an
lichkeit als Lohn, ging der Spartaner und Römer aus Liebe zu seinem Vaterlande in den Tod. Der Patriotismus war eine der höchsten fittlichen Pflichten. Wesentlich anders war die Auffaffung des Christenthums. Es war das Bekenntniß und zugleich der Ruhm der Christen, daß keine Intereffen ihnen gleichgiltiger feien, als die ihres Vaterlandes. Ihre Heimath lag in einer anderen Welt; fie bestritten die Rechtmäßigkeit des Krieges, und fie gestanden offen, daß es ihnen gleichgiltig fei, unter was für einer Herrschaft fie lebten, vorausgesetzt, daß fie in ihrem Gottesdienst unbehelligt blieben, ja fie bildeten die äußerste und vollkommendste Verleugnung des Patriotismus berartig zu einem Jdeal aus, daß sogar der Verrath des Vaterlandes ihnen geboten erschien, sobald die Kirche davon Nußen batte. Vor der Kirche trat also die Liebe zum Vaterlande, der Patriotismus zurück. Der moderne Patriotismus sett Stelle der Kirche den jeweiligen Regenten und deffen Organe, er hat also nicht mehr etwas Stabiles, sondern paßt sich den Verhältnissen an, d. h. feine Loyalität äußert sich in der hingebendsten Unterthanentreue und richtet sich nach Außen wie nach Innen gegen Alles, was die Machtstellung des Vaterlandes bezw. des Regenten zu beeinträchtigen im Stande ist oder schädigen zu wollen im Verdachte steht. Es ist dabei nicht durchaus erfor derlich, daß die Motive selbstlose find. Der Patriotismus zeigt fich besonders bei Kriegen und bei Allem was mit der Kriegs bereitschaft in Verbindung steht, so daß ein Volfsvertreter schon Gefahr läuft des mangelnden Patriotismus, wenn nicht gar der offenen Reichsfeindschaft beschuldigt zu werden, sobald er den Militäretat nicht blindlings bewilligt. Es ist fraglich, ob es überhaupt einen Patriotismus geben würde, wenn es feine Kriege mehr gäbe, was doch vom Standpunkte der Humanisten ein Ziel aufs innigste zu wünschen" wäre. Es ist andererfeits leider ebenso gewiß, daß angeblich recht patriotische Volksvertretungen durch ihre Beschlüsse eine große Zahl Söhne des Vaterlandes rechtlos und vaterlandslos machen, welche bis da hin im Vaterlande die Garantien ihrer theuersten Rechte und den Inbegriff ihrer höchsten Geister gewahrt zu sehen glaubten. Während nicht selten Lumpen dem Arm der Justiz sich durch Berufung auf ihren Patriotismus entziehen, ziehen die Ausgewiesenen von Ort zu Ort, im eigenen Vaterlande vergeblich um Aufenthalts- Erlaubniß bettelnd. Da entwickelt sich denn naturgemäß eine fosmopolitische Liebe zu jenem Vaterlande, dessen Grenzen der Dichter darnach bemißt, soweit die deutsche Zunge flingt," und man gönnt den Lokalpatriotismus und Servilismus gern dem chamäleonartigen politischen Streberthum, cuf welches Leffing's Wort mit einer geringen Aenderung paßt: Man ist verdammt wenig, wenn man nichts ist als solch ein Patriot.
Unsere Adressirung der Briefe. Man schreibt der Frantf. 3tg.": Wer Gelegenheit gehabt hat, öfter mit Postbeamten zusammen zu fommen, wird sich der Wahrnehmung nicht haben verschließen können, daß unter den vielfachen Berufsflagen, die diese Jünger des Verkehrs vorbringen, eine der ersten und häufigsten die ist, welche sich mit der Ünleserlichkeit der Adressen und der Kleinheit und Bierlichkeit der in ihnen angewandten Buchstaben beschäftigt. Wie der Postbeamte unter diesen beiden Sünden des Publikums zu leiden hat, wird jedem ersichtlich, wenn er nur einen Blick in die Verwaltung thut und die Briefsäcke, die einem einzelnen Beamten zum Ordnen und Sichten in relativ kurzer Frist übergeben werden, auf ihren Inhalt und die Zahl der darin verborgenen ,, Stücke" prüft. Es ist nun aber flar, daß gegen die erste der beiden Sünden schwer anzufämpfen ist. Es ist nicht jedem eine deutliche, flare Handschrift gegeben, er muß so schreiben, wie die Feder es mit sich bringt" und wird sich von Natur schon die möglichste Mühe geben, da er ja andernfalls eine Nicht Expedition seiner Briefe 2c. befürchten muß. Die zweite Sünde aber, die sich namentlich auf die Schultern des schönen Geschlechts abwälzt, ist, einigen guten Willen beim Publikum vorausgesetzt, bequem aus der Welt zu schaffen. Es bedarf dazu vor allem einer Aenderung in der Adresfirung unserer Postsachen. Die bis heute ge= bräuchliche Methode, den Namen des Empfängers den ganzen mittleren Raum des Kuverts einnehmen zu laffen, ist zwar sehr höflich hat hieraus auch vielleicht ihren Ursprung genommen
aber nichts weniger als praktisch und logisch. Nicht logisch, weil für die Beförderung an den Bestimmungsort doch der Name des Adressaten den legten Plaß einnimmt, das Unwesentliche ist, dem erst der austragende Postbote, wenn er in dem betreffenden Hause auf der betreffenden Treppe angelangt ist, Rechnung zu tragen hat- während er auf dem Kouvert den vornehmsten und am besten sichtbaren Platz inne hat. Nicht praktisch, weil durch ein derartiges Arrangement die Namen des Bestimmungsortes, der nächsten Post- oder Eisen bahnstation , des Kreises oder der Provinz, wie es ja auch heute Sitte ist, in die rechte untere Ecke gedrängt werden, d. h. an den am wenigstens dazu geeigneten Ort. Ein Jeder wird mit mir selbst die Erfahrung gemacht haben, daß man sich oft, recht oft in Betreff des verfügbaren Raumes täuscht, daß man daher gezwungen ist, die wichtigsten Angaben der Adresse, die weiteren Bestimmungen des angegebenen Ortes in fleiner zimperlicher Schrift beizufügen, weil man mit dem Raum vorher zu verSchwenderisch verfahren hat. So kommt es, daß die expediren den Beamten bei unzähligen Briefen erst studiren" müſſen, am liebsten wenn sie eine solche zur Hand hätten – unter Anwendung einer Lupe und dergl. Der Postbote dagegen hat es gut, ihm leuchten schon von Ferne die großen Schriftzüge entgegen, in denen der Rame der Adressaten niedergelegt ist; er würde sich, selbst wenn er schwache Augen hätte, nicht einer Brille zu bedienen brauchen. Man wird mir vielleicht zugeben, daß dies doch verkehrte Welt spielen heißt. Und doch tönnte diese verkehrte so schnell in die richtige, vernunftsgemäße Welt übergeführt werden, wenn man sich nur entschlösse, mit der alten von den Großeltern überlieferten Gewohnheit zu brechen, und die moderne, so vernünftige" Welt auch auf den Brieffouverts zum Ausdruck zu bringen. Da meine ich denn, daß man die Adresfirung in fonzentrischen Kreisen von außen nach innen fortschreitend vornehme; wie z. B.:
oder
Angabe der Post oder Eisenbahnstation Angabe des Bestimmungsortes
Herrn N. N.
Herrn N. N.
Bei allgemein bekannten Städtenamen wird man natürlich Die ersten Kreise fortlaffen können. Bei einem derartigen Ver fabren werden, dies ist ersichtlich, die wichtigen Bezeichnungen, auf denen im Laufe der Beförderung vielleicht zehn und mehr Beamtenaugen ruhen, in die Mitte des Kouverts gerückt, d. h. an den bevorzugten Plaz und dort von Natur schon, um die Buchstaben bei der Menge des weißen Raumes nicht untergehen zu lassen, mit großen und deutlichen Zeichen ausgestattet werden. Damit wäre dann die zweite Sünde in die Rumpelfammer ges worfen. Es ist klar, daß mit einer jahrelangen Gewöhnung nicht im Nu gebrochen werden wird. Der Zweck dieser Zeilen wäre auch schon erreicht, wenn dieselbe nur einige Proselyten 3n schaffen im Stande wären. Im Uebrigen kommt es vor Allem darauf an, wie fich die leitenden Postfreise zu dem im Borstehenden ausgesprochenen Gedanken stellen.
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Der Begriff, thunlichft", der in der neueren Verwaltungsgefetgebung wiederholt zur Anwendung gekommen ist, hat vor furzem, und zwar bei der leytinstanzlichen Entscheidung der befannten Berliner Treppenbeleuchtungsfrage, eine für das Bublikum sehr beachtenswerthe Auslegung erhalten. Der be treffende Eigenthümer hatte nämlich seine Revision beim Oberperwaltungsgericht mit dem Hinweise auf den§ 132 des Bu
Es
ständigkeitsgesetzes begründet, wonach die Polizeibehörde, soweit es thunlich ist, die zu erzwingende Handlung durch einen Dritten ausführen zu laffen hat, zu diesem Zwecke zunächst einen Koftenporschuß einziehen soll und erst, wenn dies nicht möglich ist, Es wurde nun Ordnungsstrafen androhen und festseßen soll. darauf hingewiesen, daß die Treppenbeleuchtung sehr wohl durch einen Dritten hätte ausgeführt werden können und die Einziehung eines Kostenvorschusses in dem vorliegenden Falle Das Oberkeineswegs resultatlos gewesen sein würde. verwaltungsgericht aber verwarf bekanntlich die Revision und bemerkte in Widerlegung dieses Einwandes: hängt von der Beschaffenheit des einzelnen Falles ab, ob es thunlich war, die Handlung durch einen Dritten ausführen zu laffen. Das Gesetz hat hierbei nicht lediglich den Fall der völligen Unmöglichkeit im Auge, sondern mit dem Ausdruck thunlich" nur darauf hinweisen wollen, daß im gegebenen Falle auch auf die Angemessenheit der Ausführung durch einen Dritten Rücksicht genommen werden soll. Der Gesetzgeber will den Behörden einen freieren Spielraum im Interesse des Publikums gewähren, weil die Ausführung der Handlung durch einen Dritten für das Publikum sehr beengend werden kann.
Was in dem Falle der Treppenbeleuchtung über die ,, thunliche Ausführung der Handlung durch einen Dritten" festgestellt ist, das gilt natürlich auch von allen anderen von der Polizei zu erzwingenden Handlungen. Dem Publikum steht also eine Berufung auf die thunliche Ausführung durch einen Dritten nicht zu.
Der schwarze Graben, jenes Wäfferlein im Westen, an welchem ganze Berliner Generationen ihren Wig im Schimpfen übten, wird bekanntlich gegenwärtig beseitigt. Am Dienstag Nachmittags besichtigte eine größere Anzahl von Intereffenten und Vertretern öffentlicher Behörden den gegenwärtigen Stand der Kanalisationsarbeiten, die an Stelle des Grünen Grabens treten. Ein festlich geschmückter Wagen der Dampftrambahn führte die Gesellschaft vom 3oologischen Garten bis zur ehemaligen Brücke über den schwarzen Graben. Wo die Arbeiten vorgenommen werden, loderten von mächtigen Holzstößen die Flammen, den doppelten Zweck zu erfüllen, zu erleuchten und zu erwärmen. Baumeister Wernetind gab einen Ueberblick über das Geschehene, der sehr lehrreich war. Wieviel Berliner , die Wieviel Berliner , die ihr redlich Theil über den schwarzen Graben mitgeschimpft haben, wußten es, daß er im Grunewald entspringt, treffliches Trinkwasser liefert und erst von seiner jungfräulichen Reine verliert, wenn er mit Friedenau und hinterher gar mit Schöne berg in Berührung kommt? Seine ganze zu kanalifirende Länge beträgt 4 Kilometer. Daran hat sich eine halbe Generation mürbe gearbeitet, bis es endlich gelungen. Gegenwärtig find die Arbeiten so weit gediehen, daß der Graben in kürzester Frist bis zum Charlottenburger Gebiet beseitigt sein
wird.
Der großartigen Entwickelung, welche das Turnwesen in Berlin genommen hat, entspricht auch die ansehnliche Zahl der jegt hier in Berlin befindlichen Turnanstalten, welche gegen wärtig 83 beträgt. Die Mehrzahl derselben, etwa zwei Drittel, bestehen aus einer Turnhalle und einem freien mit Bäumen bepflanzten Plaze; die Minderzahl enthält nur eine Turnhalle. Von jener Anzahl find 74 Anstalten Kommunaleigenthum, nämlich 11 Turnhallen für höhere Lehranstalten des männ lichen Geschlechts, 3 für höhere Mädchenschulen, 59 für Gemeindeschulen und 1 Turnhalle der Waisenanstalt zu Rummelsburg . Von den städtischen Turnhallen die älteste die im Herbst 1864 dem Betriebe über gebene Bentral- Turnhalle in der Prinzenstraße, deren Turnsaal ver größte in ganz Deutschland ist. Sämmtliche übrigen städtischen Turnhallen find in den Jahren von 1864 bis jetzt errichtet worden. Außer den städtischen Turnhallen bestehen in Berlin 9 fistalische Turnanstalten, ferner der im Besiz des Fislus befindliche Turnplay in der Hasenhaide. Was das Vereinsturnen betrifft, welchem die städtischen Turnhallen gleichfalls dienstbar gemacht werden, so ist die Berliner Turngemeinde" der älteste Turnverein Berlins ; derselbe umfaßt 6 Männer
ist
und 3 Lehrlingsabtheilungen und etwa 600 Vereinsangehörige.
V
Als Korporation besteht ferner die Berliner Turnerschaft", welche 8 Männer und 17 Jugend Abtheilungen enthält und über 3300 Angehörige hat. Die dritte größere Gruppe besteht aus 27 fleineren Turnvereinen mit zusammen etwa 3500 Angehörigen, die sich unter dem Berliner Turnrath" als Ges fammtleitung vereinigt haben.
man
Die Diphtheritis, dieser schreckliche Würgeengel unserer Kinder, ist um so gefährlicher, als sie sich unter ganz unschein barer Maste einzunisten versteht und heimtückisch ihre verderbenbringende Wirksamkeit entfaltet, bis endlich der todtbringende Feind erkannt wird, menschliche Hilfe aber dann meistens zu spät lommt. Es ist daher von höchster Wichtigkeit, die ersten Symptome der Diphtheritis genau zu kennen, um ihr erfolgreich begegnen zu können und dürften daher nachstehende Ausführun gen das weiteste Intereffe beanspruchen, welche über den Be ginn und Verlauf der Krankheit von berufener Seite im ,, Hamb. Korr." gemacht werden, woselbst es a. A. heißt: Das Kind fängt plöglich an zu fiebern, bricht, flagt über den Kopf und nur, wenn es schon erwachsen, über den Hals. Die Stirn fühlt fich auffallend heiß an. Das heftige Fieber läßt bald nach, meist schon nach einer Nacht und die Eltern glauben, das Kind habe nur ein Schnupfenfieber durchgemacht, oder fich den Magen verdorben, unterlassen demnach, dem Kinde den Hals zu unterfuchen. Nimmt man nun einen breiten Löffelstiel zur Hand und drückt damit die Zungenwurzel herab, so daß find, so fiebt die tieferen Halspartien sichtbar nach dem Fieberanfalle auf den Mandeln( den haselnußgroßen Wülften links und rechts vom Bäpfchen, hinter dem Gaumenbogen) weiße, unregelmäßige Fleden. Jetzt kann der Arzt helfen. Wird diese Besichtigung nicht vorgenommen und die Krankheit nicht erkannt, so zeigt das Kind nach dem Fieberanfall fich scheinbar wieder wohl, fängt an zu essen und zu spielen. Der diphtheritische Prozeß nimmt aber nun ungestört seinen Fortgang. Derselbe geht meist auf den Kehlkopf und die Lymphdrüsen, feltener auf die Nase über und nach 2 oder 8 Tagen treten die schweren augenfälligen Krankheitssymptome auf, welche endlich die Herbeiholung eines Arztes veranlassen. Jezt ist es aber gewöhnlich schon zu spät. Der Arzt giebt sich zwar die erdenklichste Mühe, das Kind zu retten; zuweilen gelingt dies auch noch, meist ist aber alles vergeblich. Den Eltern ist also dies an's Herz zu legen, nach jedem Fiebers anfall den Hals zu untersuchen und wenn dieselben sich kein Urtheil zutrauen, den Arzt rufen zu lassen. Wird so verfahren, so ist fast jedes Kind zu retten, welches an Diphtheritis er frankt ist.
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Berliner Hausbefizer. Der Berliner Hauswirth ist bes reits im allgemeinen eine typische Figur geworden, welche weit über die Berliner Weichbildgrenze hinaus eines gewiffen Renommees sich zu erfreuen hat. Der treffende und treffliche Berliner Volksmit hat ihm den Titel Hauspascha" beigelegt, eine Bezeichnung, wie sie zutreffender faum gedacht werden tann. Shre Lebensaufgabe besteht darin, an allen Quartals oder Monatsersten ein möglichst rundes Sümmchen einzustrei chen. Eteigern! steigern! ist ihr Lofungswort und womit suchen fie ihre Steigerung zu begründen? Mit ihren Schulden! In der letzten Versammlung des Hausbefizervereins im Norden Berlins wurde statistisch nachgewiesen, daß der Berliner Grundbefit eine Hypothekenlaft von über 4 Milliarden Mark zu tragen habe, welche 200 Millionen Mark Binsen erfordern. Die Miethen brächten aber nur 192 Millionen Mark ein, die Berliner Hausbefizer hätten demzufolge das Vergnügen, 8 Millionen Mark aus ihrer Tasche zuzulegen. Um dieses Defizit zu decken, müßte gesteigert werden. Wenn die Verhältnisse thatsächlich so liegen, so ist dies nur als eine Folge der modernen Häuserspekulation zu betrachten. Häuser werden heute gebaut und gekauft ohne einen Pfennig eigenes Geld. Daß hierdurch un
gesunde Verhältnisse Platz greifen, ist natürlich. Ein sonder bares Verlangen ist es aber, daß die Miether die Schulden der Herren Hausbefizer bezahlen sollen. Während anderen Sterb lichen die Wohnungsmiethen unerträglich hoch erscheinen, find dieselben Den Hauswirthen noch immer zu niedrig, warum? Weil fie eine große Schuldenlast zu verzinsen haben. Nun, wer fein Geld hat, hat, foll eben auf das Vergnügen,„ Hausbefizer" zu ſein, verzichten, um so mehr, als es den Hausbefizern als ein sehr zweifelhaftes Vergnügen erscheint, Hausbefizer zu sein, fie fich vielmehr laut darüber beklagen," Exekutoren des Staates", Lakaien der Po lizei" u. dal. m. zu sein. Wenn auch den Hausbefizern mancherlei Lasten aufgebürdet find, so sind ihnen doch dafür mancherlei Privilegien verliehen, wie sie feinen anderen Sterb lichen zu Theil geworden find. Wie naiv übrigens manche Hausbefizer find, zeigt der Umstand, daß in derselben Ver ſammlung darauf hingewiesen wurde, daß im Norden die Wohnungsmiethen in den legten 10 Jahren zurückgegangen find, während im Zentrum, im Westen 2c. die Miethen ge stiegen find, und daß dieser Umstand lediglich auf die Läffigfeit der nordischen Wirthe zurückgeführt wurde. Daß hier andere Fattoren maßgebend find, als die willkürliche Steige rungsluft der Hauswirthe, wird außer diesen jedem einleuchten. Hier aber heißt es einfach, wenn in der Friedrichstraße hohe Miethen gezahlt werden, fönnen auch im Norden höhere Miethen gezahlt werden, deshalb muß gesteigert werden. Wie wenig die Hausbefizer mit thatsächlichen Verhältnissen rechnen, beweist die Klage derselben, daß Maurer, Zimmerleute, die im Sommer 30 M. pr. Woche verdienen, Wohnungen zu 70 Thaler fich nehmen und obendrein noch Schlafburschen halten. Als wenn die betr. Handwerker das Geld verjubelten oder auf die Sparkasse trügen! Auf welchem Standpunkte die Hausbefizer stehen, ist ferner recht klar ersichtlich aus der Antwort, welche der Vorsigende des Vereins Berliner Grundbe fizer" auf eine an ihn ergangene Interpellation ertheilte, da hingehend, ob die Abschaffung der Miethssteuer für die Hausbefizer von Nußen sein würde. Natürlich, war die Antwort, denn dann können die Mietben wesentlich gesteigert werden! Woher die Menschen die Deckung der Miethen nehmen sollen, danach wird nicht gefragt; wer nicht zahlt, wird ermittirt, wozu haben wir denn Asyle für Obdachlose? Und dennoch Klagen, nichts als Klagen. Arme Berliner Hausbesizer!
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Die von uns mehrfach wegen ihrer Wahrheitsliebe" gekennzeichnete Staatsbürger- 3tg." leistet sich in ihrer geftrigen Nummer das Folgende: Bum Kapitel der Arbeiters freundlichkeit" gewiffer Geschäftsleute wird uns folgender Beitrag geliefert: Eine hieftge aus der Mäntelnäherinnen Bewegung befannte Arbeiterin nahm bei zwei hiesigen Schneider meistern Arbeit an. Als sie sich mit ihren Probearbeiten bei denselben meldete, bemerkte der eine der Frau, daß die Arbeit sehr sauber und eigen fei und sie wohl mit den Preisen, welche er ihr dafür zu zahlen im Stande wäre, nicht zufrieden sein würde; doch nahm die Frau in Ermangelung eines befferen die Arbeit dennoch an. Nach einiger Zeit bemerkten ihr beide Meister, daß fie ihr keine Beschäftigung mehr geben dürften, da die Firmen Gebr. Singer und Szafranski, für die sie thätig seien, ihnen die Beschäftigung der Frau bei Vermeidung der Entziehung der Arbeit untersagt hätten. So treibens diese jüdischen Arbeiterfreunde", aber trotzdem wollen die Arbeiter, wie ein solcher nach einer Rede des Abg. Singer in Dresden erklärte, die Juden mit ihren Leibern" decken. Woher wohl angesichts derartiger Thatsachen bei gewissen Agitatoren folche Begeisterung für die Juden kommen mag Soweit von diesem Erguß die Firma Gebr. Singer betroffen wird, find wir durchaus in der Lage, erklären zu können, daß die Mittheilung erlogen ist.
Ueber die Weglaffung des Prädikates, Herr" in einem amtlichen Schriftstück hat sich der Droschkenbefizer Koch beim Polizeipräsidenten von Potsdam beschwert und von demselben folgenden Bescheid erhalten:„ Auf Ihre Beschwerde vom 11. d. wegen Fortlaffung des Prädikats, Herr" in der hier wieder zurückerfolgenden von dem diesseitigen Kommissar für das öffent liche Fuhrwesen an Sie unterm 1. Dezember erlaffenen Ver fügung eröffne ich Ihnen, daß dasselbe nur aus einem Versehen fortgelaffen und jest nachträglich zugesetzt ist... gez. Wolffgramm. Die Versehen" waren aber allgemein und famen, wie der Fuhrhalter" mittheilt, in jüngster Beit wiederholt in amtlichen Schriftstücken vor, die von der Polizei zu Potsdam an dortige Furherren gerichtet waren.
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Das Eis, welches die Gewäffer Berlins und Umgegend deckt, ist in Folge des mit dem Wiederbeginn des Frostes eingetretenen und anhaltenden Echneefalles von sehr schlechter Qualität. Es hat sich sogenanntes Schneeeis gebildet, welches weder für die Schlittschuhläufer, noch für die Eiswerke einen Werth befigt.
Unter den öffentlichen Uhren scheint in Folge des Witterungswechsels ein förmlicher Streit ausgebrochen zu sein. Gestern Abend versagte die Normaluhr auf dem Spittelmarkt um 9 Uhr 25 Minuten den Dienst und die Uhr an der Jerufalemer Kirche rührt sich ebenfalls nicht von der Stelle. Gleiche Störungen werden auch noch von anderen Kirchen ge meldet. Es ist das ein Beweis, daß die Uhren nicht genügend vor den Einflüffen der Witterung geschüßt find. Die Reparaturen find meistentheils sehr störend und tofts spielig und daher müßte man bei Anbringung derselben für einen möglichst guten Verschluß Sorge tragen.
Käuflicher Adelstitel. Die Norddeutsche Allgemeine Beitung" öffnet unter der Ueberschrift Adoption" folgender Anzeige ibre Spalten. Einer der ältesten, vornehmsten Frei herintitel Deutschlands von historischer Bedeutung kann durch Adoption erblich erworben werden. Unerläßliche Bedingung: Makellose Vergangenheit, achtungewerthe Herkunft, chriftlicher Ronfeffion, bedeutendes Vermögen. Unter beiderseitiger Aufe rechterhaltung der allerstrengsten Diskretion können die ersten Präliminarien schriftlich geführt werden dann ist aber persönliche Vorstellung des zu Adoptirenden nothwendig. Ana träge 2c."
Drei Damen erschienen an einem der letzten Abende in einem befannten Restaurant der Oranienstraße, jede der Damen von einem Herrn begleitet. Kurze Zeit faßen die sechs an einem bereits für sie refervirten Tische. Dann sah man die drei Herren fich erheben und an einem anderen leeren Tische Plaz nehmen und dort den geistreichen Stat abfolviren. Da faßen nun die armen Frauen und sprachen vom Wetter und vom Dienstmädchen und von dem neuesten Roman in der Beitung, aber das Gespräch wollte nicht recht in Gang kommen, denn fortwährend flang vom Nebentische das: Paffe, Tournee und Null ouvert" dazwischen, und plöglich nach einer längeren Bause pacte die kleine blonde Frau ihr Strickzeug zusammen, langte tief in ihre Kleidertasche, brachte ein fleines eingewickeltes Päckchen zum Vorschein und husch, husch, husch, flogen die be fannten 32 Blättchen durcheinander; ein regelrechter Damenffat begann und dürfte schwerlich früber geendet haben, als das Spiel der Herren Männer". So rächen sich vernachläffigte Berliner Frauen!
Gute Nacht, Nachtwächter. In die Weihnachtszeit hinein fällt die Kunde von dem Aufhören einer veralteten Berliner Einrichtung. Dem Sturme der Neuzeit mußten felbft jene wohlbeleibten Männer mit geröthetem Gesicht, welche zur Nachtzeit mit bedächtigem Schritt durch die Straßen wander ten, der Schrecken und häufig auch der Spott wein- und bierfroher Gefellen, mit einem Wort die Nachtwächter" weichen. Die wohlbekannten Gestalten sollen vom 31. Dezember 1888 ab von der Bildfläche verschwinden und der nächtliche Sicherbeitsdienst der verstärkten Polizeimannschaft übertragen werden. Ja, schnell von der Höhe herabzusinken, ist das Schicksal alles Menschlichen, im großen wie im kleinen."