestaltet. Eine Auflösungmüßte nun seitens der Regierung die Antwort fein, wenn— ja wenn es keine zweite Lesung in der Kommission undwenn es kein Plenum gäbe. Möglich ist es ja, daß wäh-rend der zweiten Lesung schon in der Kommission selbst ein„Umfall" bei dem Zentrum oder den Deutschfreisinnigen zuverzeichnen ist, doch wahrscheinlich ist dies nicht, weil sichim Plenum eine viel bessere Gelegenheit zum„Umfallen"finden wird. Nehmen wir also an, die zweite Lesungdes Gesetzes würde genau so ausfallen, wie die ersteLesung.Die Präsenzziffer in§ 1 des Gesetzes würde umzirka 16 000 Mann herabgesetzt und anstatt der ge-forderten siebenjährigen Gesetzesdauer träte eine solchevon 3 Jahren und für einen Theil der bewilligten Aus-gaben von 1 Zahre ein. Wenn nun der also etwas, aberauch nur etwas gemilderte Gesetzentwurf bei der Gesammt-abstimmung in der Kommission angenommen würde, sodiente derselbe zur Grundlage der Verhandlungen im Plenum;würde er aber abgelehnt, so würde die Regierungsvorlagedie Grundlage bei den ReichStagSverhandlungen bilden.Bei dieser Frage, die ja für eine prinzipiell ablehnendePartei von nur äußerst geringer Bedeutung ist, haben dieSozialdemokraten in der Kommission die Entscheidung inder Hand._ c � rrStimmen sie gegen den Gesammtantrag der Deutsch-freisinnigen und de« Zentrums, so wird derselbe mit 14 gegen14 Stimmen abgelehnt und sie schaffen so im Verein mit denKonservativen und Nationalliberalen die Regierungsvorlage alsGrundlage der Plenarverhandlungen. Wie gesagt, ist das für die(fetinul oer&.ten,]JeuiK'eton.[12Die Derfuhrrri«.Novelle von D. ColoniuS.„Mein armer Freund!" sagte die Baronesse mit leiser,ptternd bewegter Stimme, mehr zu sich ol« zu Rudolph,„warum mußte da# Schicksal Dich so grausam und höhnischgerade mir und warum erst jetzt zuführen! Ich vm nichtgut genug für Deine Liebe— o wäre ich eß! lind mitplötzlich verändertem, etwa» ernsterem Tone fügte sie hinzu:„Gehen Sie, mein Freund! ich will und darf nicht schwach«erden, ich habe Pflichten gegen mich und ihn, der mit herz-loser Kälte mein Herz zerriß, da» ihm ganz gehört, �chwill nicht auf Rechnung seine« Gewissens das meinige be-lasten, ich will mir nicht selbst den VorwurfMachen, auch nur einen Augenblick in meinerGesinnung wankend gemacht worden zu sein.—Gehen S,e, mein Freund, und wenn Sie wieder nnmallnit Antonio zusammenkommen, erzählen Sie ihm, daß ichuicht stark genug war, dem Manne, der mw durch seineFreunvschaft nahe gebracht worden, meine Theilnahme zuversagen, und nicht schwach genug, eine Liebe anzunehmen,die mir zwar ein Beweis meine» Werthe» sein mußte, dieich aber nicht zu erwidem vermag."„Ich kann nicht von Dir lassen, Adele. hauchteRudolph auf« Tieffte erschüttert.„Tobte mich mit DeinerLiebe; aber mach' mich nicht zu Ei» erstarren durch DemPflichtgefühl, da» sich zwischen mich und Dich stellt. O,«ie verabscheue ich ihn, den Mann, den ich Freund nannte,«ie verabscheue ich ihn Deinetwegen. Vergiß ihn, der Dichnicht zu erkennen, nicht zu würdigen wußte! Gehöre miran, mir ganz allein mit Deiner Vergangenheit und DeinemBergehen. Ich liebe Dich, Adele!"Die Baronesse machte Miene, sich zu erheben und warlchon, sich halb vergessend, im Begriffe, mit einer raschenBewegung daS Sopha zu verlassen; doch mochte sie sich«ohl besinnen, daß dies nicht geschehen könne, ohne dieSozialdemokratie im Prinzip recht gleichgiltig, aber die Kommissionsmitglieder aus der sozialdemokratischen Fraktion habendoch keine Lust, mit Konservativen und Nationalliberalenvereint, den Regierungsforderungen bei den Plenarberathungeneine bessere Grundlage zu geben— deshalb werden sie nichtgegen das vom Zentrum und Freisinn abgeänderte Gesetz inder Kommission stimmen. Aber sie werden auch nicht dafürstimmen, da dies leicht den Verdacht erwecken könnte, daßsie überhaupt im Ernste für irgend eine neue Militärforderung sich erklären könnten.Die beiden in dieser Frage Ausschlag gebenden sozial-demokratischen Mitglieder der Kommission werden, wie wirgehört haben, somit, sollte zuerst über die Regierungsvorlage abgestimmt werden, gegen dieselbe stimmen. Beider Abstimmung aber über die vom Zentrumund Fortschritt amendirte, also etwas abgemilderteVorlage sich der Abstimmung enthalten. Die Kommissionsvorlage würde dann, wie gesagt, die Grundlage fürdie Plenarberathungen bilden.Diese aber finden vor den Weihnachtsferien nicht statt,auch die Kommissionsberathungen werden wohl vor denFerien nicht zu Ende geführt werden.Deutschfreisinnige und Zentrumsmitglieder haben dannZeit genug, sich für den„Umfall" im Plenum einzuüben.„Mancher Abgeordnete, der vor Weihnachten ein tapferesNein gesprochen hat, sprach nach den Ferien ein ebenso tapferesZa in derselben Sache; das habe die Erfahrung oft genuggelehrt"— so erklärte bekanntlich in der Kommission derAbg. Hasenclever. Und so wird es auch hier kommen. WennZentrum und Fortschritt in der Kommission ihre Abstriche auchaufrecht erhalten, trotzderUngnadedeS FürstenBismarck, bei denVerhandlungen im Reichstage selbst werden wir nach denFerien von beiden Parteien„Umfalle" erleben, welchedie Regierungsvorlage wieder herstellen und zum siegreichenAusgange bringen. Die Furcht vor der Auflösung, dasstrenge Festhalten der Regierung an jedem Titelchen derVorlage, daS Stirnrunzeln des Fürsten Bismarck— Allesdas ist geeignet, die Reihen des Zentrums und des Fortschritts zu durchbrechen und aus Neinsagern Jasager zumachen.Keinen Mann und keinen Tag läßt sich die Regierungabhandeln. Und sie hat recht diesem Reichstag gegen-über. Ja, hätte ste noch mehr gefordert, so hätte sie auchnoch mehr erhalten.Nur die deutsche Arbeiterpartei ist im Reichstage ingleich günstiger Lage wie die Regierung— sie setztdem Ausspruch derselben einen anderen, ebenso entschiedenenentgegen:Keinen Mann und keinen Tag wird siein dieser Vorlage bewilligen.Draperie ihres viel zu weiten Gewandes zu ordnen, des-halb auch zog sie es vor, gleichsam vor Aufregung zurück-zusinken, unv that dies mit so vielem Geschick, daß eineroutinirte Schauspielerin sie um ihr Erblassen beneidethätte.„Vergessen Sie nicht, Herr Schwarz," sagte sie mitgesteigertem Ernst und imponirender Schwäche,„daß meineTreue für Antonio der erste Beweggrund war, der Sieveranlaßte, mich näher kennen zu lernen. Ich habe Sie,der sich zu meinem Aufpasser herabwürdigte, in Ihreneigenen Augen gehoben, indem ich Sie einlud, mich kennenzu lernen. Sie wissen den Grund meines Verborgenhalten»hier, Sie kennen meine Verhältnisse, Sie kennen die Festig-keit meiner Gefühle, und ich hätte m der That von„chnenam allerwenigsten erwartet, daß Sie da« Vertrauen, welche«mir Ihr Biedersinn, Ihr reine» Gemüth abgewann, so sehrmißbrauchen würden, mich vor mir selbst erröthen zu machen.Ich gewähre meinem Freunde Alle», meinem zudringlichenLiebhaber nichts."In diesem Augenblicke trat Marie ein und gab derBaronesse mit einem bedeutungsvollen Winke zu erkennen,daß sie von der Frau Thomas eine gute Nachricht mitge-bracht habe. In Folge dessen fühlte sich die Baronesseplötzlich unwohl und deutete Rudolph durch eineHandbewegung an, sich zu entfernen, was er auch allso-gleich that.Hinzufügen wollen wir nur, daß Rudolph seit jenerStunde die Baronesse nicht wieder zu Gesicht bekam, daß ertäglich vorkam und sich nach ihrem Befinden erkundigte,aber von Marie nicht über die Thürschwelle gelassen wurde,und nachdem er die Mittheilungen dieser entgegengenommenhatte, sich schweigend und gesenkten Hauptes entfernte.An Antonio schrieb Rudolph, drei Tage nach seinerletzten Unterredung mit der Baronesse, folgenden Brief:„Nicht in Ihrem Interesse— dies könnte mir niemalsmehr Veranlassung auch zur geringsten Handbewegung sein— sondern im Interesse der Frau, die Sie so schmachvollhintergingen und zu Grunde richteten, schreibe ich Ihnennoch diesmal. Sie sind klug, klüger als ich; ich habe dahernicht nöthig, Ihnen Dinge zu sagen, die Sie leicht errathenJlu8 der HiPiiärliommiflion.Die Sitzung der Militärkommission des Reichs-tags begann gestern um 1(% Uhr.— Zunächst sei hier derWottlaut des§ 1 mitgelheilt, wie derselbe sich nach dergestngen Abstimmung gestaltet hat:„In Ausführung der Artikel 57, 59 und 60 der Reichs«Verfassung wird die Friedenspräsenzstärke des Heeres an Mann-schatten für die Zeit vom 1. April 1887 bis zum 31. März1890 auf 441 200 Mann festgestellt. Für die Zeit vom1. April 1887 bis zum 31. März 1888 kann eine Erhöhungder Präsenzstärke bis auf 450000 Mann eintreten. Die Ein-jährig- Freiwilligen kommen auf die Friedens- Präsenzstärke nichtin Anrechnung.Vom 1. April 1887 ab werden die Infanterie in 518 83a»tarllone, die Kavallerie in 465 Cskadrons, die Feldattillerie in364 Batterien, die Fußartillene in 31, die Pioniere in 19 undder Train in 18 Bataillone formitt. Außerdem können vomgleichen Tage an bis zum 1. April 1888 16 Bataillone Infanterie formirt werden."Zu§ 3 der Vorlage, welche die den Neueinrichtungen ent-gegenstehenden früheren gesetzlichen Bestimmungen außer Kraftstellt, ergreift Niemand da« Wort. Der Paragraph wird gegendie Stimmen der Sozialdemokraten angenommen.Abg. Huene(Zentrum) beantragt die Einschaltung de»folgenden§ 3«:„Dem§ 10 des Gesetzes vom 6. Mai 1880, betreffendErgänzungen und Aenderungen des Reichs- Militärgesetzes vom2. Mai 1874 wird als zweiter Absatz eingefügt:„Diejenigen Wehrpflichtigen, welche sich dem Studium derTheologie einer mit Korporationsrechten innerhalb des Gebiete«.des Deutschen Reiches destehenden Kirche oder Religionsgesell-schaft widmen, werden während der Dauer dieses Studiumsbis zum 1. April des Kalenderjahres, in welchem ste das26. Lebensjahr vollenden, von der Einstellung in den Militär-dienst vorläufig zurückgestellt. Haben dieselben bis zu der vor-bezeichneten Zeit auf Grund bestandener Prüfung die A,-f-nähme unter die Zahl der zum geistlichen Amt berechtigtenKandidaten erlangt, deziehungswerse die Subdiakonatsweiheempfangen, so find sie gänzlich von der Militärdienstpflichtbefreit.""Abg. v. Huene vertheidigt mit einigen Worten den Antragsdem der Kriegsmiuister nicht feindlich gegenüber steht Letzterermeint, daß der Zweck des Antrages schon längst durch die Gnadedes Kriegsherrn erfüllt werde.— Abg. v. Benda will mitseinen Freunden für den Antrag stimmen.— Abg. v. Stauffen-berg sympathifirt mit dem Antrage, bat aber Ein-Wendungen gegen die Form. Im bayerischen Gesetz von1867 befindet sich ein Paragraph, nach welchem stch eineähnliche Bestimmung auch auf die Schullehrer aus-dehnt Er gebe dies zur Erwägung.— Abg. v. Maltzahn-Gültz erklärt, daß in seiner Partei über diese Frage verschie-dene Anschauungen herrschen. Da der betreffende Antrag sichauf alle Konfessionen beziehe, so bemerke er, daß die Ansichtenin Bezug auf die Stellung der Geistlichkeit bei den Katholikenhaben; besäßen Sie so viel Ehrlichkeit und Rechtsgefühlwie Sie Menschenkenntniß besitzen, dann hätten Sie michnicht in die Versuchung geführt, welcher ich unterliegenmußte. Aber Sie haben sich dennoch getäuscht; Sie glaubtenzu sehr an meine Blindheit, an mein unbedingtes Vertrauenzu Ihnen und vergaßen, daß ich ein Herz besitze, welchesbi« zum letztem Athemzuge feine Empfänglichkeit für da«Gute nicht verlieren wird; Sie vergaßen, daß das reinmenschliche Gefühl in mir einer thörichten, aufopfernden Freund-schaft die Spitze bieten könne. Das Weib, dem Sie alle Lasteraufbürdeten, die Sie selbst besitzen, ist eine Perle, die durch Ihreunreine Berührung nicht befleckt werden konnte. Ihre unver-brüchliche Treue, ihr unantastbare« Pflichtgefühl für Sie, derihrer Lrebe so unwürdig, ihre Opferfähigkeit, ihr ganzesLeben hat mir zuerst Achtung eingeflößt, jetzt aber liebe ichsie um ihrer selbst willen, und der beste Beweis meineshohen Gefühl« für Adele möge Ihnen der Umstand sein,daß ich auf Unkosten meines eigenen zerrissenen Herzensselbst ihre Liebe, obgleich sie einem Menschen wie Sie gehört.heilig halte.Adele kann nach dem, wa« zwischen ihr und Jhneuvorgefallen, keinen Schritt thun, um Ihnen entgegenzukommenSie ist Mutter, Mutter Ihres Kindes. Ich erkläre Ihnendaß ich Sie für einen gewissenlosen Bösewicht halte; aberauch em solcher anerkennt die einzige Pflicht, welche die Naturjvr Grundlage im Leben aller Wesen gemacht. Wenn Sieich auch von dieser Pflicht lossagen, dann— werde ichSie tödten; ich werde Sie tödten, um mich selbst zu strafenum mich von dem ewigen Vorwurf zu befreien, einst einenMann geliebt zu haben, der..Rudolph vollendete den Brief nicht; die Feder entsankeiner zitternden Hand. Leichenblaß und unbeweglich einerStatue gleich, stand ein Mann neben ihm, der unbemerkteingetreten war und mit wehmüthig trauerndem Blick dieZeilen las, die der unglückliche Jüngling eben hingeschrirbeirhatte— es war Antonio.XI.Die beiden alten Eheleute, bei denen Rosarka wohntgehören mit zu den wohlbabendsten in diesem Theile der Vor-.stadt St. Georg; das Häuschen auf der Langenreihe ist ihr