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früheren Hauptverhandlung beantragten die drei Angeklagten die Vertagung und Vorladung des Krüger und des Lezin; der Gerichtshof gab diesem Antrage statt und beschloß die Ladung. Gestern sollte die Schlußverhandlung stattfinden; der Borfißende theilte aber mit, daß die Ladung unterblieben sei, weil nach amtlicher Auskunft seitens des Landgerichts I   die beiden vorgeschlagenen Beugen geistesfrank und daher nicht vernehmungsfähig seien. Die Vertheidiger bestanden aber auf dieser Vernehmung, selbst auf die Gefahr hin, daß dieselbe un­eidlich vernommen erfolgen müsse. Um teinen Revisionsgrund zu schaffen, gab der Gerichtshof nach, und so wurde die Sache vertagt und die Ladung der beiden wilden Männer beschlossen. Es sei hier noch erwähnt, daß Krüger eines Tages in Frank­ furt   im Gefängniß einen vereitelten Versuch, sich zu tödten, gemacht hat.

Zehntausend Schlosser find jest ungefähr in Berlin   ohne Beschäftigung. Für diese Handwerker ist zwar wegen der ge­ringeren Bauthätigkeit der Winter immer schlechter als der Sommer, aber so fraurig, wie fezt, find die Verhältnisse Jahre lang nicht gewesen. Viele Fabriken haben die Zahl der Schloffer auf die Hälfte verringert. Nur ca. die Hälfte dieser Arbeiter haben gegenwärtig Beschäftigung.

Witterung im November. Warm, trübe, regnerisch und doch niederschlagearm waren die Hauptmerkmale der Witterung des verfloffenen November. Die Mitteltemperatur des Monats wies, wie wir der soeben erschienen Nummer der Statistischen Korrespondenz" entnehmen, in den nordöstlichen Landestheilen einen Ueberschuß von drei Grad gegen die normale auf; der felbe verringerte fich zwar nach Südwesten hin, betrug aber auch dort immer noch über einen Grad. Die Bewölkung war aller Orten eine große; mehr als die Hälfte der Tage waren trübe, viele davon neblig, und an der Mehrzahl der Stationen ist höchstens ein heiterer Tag verzeichnet worden. Die meisten Tage zeigten Neigung zu Niederschlägen, fast durchgängig von flüssiger Form, doch blieb die Intensität derselben unbedeutend.

Im Riesengebirge   find zu Beginn des letzten Drittels ge­waltige Schneemassen gefallen; in Wang wurde allein am 20. November 75 Millimeter Niederschlaghöhe gemessen, welche einer Schneehöhe von etwa einem Meter entspricht, und auf der Schneekoppe   wurde der Regenmesser unter dem Schnee vergraben. Die höchste Temperatur des Monats wurde am 9. in Breslau  (+ 16,8 Grad), die niedrigste in Rlauffen bei Lyt am 4.(-4,6 Grad) beobachtet. Für Berlin   betrug das Monatsmittel+5,4 Grad, um 2,2 Grad mehr als die Normale. Die höchste Temperatur wurde am 6.(+ 15 Grad), die niedrigste am 24.( 2,4 Grad) gemessen.

In Folge eines heftigen Schneesturms ist an vers schiedenen Punkten zwischen hier und dem Königreich Sachsen feit Montag Abend eine so starke Schneeverwehung eingetreten, daß der Zugverkehr zwischen hier und Leipzig   überhaupt hat eingestellt werden müssen. Der vorgestern Mittag von hier ab­gelassene Schnellzug und die folgenden Züge von Berlin   haben beshalb nur die Station Bitterfeld   erreicht. Die Züge zwischen Berlin   und Frankfurt   a. M. haben wegen der Schneeverwehung große Verspätung erlitten. Der Verkehr zwischen Berlin   und Dresden   ist durch Schneeverwehung auf den sächsischen Linien ebenfalls unterbrochen. Der 5,30 Uhr Nachmittags von Berlin  abgehende Schnellzug und die folgenden Züge sind deshalb nur bis zum Ende der preußischen Strecke nach Röderau ge­fommen. Die von Dresden   abgelassenen Züge haben Röderau nicht erreicht, ja, sind sogar theilweise nach Dresden   zurück­geholt worden. Da die in Wittenberg   und Leipzig   vom Militär erbetenen Mannschaften bis heute Morgen 5 Uhr nicht gestellt waren, die der Bahnverwaltung zur Disposition stehen­den und auf den umliegenden Dörfern requirirten Beute nicht genügend waren, um die gewaltigen Schneemaffen zu be­waltigen, so ist es fraglich, ob der Verkehr bis heute Mittag zwischen Bitterfeld   und Leipzig   wieder hergestellt sein wird.

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Gestohlene Sachen. Im Kriminalfommiffariat, Zimmer 77, befinden sich noch eine goldene Damen- Remontoiruhr Nr. 11 222 mit goldenen Zeigern, auf der Rückseite ein Wappen­schildchen in einer franzartigen Verzierung und Herrenkette aus Talmi mit Medaillon aus gleichem Metall; eine silberne Herren Bylinder- Remontoiruhr mit goldenen Beigern auch Sefundenzeiger gepreßtem doppelten Goldrande und der Nr. 87 392 in Verwahrung. Die in Untersuchungshaft befind­lichen Leichenfledderer Sch. und T. wollen die Uhren 2c. ge­stohlen haben, und zwar die Damenuhr vor ca. 4 Wochen, die Herrenuhr nach dem 21. Juli d. J., erstere auf dem Michael­firchplage, lettere in der Staligerstraße. Die Bestohlenen sollen schlafend auf einer Bant gesessen haben. Die Eigenthümer fönnen die Uhren 2c. bei dem Kriminal­bei dem Kriminal­tommiffariat in Augenschein, beziehungsweise in Empfang nehmen.

Bei Ausführung eines Ladendiebstahls wurden gestern in einem Geschäft in der Breitenstraße 2 Frauen betroffen. In der Wohnung der einen Person wurden unter Anderem eine neue schwarzfeidene Taille mit Perlenbefas, eine Atlasschürze mit Rosenquirlanden, zwei Reste rothe Wolle, ein Ende baum. wollenene Spigen, ein schwarz, roth und weiß durchwirktes Chenilletuch, ein roth wollenes Tuch, ein Ende breiter Lampen­docht und ein Rest schwarzer Atlas, welche anscheinend aus Ladendiebstählen herrühren, gefunden. Der Rest Atlas be­findet sich in einem Umschlage, auf dem sich die Aufzeichnungen Nr. 2709 Satain noir Vl. 10 SO. L. Nr. 3836 S. G.% 4 86 m. B. G. E. R. befinden. Etwaige Eigenthümer dieser Sachen tönnen sich in den Vormittagsstunden im Kriminal­Kommissariat, Mollenmarkt Nr. 1, II Treppen, Bimmer 77,

melden.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge­sundheitsamts sind in der Zeit vom 5. bis 11. De zember cr. von je 1000 Einwohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin   24,6, in Breslau  27,4, in Königsberg   27,9, in Köln   21,9, in Frankfurt   a. M. 18,2, in Wiesbaden   17,8, in Hannover   17,9, in Kaffel 21,1, in Magdeburg   22,8, in Stettin   30,0, in Altona   31,5, in Straßburg   22,8, in Mez-, in München   34,5, in Nürnberg   26,3, in Augsburg   19,7, in Dresden   26,2, in Leipzig   20,8, in Stutt gart 16,4, in Karlsruhe   17,9, in Braunschweig   22,0, in Ham­ burg   34,5, in Wien   22,5, in Peſt 34,7, in Prag   25,1, in Triest   30,4, in Kratau 26,8, in Bafel 14,8, in Amsterdam   21,1, in Brüffel 20,8, in Paris   24,7, in London   21,8, in Glasgow   26,9, in Liverpool 25,2, in Dublin   35,6, in Edinburg   16,6, in Kopenhagen   20,7, in Stockholm   16,0, in Chriftiania 25,0, in St. Petersburg   23,9, in Warschau   24,2, in Odessa   34,3, in Rom   23,0, in Turin   19,9, in Venedig   29,0, in Alexandria   35,6. Ferner in der Beit vom 14. bis 20. Dezember cr.: in New- Yort 24,9, in Philadelphia   19,0, in Baltimore   17,9, in San Franzisko, in Stalfutta 31,9, in Staltutta 31,9, in Bombay 22,8, in Madras 32,6.

Die in der Berichtswoche vorherrschende naßlalte Witte­tung, eine Folge des wiederholt und unvermittelt eintretenden Temperaturwechsels, übte feinen günstigen Einfluß auf die Sterblichkeits- und Gesundheitsverhältniffe aus. Es wurden deshalb auch aus den meisten größeren Städten Europas  , be­fonders den deutschen  , höhere Sterblichkeitsziffern mitgetheilt; nur die größeren Städte der niederrheinischen Niederung, Köln  , Düsseldorf  , Barmen, Aachen   sowie Hannover  , Kaffel, ferner ein großer Theil süddeutscher Städte, Frankfurt   a. M., Wiesbaden  , Stuttgart  , Mainz  , Mannheim  ,' Karlsruhe  , Darmstadt  , Augs burg, von außerdeutschen Orten Basel  , Brüssel, Edinburg  , Stockholm   melden kleinere oder nur wenig gegen die Vorwoche veränderte Sterblichkeitsziffern. Eine außergewöhnlich hohe Sterblichteit haben zur Zeit von den deutschen   Städten jedoch nur Stettin  , Hamburg  , Altona  , Bochum  , Plauen   und München  . Insbesondere traten fatarrhalische und akute Entzün­der Athmungsorgane häufiger als Erkrans

Dungen

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fungs- und Todesursachen auf. Auch Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder riefen mehrfach, wie in Berlin  , Hamburg  , Wien  , Warschau   u. A., eine größere Bahl von Todesfällen vor. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war eine etwas gesteigerte. Von 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin   72, in München   121 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten zeigten Masern, Scharlach, Diphtherie, typhöse Fieber und Bocken ein etwas gesteigertes, Keuchhusten, Kindbettfieber und rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut ein etwas vermindertes Vorkommen. Sterbefälle an Masern waren in Berlin  , Hamburg  , Breslau  , Bremen  , Barmen, Elberfeld  , Mül­ hausen   i. E., Paris  , London  , Liverpool und St. Petersburg  , auch aus den Regierungsbezirken Aachen  , Aurich  , Königsberg  , Marienwerder, Schleswig  , Stettin   sowie aus Wien   werden viele Mafernerkrankungen mitgetheilt. Das Scharlachfieber führte in Hamburg  , München  , Köln  , Chemnitz  , Pest, St. Petersburg  , Warschau  , Odeffa häufig zum Tode; in Hannover   sant die Bahl der Sterbefälle auf 9 in der Berichtswoche.- Die Sterb­lichkeit an Diphtherie und Kroup war in Berlin  , Breslau  , Dortmund  , Hamburg  , München  , Leipzig  , Königsberg  , Frankfurt  a. M., Danzig  , Stuttgart  , Nürnberg  , Altona  , Stettin  , Chemnitz  , Braunschweig  , Wien  , Pest, Paris  , London  , Petersburg, Odessa  , Christiania   eine größere oder doch die gleiche wie in der Vor­woche; in Dresden  , Magdeburg  , Kassel  , Prag  , Kopenhagen  , Warschau   hat die Zahl der Sterbefälle etwas abgenommen. Auch neue Erkrankungen waren in den meisten der genannten Orte, sowie im Regierungsbezirk Schleswig   noch sehr zahlreich. -Sterbefälle an typhösen Fiebern waren in Hamburg  , Altona  , Paris  , London  , St. Petersburg  , Warschau  , Odessa   im Ver gleiche zur Vorwoche gesteigert, namentlich war in Hamburg  die Zahl der gemeldeten Neuerfrankungen eine bedeutende. An Flecktyphus tam aus Amsterdam   1 Todesfall, aus dem Re­ gierungsbezirk Marienwerder   4, aus St. Petersburg 3 Er­frankungen, an Rückfallsfieber nur 1 Erkrankung aus St. Peters burg zur Mittheilung.- Rosenartige Entzündungen des Zell­gewebes der Haut haben in Berlin  , Kopenhagen   und London  abgenommen. abgenommen. Vereinzelte Todesfälle an Poden tamen aus dem Regierungsbezirk Schleswig  , sowie aus Prag  , Warschau  , Paris  , Lyon  , Venedig   zur Mittheilung; aus Wien 4  , aus St. Petersburg 5, aus Rom   14, aus Best 44.- Erkrankungen aus Berlin   1, aus den Regierungsbezirken Königsberg   und Schleswig   je 3, aus Breslau   6, aus St. Petersburg 15  , aus Best 108. Die Nachrichten über die Cholera in Desterreich­Ungarn und Italien   lauten günstig, die Seuche geht an allen Orten ihrem Erlöschen entgegen.

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Polizeibericht. Als am 20. d. Mts., früh, der Arbeiter Bauschte seine Inselstraße 12 befindliche Wohnung verlassen wollte, fant er auf der Treppe plöglich um und starb, wie ärztlich festgestellt worden, am Herzschlag. Nachmittags fiel der Hausdiener Kniner in Folge der Glätte auf dem Bürger­steig vor dem Hause Neue Roßstraße 7 und brach den rechten Unterschenkel. Unterschenkel. Um dieselbe Zeit fuhr in der Schöneberger­firaße ein Bolle'scher Milchwagen mit einem Pferdebahnwagen zusammen. In Folge des starken Anpralls fiel der auf dem Milchwagen figende Führer herab und gerieth unter einen un­mittelbar hinterbrein fahrenden Wagen, von dem er über beide Unterschenkel gefahren wurde. Abends wurde auf dem Droschtenhalteplag an der Ecke der Schüßen und Friedrich straße der Droschkenkutscher Döhl bewußtlos, im Innern seiner Droschke fizzend, vorgefunden. Er sollte nach seiner Wohnung gebracht werden, starb aber schon auf dem Wege dahin, der Nacht zum 21. d. Mts. brannte in der Kupfervitriol- Fabrit von Dalte, Neue Schönhauserstraße 12, die Holzbekleidung und Bedeckung von Eindampfbottichen, ferner Sendelstraße 24 der Inhalt eines Müllkastens, und am 21. d. Mts., früh, in einem Keller des Grundstücks Pücklerstraße 2 dort aufbewahrte Preßfohlen.

Gerichts- Zeitung.

In

Um einen ihn start bedrängenden Gläubiger zu bes friedigen, hatte der in Vermögensverfall gerathene Schuldner ersterem in Anrechnung auf seine Forderung sein ganzes Waarenlager übergeben und war deshalb wegen Begünstigung eines Gläubigers angeklagt worden. In dem ihn verurtheilen den Erkenntnisse wurde folgendes ausgesprochen: Mit der fest gestellten Zahlungseinstellung gelangte für sämmtliche Gläubiger Der gleichmäßige Konkursanspruch, d. h. der Anspruch zur Ent­stehung, daß das Vermögen des gemeinschaftlichen Schuldners stehung, daß das Vermögen des gemeinschaftlichen Schuldners zu gleicher antheiliger Befriedigung ihrer Forderungen ver­wendet werde. Dieser Konkursanspruch ist durch die dem einen Gläubiger gewährte vollständige Deckung, welche den übrigen Gläubigern die geeigneten Befriedigungsmittel völlig entzog, für die letteren verlegt, damit aber zweifellos dieser Gläubiger vor den anderen Gläubigern begünstigt worden. Die dem ersteren gewährte Befriedigung war eine solche, auf welche er in der Art, wie sie ihm zu Theil geworden, keinen Anspruch hatte, da seine Forderung auf Bahlung einer Geldsumme, nicht auf Ueberlassung der veräußerten Gegenstände an Bahlungsstatt ging. Damit ist die Begünstigung des einen Gläubigers fest­gestellt. Dies würde auch dann gelten, wenn durch die unbe­rechtigte Befriedigung nur eine zeitliche Bevorzugung eines Gläubigers vor den anderen ohne Verlegung des diesen zu­stehenden Konfursanspruchs herbeigeführt worden wäre. Denn auch in der Hinausschiebung der Tilgung der fälligen Forderung liegt eine Verschlechterung der Rechtslage, und die der letteren entsprechende Begünstigung des einzelnen Gläubigers ist straf­bar, sofern sie durch Gewährung von Befriedigung oder Sicherung erfolgt, welche der einzelne Gläubiger nicht, oder nicht in der Art, oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte.

Gegen einen Beamten war wegen einer im Amte ver­übten Mißhandlung Anflage erhoben worden. Der Mißhandelte verlangte, in der Hauptverhandlung als Nebenkläger zuge­zogen zu werden, weil er auf Buerkennung einer ihm zu zahlenden Geldbuße gegen den Angeklagten antragen wolle. Er ist jedoch mit diesem Antrage sowohl durch Beschluß der Straffammer wie in der Revisionsinstanz abgewiesen worden. Der Revisionsbescheid lautete: In Erwägung, daß der Miß handelte zu dem Anschlusse als Nebenkläger für berechtigt nicht zu erachten ist, weil ein Amtsvergehen vorliegt, daher eine nur auf Antrag zu verfolgende Körperverlegung und damit der Fall der Nebenklage nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung nicht in Rede steht, die Befugniß des Mißhandelten zum An­schlusse als Rebentläger auch lediglich von der Frage abhängig bleibt, ob derselbe berechtigt ist, die Zuerkennung einer Buße

ein gleiches Recht demjenigen nicht zusteht, der durch einen Beamten im Amte mißhandelt oder förperlich verlegt wor den ist.

Antisemitensput in der Schule. Cine kleine Schülerin der Bürgerschule zu Oranienburg  , die Tochter des Kaufmanns Morig Löwenheim daselbst, kam eines Tages im September d. J. zu ihrem Vater und flagte demselben, daß ihre Mit­fchülerinnen fich geweigert, mit ihr zu gehen und ihren Umgang in verächtlicher Art mieden, weil sie eine Jüdin sei. Vers anlaffung hierzu habe ein von dem Klassenlehrer den Kindern während der Schreibstunde aufgegebener Uebungsfat geboten, welcher lautete:" Die Juden haben Jesum   Chriftum getödtet!" Nach beendigter Schulzeit haben, so flagte die kleine Löwens heim ihrem Vater, ihre christlichen(!) Mitschülerinnen den In halt des qu. Uebungssages ihr vorgehalten und mit Verachtung fich von ihr gewandt. War nun dieses Vorkommniß an und für sich dem Vater des gemaßregelten Kindes schon unangenehm, so wurde dieser noch unangenehmer berührt, als ihm die Mit­theilung gemacht wurde, daß seine kränkliche Tochter wegen. eines geringfügigen Umstandes eine Stunde nachfißen müsse, in Folge einer Anzeige eines jener gegen ihre jüdische Mitschülerin eingenommenen Madchen. Herr Löwenheim begab sich, als er dies erfahren, ins Schulhaus, um den Klassenlehrer Schulz über den Beweggrund zu dieser Strafertheilung zu be­fragen; er traf jedoch nicht den Lehrer seines Kindes sondern bereits vor dem Schulgebäude den Konreftor France, welchem er deshalb an Stelle des Erstgenannten sein Anliegen vortrug.. Dem Konreftor aber erschien die Beantwortung fener Frage völlig überflüssig und er gab Herrn Löwenheim dies kurz an gebunden zu verstehen. Aufgeregt über die Art des Konrettors, ließ sich nunmehr Herr Löwenheim verleiten mit einer Be­schwerde zu drohen und zwar in einer Form, welche ihm eine Anklage wegen Beleidigung einbrachte. Der vorgefeßte Rektor stellte dieserhalb den Strafantrag gegen Löwenheim und der­selbe erschien gestern vor den Schranken der Straffammer des Landgerichts II. Der Staatsanwalt beantragte 30 M. Geld buße. Der Gerichtshof erachtete nun zwar die Art der ge­wählten Ausdrücke als unstatthaft und deshalb beleidigend, es ward jedoch dem Einwand des Angeklagten gemäß zugegeben, daß der Angeklagte in Wahrnehmung berechtigter Interessen. gehandelt; dies als strafmildernd ansehend, erkannte die Straf= fammer auf nur 10 M. Geldbuße eventuell 1 Tag Haft.

Mit einer hochinteressanten Streitsache beschäftigte fich der Bezirksausschuß in seiner gestrigen Situng. Der Kolporteur D. hierselbst reichte die vier ersten Nummern des Jahrgangs 1887 einer illustrirten Zeitschrift bei dem Polizei­präsidium mit der Bitte ein, dieselben in das Verzeichniß der Druckschriften aufzunehmen, welche folportirt werden dürfen. Durch Verfügung vom 16. Ottober d. J. schloß der Polizeis präsident von Berlin   diese Nummern jedoch vom Feilbieten im Umherziehen in Gemäßheit des§ 56 Biffer 10 der Gewerbe­ordnung für das Deutsche Reich vom Juli 1883 aus, weil dasselbe durch den Inhalt der Erzählung Der Romantifer auf dem Throne" in fittlicher Beziehung Aergerniß zu geben ge eignet sei. Auf Aufhebung der erlassenen Verfügung wurde D. flagbar. Der Bezirksausschuß wies jedoch die Klage zurück, weil jene Erzählung das fittliche Gefähl des deutschen   Volkes zu verlegen geeignet ist.

Das Reichsversicherungsamt hat in den letzten Tagen wieder zwei Sitzungen zur Entscheidung über Berufungen gegen die Urtheile der Schiedsgerichte abgehalten, doch sind in den­felben Sachen von allgemeinem Interesse nicht zur Verhand lung gekommen, dagegen veröffentlicht es soeben zwei ältere Entscheidungen, die eine grundsäßliche Bedeutung beanspruchen. Bei der einen handelt es sich um einen Todesfall, dessen Ur­fache nicht aufgeklärt worden ist, weil der zuständige Sektionss vorstand es unterlassen hatte, die Sektion der Leiche zu veran laffen. Ein Bergmann war an seiner Arbeitsstelle in der Grube todt aufgefunden worden, und Sektionsvorstand und Staatsanwaltschaft nahmen auf Grund des Berichts der Revier beamten an, daß ein natürlicher Tod stattgefunden habe. Der Sektionsvorstand unterließ es auch, die Todesursache durch die Sektion der Leiche feststellen zu lassen, nachdem das kurze Zeit nach der Beerdigung abgegebene Gutachten des Knapp schaftsarztes eine Erstickung durch Pulverdampf als äußerst wahrscheinlich bezeichnete und mehrere thate fächliche Umstände diese Annahme unterstüßten. Das Reiche versicherungsamt hat die Berufsgenossenschaft für die Unterlassung der Untersuchung verantwortlich gemacht und den Hinterbliebenen Anspruch auf eine Rente zugebilligt. Diese Entscheidung wird gewiß allenthalben Anerkennung finden. Der Revierbeamte, ein Bergmeister oder Bergrath, ist nicht ohne weiteres für befähigt zu erachten, ein Urtheil über eine Todesursache abzugeben, wenn nicht ein Unfall außer Zweifel steht. Hoffentlich wird die Sektion nunmehr Vorsorge treffen, daß ein ärztliches Gutachten in allen Fällen und vor der Be­erdigung erstattet wird. Unseres Erachtens müßten darauf auch die Knappschaft und der Revierbeamte hinwirken.- In der zweiten Entscheidung ist der Grundsatz ausgesprochen worden, daß der Rekurs innerhalb der im§ 63 des Unfallversicherungs­gefeßes festgesetzten Frist nicht blos angemeldet, sondern auch begründet werden muß. Eine Partei hat hiernach keinen An­spruch auf Berücksichtigung ihres verspätet eingereichten Schrifte stückes zur Rechtfertigung des Returses.

Stettin  , 18. Dezember. Unter( der Anklage der förper­lichen Mißhandlung zweier Schulkinder stand gestern der Lehrer Markus aus Trestin vor der dritten Straffammer. Der Ange­flagte scheint zu förperlichen Strafen sehr geneigt zu sein, denn die Gemeinde hat sich in Bezug hierauf bereits höheren Orts beschwert und um die Entfernung des Lehrers gebeten. In den vorliegenden Fällen handelt es sich um die Ueberschreitung des Büchtigungsrechts gegen den 6 Jahre alten Knaben Heiden und die 12 Jahre alte Bertha Baumann. Heiden erhielt am 13. November 1885, weil er eine etwas sonderbare Rechenaufs gabe nicht lösen konnte, Schläge mit dem Rechenstab und mit der Hand, die über das Maß des Zulässigen hinausgingen. Durch den Siegelring, den M. am Finger trug, wurde der Kleine auch am Dhr verlegt. Die Baumann drückte M. an 28. Januar d. J. mit der Brust auf eine Bank nieder und schlug dann auf fie ein. Der Druck gegen die Brust hatte eine Leberaffektion zur Folge, welche mehrere Monate andauerte. Die Beweisaufnahme ergab die Schuld des Angeklagten in beiden" Fällen zur Genüge. Das Gericht erkannte gegen ihn auf eine Geldstrafe von 50 M. Im ersten Falle nahm es eine Uebers schreitung des Büchtigungsrechtes, im andern Falle eine fahr­läffige Körperverlegung an.

zu verlangen, welche Frage jedoch zu verneinen ist; in Gt- Vereine und Versammlungen.

wägung   ferner, daß die Bestimmung, nach welcher in allen Fällen der Körperverlegung auf Verlangen des Verlegten neben der Strafe auf eine an denselben zu erlegende Buße bis zum Betrage von 6000 M. erkannt werden kann, offenbar auf die nach den§§ 223 folg. St.-G.-B. zu bestrafenden Fälle der Körperverlegung hinweist; daß es dagegen an jedem Anhalte fehlt, dem Willen des Gesetzgebers zu unterstellen, daß fie auch bei dem zwar eine Körperverlegung vorausseßenden, aber einen speziellen Thatbestand erfordernden, anderen Strafnormen unter worfenen Amtsvergehen Anwendung finden solle; daß es sich vielmehr um eine aus dem Kreise der Körperverlegungen der §§ 223 folg. Str.-G.B. herausgehobene, zu einem besonderen $§ 223 folg. Str.-G.B. herausgehobene, zu einem besonderen Delikte gestaltete Strafthat handelt, welche den für gewöhnliche Delitte gestaltete Strafthat handelt, welche den für gewöhnliche Körperverlegungen gegebenen besonderen Bestimmungen, ins besondere den die Buße betreffenden nicht unterſtellt ist: war der Antrag des Verlegten auf Anerkennung seiner Berechtigung zum Anschlusse als Nebenkläger als unzulässig zu verwerfen. Es folgt hieraus, daß jeder, der durch eine Privatperson an seinem Körper verlegt worden ist, das Recht hat, Buerkennung feinem Körper verlegt worden ist, das Recht hat, Buerkennung einer an ihn zu zahlenden Geldbuße zu verlangen, daß aber

Der Fachverein der Tischler hielt am Sonnabend, den 18. Dezember, seine lezte diesjährige Mitgliederversammlung in Jordan's Salon, Neue Grünstr. 28, ab. Herr Wiedemann, Mitglied der Fachkommission, erstattete Bericht über die vom Verein in diesem Jahre veranstalteten statistischen Erhebungen im hiesigen Tischlergewerk. Aus dem Bericht ist hervorzuheben, daß trop der großen Mühe und dem Zeitaufwand der zu der Aufnahme der Statistit Beauftragten, sowie der vom Verein nicht gescheuten Kosten das Resultat nicht befriedigend ausge­fallen ist und zwar deshalb, weil die Mehrzahl der Berliner  Tischlergesellen in ihrer Gleichgiltigkeit für die gewerblichen Intereffen nach wie vor verharrt. Es zeige fich, daß die Kollegen noch immer nicht das richtige Verständniß für ihre eigene Lage befäßen, denn diese ihre Lage fönnte nur durch wahrheitsgemäße Aufstellung von Bahlen, die Arbeitszeit und den Verdienst betreffend, largelegt werden. Ein großer Theil der Kollegen befände sich wohl in einer so gedrückten Lage, daß fie fich genirten, ihren Verdienst, der kaum zur Befriedia gung der nothwendigsten Bedürfnisse zulange, anzugeben. Dies