Beilage zum Berliner Boltsblatt.

Nr. 301.

Der Bug der Infekten zur Flamme.

"

II.

Unter den nachgelaffenen Papieren Darwins fand sich eine nicht von ihm selbst herrührende handschriftliche Notiz, welche lautet: Warum fliegen Motten und Mücken in die Licht­flamme," nicht aber auf den Mond zu, wenn derselbe am Horizonte steht? Allerdings bemerkte ich längst, daß fie beim Mondschein weniger bäufig in die Lichtflamme fliegen. Sr bald aber eine Wolke darüber hinzieht, werden fie alsbald wieder vom Lichte angezogen." Diese Beobachtung will sagen, daß der Helligkeitskontrast eine wichtige Rolle bei Dieser Erscheinung spielt. So lange der von Wolten unbe deckte Mond rings umher eine starke Helligkeit verbreitet, wirkt das Licht weniger anziehend auf die Insekten. Im Uebrigen scheint es auch Darwin nicht gelungen zu sein, eine befrie­digende Erklärung des seltsamen Instinktes zu finden, wenig ftens hat er, so viel mir bekannt, nirgends etwas darüber ver­Sffentlicht.

Ich habe die Erscheinung eben Instinkt genannt, und für einen solchen muß man sie wohl halten, wenn man sich er­innert, wie massenhaft und scheinbar unwiderstehlich die In­setten von einem hellen Scheine angezogen werden. Nach der neueren Weltanschauung vermögen wir uns aber nur die Ents stehung solcher Instinkte zu erklären, die dem Geschlechte von irgend welchem Nußen find. Es fragt sich demnach, ob es in der Natur Lichterscheinungen giebt, deren Aufsuchung für das Leben und Gedeihen der Inselten eine gewiffe allgemeine Bedeutung habe. Da fallen uns zunächst die leuchtenden Pilze, das faule Holz, die Johanniskäfer und andere Leuchtinsekten ein, deren Erscheinung noch am ersten mit der eines brennen den Lichtes Aehnlichkeit haben könnte.

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Die Japaner, welche sich, wie es scheint, ebenso vergeb­lich, wie die Europäer, bemüht haben, irgend einen triftigen Grund für die Lichtfreundlichkeit der Insekten aufzu finden, haben ein allerliebstes Märchen ersonnen, ihren Kindern eine Antwort auf die Frage zu geben, was denn die Motten eigentlich in der Lampe zu suchen haben. In dem auffprießenden Geäst einer Lotospflanze", erzählt bie japanische Märchentante, faß die Tochter einer Feuerfliege als unscheinbarer kleiner Wurm. Niemand beachtete fie, und so verbrachte sie einsam ihre Tage, indessen machte sie sich nichts daraus, denn sie dachte bei sich, wenn die Zeit gekommen wäre, wo fie erwachsen sei, müßte sich ihr Loos wenden, und während fle fegt allein in ihrem Blüthenkelche rubte, würde sie später Gesellschaft und Unterhaltung genug bekommen. Diese Hoffnung erfüllte fich auch richtig, denn eines Abends erstrahlte ihr Körper in so zauberischem Lichte, daß Alles rings umber davon geblendet wurde, und die schmale, glänzende Mondfichel am Himmel zog fich vor lauter Neid hinter eine Wolfe zurück. Von dem magischen Lichte angezogen, tamen aber Tausende von Inset­ten und brachten dem glänzenden Glühwurm ihre Huldigung dar. Der graue Nachtfalter umflatterte den Kelch der Lotosblume, in welchem sie wohnte, ohne Unterlaß, große und kleine Käfer schwirrten unaufhörlich in der Luft oder setzten sich der Leuchtenden zu Füßen, und zahlloje buntfarbige Thierchen stimmten ihr zu Ehren ein Konzert an, das weithin ertönte. Aber allen diesen Huldigungen feßte das Glühwürmchen falte Verachtung ent gegen. Es rührte sich kaum in seinem duftenden Blumenbette, und es that, als ob es von alle dem Gewirre rings umher nichts vernähme. Als sich jedoch Abend für Abend dieselbe Szene abspielte, da erhob sich die Schöne endlich und trat her­vor. Lagt mich in Ruhe!" rief fie ,,, Reiner von Euch gefällt mir; ich werde nur den erhören, der mir ein Licht bringt, wie ich selbst es habe." Betroffen hörten alle ihre Bewunderer diesen Ausspruch, allein kaum waren ihre Worte verklungen, jo flog Alles von dannen, um Licht zu holen, damit der Wunsch des leuchtenden Wesens erfüllt werde. Eitel Bemühen! Alle Diese zahllosen Insekten stürzten sich tapfer und ohne je sich zu befinnen in die Flamme jeder Lampe, jeder Kerze, die ihnen in den Weg kam, und dennoch haftete kein Strahl davon auf ihren Flügeln oder ihrem Leibe, nein, fläglich mußten fie für ihr Wagniß büßen. Die spröde Prinzessin Glühwurm blieb nun verschont und allein, und sie hätte lange auf einen Freier warten fönnen, wenn nicht plößlich der Leuchtkäfer gekommen wäre. Dieser glänzte genau so hell, wie der Glühwurm, und als fich beide erblidten, da waren fie gegenseitig von ihrer Schönheit so bezaubert, daß sie allsogleich beschlossen, einander zu heirathen. Die armen Insekten aber, welche die Prinzessin mit so hinterlistigen Worten fortgeschickt hatte, mühen sich bis zum heutigen Tage vergebens ab, sobald sie ein Licht sehen, etwas davon zu erhaschen; fie verbrennen fich dabei Flügel oder Füße oder gar den ganzen Leib und gehen elendiglich zu Grunde."

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Dieses Märchen würde noch mehr Lebenswahrheit ein­schließen, wenn es richtig wäre, daß die Leuchtkäfer fißend und Allein fliegend von anderen Insekten umschwärmt würden. die Leuchtinsekten find im Gegentheil gemiedene Thiere, und man hat sich durch Versuche überzeugt, daß sie wahrschein eines Geschmads wegen Lich Thieren nicht gefressen werden und somit aus ihrem Leuchten den Nugen ziehen, daß sie den Eulen, Nachts fchwalben, Fledermäusen und anderen auf nächtlichen Raub ausgehenden Insektenfressern schon von weitem sagen: hier befindet sich ein ungenießbarer Biffen! und so als ihre eigene Warnungslaterne dienen. Auch das Leuchten faulender Gegen­stände fann mit der Erscheinung nichts zu thun haben. Wenn die Insekten gern ihre Eier in leuchtfaules Holz oder Fleisch legen, so würden wir ihre Vorliebe für leuchtende Gegenstände Davon ableiten können, allein in diesen mit Pilzfäden durch­wucherten organischen Resten findet man niemals Infektenbrut.

Wir können also nur sagen, daß wir Fälle eines bestimmten Nugens, den die Aufsuchung leuchtender Gegenstände für die

Insetten brächte, nicht fennen, dagegen viele Fälle, in benen Dieser Instinkt für fie verhängnißvoll oder direkt tödtlich wurde, und zwar nicht bloß, wenn fie ins Feuer, sondern auch indem fte in glizerndes Waffer hineinfallen. In letterer Beziehung erzählt J. S. Garderer, daß er bei einem Besuche der großen Hufeisenfälle von Stalfandafljor auf Jsland beobachtet habe, wie fich Motte auf Motte freiwillig in das glizernde Waffer des Katarakis stürzte und darin verschwand. Manche, die er aus einiger Entfernung herankommen sah, flatterten zuerst eine Weile unschlüffig hin und her, bis sie dem Waffer näher tamen und geraden Weges hineinflogen. Die glizernden Fälle, sept Der Beobachter hinzu, schienen eben so anziehend für sie zu sein, wie fünstliches Licht.

Gleichwohl muß eine allgemeine und wichtige Ursache vor­handen sein, welche mehr oder weniger alle Insekten treibt, einer intensiven Lichtquelle zuzustreben, selbst solche, die als vollkommene Insekten nur Nachts fliegen, also niemals an helles Licht, den Mondschein ausgenommen, gewöhnt wurden, oder welche, wie die Eintagsfliegen, des Abends die Puppenhülle verlassen und nach wenigen Stunden sterben. Da ein solcher Trieb ihnen durch irrthümliche Anwendung desselben so oft

Freitag, den 24. Dezember 1886.

Schaden bringt, so muß er von außerordentlichem Nußen für fie sein, da er sonst wahrscheinlich Einschränkungen erfahren würde. Denn wir fönnen uns nach Darwin'schen Grundsäßen nicht vorstellen, daß ein ausschließlich schädlicher Instinkt bei irgend einem Thiere bestehen kann, und wir sehen auch, daß der ursprüngliche Bug der Insekten zu hellleuchtenden Objekten bei Küchenschaben und Heimchen vollkommen vernichtet worden ist. Wenn man Nachts mit einem brennenden Lichte einen Raum betritt, der von Küchenschaben oder Heimchen heimgesucht wird, so sieht man sie eiligst in ihre Verstecke fliehen, weil ihnen dieser Umstand sehr häufig verderblich geworden ist, während brennendes Feuer in der freien Natur zu selten ist, um den eingeborenen Trieb der Insekten zum Lichte verhängnißvoll zu machen. Als ich bis zu diesem Punkte der Analyse gelangt war, ging mir das Licht der Erkenntniß auf, denn ich sah, daß in der That gerade für die Insekten und namentlich für diejenigen mit vollkommener Verwandlung angeborene Bug zum Lichte von unermeßlicher Bedeutung ist, sofern sich alle aus einer dunklen Puppenhülle, oftmals aus dichten Kolons und manchmal aus tiefen, windungsreichen Höhlen, im Erdinnern, in Bäumen, Gallen und sonstigen dunklen Gefängnissen zum Lichte hervorringen müffen. Das hervorstrahleude Licht, das durch die oft mit großer Mühe er­arbeitete Deffnung plöglich in ihren finsteren Aufenthalt herein­bricht, ist für sie das Licht der Freiheit, das Signal zum Ver­laffen der engen, ihnen bis dahin gezogenen Schranken, und dieser Zug zum Licht muß für fie ein elementarer Drang ges worden sein, den man faum mehr als bloßen Instinkt bezeichnen fann. In diesen einfachen Erwägungen scheint mir der Schlüffel zum Verständniß ihrer bisher völlig dunkel und räthselhaft' ge­bliebenen Lichtfreundschaft gefunden zu sein.

dieser

Wenn nun am Abend ein ähnlicher intensiver Schein, wie aufbligt, fo mag fich in ihm, obwohl es sich in der Freiheit be­ihn das Insekt nur von seiner Gefängnißpforte her fennt, irgendwo findet, das angeborene Gefühl geltend machen, dort, wo die hellen findet, das angeborene Gefühl geltend machen, dort, wo die hellen Strahlen herkommen, sei die helle Ausgangsöffnung eines dunklen Behälters, in dem fie fich gefangen wähnen, und ste stürzen darum haufenweise auf jenes vermeintliche Lichtloch los und finden dabei ein jämmerliches Ende. Darum find vor Allem solche Thiere, die am Tage in dunklen Höhlen wohnen, wie die Krebse, manche Fische und Nachtvögel, geneigt, derselben Täuschung anhein­zufallen, wie die Insekten, während die Tagthiere durch ihr nächtliches Ruhebedürfniß davor bewahrt bleiben. Und ferner fönnen wir aus derselben Erklärung verstehen, warum Sonne werden, denn mit der allgemeinen Helligkeit, die sie verbreiten, und Mond nicht ebenfalls für offene Gefängnißpforten gehalten vernichten sie jene Täuschung, die nur eine aus allgemeiner werden, denn mit der allgemeinen Helligkeit, die sie verbreiten, vernichten sie jene Täuschung, die nur eine aus allgemeiner Dunkelheit hervorstrahlende Lichtquelle erzeugen kann. Höchst wahrscheinlich kommt eine starke Blendung der Nachtinsekten hinzu, um sie auch in nächster Nähe unfähig zu machen, ihren vers derblichen Jrrthum zu erkennen, und so fliegen sie denn unauf­haltsam und schaarenweise in den Tod.

Kommunales.

Stadtverordneten- Versammlung.

Deffentliche Sigung vom 23. Dezember. Der Stadtverordneten Vorsteher Herr Dr. Stryd er­öffnet die Sigung nach 5 Uhr mit einer Reihe geschäftlicher Mittheilungen. Die Abtheilungen sind zufammengetreten und haben die Wahl von 10 Mitgtiedern für den Ausschuß zur Vorbereitung der Vorlage, betreffend die Aufnahme einer neuen Straße zwischen der Straße Siegmundhof und der Kurhafeners straße auf der nördlichen Seite der Stadtbahn in den Be bauungsplan, vollzogen. In die gemischte Deputation, welche die Frage eines Gewerbeschiedsgerichts vorbereiten soll, war der Stadtv. Langenbucher an Stelle des Stadto. Singer getreten, als der lettere, wie der Vorsteher es nennt, auf Reisen geschickt wurde". Nunmehr tritt der Stadtv. Langen­bucher dem Stadtv. Singer seinen Sig in der Deputation wieder ab.

Nach Eintritt in die Tagesordnung kommen eine Anzahl Naturalisations, Pensionirungs-, Aufnahme- und Anstellungs­gesuche zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung.

Die Aufgabe des Wiederkaufsrechts der Stadtgemeinde an einer in der Mödernstraße belegenen Parzelle des Grundstücks des königlichen Eisenbahnfiskus und die Ab­tretung von Straßenland zum Halleschen Ufer sowie die Regu­lirung dieses Ufers zwischen Möckern und Schönebergerbrücke, als Ufer- und Ladestraße war vom Magistrat beantragt worden. Der zur Prüfung dieser Vorlage eingefeßte Ausschuß empfiehlt durch seinen Berichterstatter, Stadtv. Dr. Friedemann, folgende Beschlußfaffung:

Die Versammlung genehmigt den Abschluß eines Vertrages mit dem königl. Fiskus, wonach dieser gegen Verzicht der Stadt­gemeinde auf die ortsstatutarischen Beiträge zu den Kosten der Regulirung des Halleschen Ufers zwischen der Schöneberger und Möckernstraße und ferneren Verzicht auf das Wieder­taufsrecht bezüglich des Band 27 Nr. 1708 des im Grund­buche von den Umgebungen eingetragenen Grundstücks den zur Regulirung des Halleschen Ufers auf der vorbezeichneten Strecke erforderlichen Theil des eisenbahnfistalischen Terrains ohne weiteres Entgelt an die Stadtgemeinde abtritt.

Die Versammlung erklärt sich ferner damit einverstanden, daß im nächsten Etatsjahre 1887-88 mit der Anlage einer Ufer und Ladestraße am Halleschen Ufer auf der Strecke zwischen der Möckern und der Schöneberger Brücke begonnen werde unter der Vorausseßung, daß die schwebenden Verhand­lungen über den Erwerb des zu dieser Anlage nothwendigen Terrains vor oder innerhalb des Etatsjahres 1887-88 zu Ende geführt werden.

zu.

Die Versammlung stimmt debattelos dem Ausschuß­anfrage solgt die Berichterstattung über die Vorlage, betreffend Es folgt die Berichterstattung über die Vorlage, betreffend den Ankauf der Grundstücke Andreasstraße 56, Krautstraße 48 a und Grüner Weg 95 zur Erbauung einer Markthalle für den Osten der Stadt. Der Ausschuß hat den vom Magistrat beantragten Kaufpreis für die beiden erst genannten Grundstücke von 590 000 M. refp. 180 000 M. auf 500 000 M. refp. 150 000 M. herabgesezt. Dem Ankaufe des legten Grundstückes, für welches der Magistrat 180 000 M. zahlen wollte, hat der Ausschuß nicht zustimmen fönnen, fich aber für den Ankauf des Grundstücs Grüner Weg 96 zum Preise von 147 000 m. entschlossen. Indem der Referent des Ausschusses, Stadtv. Na mslau, den Ankauf dieser Grundstücke zu dem festgesezten Preise empfiehlt, sucht er nach­zuweisen, daß alle übrigen der Stadt in jener Gegend ange­botenen Grundstücke zu theuer seien. Er theilt ferner noch mit, daß Herr Hermann sich mit dem vom Ausschusse für das Grundstück Krautstr. 48a festgesezten Preise von 150 000 M. nicht einverstanden erklärt, und daß der Befizer des Hauses Andreasstr, 56, Kühne, von seiner Forderung( 590 000 m.) nur 50 000 M. ablassen wolle.

3. Jahrg.

Stadtv. Meyer I beantragt die Ablehnung der Magistrats vorlage wie der Ausschußanträge und die Vorlage eines neuen Projekts.

Stadtv. Gehrt sucht nachzuweisen, daß besonders das erste der angebotenen Grundstücke, Andreasstr. 56, durch Agio tage vertheuert worden sei. Wieder sei ein System organifirt worden, um der Stadt die Grundstücke, welche sie erwerben wolle, zu vertheuern. Das Grundstück Andreasstr 56 sei früher für 495 000 M. der Stadt angeboten worden, einem Privat­manne sogar für 420 000 M. Um die Konkurrenz der anderen Häuseragenten zu verhindern, sei einem derselben von einem anderen 10 000 M. als Entschädigung angeboten worden, wenn er ihm den Abschluß des Verkaufes an die Stadt allein über­laffen wolle. Wenn der Befizer jetzt auch 50 000 M. ablaffen wolle, so wisse man, daß doch noch genug Blutegel" an dem Grundstücke ſizen. Die Ablehnung aller Verhandlungen nach solchen Vorkommnissen sei moralische Pflicht.

Stadtv. Gerstenberg empfiehlt den Ausschußantrag; der Preis sei vom Ausschuß reduzirt und die Grundstücke eigneten fich gut für eine Markthalle.

Stadtv. Spinola empfiehlt die Ablehnung des Ankaufes aus Gründen der öffentlichen Moral. Es sei an der Zeit, hier ein Erempel zu statuiren, wo die Schliche der Kommissionäre" endlich einmal aufgedeckt worden seien, die aus dem Fleisch der Steuerzahler fich Riemen schneiden wollten. Ein Grundstück, das für 420 000 M. zu haben gewesen, sei dem Magistrat für 590 000 M. angeboten worden, und der Magistrat habe geglaubt, den Ankauf empfehlen zu können.

Stadtfyndikus Eberty hebt hervor, daß dem Magistrat überhaupt nicht bekannt geworden sei, daß das Grundstück einmal für 420 000 M. zu haben gewefen fet. Der Redner giebt sodann eine Darstellung der Verhandlungen, bei denen die Kommissionäre Hermann Salo­mon, Plewe, Schweder und Trent betheiligt waren. Nichts liege dem Magistrat ferner, als eine künstliche Preissteigerung zu fördern.( Buruf: Dulden!) Es fehle ihm an einem parla mentarischen Ausdrucke, um solche Verdächtigungen zu bezeichnen. Es müsse leidenschaftslos erwogen werden, welchen Werth die Grundstücke für die Stadt hätten. Das sei das Wesentliche.

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Stadtv. Talfe: Vom moralischen Standpunkte aus seien solche Vorgänge, wie fie befannt geworden seien, zu verwerfen. Die Grundstücks Spekulation werde aber niemals beseitigt werden können. Nur darauf sei zu sehen, ob das Grundstück das beste und das billigste sei, das für Markthallenzwecke zu haben fei. Herr Gehrt habe in seinem ästhetischen Moral­gefühl"(!?) gegen Windmühlenflügel gefämpft. Man werde auf das vom Ausschuß vorgeschlagene Projekt immer wieder zurückkommen müssen.

Stadtv. Meyer I: Der Stellung der Versammlung sei es nicht angemessen, auf solche Verhandlungen sich noch weiter einzulassen. Die Vorlage sei abzulehnen. Feinfühligen Naturen würde es genügen, wenn solches Gebahren öffentlich gerügt werden. Die Herren, um die es sich hier handle, seien so fein­fühlig nicht, fie müßten dadurch belehrt werden, daß man fie bineinfallen" laffe. Den Befißern aber müsse gesagt werden: Laßt euch mit dieser Gesellschaft nicht ein; bietet uns die Grundstücke direkt an!

Stadtrath Blant en stein bittet, den Ausschußantrag anzunehmen. Werde derselbe abgelehnt, so sei es sicher, daß der Often wenigstens um ein Jahr später eine Markthalle er halten werde.

Stadtsyndikus Eberty: Der Magistrat vertrete die öffentliche Moral ebensogut wie die Versammlung. Als die Vorgänge dem Magistrat bekannt geworden seicn, habe derselbe fich gefragt, ob er die Vorlage nicht zurückziehen folle; man habe sich aber entschlossen, der Versammlung die Entscheidung über die ganze Angelegenheit zu überlaffen.

Stadto. Hoffmannn i will die Versammlung nicht zu Spekulationen gewissenloser Agenten schüßen. Die Vorlage sei einer Handelsbude" werden laffen und den Stadtsäckel vor den abzulehnen.

Ein Schlußantrag wird mit großer Majorität ange

nommen.

Stadtv. Singer fonstatirt zur Geschäftsordnung, daß durch den Schluß der Debatte ihm das Wort in dieser Ange legenheit abgeschnitten worden sei.

Bei der Abstimmung, die namentlich ist, stimmen folgende Stadtverordnete( 59) gegen die Anträge des Ausschusses: Bellermann, Bergmann, Degmeier, Dopp, Esmann, Friederici, Gehrke, Gerold, Gehrt, Gördi, Häger, Häficke, Haß, Heller, Hensch, Hoffmann I, Hoffmann 11, Heilmann, Jakobs, Jrmer, Kalisch, Karsten, Kramp, Kreitling, Dr. Leo Limprecht, Luce, Meyer, Meyer I, Mielenz, Mießner, Morschel, Baetel, Best, Reichenow , Richter, Roeseler, Salge, Samm, Schaefer, Schmeißer, Schreiber, Schwalbe, Seiffert, Siebmann, Singer, Solf, Spinola, Stryd, Tußauer, Vite, Vorth mann, Weiß 1, Wieck, Weinstruck, Winkler, Wohlgemuth, Biethen. Mit Ja stimmen 45 Stadtverordnete. Die Anträge des Ausschusses find somit abgelehnt, ebenso die Magistrats vorlage.

Der Ankauf des Ritter gutes Schenkendorf im Teltower Kreise zur Verwendung als Rieselfeld( Kaufpreis: 2390 Morgen für 240 000 M.) wird beschlossen.

3ur Regulirung der Ostseite des Neuen Marktes schlägt der Ausschuß vor, die Grundstücke Neuer Markt Nr. 3 und Nr. 45 zu dem Preise von 122 125 M. und 220 000 M. und die Grundstücke Neuer Markt 6 und 7 im Wege der Enteignung zu erwerben.

Stadto. Reichenow erklärt fich gegen diesen Antrag, weil es dringendere Bedürfnisse für die Stadt, als der Ankauf dieser Grundstücke gebe.

Nach längerer Diskussion werden die Anträge des Aus­schuffes abgelehnt.

Der Antauf des Grundstücks Albrechtstr. 16 zu Ge meindeschulzwecken wird debattelos genehmigt.

Ein Antrag, die noch nicht erledigten Gegenstände abzu­feßen, wird angenommen. Schluß 9 Uhr.

Es folgt eine nicht öffentliche Sigung.

Lokales.

Mangel an Patriotismus dem Gegner vorwerfen, fich selbst dessen zu rühmen, scheint so zur Mode zu werden, daß es der Mühe lohnt, zu untersuchen, was Patriotismus war und was er heute ist. Bunächst muß es auffallen, daß man trop allem Fremdwörterhaffe in der deutschen Sprache für diese ges suchteste und belohnteste Tugend bisher noch kein passendes Wort finden konnte, denn die Ueberfegungen: Vaterlandsliebe für Patriotismus und Vaterlandsfreund für Patriot drücken heute weniger als je den Begriff aus, welchen wir mit den beiden Fremdwörtern verbinden. Bei den Alten galt der Patriotismus von allen Formen menschlichen Heldenmuthes für die uneigennütigste. Ohne Aussicht auf persönliche Unsterba