ober nicht. Mit Recht hat Abg. Gebhard hervorgehoben, daß rin festes Prinzip für die Bewilligung der Gelder aus diesem Fonds nicht vorhanden ist; ohne ein solches Prinzip laufen wir aber Gefahr, das angestrebte Biel nicht zu erreichen, unser Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Die Untlarheit der Verwendung ist mir besonders bei der Emdener Heringsfischerei entgegengetreten. Bei der Hochseefischerei steht die Regierung lauter einzelnen Personen gegenüber, so daß recht oft das Unrechte getroffen werden kann. Es wäre wünschenswerth, wenn eine Form gefunden werden könnte, durch welche die Verantwort lichkeit für die Verwendung der Gelder von der Regierung abgelenkt werden könnte. Die Hochseefischerei wird dabei sicher nicht zu Schaden kommen.
Staatssekretär von Boetticher: Mit der Ueberweisung dieses Fonds zu diskretionärer Verwendung haben Sie uns eine außerordentliche Verantwortung auferlegt; denn es ist schwer, den an uns gestellten Ansprüchen gegenübee immer burchaus gerecht zu verfahren. Eine so große Summe einem Privatverein in die Hand zu geben, würde der Reichstag aber auch faum geneigt sein. Den Abg. Schrader frage ich, was er unter einem festen Prinzip für die Vertheilung der Gelder versteht und welches Prinzip er angenommen zu sehen wünscht. Die Aufgabe, welche der Regierung mit der Bewilligung des Fonds im vorigen Jahre zugefallen war, die Hochseefischerei zu heben, hat sie erfüllt, indem fie Unternehmungen, welche nach bem Urtheil der Uferstaaten Berücksichtigung verdienten, unterftügt hat. Die Forderungen, die an uns gestellt sind, haben ben zur Unterſtüßung stehenden Betrag um mehr als das Dreifache überſtiegen. Wir konnten deshalb nur die dringendsten in ihren Folgen verheißungsvolleren Unternehmungen unterstüßen. Ausschließlich die Versicherungsverbände, oder solche Fischer, die fich neue Fahrzeuge bauen wollten, oder lediglich die Emdener Fischereigesellschaft zu unterstüßen, waren wir nicht in Der Lage. Die Emdener Fischereigesellschaft mußten wir unterstüßen, weil fie, wenn ihr nicht eine außerordentliche und wirts same Unterſtügung zu Theil geworden wäre, vielleicht vollständig zu Grunde gegangen wäre. Ein Unternehmen, welches bereits im Befit einer Reihe von Fischerfahrzeugen und von geschulten Fischern ist, mußte eher unterstützt werden als irgend ein neues Unternehmen. Die Gesellschaft giebt über 200 Schiffern Lohn und dauernde Erwerbsthätigkeit. Die Konkurrenz Holländer und Schotten war eine so perniziöse, daß die Em dener Gesellschaft ohne Unterstüßung nicht hätte fortbestehen Tönnen. Wollen Sie den Zweck, den Sie im vorigen Jahre alle für nüglich und erstrebenswerth erklärt haben, wirksam weiter fördern, dann müssen Sie für die Erhöhung stimmen. Es war von vornherein klar, daß die Bewilligung von 100 000 Mart nur der Anfang zu größeren Forderungen sein werde. Mit der Mehrbewilligung erleichtern Sie uns das Geschäft und vermindern die Opposition, welche sich aus denen zusammenseßt, die nichts bekommen haben.
der
Abg. Kruse: Die erhöhte Subvention der Hochseefischerei würde auch der schwer nothleidenden kleinen Segelschifffahrt zu Gute kommen; dieses Gewerbe ist jetzt sehr wenig lohnend, nnd damit leidet gleichzeitig der Schiffbau und alle andern das mit zusammenhängenden Gewerbe. Die Leute, die hierbei ihr Fortkommen nicht mehr finden, würden dann bei der Hochseefischerei ihren Unterhalt erwerben können. Die Unterstüßung der Emdener Gesellschaft ist keineswegs als eine einseitige Begünstigung zu betrachten, denn die Erfahrungen, welche dieser Verein auf dem ausgedehnten Gebiete seiner Thätigkeit zu Sammeln in der Lage ist, kommen Allen, die Hochseefischerei treiben, zu Gute. Jetzt schon für die Verwendung der Gelder feste Normen zu firiren, ist wohl nicht ange zeigt, dazu ist die ganze Sache noch zu sehr im Werden. Bur befferen Kontrole der Verwendung empfiehlt es sich vielleicht, ähnlich dem Institut der Fabrikinspektoren Fischereiin spektoren anzustellen. Fischer find im Allgemeinen Neuerungen Schwer zugänglich, und es möchte deshalb auch in dieser Be ziehung von der Einwirkung derartiger autoritativer Persön lichkeiten mancher Fortschritt zu erhoffen sein. Jede Unter stügung eines Gewerbes hat ja eine gewisse Verbesserung des Betriebes zur Folge; aus demselben Grunde würde es sich da her auch empfehlen, für die Erlernung der Fischerei aus diesem Fonds Prämien auszuseßen.
Abg. Schrader: Die verschiedenen Redner haben bei ihrer Befürchtung der Pofition auf verschiedene Ziele, die mit dem Gelde zu verfolgen seien, hingewiefen. Das zeigt deutlich, daß die vollste Untlarheit über den Plan und die Bwecke der Verwendung herrscht. Einen solchen Plan vorzulegen, ist Aufgabe der Regierung und nicht des einzelnen Abge ordneten oder des Reichstags. Durch neue Bewilligungen würde die Reichsregierung nur auf neue Ziele hingelenkt wer den, und dazu würden wieder die Mittel nicht ausreichen. Ich bitte deshalb um Annahme des Beschlusses der Budgettommission.
Staatssekretär v. Boetticher: Die Zwecke, welche die Regierung verfolgt, sind in dem Plane, der Ihnen vorliegt, be zeichnet. Ist ein Abgeordneter damit nicht zufrieden, so ist es seine Aufgabe, zu sagen, wie er es besser gemacht zu sehen wünscht. Hierüber hat aber der Abg. Schrader keine Auskunft gegeben.
Abg. Dr. Sattler: Das Hauptmotiv für die Ablehnung der Erhöhung der Position durch die Mehrheit Der Kommission sind nicht, wie der Abg. Dr. Schrader es dar gestellt hat, die Bedenken gegen die Art der Verwendung des Fonds gewesen.
Geh. Ober- Regierungsrath Wehmann: Die Verwendung des Fonds ist im Einverständniß mit dem Reichstag in der Dentschrift festgestellt worden, die bei der ersten Einstellung der Bosition in den Etat vorgelegt und von keiner Seite des Hauses bemängelt worden ist.
Die Debatte wird hierauf geschloffen.
Bei der Abstimmung ergiebt sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses: von 175 anwesenden Mitgliedern stimmen 98 mit Ja, 77 mit Nein. Die Sigung wird daher abgebrochen; der Präsident segt aus eigener Machtvollkommenheit die nächste Sigung auf Sonnabend 1 Uhr an. Einer Meldung des Abg. Windthor st zur Geschäftsordnung giebt der Präsident feine Folge, da bei konstatirter Beschlußunfähigkeit eine Debatte nicht mehr üblich ist.
Schluß 4 Uhr. Nächste Sigung Sonnabend 1 Uhr. Fortseßung der Etatsberathung).
Lokales.
Der Hoffnungsstern der Beschäftigungslosen ist in der Weihnachtszeit die Reichspost. Um den starken Weihnachtsver Tehr bewältigen zu können, ist die Reichspost genöthigt, alljähr lich ein ganz bedeutendes Weihnachts- Hilfspersonal anzustellen und hat fich auch in diesem Jahre dieser Nothwendigkeit nicht entziehen tönnen, denn, wie verlautet, find allein bei der Packet fabrpost 600 Hilfsarbeiter angenommen worden. Auch die Privatpost Hansa"( Hahn, Achilles u. Co.) hat, wie fie fundgiebt, ihr Personal bedeutend vermehrt, um den erhöhten Anforderungen der Weihnachtszeit gewachsen zu sein. Troßdem auch auf noch manchem anderen Gebiete eine Erhöhung der Arbeitskräfte erforderlich ist und trotzdem auch der milde Winter einer großen Bahl sonst um diese Zeit Beschäftigungsloser Beschäftigung giebt, ist die Arbeitslosigkeit in Berlin gegen wärtig doch eine ganz bedeutende, da auf anderen Gebieten wieder eine Beschränkung der Arbeitskräfte oder ein gänzlicher Stillstand eingetreten ist. Den besten Beweis liefern die Arbeitss und Stellen- Nachweisebureaus. Den Arbeitsuchenden wird immer die wenig troftlofe Antwort: Ja, vor Weihnachten ist es schlecht! Vielleicht nach Weihnachten !" Die Lefeballen find überfüllt und ist hier besonders start das weibliche Geschlecht
fuchen, da die gegenwärtige Musterzeit die meisten von ihnen suchen, da die gegenwärtige Musterzeit die meisten von ihnen brotlos gemacht hat. Auch ihr Suchen ist meist vergeblich, denn in ihrer Branche um die jeßige Beit Arbeit zu finden und namentlich durch die Zeitungen, dürfte wohl etwas noch nicht dage: wesenes sein. Auch sie werden bis nach Weihnachten vertröstet. So wird das tommende Weihnachtsfest auch von den Arbeitslosen freudig begrüßt, wenn auch nur in der Erwartung, daß bald nach ihm eine bessere Zeit anbrechen werde, eine Zeit der Arbeit und des Erwerbes.
Das Weihnachtsgeschäft steht in seiner Blüthe und wenn wir nach dem äußeren Sinne zu urtheilen hätten, müßte es überall reiche Früchte tragen, denn emfige Thätigkeit ist allent halben bemerkbar. Auf dem Weihnachtsmarkt" herrscht sogar an manchen Tagen, besonders in den Nachmittags und Abend stunden, ein solches Menschengewoge, wie seit Jahren nicht, nur beklagt man fich allgemein darüber, unter den Gewerbetreiben den des Weihnachtsmarktes, wie unter den Befizern der größten und reich ausgestatteten Läden, daß der Verkauf sich nur auf sogenannte fleine, billige Gegenstände beschränkt, während die großen, theueren unverkauft bleiben. Jegt um die Weihnachtszeit, wo die Geschäftsleute miteinander wetteifern, ihre Ver taufsgegenstände ins hellste Licht zu sezen, wo Alles gethan wird, um Käufer anzuziehen und auf die ausgestellten Gegen stände aufmerksam zu machen, tritt die Ausschmückung der Schaufenster unserer großen und fleinen Magazine um so mehr her vor. Der Geschmad, welcher nicht nur bei dieser Gelegenheit, sondern im Allgemeinen auf die Ausschmückung der Schaufenster verwandt wird, erregt aber nicht allein die Aufmerksamteit des Einheimischen, sondern mehr noch diejenige des Frem den. Wurde doch noch erst vor Kurzem in einer der gelesensten New- Yorker Zeitungen darauf hingewiesen, daß weder in Paris , noch in London , noch sonst in irgend einer Stadt des Festlandes in der Ausstattung und Ausstellung von Waaren in den Schaufenstern so viel Geschmack entwickelt werde, wie in Berlin . Besonders wurde betont, daß die Aufmerksamkeit des Beschauers nicht durch marktschreierische Anpreisungen, son-. dern durch vornehme Einfachheit, durch passende Zusammen stellungen, nicht durch Massenvorführung der gleichen Gegenstände, wie in anderen großen Städten, sondern durch geschickte Gruppirung, durch farbenreiche Wirkungen, zu erzielen gesucht wird. In der That kann sich von der Wahrheit dieser Be hauptungen Jeder überzeugen, der sich jetzt die Mühe giebt, unsere Straßen Abends, und zwar nicht allein im bevorzugten Westen, sondern ebenso im Norden und Often, zu durchwan dern. An Stelle der einfachen Glasscheiben, welche in früheren Jahren genügten, find große Spiegelscheiben getreten, die vers schwenderische Anwendung von Gaslicht genügt heute nicht mehr; in den Hauptstraßen verbreiten die elektrischen Bogenlampen, welche an den Schaufenstern angebracht sind, Tageshelle. Das Erdgeschoß wird durch Verbindung desselben mit dem oberen Geschäftsraum mittelst großer Spiegelscheiben ebenfalls als Schaufenster nugbar gemacht. Es ist keineswegs leicht, ein solches Fenster geschmackvoll und passend auszustatten. Personen, welche dies Geschäft verstehen, werden theuer bezahlt; iegt um die Weihnachtszeit sind sie die gesuchtesten Sachvers ständigen. Große Geschäfte unterhalten zu diesem Zwecke ihre eigenen Leute.
Ueber eine neue foftbare Bereicherung Berlins wird zur Zeit berathen. Es handelt sich darum, dem Namen eines der deutschesten und freiesten Männer in der Reichshauptstadt ein Wahrzeichen dankbarer Erinnerung zu weihen. Es handelt fich um das Denkmal für Lessing , welches im Thiergarten an der Lennestraße errichtet werden soll. Von den deutschen Geistesheroen giebt es wohl keinen, dessen Eigenart sich mehr mit dem Inbegriff dessen decken könnte, was als geistige Blüthe Berlins in die Erscheinung tritt, als gerade Leffing. Der scharfe kritische Geist, die herbe Energie und die Arbeitsfreudigkeit eines Leffing sind geistige Eigenschaften, die in den besten Aeuße= rungen des Berliner Lebens hervorstechend zu Tage treten, und so erhält Leffing, der ja auch sonst aus dem Berliner Boden so mannigfache Anregungen gesogen hat, in Berlin das Denkmal an einer Stätte, die seiner am würdigsten ist. Sechsundzwanzig deutsche Kunstler haben sich, so schreibt die Freis. Stg.", zum Wett bewerb eingefunden; 26 Lessingmodelle sind in den Sälen der Akademie aufgestellt, leider aber entspricht die Güte nicht der Menge. Es ist viel Schönes unter den ausgestellten Modellen, welche von der Jury und der öffentlichen Meinung gegenwärtig geprüft werden, aber bedauernd vermißt man das Einfach. Große, das wir nun einmal mit Leffings Charakter verbinden. Fast scheint es, als sei unseren Künstlern der Bug zur monumen talen Behandlung verloren gegangen. Den ausgestellten Modellen gemeinsam ist es, daß dem symbolifirenden Beiwert eine zu große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, indeß die Hauptsache, Lessings ausdrucksvoller Kopf, vernachläffigt wurde. Hierbei wollen wir von manchen Verirrungen ganz absehen. Man stelle sich beispielsweise einen Lessing vor, in schwärmerisch- theatralischer Haltung, die eine Hand weit von sich gestreckt, die andere pathetisch an die Brust gedrückt! Lessing , dessen flarer Geist in jedem Wort, welches er niederschrieb, dem Gemachten, dem bohlen Schein feind war! Von den hervorragendsten der ausgestellten Modelle sind es vornehmlich drei, welche die allge meine Aufmerksamkeit erregen werden, die Entwürfe Otto Leffings, eines Urenfels Gotthold Ephraims, Eberleins und Hilgers. Otto Lessings Modell kommt dem Charakter des wirklichen Lessing noch am nächsten. Einfachheit und Klarheit ist der Grundzug in seiner Komposition. Der Kopf ist unter allen Modellen verhältnismäßig am ausdruckvollsten auss gearbeitet. In den Gefichtszügen sind selbstbewußte Ueberlegenheit und Verstandesschärfe ausgeprägt. Postament ist beinahe nüchtern ausgeführt und zeigt auf der Stirnseite, vom Lorbeerkranz umrahmt, die Widmungs schrift oder den Namen. In den drei anderen Seiten find runde Nischen vertieft mit den Büsten der drei Freunde Leffings, Mendelssohn's, Nitelais, v. Kleists . Verzichtet Otto Leffing auf jede Symbolifirung, so ist Eberleins Entwurf um so reicher an fymbolischen Gruppen. Leider ist Leffing bei Eberlein zu iugendlich aufgefaßt. Nicht der Jüngling Leffing ist es, der mit unserer Erinnerung unzertrennlich verbunden ist, sondern vielmehr der Mann Leffing. Eberleins Lessing will uns zu sehr als jugendlicher Feuergeist erscheinen. Das Postament ist mit schönen Statuengruppen und geistvoll erfundenen Reliefs ges schmückt. Manches freilich erscheint erflügelt; so die Symbolis firung Lessings als Erneuerer der deutschen Sprache. Eine große Maste mit offenem Mund ist zu sehen, zu deren Seiten zwei Gnomentnaben lauschen, als wollten fie ihre Offenbarungen ihr vom Munde ablesen. Hilgers Entwurf schließt sich an Eins fachheit dem Otto Leffings an.
Das
Die Zufuhr von Weihnachtsbäumen, besonders auf dem Anhalter und Potsdamer Bahnhof, hat in diesem Jahre so überaus große Dimensionen angenommen, daß der Bedarf bei Weitem überschritten ist. Auf dem Potsdamer Bahnhof harren noch mehrere Waggonladungen der Abnahme durch die hiefigen Händler. Vermuthlich werden die Preise für Weih nachtsbäume in diesem Jahre daher ziemlich niedrige sein, wenn die Händler auch vorläufig noch hoch und fest notiren. Man fieht übrigens wahre Prachteremplare von Bäumen ausgestellt.
In verschiedenen Zeitungen wird jept mit einer gewissen Genugthuung davon gesprochen, daß auf den Bauten Tag und Nacht gearbeitet wird. Leider wird hierbei der Umstand außer Nacht gearbeitet wird. Leider wird hierbei der Umstand außer Acht gelassen, daß sich während der Nachtzeit die Gefahr für den Bauhandwerker in ganz foloffaler Weise vermehrt. Auf dem Bau Friedrichstraße 237 ist man jetzt auch Tag und Nacht beschäftigt, Brunnen zu senken. Bei dieser überaus gefährlichen und anstrengenden Arbeit- ein Brunnen wird mit 700 Bentnern belastet verunglückten gestern ein Polier und ein Arbeiter, als fie die Arbeit revidiren wollten. Nachdem die Verlegten wegeschafft waren, erschienen Vertreter der Baupolizei auf dem
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vertreten. Es sind die Mäntelnäherinnen, welche nach Arbeit Bauplatz, leider zeigte man diesen Herren die wirklich gefahr
drohenden Stellen aber nicht. Es fehlen auf dem Bau, wie uns mitgetheilt wird, alle Schußvorrichtungen. Wann endlich wird man auf Leben und Gesundheit der Arbeiter die ges nügende Sorgfalt verwenden!?
Der Abbruch des Mühlendammes wird zum mindesten ein volles Jahr in Anspruch nehmen. Die Hälfte der rechten Seite bis zur Fischerbrücke ist schon fast völlig niedergeriffen bis auf das Eckhaus 12 13, mit dessen Abriß man innehalten mußte, weil ein Zusammenstürzen des Nachbarhauses, Fischerstraße 43, zu befürchten war. Dieses morsche Bauwerk, in dem fich übrigens auch ein Bostamt befindet, ist einstweilen durch Balfen gestützt worden und wird nach dem 1. April 1887 zu= gleich mit dem Edhause des Mühlendammes fallen. Gegenwärtig hat man auf der rechten Seite schon mit dem Abbruch von Häusern jenseits der Brücke begonnen; es find das Nr. 25, 27 und 28; in dem dazwischen liegenden Gebäude, Nr. 26, befindet sich noch ein Hamburger Laden" und eine Fünf Pfennig- Barbierstube; die Befißer können fich wahrscheinlich von dem lieb gewordenen Mühlendamme nicht trennen. Nach dem 1. Januar wird der Abriß auch auf die linke Seite der Straße ausgedehnt werden; zunächst ist daselbst die nach dem Köllnischen Fischmarkt zu gelegene Hälfte der Häuserreihe für den Abriß bestimmt, außer dem Gebäude Nr. 11, welches erst nach dem 1. Oktober niedergelegt wird. Nachdem dann Bresche hier geschlagen ist, soll an den Mühlen ein provisorisches Heim für die Polizeibureaus geschaffen und dann erst die zweite Hälfte der linken Seite abgebrochen werden, in deren erstem Stockwerk jene Bureaus sich zur Zeit befinden.
Der Kunstreiter- Keller, über deffen baldiges Eingehen in Folge bevorstehenden Abbruchs des Hauses Friedrichstraße Nr. 100 mir unlängst berichteten, durchlebt noch vor seinem Ende eine wahre Glanzperiode. Die seltene Thatsache, daß Berlin augenblicklich zwei Zirkus befigt, übt in erster Linie ihren Einfluß auf den Keller des Vater Scheidig". Stehen fich die beiden konkurrirenden Unternehmen sonst auch fübl gegenüber, bei Scheidig gleicht fich Alles aus; dort kennt das internationale Artistenthum teine Unterschiede. Afrobaten, Klowns, bare- back und Panneau- Reiter, Meister der hohen Schule, Geschäftsführer und Jongleurs, Reiterinnen und Balletteusen, fte alle finden sich dort zusammen, um ihre Ideen auszutauschen und sich an der prächtigen Küche von Muttern" gut zu thun. Ein größeres Gemisch der verschiedenartigsten Sprachen und Nationalitäten dürfte in der Residenz kaum zu finden sein, wie in dem engen, niedrigen Hinterraum des Kunste reiterkellers, in dem Scheidig, der lebendige genealogische Ka lender für alle Zirkus- Korpphäen und ihre Verwandtschaft, das Regiment führt.
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Ein reges Bild baulicher Thätigkeit wird im kommen den Frühjahr der Theil der Friedrichstraße , welcher zwischen Weidendamm und Stadtbahn liegt, bieten. Das Projekt der Verbreiterung geht nun doch seiner Verwirklichung entgegen, es müssen daher sämmtliche zwischen Weidendamm und Stadtbahn gelegenen Häuser um soviel zurückrücken, daß ihre neue Front mit dem Joch der Stadtbahnbrücke abschneidet. Das Haus Ede Kupfergraben wird zuerst abgerissen werden und es ist den Miethern deffelben bereits zum 1. April 1887 gekündigt. Auch das gegenüber dicht an der Weidendammerbrüde liegende Haus und die dahinter an der Spree stehenden Lagerhäuser sehen im Frühjahr ihrer Niederlegung entgegen, um Raum zu geben für eine Uferstraße, welche den Namen Reichstagsufer führen wird.
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Ueber ein hochtragisches Ereigniß, das sich vor einigen Tagen in Berlin zugetragen hat, weiß ein hiesiger Gerichtsreferent folgendes zu berichten: Ein sonst wohl angesehener Bürger nennen wir ihn A. hatte einen anderen, den wir mit B. bezeichnen wollen, beim Schöffengericht wegen Be leidigung verklagt, weil B. ihm, dem A., vorgeworfen hatte, ein bestrafter Mensch zu sein. Der Verklagte B. nahm fich einen tüchtigen Vertheidiger an, bereitete den Wahrheitsbeweis vor und ließ in der vom Anwalt abgefaßten Klagebeants woltung eine Menge Vorstrafen aufzählen, darunter auch Bucht hausstrafen, die A. erlitten baben sollte. Als die Klagebeant woatung wie üblich dem Kläger zugestellt wurde, war A. nicht zu Hause, seine Frau nahm das Schriftstück in Empfang, öffnete daffelbe, und sie, die bisher geglaubt hatte, die Frau eines unbescholtenen Mannes zu sein, mußte jezt die entsess liche Erfahrung mechen, daß ihr Gatte nichts weniger als ein Ehrenmann sein sollte. In wahnsinnigem Schmerze faufte fich die Frau einen Revolver und versuchte, fich zu erschießen. Sie ist zwar noch nicht todt, doch so schwer verwundet, daß an ihrem Auffommen gezweifelt wird. Aus naheliegenden Gründen wird die Sache sehr sekret behandelt.
Durch den Hufschlag eines Pferdes wurde der im Pferdebahndepot in der Stromstraße als Pferdepfleger stationirte Knecht Johann Bl. in dem Stall des genannten Depots gestern Abend am Unterleib so schwer verlegt, daß er bewußtlos zu fammenbrach. Der Verunglückte wurde zur königlichen Charitee gebracht.
Mittels Chantali wollte sich die in der Wasserthorstraße wohnende Wittwe K. gestern Abend das Leben nehmen. Sie wurde bei ihrem unfeligen Vorhaben überrascht und auf Ver anlaffung des 41. Polizeireviers durch den Lücke'schen Kranken Transportwagen der fönigl. Charitee zugeführt, woselbst die bestehende Lebensgefahr durch fräftige Gegenmittel rasch beseitigt wurde. Nahrungsforgen und Familienzwist sollen die 52jährige Frau zu der That getrieben haben.
Ein Unglücksfall ereignete sich gestern Nachmittag gegen 4 Uhr auf dem Abbruch des Hauses Reinickendorferstraße 3 am Wedding . Während einige Maurer mit dem Abbrechen von Mauersteinen beschäftigt waren, arbeiteten die Tagelöhner Friedrich S. und Heinrich St. zu ebener Erde am Wegräumen des Schuttes. Plöglich stürzte ein Fensterpfeiler von oben herunter und traf die beiden genannten Tagelöhner; dem ersteren wurde der rechte Fuß zerquetscht und erhielt er auch bedeutende Verlegungen am Kopf; der zweite trug starte Verlegungen
Charitee geschafft.
Als gemeingefährlich geisteskrant wurde gestern Mittag um 12 Uhr der Kutscher Friedrich Schl. aus der Wallstraße durch das 40. Polizeirevier nach der Jrrenstation der Königl. Charitee eingeliefert. Nachdem Schl. am vergangenen Tage und in vergangener Nacht in seiner Wohnung gerast und ges tobt, auch seine Familie arg bedroht hatte, erfaßte ihn heute Vormittag plößlich wieder die Raserei, als er auf dem Hof des Grundstückes Wallstr. 3/4 mit dem Reinigen eines Wagens beschäftigt war. Er fing an zu schimpfen und zu toben und schlug zuletzt mit dem Reinigungsbesen Alles nieder, was ihm in den Weg kam. Auf Requisition des Dienstherrn wurde Schl. zur Polizeiwache gebracht, woselbst der herbeizitirte Bea feine Ueberführung nach der fönigl. Charitee anordnete. Schl. Sein Zustand ist um so gefährlicher, als Schl. ein großer, hertulisch gebauter
leidet an Verfolgungswahnsinn.
Mensch ist.
Ueber einen schweren Einbruch und Raubmordversuch wird uns folgendes berichtet: In der verflossenen Nacht ist in dem Hause Voßstraße Nr. 14 ein Einbruch unter erschwerenden
Hauses wohnt Frau Rentiere Dotti, bei welcher fich außer ihrer Gesellschafterin z. 3. besuchsweise ihr Sohn und ihr Schwiegersohn, der Gutsbefizer W. aufhalten. Heute Morgen gegen 3 Uhr wurde die Gesellschafterin durch ein aus dem anstoßen den Speisezimmer dringendes Geräusch erweckt und hierdurch veranlaßt, die Frau Dotti und Herrn W. zu weden. Lepterer bewaffnete fich mit einem Schlagring, trat in das Speiſezimmer und fand hier 2 Menschen vor, die Laternen trugen und damit