denn Weber etwas derartiges nachgewiesenermaßen gethan? Und wenn in allen größeren Städten" solche Vereine bestehen, warum schreitet die Polizei nicht ein? Ein vereidigter Partei­genoffe erklärt Weber für einen braven Menschen, der von feinem Buchhandel wohl leben könne. Weber's Schwager be Streitet entschieden, davon gesprochen zu haben, der Angeschul­bigte werde von der Partei erhalten. Weber erwähnte im Laufe des Verhörs, daß er sich geehrt fühle, mit fozialistischen Reichstagsabgeordneten in näherem Verhält niffe gestanden zu sein, zudem habe er von diesen Herren lernen wollen. Die Staatsbehörde hält die Anklage in allen ihren Theilen aufrecht und beantragt schließlich, den Be­schuldigten in eine Gefängnißstrafe von 6 Monaten zu verur­theilen. Die Vertheidigung beantragte Freisprechung. Das Urtheil lautet: Weber ist schuldig eines Bergehens im Sinne des§ 129 des R.-Str.-G.-B. im sachlichen Zusammenhange mit einem Vergehen im Sinne des§ 19 des Gesetzes vom 21. Oftober 1878 und wird in eine Gesammtstrafe von 3 Mo­naten 15 Tagen Gefängniß verurtheilt. Das Reichsgericht dürfte Gelegenheit haben, fich mit dem Bund" des Herrn Weber noch zu beschäftigen. Wir in Schwaben   haben auch einen Prozeß nach Freiburger Manier, und das ist ein Zeichen der Zeit, das man hoffentlich richtig deuten wird.

Bozen  , 22. Dezember.  ( Todesurtheile.) Vor dem hiesigen Geschwornengerichte wurde am 18. d. die anderthalb Tage währende Hauptverhandlung gegen den Italiener Carlo Beno­niani aus Nonsberg   zu Ende geführt, welcher am 31. März d. J. auf der Spitalwiese bei Klausen   einen gewissen Augufto Fattor von Romeno in tückischer Weise überfallen, mit einem Stück Eisenschiene erschlagen und dann ausgeraubt hatte. Die Geschwornen sprachen Zenoniani des meuchlerischen Raubmordes schuldig, worauf der Gerichtshof denselben zum Tode durch den Strang verurtheilte. Am Montag und Dienstag wurde die Verhandlung gegen den Raubmörder Franz Pokorny   und seinen Komplizen Leopold Knoll durchgeführt; ersterer hat am 3. Sep­tember d. J. in Bruneck   den Posterpeditor Josef Steiner auf offenem Felde mit einer Hacke erschlagen und beraubt, worauf er in der Nacht in das Poftamtslokal eindrang und drei Post­beutel mit 1429 fl. 62 fr. raubte. Pokorny wurde zum Tode durch den Strang, Stationsleiter Knoll von St. Leopolden wegen Theilnehmung am Raube zu vier Jahren schweren und verschärften Kerkers verurtheilt.

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Reichsgerichts Entscheidung.  ( Nachdruck verboten.) Leipzig  , 23. Dezember.  ( Das Holzfaserpatent des Professor Mitscherlich in Freiburg  ), welches am 27. Oftober 1884 vom 1. Zivilsenate des Reichsgerichtes für ungiltig erklärt worden ist, hat zu einer Reihe von Zivilprozessen Veranlassung ge geben, von denen zwei heute durch den 1. Zivilsenat des Reichsgerichtes entschieden wurden. Das Herrn Mitscherlich patentirte Verfahren besteht darin, daß aus Holz mittelst doppel Schwefelsauren Kalkes Cellulose und gleichzeitig Gerbstoff und Effigsäure gewonnen wird. Durch diese Methode der Ge­winnung der Cellulose wurde die Papierfabrikation in ganz andere Bahnen gelenkt, da man nicht mehr nöthig hatte, sich auf Lumpen u. dergl. zu beschränken. Sein Patent nugte Prof. M. in der Weise aus, daß er gegen eine gewisse Tantieme und eine Raution für dieselbe( meistens 10 000 Mark) verschiedenen Fabrikanten gestattete, nach feinem Verfahren Cellulose zu fabriziren. Auf diese Weise machte er außerordentlich glänzende Geschäfte; aber das Vergnügen dauerte nur einige Jahre. Herr Berend in Varzin  , der Leiter der Bismarck  'schen Papierfabrik, hatte entdeckt, daß bereits vor Ertheilung des Patentes an Mitscherlich ein Amerikaner Bightmann in England fich die Gewinnung von Cellulose, allerdings in einer anderen Art als M., hatte patentiren laffen. Der von B. angestrengte Prozeß auf Nichtigkeitserklärung des M.'schen Patentes beschäftigte wie erwähnt vor zwei Jahren bas Reichsgericht. Dieses entschied dahin, daß Anspruch 1) des Patentes( Gewinnung der Cellulose) aufzuheben sei, daß das gegen Ausspruch 2)( Gewinnung der Nebenprodukte: Gerbstoff, Effigfäure und Gummi) fernerhin( bis 1890) gefeßlichen Schutz genießen folle. Daß nach dieser Entscheidung der Lizenziaten bes Herrn Mitscherlich die mit demselben früher abgeschlossenen Verträge nicht mehr einhalten wollten und die Weiterzahlung Der Tantiemen verweigerten, ist leicht zu erklären. Prof. M. jedoch wollte fich nicht ohne weiteres den ihm seiner Meinung nach rechtmäßig zukommenden Gewinn entgehen lassen und legte die Entscheidung des Reichsgerichtes nach seiner Art aus. 3war sei, fo saate er, die Fabritation von Cellulose freigegeben, aber niemand dürfe auch in Zukunft sein Verfahren anwenden, weil nur bei diesem( nicht auch bei dem englischen) die vor läufig noch geschütte Gewinnung der Nebenprodukte Gerbstoff, Effigfäure und Gummi stattfinde. Er wollte also von den Papierfabrikanten für die von ihnen meistens gar nicht beab­fichtigte Gewinnung" der Nebenprodukte, die fie meistens in den Bach laufen lassen, sich indirekt die Tantieme zahlen lassen, die er direkt für die Cellulosegewinnung nicht mehr bean­spruchen konnte. Hierzu kam noch, daß er seinen Lizenzträgern noch gewiffe Fabrikationsgeheimniffe, die im Patent feine Auf­nahme gefunden hatten, verfauft hatte. Auch hierauf gründete er sein Recht zum weiteren Bezuge der Tantiemen. Den ersten Streit nun auf Grund dieser Forderungen befam er mit der Firma Gebr. Vogel in Celle   und Wiesenthal. Der eine Theil­haber dieser Firma, Otto Vogel, war im Jahre 1878 als Fa brifdirektor in die Dienste M.'s getreten und hatte sich eidlich verpflichten müssen, die ihm in dieser Stellung ander­trauten Fabrikationsgeheimnisse noch 15 Jahre nach Aufgabe dieser Stellung geheim zu halten und in feiner Weise zu seinem Vortheile auszunußen. Bald darauf wurde jedoch dirser Dienstvertrag gelöst und Herr Bogel gründete mit seinem Bruder selbst eine Fabrit. Der seiner Zeit abgefchloffene Vertrag wurde dann mit Rücksicht auf die ver änderten Verhältnisse modifizirt und so wie die übrigen von M. abgeschloffenen Lizenzverträge gestaltet. Der Vertrag sollte vom Jahre 1880 bis 1892 gelten, also noch zwei Jahre länger als Das Patent Giltigkeit hatte. Eine Bedingung lautete auch dahin, daß Herr Professor M. im Umtreife von 250 Meilen niemandem weiter eine Lizenz übertragen dürfe. Diesen Vertrag also hatte Herr Vogel insofern nicht innegehalten, als er unter Bezugnahme auf die erwähnte Reichsgerichtsentscheidung die Weiterzahlung der Tantiemen ablehnte." Herr M. verklagte ihn nunmehr auf Einhaltung des Vertrages, er aber erhob Widerllage gegen Herrn M. und verlangte Rückzahlung der pränumerando gezahlten Tantieme in Höhe von 10 000 m. Bur Rechtfertigung seines Verhaltens gab Herr B. vor dem Landgerichte Freiburg  ( Baden  ) u. A. an, Herr Professor M. habe die Anwendung seines Verfahrens fo vielfach anderen Per sonen gestattet, daß dadurch ein rentabler Betrieb unmög­lich gemacht sei. Ferner berief er sich darauf, daß das Patent zu Unrecht ertheilt sei, wie das Reichsgerichtsurtheil beweise. Prof. M. dagegen sagte, er sei in Folge des aufrecht erhaltenen Theiles feines Patentes in der Lage, jedem dritten die Anwen dung seines Verfahrens zur Gewinnung von Cellulose zu ver bieten, auch wenn derselbe nur Cellusose gewinnen wolle, weil gleichzeitig mit der Cellulose die Nebenprodukte gewonnen würden, deren Herstellung noch geschütt ist. Dabei fei es gleichgiltig, ob man diese Nebenprodukte verwerthe oder in den Bach laufen laffe. Mit Bezug auf die Gegenflage sagte er, das Reichsgerichte urtheil fönne unmöglich rückwirkende Kraft haben, sodaß nunmehr die während der Giltigkeit des Patentes abgeschlossenen Verträge nichtig sein müßten, es müsse vielmehr angenommen werden, daß die Verträge mindestens bis zum Erlaß des Reichsgerichtsurtheils zu Recht bestanden; die Rückforderung der 10'000 M. fei daher ungerechtfertigt. Trogdem erkannte das Landgericht Freiburg   am 22. April 1885 auf Burückweifung der Klage M.'s und verurthtilte ihn auf die Klage R.'s zur Herauszahlung der 10 000 M. fammt 6 pCt. Zinsen vom Tage der Klageerhebung an, mit der Be

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gründung, daß der Vertrag ungiltig sei. Die Berufung Mitscherlichs gegen beide Urtheile wurde vom Oberlandesgerichte Karlsruhe   verworfen. Daffelbe führte u. A. aus, daß Jemand, der die Nebenprodukte in den Bach laufen lasse, fie nicht ,, ge­winne", also auch nicht gegen das noch bestehende Patent ver stoße. Die Entscheidung der zweiten Instanz focht nun M. im Wege der Revision an, indem er behauptete, das Ober­Landesgericht sei von einer irrigen Auffassung des Gegenstandes des Vertrages ausgegangen. Dieser Gegenstand sei das ihm zustehende Verbietungsrecht; nur dann könnte man dem Ober­landesgerichte Recht geben, wenn dieses Verbietungsrecht weg­gefallen wäre. Der zweite Prozeß dieser Art, der noch vor dem Reichsgerichte verhandelt wurde, war von M. gegen den Zivil­ingenieur Winter in Celle   gerichtet. Dieser hatte vertragsgemäß die Einrichtung von Papierfabriken nach M.'s Patent übernommen und fich eidlich verpflichtet die Geheimnisse nie" zu verrathen. Später hatte er dieselben aber gegen Bezahlung anderen Per­sonen mitgetheilt. Nach dem Vertrage hätte er für jeden Fall der Mittheilung 1500 Mt. Konventionalstrafe zahlen müssen, aber er weigerte sich dessen. M's Klage auf Einhaltung das Vertrages war in zwei Instanzen abgewiesen und nun suchte er beim Reichsgerichte sein Heil, indem er behauptete, es sei eine genügende Festellung des Vertrages unterlassen worden. Das Urtheil des Reichsgerichtes lautete dahin, daß in beiden Prozessen die Vorentscheidung aufzuheben und die Sachen an das Oberlandesgericht zurückz werweisen seien. Die Gründe bezüglich des ersten Prozesses lauteten: Das Ober­landesgericht stellt rückwärts fest, daß der Vertrag

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nichtig gewesen d. h. feinen verkehrsfähigen Gegenstand gehabt habe und daß deshalb die Klage auf Innehaltung des Vertrages abzuweisen sei. Dieser Grund erscheint nicht als zutreffend, auch wenn anzunehmen wäre, daß der Vertrag vor­zugsweise das Patent betrifft. Wenn mit dem Oberlandes­gerichte anzunehmen ist, daß der Theil des Patentes, welcher die Cellulose Gewinnung betrifft, in der That für nichtig erklärt ist, so ist doch nur der Vertragsgegenstand weggefallen, aber nicht nichtig geworden, und man kann nicht annehmen, er fei von Anfang an nicht vorhanden gewesen. Hiernach ist die Widerklage Vogels jedenfalls nicht gerechtfertigt. Aber auch die Entscheidung über die Vorklage fann nicht aufrecht erhalten werden, denn es ergiebt fich, daß die Vorinstanz dabei von derselben irrigen Rechtsanschauung ausging. Möglich wäre es allerdings, daß auch die Vorklage vollständig abzuweisen sei, zur Entscheidung hierüber bedarf es jedoch einer weiteren Fest stellung. Die Auslegung des Oberlandesgerichtes, wonach Gegenstand des Vertrages lediglich das Patent ist, muß auch als bedenklich bezeichnet werden. Die Gründe für die Ent­scheidung des Prozesses gegen Winter find wesentlich dieselben. - Jedenfalls wird Prof. Mitscherlich jetzt aufathmen, denn wenn das Reichsgericht gegen ihn entschieden hätte, so würde er bei der großen Bahl seiner Lizenzträger sehr bald seine Millionen losgeworden sein.

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Leipzig  , 23. Dezember. Eine geheime Verbindung, wie sie das Freiberger Landgericht anter den Sozialdemokraten entdeckt hat, war auch das Münchener Landgericht I in der rage nachzuweisen und zwar noch viel gründlicher als das erst genannte Gericht. In der Verhandlung vom 11./18. Juni d. J. stellte es fest, daß bis in die neueste Zeit eine für längere Zeit­dauer bestimmte, über die Ausführung blos einer fonkreten Handlung hinausreichende, längeren Bestand habende Verbindung bestehe, welche gegen die§§ 128 und 129 verstoße. Von den 32 Angeklagten wurden 26 ver­urtheilt und zwar 6, die sogenannten Vertrauensmänner zu je 6 Monaten, die übrigen 20 zu je 3 Monaten Gefängniß. Als erwiesen wurde u. a. angesehen, daß die Stadt München  von der geheimen Verbindung in 3 Theile, bezw. 25 Bezirke getheilt war, welche von Vertrauensmännern derart bewirth­schaftet wurden, daß z. B. 30 000 Flugblätter in einer Stunde vertheilt werden konnten. Weiter wurde festgestellt, daß die Verbindung Maffenabonnements auf den Züricher, Sozialdemo­frat" besorgte, Geldsammlungen veranstaltete und regelmäßige Zu­fammenfünfte abhielt. Auch daß unbekannten Oberen Gehorsam von den Mitgliedern geleistet sei und daß die Verbindung mit anderen ihrer Art in Verkehr gestanden habe, war dem Gerichte nicht zweifelhaft. Von den Angeklagten hatten 24 die Revi sion verfolgt, welche heute dem 1. Straffenate zur Beurtheilung vorlag. Sie wurde jedoch unter Hinweis auf die vom III. Straf fenat in der Chemniß Freiberger Sache ausgesprochenen Grund­säge verworfen. Einige prozessuale Beschwerden, die nebenbei erhoben waren, wurden auch als unbegründet bezeichnet.

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Vereine und Versammlungen.

Gewerkschaft der Metallarbeiter Berlins  . Dienstag, den 28. Dezember, Abends 8 Uhr, Generalversammlung im Weddingpark, Müllerstr. 178. Tagesordnung: 1. Abrechnung. 2. Bericht des Vorstandes. 3. Statutenänderung(§ 6). 4. Wahl des Gesammtvorstandes. Es ist Pflicht, zahlreich in dieser Versammlung zu erscheinen.

Verband deutscher Zimmerleute( Lokalverband Berlin­Oft"). Mittwoch, den 29. Dezember, Abends 8 Uhr, Versamm­lung bei Horstmann, Frankfurter Allee 127. Neue Mitglieder werden aufgenommen. Gäste haben Zutritt.

Fachverein der Steinmetzen. Die Versammlung am Sonntag, den 2. Januar, fällt aus und findet am Sonntag, den 16. Januar, statt.

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Gesang, Turn- und gesellige Vereine am Dienstag. Schäfer'scher Gesangverein der Elfer". Abends 9 Uhr bei Wolf und Krüger, Staligerstr. 126, Gefang. Gesangverein ,, Bruderbund" Abends 9 Uhr Adalbertstr. 4, im Restau  rant. Turnverein Hasenhaide"( Männer Abtheilung) Abends 8 Uhr Dieffenbachstraße 60 61. Rauchklub Deutsche Flagge" Abends Uhr im Restaurant Händler, Wrangelstr. 11. Rauchklub Bum Wrangel" Rauchklub Bum Wrangel" Verein Abends 8%, Uhr im Restaurant, Wrangelstr. 32. ehemaliger Schüler der 37. Gemeindeschule, Abends 9 Uhr im Restaurant Kinner, Köpnickerstr. 68. Vergnügungsverein der Bürsten und Kammacher jeden Dienstag nach dem 1. und 15., Abends 9 Uhr, bei Wollschläger, Münzstr. 5.

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Kleine Mittheilungen.

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Lübben  , 22. Dez( Erfroren) Heute früh fand man auf freiem Felde zwischen Duben   und Niewit- Luckauer Kreis im Schnee liegend und erfroren den Tischler Lehmann, 27 Jahre alt. Derselbe war gestern Abend mit seinem Bruder während des entfeßlichen Schneetreibens vom Wege abgekommen und schließlich ermattet niedergesunken. Der Bruder deckte den Unglücklichen mit seinem eigenen Rocke zu und ging weiter, um Hilfe zu holen. Leider verlief sich derselbe, so daß diese zu spät tam.

Groffen, 24. Dezember.  ( Ein Opfer des Schnees.) Der Briefträger Weigelt, der troß seines hohen Alters von fast 70 Jahren noch immer seinem anstrengenden Berufe oblag, traf am Dienstag Abend von seinem Botengange aus Briesnig nicht mehr hier ein. Nähere Nachforschungen am nächsten Morgen ergaben, Morgen ergaben, daß der dortige Gastwirth den W. noch habe zurückhalten wollen, nach der Stadt zurück­zugehen, und ihm freies Nachtquartier anbot. Der alte Mann ließ sich aber dazu nicht bewegen, er müsse fich noch Abends auf dem Poftamte melden." Gestern Mittag fand man ihn in der Nähe der Briesnißer Ziegelei an einen Baum gelehnt, vom Schnee umgeben, todt auf.

Eisenach  , 24. Dezember. Seit verwichener Nacht ist der Bahnbetrieb nach allen Richtungen wieder im Gange. Es be ginnt Thauweiter.

Magdeburg  , 24. Dezember. Die sämmtlichen im Eisen­bahndirektionsbezirk Magdeburg belegenen Bahnen fahren seit heute Mittag wieder regelmäßig.

Gotha  , 24. Dezember. Die Schneemassen sind beseitigt, alle Strecken frei.

Breslau  , 24. Dezember. Obwohl die Mehrzahl der vers wehten Strecken infolge der Maßregeln der Bahnbehörden für den Betrieb wieder frei geworden find, treffen die Züge doch mit mehrstündiger Verspätung ein. Der Nachtkurierzug aus Berlin   war bis 9 Uhr noch nicht eingetroffen.

Hamburg  , 22. Dezember.  ( Billetschwindel.) Vor einigen Tagen tamen hier zwei polnische Auswanderer mit ihren Frauen und drei der einen Familie gehörigen Kindern hier an. Die Leute hatten an der russischen Grenze von einem Agenten für 100 M. vier Billets gekauft, welche zur Fahrt nach Amerika  für sämmtliche Personen genügen sollten, in Wirklichkeit aber teinen Pfennig werth waren, da auf ihnen eine gar nicht existirende Dampfschifffahrtslinie verzeichnet war. Durch Ver mittelung ihres Logiswirthes fanden sich mildthätige Personen bereit, den Leuten die Reise nach der neuen Welt zu ermög= lichen.

Reichenberg  ( Böhmen), 22. Dezember.  ( Attentat in einer Kirche.) In der Kirche von Westwalde, Bezirk Kragau, er eignete fich am Sonntag ein aufregender Vorfall. Während der dortige Pfarrer den Frühgottesdienst zelebrirte, feuerte der 26jährige Bernhard Scholz   auf den Geistlichen zwei Revolver­schüffe ab, ohne denselben jedoch zu treffen. Der Attentäter wurde festgenommen.

München  , 24. Dezember. Die Personenzüge verkehren wieder auf allen bayerischen Bahnen, die Schnellzüge und der Güterverkehr frühestens morgen.

Aus Elsaß- Lothringen  , 20. Dezember. Der ungewöhn lich starke Schneefall in den legten Tagen hat zur Folge ge habt, daß besonders in Lothringen   die Wölfe aus den Wäldern fich in die Nähe der Dörfer ziehen. Eine Abnahme diefer Thiere macht sich nicht bemerkbar, trotzdem deren jährlich 40 bis 50 erlegt werden, da sie sich immer wieder aus den franzöfifchen Ardennen ergänzen.

Paris  , 22. Dezember. Ein furchtbarer Sturm wüthet seit gestern Nacht im Mittelmeere. Die Schiffe im Hafen mußten doppelte Anker auswerfen. Nur das Postschiff für Algerien   lief gestern aus, alle andern verschoben ihre Abfahrt. Im Vorhafen von Port Vendres scheiterte das Postschiff Mohamed- el- Saddok im Augenblick, als es mit 117 Baffagieren nach Algerien   abgehen wollte. Passagiere und Mannschaft wurden gerettet; das Schiff selbst und die Waaren gelten als verloren.

Lissabon  , 24. Dezember. Das englische Panzerschiff Sul tan" stieß diese Nacht mit dem französischen   Dampfschiff Ville Viktoria" zusammen. Lepteres sant unter. An Bord des selben befanden sich, als der Zusammenstoß erfolgte, gegen 60 Personen; die Mehrzahl derselben und der Mannschaft soll ertrunken sein.

London  , 23. Dezember. Eine eigenthümliche Art des Selbstmordes beging der Kunstgärtner Samuel Adams in Kemertown bei Tewkesbury  . Der Unglückliche grub fich in einem Außengebäude ein sechs Fuß langes und fünf Fuß breites Grab, füllte es mit Holz und tränkte das letztere mit Benzin. Nachdem er sich sodann mit dem Rücken oben hinauf gelegt hatte, zündete er den Scheiterhaufen an. Als man das Feuer entdeckte, brannte es noch, von dem Manne aber war Adams war nichts als ein paar Knochen übrig geblieben. 40 Jahre alt.

New- Yort, 6. Dezember. Der am3. ds. in New- Yorkleinge troffene Postdampfer Westernland der Red- Star- Line hat auf feiner Fahrt einen Unfall höchst seltener Art erlitten, der aber um so beklagenswerther ist, als ihm eine Anzahl Menschenleben zum Opfer fielen und ein Theil der Passagiere schwere und leichtere Verlegungen davontrugen. Der Westernland, ein Vier master mit zwei Schornsteinen, ist ganz aus Stahl gebaut mit vier Decks und wurde 1883 für Rechnung der Red- Star- Line in Antwerpen   als der bis dahin größte Dampfer gebaut. Der Dampfer fuhr unter Kapitän Randle am 20. November d. mit annähernd 800 Personen an Bord pon Antwerpen   ab und hatte eine verhältnißmäßig gute Fahrt, bis sich am 27. Novbr. ein heftiger Nordweststurm erhob, welcher um die Mittagszeit an Heftigkeit zunahm. Das furchtbare Schwanken des Schiffes hatte die meisten Fahrgäste, namentlich die Kinder und Frauen, veranlaßt, in ihren Kajüten zu bleiben, ein Glück für manchen, da sonst das Nachmittags 3 Uhr 30 Min. erfolgte Unglüc manches Opfer mehr gefordert haben würde. Um die genannte Zeit befanden sich unter dem Oberdeck am Bug eine ziemliche Anzahl von Fahrgästen, die den daselbst beschäftigten Matrosen bei ihren Arbeiten zusahen. Plößlich stürmte eine Woge gegen den Dampfer an, welche sich beim Näherkommen als eine mächtige Wafferhose entpuppte. Die Wassermasse näherte sich so rasch dem Schiffe, daß an eine Flucht in die nächste Kajüte kaum zu denken war, und als fie das Schiff traf, zitterte und schwankte daffelbe wie ein in die See geworfenes Spielzeug. Dann ergoß sich die Waffer maffe über das Deck und zertrümmerte mit einem furchtbaren Knall das ganze Vorderdeck; man sah nur noch ein wirres Durcheinander von Wasser, zersplitterten Balken, zerbrochenen eifernen Stangen und Platten, und unter diesen Trümmern. die anwesenden, auf 50 zu schäßenden Fahrgäste und Matrosen Als das Waffer abgelaufen war und das Schiff still lag, ent­wickelte sich vor den Augen der Getroffenen, zu denen auch der Schreiber dieses als Leichtverwundeter zählt, der gräßlichfie Anblick. Vier Matrosen, unter denen sich einer auf Auslug im Mafitorbe befand und in diesem vom Waffer zerquetscht wurde, waren getödtet; 18 Personen, darunter 8 Matrofen, 10 Fahrgäste, waren schwer verwundet. Außerdem wurden an 20 Fahrgäste durch leichtere Verlegungen, als Kopfwunder, Gefichtswunden, Hautabschürfungen, Verrenkungen u. f. w.. beschädigt, die meist bedeutungslos waren. Im Laufe des Tages starben noch ein Fahrgast und ein Matrose, sodaß bis zur Landung des Dampfers in New- York   sechs Todte und sech zehn Schwerverwundete zu verzeichnen waren. Die vier zuerst Verstorbenen wurden am Abend des 27., die anderen beiden am 28. November nach Seemannsart bestattet. Eine auf dem Schiffe für die Hinterbliebenen der Matrosen veranstaltete Sammlung ergab eine Summe von etwas über 2000 Fr. Der an dem Dampfer angerichtete Schaden wird auf 20 000 Mart veranschlagt.

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Vermischtes.

Deutsche   Arbeiter in Italien  . Von der südlichen Schweizergrenze gehen der Magdeb. 8tg." folgende Mitthei lungen zu: Aus Deutschland   und aus der deutschen   Schweiz  ziehen im Spätherbst und im Anfang des Winters fast täglich fleinere und größere Trups von Arbeitern nach dem Süden, weil sie hoffen, in Italien   mit seinem milden Klima während der Winterszeit gute Arbeit und angenehmen Aufenthalt zu finden. Vor Eröffnung der Gotthardbahn   sah man nur verein zelte Handwerksburschen diese Reise unternehmen, weil es immer hin mancherlei Schwierigkeiten und selbst Gefahren hot, in dieser vorgerückten Beit den Gotthard   zu überschreiten. Heute aber liegen die Verhältnisse anders, denn es ist dem Gefellen Gelegenheit geboten, für eine verhältnißmäßig geringe Ausgabe die Strede zwischen Göschenen   und Airolo  bequem in der Eisenbahn zurückzulegen. Die über 200 Stilo meter lange Fußtour von Altdorf bis Göschenen   und von Airola bis Chiaffo bietet immerhin noch der Schwierigkeiten genug. Aber dem Wanderer winkt ja die schöne Hoffnung des Südens Sturze und diese läßt ihn die Schritte verdoppeln. Beit, nachdem die Schweizergrenze paffirt ist, werden unsere Wandervögel überrascht durch den herrlichen Anblic