höhe ohne Anstrengung erkennen kann. Ich meide diese| Magen, die wegen ihres ewigen Dämmerlichts ohnehin einen ungemüthlichen und höhlenartigen Eindruck machen, nach Mög lichkeit, hauptsächlich aus dem genannten Grunde der Beit­erfparniß; bei großer Ueberfüllung der Büge bleibt einem indeß häufig feine Wahl und man nimmt dann ergeben auch in dem dunklen Käfig Play, Trost in dem Gedanken findend, daß man zum möglichst baldigen Verschleiß der alten Kasten nun auch bas Seinige beiträgt. Diese Ansicht, daß die alten Wagen lediglich aufgebraucht werden müssen, wird übrigens, wie jeder Berliner Draußenbewohner bestätigen wird, allgemein getheilt. Sollte die Ansicht in der That irrig sein, was ich, wie gesagt, nicht glauben kann, und sollten die Bahnverwaltungen noch weiterhin derartige dunkle Höhlenwagen bauen wollen, so möchte ich davor doch im Interesse des Augenlichts aller Fahrgäste britter Klaffe dringend warnen und im Verein mit meinen Sämmtlichen Reisegenossen allen Wagenbauleuten und Wagen fabrikanten, die es bunkelen Beginnen!" Wie steht es aber mit den Waggons angeht, zurufen: Laßt ab von Eurem vierter Klaffe? In diesen fahren doch auch Menschen! Hier über scheint man sich jedoch kein Kopfzerbrechen zu machen.

Alte Gewohnheiten lassen sich durch neue Einrichtungen Teineswegs so leicht unterdrücken und selbst in dem schnell strömenden Leben der Großstadt ist die in der Bevölkerung wurzelnde Gewohnheit mächtiger als die umstürzenden Neue­rungen. Der Gänsemarkt auf dem Dönhofsplay ist ver schwunden. Von der langen Reihe der ländlichen Planwagen, Die früher dort aufestellt waren, fehlt jede Spur, und in den angrenzenden Straßen trägt nicht mehr, wie früher, die Mehr­zahl der Vorübergehenden die Weihnachtsgans im Arme. Was bie neuen Markthallen an Stelle des alten Gänsemarktes bieten, entspricht nicht den Anforderungen der Berliner , die er an das wichtige Geschäft eines weihnachtlichen Gänse- Einkaufs stellt. Kein Wunder, daß das allgemeine Bedürfniß einen Ausweg fuchte und fand. Wer jetzt, und namentlich des Sonntags Vormittags, einen Spaziergang nach Rummelsburg unternimmt, dem bietet sich ein eigenartiges Bild. Hunderte von Berlinern Tehren von dort zurück, jeder mit einer lebenden Gans beladen. Ein glüdlicher Familienvater, der sich in Begleitung seines etwa achtjährigen Sprößlings befindet, hat zwei dieser schmack­haften Vögel gekauft und da ihm das Tragen derselben zu beschwerlich ist, so tommt der geistreiche Sohn auf die Idee, bie beiden Gänse mit einer Schnur unter den Flügeln zusammen­zubinden, so daß sie bequem neben einander laufen können; dann befestigt er seine Pferdespielleine in der bequemſten Weise an den Thieren, der Vater bricht eine Ruthe vom nächsten Baum und im Dauerlauf geht das luftige Gespann, die Gänse laut schreiend, den Weg nach Berlin . Nur einmal noch wird am Stralauer Wege Halt gemacht; ein dort wohnender Fischer zeigt mit großer Kreideschrift an dem Baune seines Grundstücks an, daß heute hier der Fischverkauf stattfinde. Es sind meist Heine Weißfische, Hechte und Barsche, die der Mann in der Gegend von Stralau gefangen hat; aber der Berliner liebt alle Naturprodukte seiner Heimath; ein kleines Gericht Fische wird gefauft, mag fich Mutter zu Hause auch über das ,, Grätenzeug" ärgern. Weiter geht der Zug nach Haus; voran der Junge mit dem Gänsegespann, der Nachmittags seinen Spielkameraden seine Fahrt mit den unvermeidlichen Ausschmückungen der kind­lichen Phantafie schildert. Und wenn aus dem Jungen einst ein alter Mann geworden ist, dann wird er noch oft still fächelnd zurückdenken an die Freuden des Gänsekaufens in Rummelsburg .

Das war vorgestern ein goldener Sonntag", wie er sein mußte: schönes, trockenes Wetter und eine gute Kaufluft. War schon am Tage der Verkehr auf den Straßen ein unge­wöhnlich starker, so schwoll er in den Abendstunden in einer Weise an, welche eine regelmäßige Birkulation der Passanten ftellenweis unmöglich machte. In einzelnen Geschäften der Friedrichstadt , insbesondere denjenigen, welche billigere Gegen­ftände zum Verkauf stellen, standen die Käufer bis zur Thür, so daß man weder hinein noch hinaus konnte. Der größte Trubel herrschte auf dem Weihnachtsmarkt und in den zu ihm führenden Strnßen. In den Budenreihen wogte es hin und her, die Paffanten wurden geschoben und gehoben und wenn wirklich Käufer sich darunter befanden, welche sich von dem Strom ablösen wollten, um an eine der Buden zu treten fie wurden mit fortgeriffen. Aber troßdem wurde flott gekauft und bie Marktleute machten anscheinend ein gutes Geschäft. Radau berrschte auch diesmal, aber nirgends kam es zu jenen rohen Ausfällen, welche ein Einschreiten der Sicherheitsmannschaften erforderte, wie dies in früheren Jahren häufig der Fall war. Es herrschte jene gehobene Stimming, welche bei allem Ueber­muth die Grenzen fennt, welche anständige Leute zu beobachten wiffen. Der Schneefall, welcher gegen 2 Uhr Nachts eintrat, brachte Berlin das echte Weihnachtsgepräge. Schon eine Viertelstunde darauf stellten sich alle großen und kleinen Leiden ein; die schlecht beschlagenen Droschfenpferde konnten sich nur mit Mühe auf den Beinen halten oder stürzten, und als gegen 7 Uhr die ersten Pferdebahnwagen in Altion traten, mußte Vorspann geleistet werden. Allem Anschein nach wird sich der Schnee nicht lange halten und so steht uns denn ein großer Matsch" in Aussicht.

Das Polizeipräsidium weist die Behörden darauf hin, daß zur Erleichterung der Vergleichung von Photographien mit den im diesjährigen Verbrecheralbum befindlichen fich eine Gleichmäßigkeit in der Aufnahme und Behandlung des Bildes empfiehlt und zwar die Aufnahme eines Bruftbildes dreiviertel im Profil, so daß das linke Ohr in seinen Formen deutlich erkennbar wird. Wenn sich im Laufe der Jahre die Gefichts­züge völlig verändert haben, so hat das Ohr seine Form bet behalten, auch giebt es faum zwei Personen mit gleich geformten Ohren. Von jeder Retouchirung, welche wohl das Aussehen des Bildes verschönt, die Deutlichkeit der Züge aber beeinträchtigt, sei entschieden abzurathen.

Warnung vor den Hamburger Bücheranzeigen. Be­Tühmteste Prachtwerke! Werth das Fünffache! Epottbillig! so beginnen meist die Bücherangebote, die von Hamburger Anti­quariatsbuchhandlungen ausgehen und wenn man nur den Titel der Bücher betrachtet, allerdings verlockend sind. Den Titel Antiquariatsbuchhandlung meidet man, weil das den Umfaß hindern könnte und der Titel Exporthandlung viel besser flingt. Der Export" der Bücher geht aber fast ausschließlich nach Deutschland , oder wenn er an im Auslande lebende Deutsche geht, so werden unsere Landsleute durch den Bezug der Bücher in unangenehmster Weise an das Vaterland erinnert. Die Exporteurs" vertreiben zumeist alte Auflagen, die bei geogra phischen oder Geschichtswerken fast gar keinen Werth haben, bei anderen Büchern lange durch verbesserte Ausgaben ersetzt sind. Aber auch vor direktem Humbug scheuen sie nicht zurüď. Schiller's Werke, die so ausgezeichnete Ausgabe in 12 Bän den" in Prachtbände gebunden", heißt es im Prospekt, dagegen erhält man eine ganz gewöhnliche Ausgabe in 3 Bände ge­bunden. Um die alten Sachen beffer an den Mann zu bringen, erhalten sie häufig neue Umschläge; aus einer alten Zeitschrift wud durch einen Umschlag das neueste Buch der Welt" ge­macht. Könnte der Käufer die Bücher vorher sehen, so würde er fich hüten, fie zu kaufen. In Hamburg felbit machen jene Händler gar keine Geschäfte, deshalb der Name ,, Exporthändler", im ungesehenen Verkaufe liegt das Geheimniß. Vor derartigen Pluswüchsen muß man den deutschen Buchhandel schüßen.

Zu der Leihbibliothet. Wie gut die bewährtesten Agenten Der Leihbibliothet: die Winterabende, ihre Sachen machen, das beweist am besten ein Viertelstündchen in einer unserer Markte bollen des Geistes. Am allerhäufigsten erklingt wohl der Wunsch: Ich bitte um etwas Bifantes." Der bücherspendende Süngling meint, mit bösem Blick auf die Leserin mit der Schul­mappe: Den Bola haben Sie schon gehabt, vielleicht ein Belot gefällig mir war der auch pifant genug!" Ein langhaariger

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Gelehrter nimmt indeß ein fleines Augenbad in Rommentaren, endlich hat er eine vergilbte alte Ausgabe mit verblaßten Lettern entdeckt und meint entzückt: Ich bitte, mein Abonnement gleich entdeckt und meint entzückt: Ich bitte, mein Abonnement gleich auf zwei Monate zu erstrecken, ich werde lange über diesem fostbaren Buche figen." Guten Morgen, Fräulein Anna. Sie wünschen?" Die Angesprochene holt bedächtig die Bücher aus dem Einkaufskorb und legt sie schnell auf einen großen Stoß. Dier fehlt ja der letzte Band."" Ich bringe ihn morgen nach, ich habe ihn noch nicht ausgelesen und die Gnädige war so rücksichtslos, es früher zurückzuschicken. Freilich sie kann den ganzen Tag lesen, ich aber muß mir die Zeit für die Bildung stehlen. Heute bitte ich um irgend eine gräfliche oder fürstliche Geschichte, ich bewege mich gerne in feinen Kreisen." feinen Kreisen." Babe die Ehre, Herr Doktor, wieder ein politischer Roman gefällig?" Natürlich, die langweilen meine Frau, da liest sie nicht mit und geht ihrer Wirthschaft nach." Guten Tag, gnädige Frau, schön, daß Sie uns wieder be­ehren." hat die Marlitt was Neues?"" Nein, fie schreibt jest wenig." Da traue ich mich gar nicht zu meinen Töchtern heim, geben Sie mir zu ihrer Beruhigung ausnahmsweise etwas Franzöfifches, aber solid!"- Junger Herr, Sie wünschen?" " Sie, ich habe heute wegen ausgegangenen Taschengeldes meinen Tacitus zum Antiquar getragen. Die Mutter hat so zwei Abonnements, leihen Sie mir ihn als Aufgabe, der Alte steht so nur herum." Meinetwegen, die Nachfrage ist allerdings nicht groß, aber schonen junger Herr."" Danke, aber schöne Leute kommen zu Ihnen, das muß man sagen!" Der lettere ironische Ausruf gilt einer indiskret mageren Miß, die achtzehn Bände Walter Scott zurückbringt und wieder eine Kleinigkeit" von diesem theuren Meister verlangt." Ah, Ihr Diener, Fräu­lein Jda, befehlen?" Sch komme, die Herren nur schön bitten, sie sollen es dem Papa nicht sagen, daß wir diesmal fein Pfand gegeben; wir haben das Geld anderweitig ver­braucht." Aber natürlich, das kommt öfter vor; vielleicht heute zur Abwechslung etwas Klaffisches gefällig?" Meinetwegen, in den dummen Schulausgaben ist so immer das Schönste ge­strichen." Fräulein, wünschen?"" Sie, in dem Band fehlen drei Blätter; auf 144 geftattet sie ihm den ersten Handfuß und auf 151 schaufelt sie bereits ein Kind auf den Knien."" Es ist natürlich, daß Sie da den Zusammenhang nicht verlieren wollen. Bitte, hier ist ein vollständiges Exemplar." Aber, Madame, Sie haben ja schon wieder einige Bücherecken abgeschlagen?" Kann schon sein! Die Kinder haben gestern damit Ball ge­Spielt." Bitte um Reisebeschreibungen," piepst ein Schul bube, aber mit vielen unglücklichen Reisenden, die dann von den Kannibalen gegeffen werden." Ein livrirter Diener ver­langt ruhige Märchen" für die kleine Gräfin, nur nichts Schauerliches, sonst fürchtet sie sich". Der Mann am Bücher­tische versieht ihn zerstreut mit einer schaurigen Gespenstergeschichte; dann erblickt er den Zeitungsausträger, entreißt ihm das Abend blatt und überreicht es sich selbst mit den Worten: So, da hast du das Neueste!"

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Ein musikalisches Gutachten hat die Abtheilung für schleunige Sachen des hiesigen Landgerichts I darüber von dem schleunige Sachen des hiesigen Landgerichts I darüber von dem gerichtlichen Sachverständigen eingefordert, ob in der Private wohnung eine Mufitaufführung mit Klavier und Kornet à Piston als rubestörender Lärm zu betrachten ist. Ein Hausbesizer in der Reichenbergerstraße hat diese Mufilaufführung eines seiner Miether als Ermissionsgrund betrachtet und die schleunige Klage auf Räumung der Wohnung gegen den Miether angeſtrengt, da die Mufitaufführungen mehrere Male wöchentlich stattfanden, bis spät in die Nacht währten und den Mitbewohnern des Hauses zu Klagen Veranlassung gaben. Der musikalische Miether will fich dagegen in seinem Kunstgenuß nicht stören laffen und behauptet, daß der ihn beim Klavierspiel begleitende Kornetbläser nur leise und nicht mit ganzer Kraft blase, so daß von unge­wöhnlichem Lärm keine Rede sein könne. Vielleicht wird der Kornetbläser zu noch leiserem Blasen verurtheilt.

Zu dem bereits gemeldeten Einbruchsdiebstahl in der Voßstraße veröffentlicht der Polizeipräsident an den Anschlag­säulen nachstehende Bekanntmachung: 300 Mart Belohnung. In der Nacht vom 16. zum 17. d. l. haben Diebe bei einer in der Voßstraße wohnhaften Dame einen Einbruch ausgeführt, wobei fie von dem Schwiegersohn derselben überrascht wurden. Während einer der Diebe, welcher nicht näher beschrieben werden fann, mit verschiedenen E. D. gezeichneten Silbersachen entkom men ist, hat der andere längere Zeit mit dem gedachten Herrn gerungen, und find ihm hierbei von dem legteren mit einem Schlagring verschiedene Verlegungen am Kopfe beigebracht worden. Trotzdem ist der Dieb, nachdem er in der Voßstraße auf seinen Verfolger geschoffen und diesen hierdurch an der Hand verlegt hatte, durch die Königgräger und Lennestraße nach dem Thiergarten entkommen. Er wird wie folgt be­schrieben: Mittelfigur, schwarzes, wahrscheinlich lockiges Haar, Geficht mit unreinem Teint, vielleicht Bockennarben. Obige Be lohnung wird demjenigen zugesichert, welcher die vorbeschriebene Person so nachweist, daß ihre gerichtliche Bestrafung erfolgen fann. Bemerkt wird, daß die Diebe am Ort der That 2 Paar Bugstiefel, einen schwarzen Kalabreserhut mit weißem Futter, sowie einen fleinen runden Filzhut mit blauem Futter, zurüd gelassen, also in Strümpfen und ohne Kopfbedeckung sich ge­flüchtet haben.

Die Karpfen sind zum Feste etwas billiger geworden; der gegenwärtige Preis im Großhandel beträgt nach dem amt­lichen Marktbericht nur 35-40 Pf. für das Pfund. In der Burgstraße werden jest täglich zahllose Fässer mit goldbraunen Karpfen abgeladen, die dort in den Drebeln bis Weihnachten und Neujahr aufbewahrt werden. Auch der Preis der Echell fische ist in Folge der reichen Bufuhr auf ca. 20 Pf. zurückge gangen. Allein bei dem eingetretenen Sturmwetter ist eine Steigerung des Preises bald wieder zu erwarten. Die schwe dischen Heringe, welche jegt in der Zentralmarkthalle versteigert werden, kamen dagegen zu spottbilligen Preisen, die nicht eins mal die Fracht deckten, in die Hände der Käufer.

Ein theilweiser Einsturz eines Neubaues erfolgte gestern Mittag auf einem Grundstück in der Perlebergerstraße. Das Vorderhaus ist bereits fertiggestellt und die Arbeiter waren mit dem Aufbau des Hintergebäudes bezw. der Aufführung des Gerüftes in Höhe des fünften Stockes beschäftigt. Die foloffale Höhe desselben und der Umstand, daß das Hinterhaus das Vorderhaus um eine Etage überragte, waren daran Schuld, daß durch den heftigen Sturm, der gestern Vormittag im Norden der Stadt herrschte, das ganze Gerüst einstürzte und einen Theil des Vorderbaues, die Schornsteine und Ecthürme mit fortbrach. Glücklicherweise ist Niemand verunglückt, da die Arbeiter sich rechtzeitig zu schüßen wußten. Da der Rohbau des Vorderhauses durch den Einsturz des Gerüſtes arg gelitten hat, soll der Weiterbau bezw. Ausbau polizeilich inhibirt worden sein.

Der in Arbeiterkreisen sehr bekannte Berichterstatter von Hofstetten ist vor einigen Tagen bedenklich geistig ertranft in die Charitee aufgenommen worden. Die Voff. Btg." sagt über Herrn v. Hofstetten folgendes: Herr v. Hofstetten war der Sekundant Lassalle's. Früher bayerischer Offizier, ging Herr v. Hofstetten in das sozialistische Lager über und schloß fich später eng an Herrn v. Schweißer an, mit dem er in der pälfte der sechziger Jahre hier den Sozialdemokrat" heraus­gab. Als der Reft des Vermögens des Herrn

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v. Hofstetten im Sozialdemokrat" daraufgegangen war, ver feindeten sich Hofstetten und Schweizer ; Hofstetten glaubte fich von Herrn v. Schweizer übervortheilt und schrieb eine Bro

die Arme des Verfolgungswahnsinns geführt haben." Hers v. Hofstetten war nicht der Sekundant Lassalles, sondern er fungirte bei jenem Duell als Unparteiischer.

Das Liquidationsverfahren über den auf Grund des Sozialistengefeges geschloffenen Arbeiterbezirksverein ,, Unverzagt" ist laut einer Bekanntmachung im gestrigen Reichsanzeiger" unter den üblichen Formalien eröffnet worden.

In der Danksagung, welche sich im Inseratentheil unserer Sonntagsnummer befand, find einige Unrichtigfeiten enthalten. Die Matinee ist keineswegs von Mitgliedern der biefigen Gürtlerinnung" veranstaltet worden, sondern ging ausschließlich von den Arbeitern der Brüning'schen Fabrik aus. Die Inhaber der Fabrik haben sich an der Festlichkeit nur durch Ankauf von 12 Billets betheiligt.

Anreißer existiren nicht nur an den Straßenecken, sondern auch vor den Schaufenstern größerer Geschäfte. Es ist ein ganz eigenartiger Erwerbszweig, dem fich diese Art von Leuten widmet, und im großen Publikum dürfte man wohl kaum eine Ahnung von der Eristenz derselben haben. Es wird uns näm lich berichtet, daß vor den Schaufenstern der Firma Sielmann und Rosenberg, Ede Linden- und Kommandantenstraße, schon seit mehreren Jahren vier Frauenspersonen ein recht einträgliches Geschäft damit treiben, daß sie Leuten, welche die Auslagen betrachten und die Absicht haben, in dem Geschäft ihre Einkäufe zu besorgen, hiervon abrathen und diese Leute anderen Ge schäften zuführen, wo dann den Anreißerinnen" für die Zu­fuhrung der neuen Kundschaft eine entsprechende Provision gezahlt wird. Es ist der Firma gestern eine Postkarte zuge gangen, in welcher diese Zustände aufgedeckt werden und auch zugleich zwei dieser Schlepperinnen geschildert werden. Die eine trägt einen braunen anschließenden Plüschmantel mit hell­brauner Plüschrolle garnirt, runden braunen Hut mit braunem Band, ist schmal von Geficht. Die andere hat einen Regen­mantel mit Pelerine, einen schwarzen Kapothut und trägt eine braune Bisammuffe.

Versuchter Mord. Am 18. d. M. Abends gegen 9 Uhr versuchte der 25jährige, bisher unbescholtene Schlächtergeselle Lorenz Eichorn, aus Selp in Bayern gebürtig, die im Hause Thiergartenstr. 14 in Dienst stehende 27jährige unverehelichte Emilie B. mittelst eines Revolvers zu erschießen, Eichorn hatte früher ein Liebesverhältniß mit der B. und will dieselbe, froß­dem er sich vor etwa 1 Jahren mit einem anderen Mädchen verheirathet hat, immer noch gern gehabt haben. In Folge häuslicher Berwürfnisse hatte Eichorn in den letzten Tagen viel getrunken. Am 18. d. M. Nachmittags versegte derfelbe ein Bett und kaufte von dem Erlös einen Revolver von sehr kleinem Kaliber nebst 50 Patronen. Kurz vor 8 Uhr engagirte er eine Droschte 1. Klaffe, besuchte zuerst einige Schanklokale und fuhr dann vor dem Hause Thiergartenstr. 14 vor, woselbst er durch die Tochter des Portiers unter Beilegung eines falschen Namens die B. herunterholen ließ. Lettere lehnte die Bumuthung, das frühere Verhältniß mit dem Eichorn, nach­dem dieser sich verheirathet habe, wieder anzufnüpfen, ab. Hier auf holte E. den bisher verborgen gehaltenen Revolver hervor und feuerte auf die sich flüchtende B. vier Schüsse ab, von denen drei fehl gingen, während der vierte die B. leicht vers legte. Dann stieg er wieder in die Droschke und nöthigte mit vorgehaltenem Revolver den Kutscher, welcher Zeuge des Atten tats gewesen war, in schnellster Gangart ihn nach seiner Woh nung in der Solmsstraße zurückzufahren. Hier schloß E., nach dem er Frau und Kind entfernt hatte, sich ein, drohte Jeden niederzuschießen, der die Thür öffnen würde, und feuerte meh­rere Schüffe im Zimmer ab. Die Kriminalpolizei bewachte die Wohnung so lange, bis E. fich beruhigt hatte, selbst öffnete und sich, ohne Widerstand zu leisten, verhaften ließ.

Der Sensationsprozeß gegen den Konsul, welcher vor längerer Zeit verhaftet wurde, weil er 1800 000 m. unter­schlagen und in 1 Jahren durchgebracht hatte, fommt im Januar zur Verhandlung. Ganz bei gesunden Sinnen scheint Der Mann nicht gewesen zu sein, wenn man hört, daß er sich eine Bigarre mit einem Tausendmarkschein anzündete, seiner Geliebten ein Fußbad von Champagner bereiten ließ und der gleichen mehr.

Wohlthätigkeits- Matinée. Am Sonnabend, den 25. Dezember,( am 1. Weihnachtsfeiertag) findet im Konzerts haus Sanssouci" für den seit langer Zeit franken Metall Schleifer Carl Alberts eine Wohlthätigkeits Matinée statt. Entree an der Kasse 40 Pf., vorher 30 f.

Kinder.

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Bewegung der Bevölkerung Berlins nach den Vers öffentlichungen des statistischen Amts der Stadt. Die fortge schriebene Bevölkerungszahl betrug am 27. November inkl. der nachträglichen An- und Abmeldungen 1361 403, hat sich dems nach gegen die Woche vorher um 1265 Seelen vermehrt. In der Woche vom 28. Nov. bis 4. Dezbr. wurden polizeilich ges meldet 2217 zugezogene, 1758 fortgezogene Personen; standes amtlich wurden 254 Chen geschlossen. Geboren wurden 863 Kinder, und zwar lebend: 438 männliche, 390 weibliche zuſammen 828( darunter 84 außereheliche), todt 16 männ liche, 19 weibliche, zusammen 35( darunter 8 außereheliche) Die Lebendgeborenen, aufs Jahr berechnet, bilden 31,7, die Todtgeborenen 1,3 pro Mille der Bes völkerung, die außerehelich Geborenen 10,68 pet. aller in der Woche Geborenen, davon die bei den Lebendgeborenen 10,15, die bei den Todtgeborenen 22,86 pet. In der fgl. Charitee und Entbindungs- Anstalt wurden 34 Kinder geboren. Gestorben ( ohne Todtgeborene) find 545, nämlich 271 männliche, 274 weibs liche Personen. Von diesen waren unter 1 Jahr alt 151( inkl 21 außereheliche), 1 bis 5 Jahre 95( infl. 4 außerheliche), 5 bis 10 Jahre 21, 10 bis 15 Jahre 7, 15 bis 20 Jahre 8, 20 bis 30 Jahre 28, 30 bis 40 Jahre 50, 40 bis 60 Jahre 93, 60 bis 80 Jahre 86, über 80 Jahre 6. Die Sterbefälle beim Alter von 0 bis 5 Jahren machen 45,14 pCt. sämmt licher in dieser Woche Gestorbenen aus. Von den im Alter unter 1 Jahr gestorbenen Kindern starben 56 im ersten, 15 im zweiten, 13 im dritten, 13 im vierten, 3 im fünften, 8 im sechsten, 43 im siebenten bis zwölften Lebensmonate

von denselben waren ernährt 36 mit Muttermilch, 1 mit mit gemischter Nahrung, von 24 war es unbekannt. Todes den in dieser Woche Gestorbenen namentlich: Lungenschwindsucht( 81) Lungenentzündung

Woche, auf

( 16)

( 18),

( 52), Bronchialtatarrh Kehlkopfentzündung Krämpfe( 28), Gehirnschlag( 20), Gehirn- und Gehirn Krebs ( 12), Altersschwäche( 12), Lebensschwäche( 33), Abzehrung( 15), Masern( 9) Echarlach( 4), Diphtherie( 27), Typhus ( 4), Diarrhöe( 9) Brechdurchfall( 11), an andern Krankheiten starben 168 un durch Selbstmord 5, davon durch Vergiftung 2, durch Er schießen 2, durch Erhängen 1. schießen 2, durch Erhängen 1. Die Sterblichkeit ber das Jahr berechnet, tommen durchschnitt lich auf 1000 Bewohner in Berlin 20,9, in Breslau 25,5, in Bremen 15,4, in Frankfurt a. M. 16,2, in Köln 25,1, in Dresden 21,6, in München 28,0, in Stuttgart 16,9, in Wien 26,0, in Paris 23,3, in London 20,3, In der Woche wurden dem Polizeipräsi dium gemeldet als erkrankt an Typhus 15, an Masern 141, an Scharlach 66, an Diphtherie 154, an Poden 3. Jn den 9 größeren Krankenhä fern wurden in der Berichtswoche 856 Krante aufgenom men, davon litten an Masern 6, an Scharlach 3, an Diphtherie 39, an Typhus 11, an Rose 12. Es starben 109 Personen blieben in den Krankenhäusern 3784 Rrante.

in Liverpool 22,4.

ober

schüre gegen diesen. Hofstetten war in erster Ehe verheirathet 20,0 pet. aller in der Woche Gestorbenen; als Bestand vers

mit einer Gräfin Strachwiß, die sich später von ihrem Manne trennte und, wenn wir uns recht erinnern, in Paris in vor nehmem Hause als Erzieherin ein Unterkommen fand. Nach erfolgter Scheidung heirathete Hofstetten eine arme Nähterin. Kummer und Noth mögen die ohnehin nicht starte Gesundheit des Mannes untergraben und sein Schicksal ihn schließlich in

Ge

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen sundheitsamts sind in der Zeit vom 28. November bis 4. Le zember cr. von je 1000 Einwohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 21,5, in Breslau 25,5, in Königsberg 28,2, in Köln 25,1, in Frankfurt a. M