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fällig diejenige Person, welche das rothe Tuch mit in das Haus des Verstorbenen nahm, das Leichentuch war nichts anderes als das Banner der deutschen Sozialdemokratie, welches mit nach Genf gebracht wurde, um das Leichentuch zu erseßen. Ferner soll ein ruffischer Nihilist gegen Rußland gesprochen haben. Allerdings würdigte ein russischer Sozialist die Verdienste des Verstorbenen im Namen seiner Freunde, nachdem Bernstein ( Zürich ) im Namen der deutschen und deutsch schweizerischen Sozialdemokratie dasselbe gethan und zwei Lorbeerkränze niedergelegt hatte, was außerdem ein französischer sowie schweizerischer Sozialdemokrat that. Das Begräbniß verlief in würdigster Weise; mehr als 600 Personen erwiesen dem Verstorbenen das Ehrengeleit, viele scheuten sich trotz des schlechten Wetters nicht, dem Sarge bis nach dem sechs Kilometer entfernten Friedhof zu folgen.
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Plauen i. Voigtlande. Der am vorigen Mittwoch aus der Gefängnißhaft entlassene Schriftsteller Jens L. Christensen hat am 17. d. M. Plauen verlaffen. Bekannt lich wurde über den Genannten außer der erkannten Strafe ( wegen Verbreitung ,, verbotener" Druckschriften) noch der§ 22 des Sozialistengesetzes verhängt. Gestüßt auf diesen beeilte sich der Stadtrath von Plauen schon während der Strafzeit, Christensen aus dem ganzen Bezirke auszuweisen. Als der in dieser Weise Gemaßregelte am Abend des 15. Dezember aus dem Gefängniß trat, begrüßten ihn an deffen Pforten viele Genoffen. Mit ihnen ging's nach einem öffentlichen Lokale, wo die Entlaffung und gleichzeitig der Abschied Christensen's gefeiert wurde. Reden, Toaste, Vorträge und Gesänge verliehen der Zusammenkunft die Weihe. Auch viele von den arbeitenden Frauen des 23. Wahlkreises waren erschienen. Sehr bewegt gestaltete fich die Nachts erfolgende Abfahrt Chr.'s. Die Bahnhofshalle war dicht gefüllt von Arbeitern, Arbeiterinnen- und Polizeimannschaften. Offenbar hatte die Behörde„ Ausschrei tungen" befürchtet; zu solchen fam es jedoch nicht. Chr. hält fich an einem Orte Sachsens auf.
Sozialistisches. Wie der Voff. 3tg." aus Nürnberg gemeldet wird, ist dort die als Flugblatt verbreitete Rede des Reichstagsabgeordneten Grillenberger zur Militärvorlage auf Grund des Sozialistengefeßes verboten worden.- Leip zig, 18. Dezember. Bei den gestrigen Gemeindewahlen in dem volfreichen Vorort Reudniß siegten die Sozialdemokraten.
Die sozialistischen Frauen in Leipzig haben für die Streifenden in Vierzon 100 M. zusammengebracht und abgesandt. Man hat diesen Frauen mitgetheilt, daß ihre Sammlung in Vierzon einen ganz besonders günstigen Eindruck gemacht habe.
Eine„ Deutsch- Westafrikanische Kompagnie" hat sich nach Mittheilung des Herrn Profeffor Kirchhoff in Halle a. S. nunmehr thatsächlich gebildet. In der Meldung wird hinzuge: fügt, diese Gründung sei nicht zu verwechseln mit der Deuts schen Kolonisationsgesellschaft für Südwestafrika." Die neue Gesellschaft versucht die Antheilnahme der kleineren Leute durch Ausgabe von Antheilscheinen zu 50 M. heranzuziehen, ver spricht eine schwindelhafte Dividende von 333 pCt. und was dergleichen Unfinn mehr ist. Die Kolonialausbeuter haben erst die Reichsfinanzen gebrandschaßt, nunmehr sollen die kleinen Kapitalisten darankommen. Hoffentlich halten sie die Taschen zu.
Die Ausweisung aus Rußland gebürtiger und in Preußen nicht naturalisirter Personen ist noch keineswegs abgeschloffen, wie vielfach geglaubt wird. Es tommen noch immer neue Ausweisungen vor. So ist dieser Tage, wie die Danz. 3tg." berichtet, in Neumark i. Westpr. ein dort seit 20 Fahren lebender Einwohner, der den gut deutschen Namen Schönbart führt, mit Frau und dreizehn Kindern ausgewiesen worden. Wie meistens, so ist auch der Erwerb der Familie durch die Ausweisung ruinirt, die Familie vollständig mittellos geworden, so daß für sie die Mildthätigkeit weiter Kreise hat in Anspruch genommen werden müßen, um ihr die Aufsuchung einer neuen Heimath jenseits des Ozeans zu ermöglichen. Ferner ift in neuerer Beit in Gilgenburg ( Ostpreußen ) der dortige Uhrmacher Berg mit einer Familie von Frau und neun Kindern unter ganz ähnlichen Verhältnissen ausgewiesen und, da ihm die Mittel zur Abreise fehlten, mit fortgesetter Zwangshaft bis zum Verlassen des Landes bedroht worden.
Verboten auf Grund des Sozialistengesetzes wurde das Flugblatt mit der Ueberschrift: Arbeiter Berlins !" und dem Schluß: Vorwärts zu rastloser Thätigkeit und zum endlichen befreienden Siege! Hoch lebe die Sozialdemokratie!" Druck und Verlag der Schweizerischen Genossenschaftsdruckerei in Hottingen - Zürich .
Rußland.
Dem Vernehmen der B. P. N." nach, wären die seit furzem in Warschau verbreiteten Gerüchte wegen Einführung Des Tabakmonopols in Rußland begründet und stünde die Realisirung des Projektes durch die Regierung in fürzerer oder längerer Zeit zu gewärtigen.
Der Fabrikinspektor Schuler hat dem Bundesrath empfohlen, die Fabrikation von Phosphorzündhölzchen zu monopoliftren, weil nur in Staatsfabriken, die beständig unter der
Berliner elektrotechnischen Verein vor Kurzem folgende Mittheilungen: Bis in die neueste Beit hinein waren in NordAmerita alle Telegraphenlinien oberirdisch geführt, was bei der beispiellofen Entwickelung, die neuerdings das Fernsprechwefen genommen hat und bei dem Aufschwunge des elektrischen Beleuchtungswesen zu einer ernsten Gefahr für den Straßen verfehr und nicht minder für die Sicherheit des Telegraphen betriebs geworden ist. Zunächst hat die Stadt New- York Veranlassung genommen, die zahlreichen Privat Telegraphen, Telephon- und elektrischen Beleuchtungs. Gesellschaften auf dem Wege der Gesetzgebung zu zwingen, zur unterirdischen Leitungsführung überzugehen und hat eine Rommission eingefegt, welche, mit eingehenden Vollmachten ausgerüstet, bereits ihre Vors schläge abgegeben hat. Darnach sollen in den Straßen der Stadt Untersuchungsbrunnen eingerichtet werden, die unter einander durch Rohrleitungen verbunden find, in welche die folirten Drähte eingelegt werden. Die Rohrleitungen werden in einem Kanale aus Asphaltmörtel bestehen, einer Mischung Don reinem Asphalt und Sand, die ein großes solirVermögen und hinreichende Festigkeit befizt. Der Kanal foll aus rechtwinfeligen Blöcken zusammengefeßt sein, die mit 2 bis 3 Boll weiten zylindrischen Führungsöffnungen versehen sind. de nach Bedarf werden 2-3 solcher Blöcke nebeneinander ge= stellt werden, um diejenigen Leitungen, welche für Ströme von hoher Intensität bestimmt find, von den Telegraphir und Fernfprechleitungen getrennt zu halten.
Internationaler Stenographenkongreß. Obwohl das Datum des im nächsten Jahre in London stattfindenden internationalen Rongreffes zur Feier des 300jährigen Bestehens der Stenographie und des Jubiläums des Bitman'schen Eystems noch nicht festgestellt worden ist, so wurde doch schon die Liste der Mitglieder des Kongreskomitees veröffentlicht. Dieselbe Schließt nicht nur die Namen vieler hervorragender Stenographen in sich, sondern auch die vieler befannter Männer der Wiffenschaft, Literatur und Politik.
Aufsicht unabhängiger Aerzte stehen, fich der Ausbreitung der Erneuerungen auf den städtischen Gasanstalten und für das Phosphornekrose Einhalt thun läßt.
Der bekannte Times"-Berichterstatter, Herr Oppert aus Blowis, hat es für angemessen gehalten, den neuen Minister des Auswärtigen zu interviewen. Man erfährt indessen wenig Neues aus dem Zwiegespräch. Flourens erklärte ihm, er habe die Geschäfte, die gerade jegt einen erfahrenen und geschichten Diplomaten erforderten, nur auf Drängen Goblet's übernommen. Die egyptische Frage erfordere besondere Umsicht, denn Frankreich müsse bei Lösung dieser Frage darauf bedacht sein, die guten Beziehungen zu England aufrecht zu erhalten. Was die bulgarische Frage betreffe, so sei Frankreich bei der selben nicht unmittelbar betheiligt, sondern habe, wie Deutsch land , nur die Rolle eines Versöhners zu spielen, weshalb der Minister beim Empfang der bulgarischen Gesandtschaft sich ge= nau nach dem Vorgange Berlins richten werde. Die Ankunft dieser Abordnung fete ihn in Verlegenheit, denn einerseits fönne die Regierung einer Republik die Bestrebungen der Bul garen nicht ungünstig betrachten, da die Unabhängigkeit ihres Landes durch den Berliner Vertrag gewährleistet sei; andererfeits aber habe Frankreich Pflichten der Freundschaft gegen Rußland zu berücksichtigen. Der Minister bemerkte ferner, er habe den Handelsvertrag mit Italien nicht gekündigt, um die guten Beziehungen zu diesem Lande nicht zu beeinträchtigen. Endlich bezeichnete er die Tennung von Staat und Kirche in Frankreich als unmöglich. Uebrigens erklären La Pair" und " Paris " die Worte, die Blowig Flourens in den Mund gelegt hat, noch für theilweise unrichtig.
Ungeachtet der vorgenommenen Verhaftungen haben DilIon und O'Brien die Absicht fundgegeben, den sogenannten Feldzugsplan" der irischen Pächter weiter auszuführen. Andere Leiter der Nationalliga wollen die Agitation ebenfalls fortseßen. Sheehy, einer der in Loughrea verhafteten Abgeordneten, soll auch wegen einer jüngst in Kylebeg gehaltenen, zu Geseglosigkeiten aufreizenden Rede in Anklagezustand versezt werden. In liberalen und selbst in konservativen Kreisen ist man der Meinung, daß alle diese Verhaftungen und sonstigen 3wangsmaßregeln nicht viel nügen werden. Es wird betont, daß die soziale Ordnung in Frland nur durch die„ gründliche Unterdrückung" der Nationalliga wirksam wiederhergestellt werdeu könne. In diesem Sinne äußert sich auch die Morningpost", indem fie u. A. schreibt:„ Die irischen Bächter find auf Grund des von der Nationalliga ausgeübten Terrorismus machtlos, ihre Unabhängigkeit geltend zu machen. So lange fie nicht ihre Freiheit des Handelns wieder erlangen, wird die Regierung, so energisch auch ihr Vorgehen gegen individuelle Gefeßübertreter sein mag, ermangeln, Ruhe oder Achtung vor dem Gesetz zu sichern. Die Zeit ist erschienen, wo die Nationalliga das Schicksal der Landliga, der sie entsprang, theilen und unterdrückt werden muß, als eine Vereinigung, welche alle thre Anstrengungen darauf richtet, das Ansehen der Landesregierung zu untergraben." In einer besonderen Ausgabe der amtlichen Beitung wird eine Proklamation veröffentlicht, in welcher die Agrarbewegung, genannt der Feldzugsplan, für eine ungeseßliche, verbrecherische Verschwörung erklärt und angekündigt wird, daß alle diejenigen Personen, welche fich der Bewegung anschließen, fich der gerichtlichen Verfolgung ausseßen und daß das von den Theilnehmern an der Bewegung erhobene Geld oder Quittungen über Geldzahlungen von den Gerichtsbehörden beschlagnahmt werden können. Der Kampf hat also auf der ganzen Linie begonnen!
Italten.
Ueber die Finanzen des Papstes wird der Münchener 2. 3." gemeldet: Monsignore Theodoli, der Majordomus des Papstes, hat den vatikanischen Blättern zufolge Leo XII . den Ausgaben- und Einnahmen- Etatsentwurf für das Jahr 1887 vorgelegt. Die regelmäßigen Einnahmen, die Zinsen des von Pius X , zurückgelaffenen, in englischen Banken niedergelegten Kapitals betragen 4 Millionen Lire ; hierzu kommen 1 Million als Pachtgelder des päpstlichen Grundbefißes und schließlich der Peterspfennig, der mit nur 1 500 000 Lire eingesetzt ist. Da der Gefangene des Vatikans" jährlich 8 Millionen Lire braucht, würde sich ein Defizit von 1 Million Lire ergeben. Armer Papst!
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Sir John Stokes, Charles de Lesseps und die Herren Austyn und Provost, Direktoren der Suezkanalgefell. fchaft, find dieser Tage in Kairo angekommen, um mit der egyptischen Regierung eine Uebereinkunft zu treffen, vermöge welcher die Gesellschaft in den Stand gesetzt werden soll, die Erweiterung des Kanals zu beginnen.
Kommunales.
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Tagesordnung für die Sigung der StadtverordnetenVersammlung am Donnerstag, den 23. Dezember, Nachmittags 5 Uhr: Vorschläge des Ausschusses für die Wahlen von unbesoldeten Gemeindebeamten Desgl. des Ausschusses für Petitionen Vorlagen, betr. die Aufnahme eines Hospita Liten in die Wunderlich- Stiftung und von 5 Personen in das Nikolaus Bürger- Hospital- Berichterstattung über die VorBerichterstattung über die Borlage, betr. die Aufgabe des Wiederkaufsrechts der Stadtgemeinde an einer in der Möckernstraße belegenen Parzelle des Grundstücks des königl. Eisenbahnfistus, sowie die Abtretung von Straßenland zum Halleschen Ufer und die Regulirung dieses Ufers zwischen Möckern - und Schöneberger Brücke als Ufer- und Ladestraße desgl. über die Vorlage, betr. den Ankauf der Grundstücke Andreasstr. 56, Krautstr. 48a und Grüner Weg 95 ur. über die Vorlage, betr. Die Feftſegung Grüner Weg 95 zur Erbauung einer Markthalle für den Osten
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einer neuen Baufluchtlinie für die Dfiseite des Neuen Marktes, sowie den Ankauf der Grundstücke Neuer Markt 3, 4-5, 6 und 7- desgl. über die Petition, betr. die Verlegung der im Weichbilde Berlins belegenen Strecke der Berlin- Stettiner Eisenbahn desgl. des Ausschusses für Rechnungssachen über die Finalabschlüsse der Stadt Hauptkasse und über die Kanalisationsverwaltung pro 1. April 1885/86, fowie über drei Nechnungen desgl. über die Vorlage, betr. die Erwerbung einer von dem Grundstücke Chauffeestraße 4 zur Straßenverbreiterung erforderlichen Parzelle desgl. über die Vorlage, betr. den Antauf des Mofer'schen Lohmühlengrundstücks in der Schlesischen Straße und am Lohmühlenwege desgl. über die Vorlage, betr. den Ankauf des Grundstücks Albrechtstraße 16 und einer hinter demselben belegenen Barzelle des Grundstücks Schiffbauerdamm 4a und 5 zu GemeindeSchulzwecken desgl. über die Vorlage, betr. die Aufnahme von drei auf dem Terrain der früher Woehlert'schen Aktiengesellschaft projeftirten Straßen in die Abtheilung IX. des Bebauungsplanes Vorlage, betr. die Erwerbung des zur Freilegung des Waterlooufers erforderlichen Nabel'schen Grundftücks desgl., betr. die erfolgte Bauabnahme des zu einer Erziehungsanstalt für verwahrlofte Knaben eingerichteten Pa villons auf dem Arbeitshausgrundstücke zu Rimmelsburg desgl., betr. die Bewilligung eines Mankogeldes für den zweiten Raffirer in der Hauptkaffe der städtischen Werke- desgl., betr. den Geschäftsbetrieb der Sparkasse im Juli- September- Quartal d. J.desal. betr. den Anlauf des Ritterguts Schenkendorf im Teltower Kreise zur Verwendung als Riefelfeld betr. die Veräußerung der zur Anlage des Görliger Bahnhofes verwendeten Theile der Forster- nnd der Cuvrystraße- desgl., betr. die Abänderung des§ 4 im Nachtrage zu dem die Amtsauktionen der Gemeindebeamten zu Berlin betreffenden Statut - desgl. betr. die pro 1887 erforderlichen Erweiterungen und
Nohrsystem desgl., betr. eine Deklaration des Beschlusses über den Ankauf einer Parzelle des Grundstücks Kommunikation am Neuen Thor 9 10 zum Bau einer Gemeindeschule.- Vier Rechnungen. Berichterstattung über ein Naturalisationsgesuch. Eine Remunerationssache. 3wei Unterstüßungssachen. Vorlage, betr. die Wahl von zwei Bürgerdeputirten für die Armen- Direktion.
Folgende Petitionen sind bei den städtischen Behörden eingegangen: 1. betreffend den Bau einer Brücke über die Spree im Zuge der Paulstraße; 2. betreffend Ueberlaffung eines Terrains im Bereiche des 42. Polizei- Reviers behufs Errichtung eines Volfsbrausebades; 3. betreffend die Durchlegung der Charlottenstraße in der Richtung auf die Ebertsbrücke; 4. betreffend die Aufnahme der akademisch gebildeten Lehrer der städtischen höheren Töchterschulen in den Stellen- Etat der Lehrer an den städtischen höheren Knabenschulen.
Erweiterungs- und Erneuerungsbauten auf den städti schen Gasanstalten. Der Magistrat hat die Stadtverord neten- Versammlung ersucht, sich einverstanden zu erklären mit der Ausführung der Erweiterungs und Erneuerungsbauten auf den Gasanstalten und für die Rohrlegungen in den Straßen, wie solche in dem der Vorlage vom 10. Dezember 1886 beige fügten Kostenüberschlage nachgewiesen sind, sowie die Geneh migung dazu zu ertheilen, daß, soweit es zur rechtzeitigen Vollendung der Gebäude, Apparate und Rohrleitungen nothwendig ist, mit den Bauarbeiten und Bestellungen sofort vorgegangen werde. Die Beschlußfaffung über die definitive Gee nehmigung der Kostensumme, sowie über die Vertheilung der einzelnen Beträge auf den Erneuerungsfonds und auf den Restbetrag der für Zwecke der Gasanstalten im Jahre 1875 aufgenommenen Anleihe von fünfzehn Millionen Mark möge fich die Versammlung bis nach Vorlegung und Prüfung der speziellen Kostenanschläge und Zeichnungen vorbehalten.
Gerichts- Zeitung.
+ Wegen Sachbeschädigung war der Droschkenkutscher Friedrich Wilhelm Bendschneider vom Schöffengericht zu einer Geldstrafe von 3 M. verurtheilt worden. Er hatte gegen das Urtheil das Rechtsmittel der Berufung angemeldet, so daß die Sache gestern vor der fünften Straffammer des hiesigen Landgerichts zur nochmaligen Verhandlung kam. Der Vorfall, welcher dem Prozeß zu Grunde liegt, entbehrt nicht eines ge wissen komischen Beigeschmacks. Der Angeklagte wohnt in dem Hause Birkenstraße 48 und hat auch dort in einem Hofgebäude Stallung für sein Pferd und eine Remise für den Wagen. Am 4. September d. J. wollte er sein Pferd in den Stall führen, während er den Wagen im Hausflur hatte stehen laffen. Der Hof hing voll von Wäsche, die zum Trocknen aufgehängt war, und troßdem der Droschkentutscher sich große Mühe gab und sein Pferd sorgfältig durch die Lücken hindurchführte, konnte er doch nicht verhindern, daß einige Stücke gestreift und schmußig wurden. Nun erhoben die beiden Waschfrauen, die gerade thätig waren, ein großes Geschrei und über das Haupt des unglücklichen Mannes ergoß sich ein Strom zarter Redensarten. Der Droschkentutscher entschuldigte sich zuerst, als aber durch feine Höflichkeit die Schimpfereien nicht zu dämpfen waren, wurde er grob und diente mit der gleichen Münze. Er blieb aber natürlich weit hinter der Redekunst der beiden Damen zurück und entfernte fich schließlich, um Mittagbrod zu essen. Später wollte er sein Pferd wieder einspannen und er mußte deshalb den Wagen in den Hof ziehen, um ihn umzuwenden. Vorher forderte er die Waschfrauen zweimal auf, die Wäsche abzunehmen, damit er freien Raum für das Umwenden der Droschke habe. Die Fraurn hörten nicht auf seine Worte, weil sie auf das Recht pochten, den Hof als Trockenplatz zu benutzen. Nun nahm der Droschfenfutscher feine Rücksicht, er zog seinen Wagen in den Jof und wendete ihn um, unbekümmert darum, daß eine Anzahl der trocknenden Hemden, Hosen und dergl. in den Schmuß herabgerissen wurden. Ohne das Geschrei der Waschfrauen, welche die schmußige Wäsche nun noch einmal spülen mußten, zu beachten, zog er sein Pferd aus dem Stall, spannte es ein und fuhr davon. Zu der gestrigen Verhand lung hatte der Angeklagte einige Frauen als Entlastungszeugen gestellt, die das oben angegebene Sachverhältniß befundeten, das in der ersten Verhandlung vor dem Schöffengericht nicht so günstig für den Angeklagten sich darstellte, weil nur die beiden Waschfrauen vernommen waren. Der Gerichtshof sprach aus einem rechtlichen Gesichtspunkte den Angeklagten unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urtheils frei; es wurde angenommen, daß dem Angeklagten das Bewußtsein der Rechtswidrigteit seiner Handlung gefehlt habe.
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+ Nicht zum ersten Mal betrat Frl. Auguste Demüthig die Anklagebant; trotz ihres vertrauenerweckenden Namens ift fie schon viermal mit dem Gesetz wegen Eigenthumsvergehens in Konflikt gerathen und hat denselben in Gestalt längerer Freiheitsstrafen empfunden. Wegen Betruges, Unterschlagung und Hehlerei verurtheilt, hatte sie sich wegen Diebstahls noch nie zu verantworten gehabt. Diese Lücke wurde nun gestern durch eine Verhandlung vor der 92. Abtheilung des hiesigen Schöffengerichts gegen fie ausgefüllt. Eine filberne Zylinderuhr war es, die ihr zu gut gefiel, als fie in den Laden einer Grünframhändlerin hinuntergeftiegen war, um sich Obst zu faufen. Die Uhr lag auf dem Ladentisch und als die Händlerin sich für kurze Zeit abwendete, verschwand fie plößlich. Hieran war aber nicht Zauberei, sondern eine geschickte Handbewegung des Frl. Demüthig Schuld, die sie mit großer Geschwindigkeit in ihre Kleidertasche versenkt hatte. Unglüc licherweise bemerkte die Händlerin den Verlust sofort und war auch dreist genug, sich mit der Frage an die gut gefleidete Dame wenden, fie vielleicht näheres den Verbleib der Uhr wisse. Nun murde Fräulein Demüthig sehr ungemüthlich, sie spielte die Entrüstete und bot sofort der Händlerin an, fretmüthig ihre Taschen zu durchsuchen. Wirklich ließ sich die Händlerin im ersten Augenblick verblüffen, bat vielmals um Entschuldigung und ohne visitirt worden zu sein, zog Frl. Demüthig ab. Kaum hatte fie fich entfernt, so erwachte in der Händlerin doch der Gedanke, daß eine Visitation nichts geschadet hätte. Sie eilte der Käuferin nach, erwischte fie, rief einen Schußmann herbei und auf dem nächsten Polizeibureau wurde die Uhr zu Tage gefördert. Frl. Demüthig erklärte, daß der Gegenstand durch ein Versehen" in ihre Tasche gerathen sein müsse. Diese etwas naive Entschuldigung brachte sie gestern nicht vor. Aus ihrer Praris mußte fte, daß man vor Gericht mit einem offenen Geständniß noch am weitesten kommt. Da der Fall an sich so flar lag, daß auch ein Leugnen der Angeklagten nichts genugt hätte, so sah der Gerichthof keinen Grund in dem Ge ständniß der Angeklagten, mildernde Umstände anzuerkennen. Er verurtheilte nach dem Antrage des Staatsanwalts Frl. Demüthig zu einer Gefängnißstrafe von einem Monat.
Diefelbe legung des Waterlooufers erforderlichen Rabel'ſchen Grund- Soziales und Arbeiterbewegung.
Drahtseilbahn. Vom Vierwaldstätter See soll auch auf den Bürgenstod eine Drahtseilbahn angelegt werden, die von Kehrfiten am See beginnt und in einer Länge von 850 Meter bis zu dem 433 Meter über dem Seespiegel liegenden großen Gasthaus in gleichmäßiger Steigung von 55 pet. hinaufgeht. Das Geleise erhält überdies eine Bahnstange des neuen( Abtschen) Systems. Der Bundesrath beschäftigt sich mit der Prüfung des Planes.
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besgl.,
Arbeitsbörse in Paris . Nach Amsterdam soll nunmehr Paris eine Arbeitsbörse, also eine Bentralstelle für Arbeits vermittlung von Staats- und Stadtwegen bekommen. Der Gemeinderath der französischen Hauptstadt hat die Errichtung einer solchen Anstalt beschlossen, den Staat aufgefordert, Bu schüsse zu den Kosten zu leisten und bereits mit dem Ankaufe der nothwendigen Gebäude begonnen. Es sollen eine Zentralstelle und mehrere Filialen in Paris errichtet werden. 100 000 Franks aus der städtischen Anleihe für die öffentlichen Bauten in den Jahren 1887 und 1888 find zunächst bestimmt, die Einrichtungskosten zu decken. Die Organisation der Pariser Arbeitsbörse dürfte derjenigen von Amsterdam nachgebildet werden; man hat sich mit den dortigen Behörden in Verbins