jetzt der nachfolgende Bescheid eingegangen: Königl. Eisen. bahndirektion. Berlin , den 21. Dezember 1886. Auf die Vorstellung vom 4. August d. J. theilen wir ergebenst mit, daß wir nach eingehender Erwägung der einschlägigen Verhältnisse dem gestellten Anfuchen, die für den Vorortsverkehr bestehende Einrichtung der Familien- Abonnements auch auf die Berliner Stadtbahn auszudehnen, zu entsprechen nicht in der Lage find. Den Mitunterzeichnern der Eingangs erwähnten Vorstellung hiervon Kenntniß zu geben, stellen wir anheim. Unterschrift. Wie wir hören, beabsichtigen die Betheiligten, eine neue Petition einzureichen, in welcher die Nothwendigkeit der erbetenen Einrichtung namentlich mit Rücksicht auf die Lage zweier Markthallen an der Stadtbahn begründet werden soll. Hoffentlich wird eine erneute Prüfung ein günstigeres Resultat ergeben.
Um dieselbe Zeit, als am Weihnachtsheiligabend hunderte und tausende von Weihnachtsbäumen im hellen Lichter glanz erstrahlten und Glück und Freude gespendet wurden, sah inan zahlreiche ärmlich gekleidete Frauen mit gramdurchfurchten Gesichtern auf den öffentlichen Pläßen und Straßen umberirren, wo Händler ihre Reste von Weihnachtsbäumen feilboten. Sie warteten auf den Augenblick, in welchem diese Männer ihre Stände verlassen würden. Und als dies geschehen, war in wenigen Sekunden der zurückgelassene Restbestand aufgeräumt
jede der Frauen hatte einen Baum oder auch nur das Fragment eines solchen ergriffen und war damit nach der ärm lichen Behausung geeilt, um den Kindern daheim auch einen Weihnachtsbaum aufstellen zu fönnen. Die Straßenfehrer, welche in der Nacht die Säuberung der Pläße und Straßen Berlins vorzunehmen hatten, fanden nur wenig Ueberbleibsel vor. Hier sah man die Armuth in ihrer bittersten Gestalt. Es muß schon traurig um die Lage einer Familie stehen, wenn ein liebendes Mutterherz nicht im Stande ist, den Kindern einen Weihnachtsbaum zu kaufen. Wie manche Thräne mag an diesem Abend der Freude und Lust in ärmlicher Hütte gefloffen sein.
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Daß auch der Schornsteinfeger mit dem Schnee in Beziehungen steht, dürfte Manchem neu sein, und doch ist dies der Fall. In einem unserer Nachbarorte war ein Schornsteinfeger beim Reinigen des Daches vom Schnee verunglückt. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Entschädigung des Verunglückten ab, da derselbe nicht in Ausübung seines Berufes sich die Ver. legung zugezogen. Auf die von dem Betroffenen eingelegte Beschwerde ordnete das Reichsversicherungsamt zunächst Erhebungen darüber an, ob das Reinigen der Dächer vom Schnee in dem betreffenden Orte gewohnheitsmäßig zur Beschäftigung der Schornsteinfeger gehöre und als die Ortsbehörde diese Frage bejahte, wies das Reichsversicherungsamt die gesetzliche Entfchädigung für den verunglückten Schornsteinfeger an, weil das Bedenken der Berufsgenossenschaft nach der Lage der Sache nicht als begründet erschien.
Ein hiesiger Berichterstatter hat sich die Mühe genom men, aus dem neuen Adreßbuche folgende amüsante Zusammen stellung über die militärischen Verhältnisse Berlins zu machen. Nach derselben verfügt Berlin über 1 Regiment, 5 Moncorps, 1 Garde, 2 Gardemänner, 5 Landwehren, 28 Marschälle, 1 Oberst, 6 Majore, 2 Capitäne, 3 Fähnriche und 5 Fäbndriche, 1 von der Chevallerie und 40 Helden. Das Gros der Berliner Streitkräfte, welches unter Führung eines Vorreiters, 2 Rittmeister, 10 Hauptmänner und 1 Lieutenant aufmarschirt, ist ein überaus buntscheckiges. Wir zählen darunter eine Menge Ritter, 9 Streiter, 6 Reiter, 2 Echießer, 7 Rempfer, ein Baumritter, 1 Hutschenreiter, 27 Sauer, 4 Pfotenbauer, 12 Rämpfer, 92 Jäger und 115 Schüßen mit ihren vielen Abarten, als da find die Florschüßen, Bachschüßen, Beschüßen, Bücksenschüßen, Klauschüßen, Dobberschüßen, Lip- und Lüppschüßen, Nauschüßen, Niebelschüßen 2c. 2c. Auch unser Arsenal ist im besten Zustande. Wir verfügen über ein ein ganzes Lanzendorf, 2 Kugeln, 9 Kuhfuße, 1 Feuerhelm, 2 Armbruste, 1 Bogenschild, 7 Bomben, 5 Bolzen, 2 Säbel, 21 Hauschilder, 14 Degen, 38 Helme, 3 verschiedene Arten Pulver, 3 Pallasche, 20 Pfeile, 3 Rennspieße, 9 Panzer, 30 Schilde, 8 Schwerdter. Da unter unseren Streitern auch 450 Rühne, 10 Wadere und 1 Muthiger fich finden, außerdem in der stattfindenden 1. Schlacht 1 Dber Kampf und 5 Kämpfen, wir außer unseren Marschällen auch noch durch 5 Cäsaren und 1 Hannibal 17 Mal zum Muth angefeuert werden, so ist es nicht wunderbar, daß wir 5 Mal Ruhm einernten, mit 1 Büchsenschuß schon 18 Siege erfechten und die Feinde 2 Mal Reißaus nehmen. Für die 69 Mal ausgetheilte Reile find bereits 7 Kutschte als Sänger vorhan den und in 15 abgeschlossenen Frieden wird den Feinden 2 Mal ein Tribut auferlegt. Es ist nicht mehr als billig, daß zu auterlegt eine große Parade abgehalten wird, bei welcher 3 Mal Mufit gemacht wird, welche von 2 Bläsern, 30 Fiedlern, 10 Flötern, 1 Aufschläger, 8 Geigern, 7 Spielmännern, 11 Lautenschlägern, 120 Pfeiffern und 1 Piepmeier ausge führt wird.
Falsches Geld. Seit einiger Zeit befinden sich, wie die Kölnische Zeitung " meldet, 3wanzigmarkstücke im Umlauf, welche im Gewichte zu leicht find. Es scheint, daß die Ver breitung derselben sich auf ein weites Feld des Inlandes erstreckt. Einem Ehrenfelder Geschäftshause paffirte es, daß ihm binnen einer Woche bei Einzahlung von Geldbeträgen, die ihm durch die Post zugegangen waren, an der Reichsbankstelle zu Köln zwei Stücke durchschnitten und hierdurch außer Kours ge feßt wurden. Die Prüfung durch einen Kölner Goldarbeiter ergab, daß fie im übrigen echt waren. Von verschiedenen Seiten waren legterm im Laufe einer Woche etwa acht Zwanzigmartstücke, die in gleicher Weise von der Reichsbank behandelt wor den waren, zur Untersuchung auf den Goldgehalt vorgelegt worden, von denen einzelne einen Minderwerth bis zu 75 Pf. hatten, ohne daß an der Legirung etwas auszufezen war. Weil das Aeußere der Münze untadelhaft und von scharfem Gepräge ist, auch nicht angenommen werden kann, daß aus der Münze zu leichte Stücke hervorgehen, muß vermuthet werden, daß von irgend einer Seite in betrügerischer Abficht unter Anwendung lösender Säure( etwa Rönigswaffer) der Gewichtsverlust herbei geführt wird.
Die Gefährlichkeit von Konfekten in Zündhölachenform illustrirt der„ Sfibirski Westn." durch folgenden Fall, der fich fürzlich in Tomst zugetragen haben soll: Ein Vater taufte seinem dreijährigen Töchterchen Konfekt in einem Kästchen, das wie eine Zündhölzchendose aussah. Das Konfekt selbst bestand aus weißen Stäbchen mit Chokoladeköpfchen, wie man es auch anderwärts häufig findet. Das Kind verzehrte dieses Konfeft mit großem Appetit; nach einigen Stunden aber nahm es unbemerkt eine richtige Bündholzschachtel vom Tisch, brach die schwarzen Köpfe der Zündhölzchen ab und verzehrte fie. Ungeachtet sofortiger ärztlicher Hilfe verstarb das Kindchen nach furzer Zeit.
Von einem am heiligen Abend verübten Raubanfall berichtet eine Lofallorrespondenz: Als der Pferdemakler Marge graf gegen 10 Uhr vor seiner auf der Rückerstraße belegenen Wohnung angelangt war, wurde er von drei Strolchen überfallen. Dieselben ftachen und schlugen auf den Ahnungslosen mit Messern los, so daß M. nicht unbedeutende Wunden am Kopf und an der linken Hand davon trug und blutüberströmt hinstürzte. M. ist jedoch ein kräftiger Mann und erholte fich rasch wieder. Er sprang auf und versuchte einen der Angreifer festzuhalten, was ihm jedoch nicht gelang, da die Strolche wiederum von ihren Meffern Gebrauch machten. Auf die Hilferufe des M. waren Nachbarn hinzugeeilt, wodurch die Strolche fich veranlaßt sahen, schleunigst die Flucht zu ergreifen. M. ver muthet, da er häufig viel Geld bei fich trägt, daß die Angreifer es auf diefes abgesehen hatten. Uebrigens hat er die Anges legenheit sofort der Polizei angezeigt, welche bereits auf die rohen Burschen fahndet.
Uneigennützig lieb' ich den.... Winkelfonfulenten. Vor dem Kriiminalgericht werden an das Bublifum Bettel mit folgendem Inhalt vertheilt: In Strafsachen wird unentgelt: lich beim königl. Landgericht die Berufung angemeldet(!) gegen erfolgte Verurtheilung seitens des Schöffengerichts. Oftmals durch das Schöffengericht erst zu erheblichen Gefängniß oder Geldstrafen Verurtheilte find in Folge der eingelegten Berufung nachher vom königl. Landsgericht gänzlich und kostenlos freigesprochen worden. Rath wird in allen Prozeß und Streitsachen, Injurien und Testamentssachen, wie in Zivilund Strafprozessen unentgeltlich ertheilt im Bureau für Rechtssachen, Alt Dloabit, Gerhardstr. 17, 2 Minuten vom Kriminal gericht. NB. Jede angebotene Entschädigung wird auf das Entschiedenste zurückgewiesen." Wie in juristischen Kreisen verlautet, steht ein früher sehr gesuchter Vertheidiger, der aus der Anwaltschaft ausgeschloffen wurde, an der Spize dieses Bureaus, das ja an Selbstlosigkeit seines Gleichen sucht. Unwillkürlich aber fragt man fich bei diesen unter Winkelfonsulenten sonst nicht üblichen Grundsäßen: Wo steckt da die Falle? Ein naheliegendes Sprüchwort ist vielleicht die zutreffende Antwort: Mit Sped fängt man Mäuse!"
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Ausgesetzte Belohnung. Der Stadtreisende, Uhrmacher Emil Thormann, ca. 30 Jahre alt, hat eine hiesige Firma, bei welcher er ſeit acht Jahren beschäftigt war und großes Vertrauen genoß, in der Weise um mehrere tausend Mart geschä digt, daß er die ihm zum Vertrieb anvertrauten Uhren fälschlich als verkauft bezeichnete und bei Seite schaffte. Als einer der fingirten Käufer von der Firma an Zahlung der angeblich entnommenen Uhr gemahnt wurde und erklärte, daß er keine Uhr gekauft habe, wurde Th. zur Erklärung aufgefordert, wich der felben aber aus, indem er seine Wohnung verließ und nicht wieder dahin zurückkehrte. Die Geschädigten haben eine Belohnung von 100 M. auf die Ergreifung ausgefeßt.
Im Zentraltheater wurde um ersten Weihnachtsfeiertage endlich einmal wieder eine neue Poffe gegeben. Spottvögel" nennt sich das Opus, welches nach dem für das Zentraltheater hinlänglich bekannten Rezept hergestellt wurde. Was die„ Spotthinlänglich bekannten Rezept hergestellt wurde. Was die Spottvögel" eigentlich spotteten, war ziemlich unschuldiger Natur, indeffen fanden die Kouplets und Quodlibets am Bentraltheater Publikum immerhin dankbare Zuhörer, so daß der Beifall fast kein Ende nehmen wollte. In Bezug auf den Inhalt des Stückes ist nicht viel zu sagen, die Mannstädt'schen Sachen find in dieser Beziehung schon hinlänglich bekannt. Die Damen Feldau und Grünfeld trugen den Löwenantheil des Beifalls davon, die Späße des Direktors Ernst und des Herrn Weiß wurden hinlänglich belacht und im Uebrigen amüsirte man sich über den unvermeidlichen Chor der Damen, ohne den Herr Direktor Ernst nun einmal fein Geschäft machen zu können glaubt. Bis zum Schluß der Saison dürfte die Poffe übrigens für das Repertoire des Zentraltheaters ausreichen.
Bewegung der Bevölkerung Berlins nach den Veröffentlichungen des statistischen Amts der Stadt. Die fortges schriebene Bevölkerungszahl betrug am 4. Dezember inkl. der nachträglichen An- und Abmeldungen 1361 991, hat sich demIn der Woche vom 5. bis 11. Dezember wurden polizeilich genach gegen die Woche vorher um 588 Seelen vermehrt. meldet 2575 zugezogene, 1658 fortgezogene Personen; standesamtlich wurden 215 Ehen geschlossen. Geboren wurden 921 Rinder, und zwar lebend: 444 männliche, 442 weibliche zusammen 886( darunter 104 außereheliche), todt 21 männ liche, 14 weibliche, zuſammen 35( darunter 4 außereheliche) bilden 33,9, die Todtgeborenen 1,3 pro Mille der Bes Kinder. Die Lebendgeborenen, aufs Jahr berechnet, völkerung, die außerehelich Geborenen 11,73 pet. aller in der Woche Geborenen, davon die bei den Lebendgeborenen 11,74, die bei den Todtgeborenen 11,42 pet. Jn der fgl. Charitee und Entbindungs- Anstalt wurden 42 Kinder geboren. Gestorben ( ohne Todtgeborene) find 612, nämlich 326 männliche, 286 weib liche Personen. Von diesen waren unter 1 Jahr alt 166( inkl 34 außereheliche), 1 bis 5 Jahre 110( intl. 4 außerheliche), 20 bis 30 Jahre 38, 30 bis 40 Jahre 60, 40 bis 60 Jahre 110, 5 bis 10 Jahre 16, 10 bis 15 Jahre 8, 15 bis 20 Jahre 12, beim Alter von 0 bis 5 Jahren machen 45,10 pCt. sämmt60 bis 80 Jahre 76, über 80 Jahre 16. Die Sterbefälle licher in dieser Woche Gestorbenen aus. Von den im Alter unter 1 Jahr gestorbenen Kindern starben 54 im ersten, 36 im zweiten, 10 im dritten, 15 im vierten, 5 im fünften, 11 im sechsten, 35 im fiebenten bis zwölften Lebensmonate; von denselben waren ernährt 40 mit Muttermilch, 2 mit Ammenmilch, 63 mit Thiermilch, 2 mit Milchsurrogaten, 25 mit gemischter Nahrung, von 34 war es unbekannt. Todesursachen waren bei den in dieser Woche Gestorbenen namentlich: ( 87) Lungenschwindsucht Lungenentzündung
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( 39), Bronchialfatarrh( 20), Kehlkopfentzündung( 19), Krämpfe( 26), Gehirnschlag( 29), Gehirn- und Gehirn hautentzündung( 32), Krebs( 29), Altersschwäche( 19), Altersschwäche( 19), Lebensschwäche( 42), Abzehrung( 18) Masern( 11), Scharlach( 5), Diphtherie( 31), Typhus ( 0), Diarrhöe( 11), Brechdurchfall( 6), an andern Krankheiten starben 184 und durch Selbstmord 4, davon durch Vergiftung 1, durch Er schießen 1, durch Erhängen 2. Die Sterblichkeit der Woche, auf das Jahr berechnet, kommen durchschnittlich auf 1000 Bewohner in Berlin 23,4, in Breslau 27,4, in Bremen 16,3, in Frankfurt a. M. 18,2, in Köln 21,9, in Dresden 26,2, in München München 34,5, in in Stuttgart 16,4, in Wien 22,5, in Paris 24,7, in London 21,8, in Liverpool 25,1. In der Woche wurden dem Polizeipräsi dium gemeldet als erkrankt an Typhus 20, an Masern 172, an Scharlach 55, an Diphtherie 160, an Bocken. In den 9 größeren In den 9 größeren Krankenhä fern wurden in der Berichtswoche 811 Kranke aufgenom men, davon litten an Masern 11, an Scharlach 2, an Diphtherie 36, an Typhus 12, an Rose 5. Es starben 167 Personen oder 27,3 pet. aller in der Woche Gestorbenen; als Bestand verblieben in den Krankenhäusern 3812 Krante.
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Polizei- Bericht. Am 24. d. M. Morgens fand in dem Hause Louisenstraße Nr. 35, als der Portier die schadhaft gewordene Gasleitung im Keller mit einem Streichholz ableuchtete, eine Gaserplosion statt. Der Portier erlitt dabei leichte Ver legungen, und wurden außerdem die Treppe und die unter derselben befindliche Portierstube stark beschädigt. An dem selben Tage Vormittags wurde der Straßenreiniger Wagner auf dem Alexanderplay, als er vor dem Hause Alexanderstraße Nr. 2 mit dem Reinigen des Bürgersteiges beschäftigt war, von einem Möbel- Transportwagen überfahren und erlitt hierbei Verlegungen am Schienbein und am Rücken. Am 25. d. M. Vormittags wurde ein Mann auf dem Grundstück Memeler straße Nr. 48 in einem offenen Schuppen erhängt vorgefunden und abgeschnitten. Da Wiederbelebungsversuche fruchtlos waren, so erfolgte die Ueberführung der Leiche nach dem Leichenschau hause.
An demselben Tage Nachmittags wurde der Arbeiter Weidner an der Werft und Gerhardstraßen Ecke bei einer Schlägerei zu Boden geworfen und erlitt dadurch anscheinend einen Bruch des linken Fußgelenks. Er wurde mittelst Droschke nach der Charitee gebracht. Um dieselbe Zeit machte ein Mann in der Triftstraße, nahe der Grenzstraßenbrücke, einen Selbstmordverfuch, indem er fich mittelst Revolvers einen Schuß in die linke Bruft beibrachte. Er wurde noch lebend mittelft Droschke nach der Charitee gebracht. An demselben Tage Nachmittags starb plößlich der obdachlose Bäckergeselle Hille in einem Schantiotal in der Bergstraße, wahrscheinlich in Folge eines Gehirnschlages. Die Leiche wurde nach dem Leichenschau hause gebracht. Am 26. d. M. gegen Abend fiel ein Mädchen vor dem Hause Königgrägerstr. 127 und brach den rechten Fuß im Knöchelaclent. An demselben Tage fanden mehrere unbe deutende Feuer statt. Es brannte Drakefir. 2 der Fußboden in der Nähe einer schadhaften Feuerungsanlage, Marluss straße 2 eine Quantität Watte, welche ein mit Zündhölzern spielendes Kind in Brand gesezt hatte, Schumannstr. 14B
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in der Vorkosthandlung die Schaldecke, durch eine zu nahe darunter hängende Petroleumlampe entzündet, Dresdener straße 79 der Inhalt des Zigarrenladens in Folge einer vorschriftswidrigen Heizungsanlage, Duladfir. 22 die Ballenlage unter einer Kochmaschine und am 27. d. M. früh Wilhelmstr. 3 der Fußboden in einer Küche.
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Gerichts- Zeitung.
In der bekannten Strafsache des Kaufmann Bandow gegen den Tischler Albert Erdtmann ist jetzt das Strafverfahren wegen Meineides gegen die Ehefrau des, ersteren eingeleitet worden.
Geschichtliche Rüderinnerungen hat sich der aus Labiau in Ostpreußen gebürtige Landwirth Johann Rudolph Dhlens hoff in absonderlicher Weise zu Nugen gemacht. Wegen wiederholten Betruges angeklagt, erschien der Genannte vor der Straffammer des Landgerichts 11; ihm wird zum Vorwurf ge macht, daß er unter Berufung auf angebliche Verbindungen und Bekanntschaften in höchsten Kreisen Kredit fich verschafft und auf diese Weise zwei Gastwirthe und einen Viehhändler im Dorfe Lichtenberg um verschiedene Geldsummen beschwindelt habe. Der Angeklagte hatte nach Verbüßung einer ihm früher bereits wegen Betruges zudiftirten Gefängnißstrafe von zwei jähriger Dauer seinen beständigen Aufenthalt in Lichtenberg ge= nommen; dort that Ohlenhoff sich besonders hervor durch den Stolz, mit welchem er erwähnte, daß er einer angesehenen Fa milie entstamme, welche hohe Gönner habe und mit erhobenem Haupte erzählte er Jedem, insbesondere Solchen, bei welchen etwas zu holen war daß sein Vater in den Tagen nach Jena und Auerstädt den Schlitten gelenkt, welchen die Königin Luise benußt , um über das Eis des Kurischen Haffs nach Memel zu fluchten, als die siegreichen
anzosen gegen Königsberg vorgedrungen; deshalb, so fügte Ohlenhoff hinzu, gelte sein Vater etwas bei Bofe. Thatsächlich ist Ohlenhoff seit Jahren das enfant terrible seiner Familie und mit derselben in Berwürfniß gerathen, besonders mit seinem Vater, einem achtbaren, hochbetaaten Grundbesizer, deffen Grund und Boden in der Nähe der ostpreußischen Stadt Labiau von den Wellen des Kurischen Haffs bespült wird. Eines Tages nun fand einer der von Ohlenhoff Geschädigten, der Vieh händler Blobelt, einen Brief, welchen der Angeklagte in seiner Behausung auf dem Tische hatte liegen lassen, um den Blobelt daraufhin zur Hergabe eines Darlehens von 4 M. geneigt zu machen. Blobelt gab auch das Verlangte im guten Glauben, dinn der angeblich von dem Vater des Angeklagten in Labiau an einen Grafen Lehndorff adressirte Brief hatte auf ihn einen dem Darlehnssucher günstigen Eindruck gemacht. In dem Briefe fragt der Schreiber unter anderem: wozu braucht mein Sohn das viele Geld, was ich ihm gebe, all' die Tausende.?" am Schluffe folgt die Mittheilung, daß ein Afzept über 100 M. folgen werde unter dem ausgesprochenen Wunsche, dem Sohne die versezten Kleidungsstücke einzulösen, und zuletzt folgt eine Epistel für den ungerathenen Sohn, in welcher der lettere mit rührender Selbstironie sich selbst fennzeichnet, denn, wie er vor Gericht einräumte, ist er selbst der Verfertiger jenes Briefes. Blobelt hat bis heute weder sein Geld noch die fette Gans, die ein ebenso fingirtes Schreiben ihm in Aussicht stellte, erhalten. Achnlich erging es zweien Gastwirthen in Lichtenberg ; auch fie brachten dem Vers frauen zu dem Angeklagten Opfer. Dies Alles erkannte Ohlenhoff Dor Gericht an, aber er stellte die betrügerische Absicht Abrede. Mein Vater hat den Schlitten für die Königin Luise selbst gefahren auf der Flucht nach Memel !" schrie der Angeklagte mit Emphase; ich habe anläßlich dieses Ereignisses schon dreimal Unterstüßung vom Kaiser und zwar durch Vermittelung des Grafen Lehndorf, welcher mit meinem Vater bekannt ist, jedesmal 300 M. erhalten. Der Angeklagte behauptete, den Darleihern gegenüber von einer zu erwartenden derartigen Geldunterstügung gesprochen und Zahlung in Aussicht gestellt zu haben, wenn dieselbe eintrifft und er beruft sich zum Beweise, aß er eine solche in der That zu erwarten berechtigt war, auf das Zeugniß des Grafen Lehndorff und anderer Personen. Der Gerichtshof beschloß demgemäß Vertagung der Sache, behufs Vernehmung des genannten Grafen Lehndorff.
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Augsburg , 20. Dezember. Die Münchener Sozial demokraten haben ihren Geheimbundprozeß". Warum soll, sa fragt die Fränt. Tagespost ", die Hauptstadt der Tatschi's" nicht auch einen solchen haben? Nur mit dem Unterschied, daß in der Residenz über zwei Dußend verknurrt worden sind, bei uns Schwaben der Geheimbund" aus 1, sage und schreibe einem Mann besteht. Die Belastungszeugen Rechtsrath Megger, Polizeibezirkskommissär Büttner und Oberwachtmeister Obich bewegten sich auf dem Gebiete der Annahmen". Eie find der festen Ueberzeugung, es bestehe dahier eine geheime Verbindung von Sozialdemokraten"; der Angeklagte Weber sei deren Vertrauensmann, denn er besorge die Geschäfte derfelben und nähre sich von der Unterstüßung seiner Parteigenoffen. Die Ueberzeugung dieser Herren in Ehren, aber wo find die that sächlichen Beweise von ihnen erbracht worden, daß in Augsburg eine Vereir- igung zur Entfräftung des Sozialistens gefeges besteht? Weber, von Herrn Dr. Löwenfeld aus München glänzend vertheidigt, erklärte: Er habe sich verbotene Schriften seiner Partei, was ja erlaubt sei, gehalten, gesammelt und größtentheils unter einer und der anderen Deckadreffe er halten; auch stellt er nicht in Abrede, daß er die im Bette feiner Braut gefundenen Nummern des in Zürich erscheinenden " Sozialdemokrat" dort versteckt habe, um sie vor der Polizei in Sicherheit zu bringen, Die Verbreitung dieser Zeitschrift durch seine Person müsse er jedoch bestreiten. Daß er von verschiedenen Nummern des genannten Blattes 4 bis 11 Exemplare erhalten, das habe er nicht veranlaßt, und das sei erst dann geschehen, als er unter Postsperre gestellt worden sei und dann nicht mehr direkt von Zürich , sondern von den verschiedensten Städten Deutschlands Bufendungen erhielt. Er habe fich lediglich einen Jahrgang gesammelt und die übrigen Exemplare nicht beachtet. Wie man aber aus diesem Umstande den Schluß ziehen könne, daß er ein Vertrauensmann" seiner Partei sei, das begreife er nicht; er wisse überhaupt nicht, was man unter diesem Namen verstehe. Auch der Umstand, daß man ihn im Befiße der schwarzen Liste"( Verzeichniß der jenigen, die von der Partei als Verräther, gemeine Subjette, Spione c. ausgeschrieben werden) gefunden, ließe für den Vertrauensmann ebenso wenig einen Schluß zu, wie die bei ihm konfiszirten Verzeichnisse von Abonnenten für das hiesige Thuremichele" und die Münchener Zeitschrift Das Recht auf Arbeit", welche Verzeichnisse man fälschlich für seine Ab nehmerlifte des Büricher Sozialdemokrat" hielt. Muin wurde der Züricher Sozialdemokrat" dazu benust, um den Nachweis zu führen, daß es wirklich organisirte Vereine" mit Vertrauens und Obmännern innerhalb der Partei der Sozialdemokraten gebe. Aber von einer Augsburger Organis fation ist doch dort nicht die Rede. Und wenn wenigstens eire Mehrzahl Angeklagter dagewesen wäre! Ist solch ein Analogies schluß bei einem einzigen Angeklagten, der den Bund" repräfer tiren soll, nicht sehr gewagt? Was beweist es für den speziellen Augsburger Fall, menn festgestellt wird, daß bet Conftar& eine Menge Nummern vom Sozialdemokrat" in Bäcken einga führt und von Vertrauensmännern übernommen und dann veis breitet worden, daß dieses Blatt in zwei verschiedenen Bapier ftärten ausgegeben werde, für die Beförderung in Brieffouver in feinstem Papier und für Kreuzbandsendungen in gewöhn lichem Druckpapier, und daß es zweifellos richtig sei, daß sozialistische Verbindungen in allen größeren Städten bestünden und zwar auch hier in Augsburg , ferner, daß die Vertrauensmänner ven den Mitgliedern dieser Verbindungen gewählt werden? bat
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