für das Militär hat in der Preffe weitere Kreise gezogen, als man nach dem ersten Auftauchen des Planes in der Militär­fommission annehmen konnte. Eine genaue Faffung des Vor­schlages ist zur Stunde zwar noch nicht der Deffentlichkeit über­geben worden; sie dürfte auch in eingeweihteren Kreisen kaum vorhanden sein, da man erst von einer Freilassung aller Einkommen urter 6000 m. sprach und später diese Grenze sehr rasch auf zehn und zwölftausend Marf hinaufrückte.

Aber der Grundgedanke des freifinnig ultramontanen Schachzuges liegt genügend flar zu Tage, und ganz zweifellos ficher ist es, daß es leicht möglich wäre, auf dem bezeich neten Wege einige zwanzig Millionen herbeizuschaffen. Eine Berechnung des Eugen Richter'schen Plattes begründet bies in folgender Weise: Nach den Ergebniffen der Ver­anlagung der flassifizirten Einkommensteuer in Breuken find in Preußen 17 560 Perfonen mit einem Einkommen von 12 000 M. aufwärts veranlagt Bei einem Prozentfag von 2-3 pet. vom Einkommen bringen diese 17 560 Personen 15 038 100 M. Steuern auf. Man darf annehmen, daß die auf dieselbe Klaffe gelegte Reichseinkommensteuer eine Summe aufbringen würde, welche dem Verhältniß der Bevölkerung des Reiches zur Bevölkerung Preußens( 5: 3) entspricht, zumal eine Reichseinkommensteuer zahlreiche steuerfräftige Personen in Hamburg , Dresden , Leipzig , München , Stuttgart , Bremen , Straßburg , Nürnberg , Chemniß, Braunschweig , Augsburg , München , Mannheim , Karlsruhe und so weiter erfassen würde. Demgemäß würde also eine Reichseinfommensteuer Don 12 000 m. aufwärts in Höhe von 2 bis 3 pCt. vom Einkommen etwa 29 265 Personen eine Gesammtsteuer von 25 Millionen Mart auferlegen. Ein solcher Betrag würde bie Deckung der laufenden Mehrausgaben aus der Militär­porlage in Höhe von 23 Millionen Marf reichlich ge= statten."

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Wir kommen später darauf zu sprechen, warum eine der­artige Deckung des Mehrbedarfes für das Militär die weitausgreifenden steuerpolitischen Pläne der Regierung in un­liebſamster Weise durchkreuzen würde. Aus folchen Ve fürchtungen ist es wohl auch zu erklären, daß die mittelpartei­lichen Kommerzienrathsblätter und die konservativen Schnaps brennerorgane anfangs jede Diskussion des Planes zu ver­hindern suchten meil er der Reichsverfassung zuwiderlaufe. Hier sahen fich die Schwärmer für solche Steuern, welche andere Leute zahlen, sehr bald gründlich abgeführt. Der ursprüngliche Ver faffungsentwurf der Regierungen überwies allerdings nur indirette" Steuern dem Reiche, man firich aber absichtlich das Wort, indirekt", um die Einführung direfter Stevern zu er möglichen und gerade Nationalliberale wie Bennigsen, Falt, Fries, Meier- Bremen, Miquel, Graf Schwerin, Simson und Wachler traten für die Aenderung ein. Artikel 70 der Reichs­verfassung spricht denn auch davon, daß zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben zunächst die Bölle und Verbrauchs­freuern" zu dienen haben, und daß die Matrikularumlagen nur als legtes Ausgleichsmittel eintreten, solange Reichssteuern nicht eingef hrt find." Hier find also Reichssteuern, die nicht indirekte sind, ausdrücklich in Aussicht genommen.

Früher galt das auch als ausgemacht und als fich 1874 in München eine Reichseinkommensteuerliga" bildete, fehlten selbst Die Konservativen unter ihren Mitgliedern nicht. Als dann im Oktober deffelben Jahres in Eisenach eine Berathung über die Frage stattfand, verfochten Minnigerode, Minnigerode, der bekannte Heißfporn, und Professor Wagner, das nicht minder befannte enfant terribl: der fonservativen Wirth­schaftspolitiker, die Einführung einer Reichseinkommensteuer. Unter der Einladung zu der Konferenz finden wir auch eine Menge nationalliberaler Größen unbescholtenster Art, fte find unterdeß längst bei der Heidelbergerei angelangt. Kein anderer als Herr Schauß war Vorsitzender, als man in einer Resolution ,, als nächstes Ziel der Steuerreform im Deutschen Reiche eine allgemeine Einkommen- oder Erwerbsteuer" be zeichnete. Wenn einen eine solche Vergangenheit drückt, so kann man sich doch ehrenhalber nicht gut über Versaffungsverlegung seitens der Reichsfeinde" entrüsten.

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Zu dieser Einsicht famen die konservativen Blätter denn auch rascher, als man es sonst von ihnen gewöhnt ist; die Ent rüstung mußte fich also auf einen andern Angriffspunkt werfen. Nunmehr bildeten die Klagen über die Ungerechtigfeit" einer Steuer, welche nur Reiche trifft, das Leitmotio für die nächsten Bornesergüffe. Gehört schon ein trauriger Muth dazu, zu verlangen, daß solche Bedenken ernst genommen werden sollen, nachdem man sich bisher doch den Teufel darum gefümmert bat, ob Bölle wie diejenigen auf Schmalz und amerikanisches Fleisch lediglich Arme treffen so sett es eine noch traurigere Unwissenheit voraus, den Freifinnigen einen Vorwurf daraus zu machen, daß fie für ihre geplante Einkommensteuer eine Grenze vorschlugen, welche kein geringerer als Fürst Bis mard früher empfohlen hat. Die offiziöfe Leipziger Beitung" spricht heute von Demagogenstücken der Firma Richter" und von Berufsdemagogenthum", und das alles bloß, weil nach ihren Berechnungen bei einer Untergrenze von 6000 Mart

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,, von der neuen Richter'schen Steuer nur 1,38 pCt. aller wären. Zuerst glaubte man, die Spize sei beschädigt, aber in Wahrheit war sie unvollendet geblieben, denn die Arbeiter bauten gerade an diesem Thurm, als der alte Balduin Grey­mount im Auftrage des Königs ankam, m die Verwaltung des Klosters zu untersuchen. Die Aebte liebten es, ihre Amtszeit durch irgend ein öffentliches Werk zu verewigen, welches die Schönheit ihrer Bauten und das Wohlbefinden ihrer Unterthanen vermehren sollte. Und der letzte der geist lichen Herren von Marney, ein Mann von feinem Geschmack, ein Runstkenner und vorzüglicher Architekt, erbaute gerade für seinen Bruder diesen neuen Glockenthurm, als das strenge Gesez erlassen wurde, daß die Glocken nicht mehr läuten sollten. Und der Lobgesang auf die Jungfrau Maria sollte nicht mehr in der Rapelle ertönen, die Weihkerzen auf dem Hochaltar nicht mehr angezündet, das Thor der Armen für immer gefchloffen werden und der Wanderer feine Heimstätte mehr finden.

Das Innere der Kirche war an vielen Theilen mit Ge­strüpp überwachsen und überall wucherte Unkraut.

Es war ein schwüler Tag gewesen, die Gluth der Sommersonne erhitte noch die Luft. Einige Kühe, metr die Kühlung suchend als Nahrung, waren durch Mauerlücken hereingekommen und lagerten im Schatten des Kirchenschiffs. Diese Entweihung eines Ortes, der einst heilig gewesen und immer noch so schön und weihevoll war, verletzte Egremont's Gefühl. Er wendete sich weg und folgte einem Pfad, der ihn nach wenigen Schritten in den Klostergarten führte.

Von allen Herrlichkeiten des Gartens war nur eine einsame Ceder noch übrig, die in der Mitte des mächtigen Vieredes stand und augenscheinlich von hohem Alter; einer Ueberlieferung zu Folge war sie viel älter, als die ältesten Mauern der Abtei. Um das Gartenviered herum befand Um das Gartenviered herum befand fich das Refektorium, die Küche und die Bibliothek und bar­

über die Bellen und die Schlafzimmer der Mönche. Eine verfallene Treppe, nicht ohne Gefahr zu erfteigen, führte zu diesen dachlosen 3immern.

Egremont, vertraut mit den Dertlichkeiten, trug fein Bedenken, die Treppe hinauf zu steigen, so daß er bald einen Punkt erreicht hatte, von wo aus er den Garten überblicken konnte, während weiter vorn sich das Kloster der Mönche

Steuerpflichtigen " betroffen würden. Neunundneunzig Bros| deutschen Linien- Infanterie auf voller Kriegsstärke fast ganz

zent wurden von dieser Steuer verschont bleiben. Dazu allge­meines Wahlrecht!" Die verehrte Leipzigerin hätte dieselben Worte gegen den Fürsten Bismarck gebrauchen können. Denn Fürst Bismard war es, der in seinem bekannten Dezemberschreiben vom Jahre 1878 6000 Mart ausdrücklich als Grenze der Einkommensteuer empfahl und der in seiner Reichstagsrede vom 2. Mai 1879 auf denselben Vorschlag zurück fam. Sit es fein Demagogenthum, bei 6000 Mart die Ein kommensteuerpflicht überhaupt erst beginnen zu laffen, so wird es auch nicht gefährlich sein, bei 6000 Mart mit einem Buschlag speziell für Militärzwecke zu beginnen. Um so weniger, als

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von der ganzen sonstigen Steuerbelastung abgesehen- die Vermehrung der Friedenspräsenzstärke lediglich die ärmeren Klassen und den Mittelstand trifft, da die Zahl der Einjährig Freiwilligen in die Friedenspräsenzftärke nicht eingerechnet ist und somit unverändert bleibt.

Politische Uebersicht.

Unsere gestrige Notiz über die Entrüftungskund­gebung auf Tivoli wird von dem Deutschen Tagebl." in ges wohnter Weise dahin ausgelegt, daß wir eine Sprengung der Versammlung angerathen hätten. Darnach scheint das antisemitische Blatt teine andere Art des Ausdrucks der Ent­rüftung zu fennen, als durch Schreien und Toben. Die Berliner Sozialisten dürften hierüber anders denken. Da die Tivoliversammlung sich als eine öffentliche" ankündigte, so war es unsere Pflicht, auf sie aufmerksam zu machen. Und da auch die Angehörigen der bürgerlichen Opposition auf Tivoli vertreten sein werden, so wird Herr Peters faum der Stimmung begegnen, die er erwartete. Bu einer Sprengung haben die Berliner Arbeiter aber gar keinen Anlaß. Sie würden damit nur ihren Gegnern nügen.

Die Militärkommission des Reichstages wird, wie bereits gemeldet, am 5. Januar ihre Berathungen wieder auf­nehmen. Für das Plenum des Reichstages ist die erste Sigung im neuen Jahre auf den 4. Januar anberaumt. An diesem Tage aber fann die Militärkommission ihre Arbeiten noch nicht beginnen, da das Zentrum sich vorbehalten hat, über feine weitere Haltung vorher Stellung zu nehmen. Auf den 4. Januar haben die Fraktionen der Deutschkonservativen und des Zentrums Sigungen anberaumt. Sollte dieses Zusammen­treffen nur ein zufälliges sein?

Reichstagsabgeordneter Kayser erläßt im Sächs. Wochenbl." folgende Aufforderung: Hierdurch richte ich an alle Fachvereine, Lohnkommissionen, wie einzelne Arbeiter das dringende Ersuchen, mir Gerichtserkenntnisse, insbesondere solche des Reichsgerichts, welche fich mit der Auslegung des§ 152 und 153 der G. D. befaffen, im Original zuzusenden. Auch bitte ich, mir alles sonstige Material dieser Art, wie schwarze Listen, event. staatsanwaltliche sc. Bescheide möglichst schnell zur Vervollständigung meines Materials zuzusenden, da ich für die Reichstagskommission nicht genug Material haben kann. Auf Verlangen wird alles Bugesandte zurückgesandt. Mar Kayser, Reichstansabgeordneter. Adresse: Berlin : Reichstag , Leipzigerstr . 4, SW.

Zu dem Rechenschaftsbericht über die Verhängung des Ausnahmezustandes in Frankfurt a. M. schreibt die ,, Köln . Volfsztg.":" Die Offiziösen hatten überraschende Auf­schlüsse" angefündigt; aber die Denkschrift bringt nur Bekanntes und unterscheidet sich faft in nichts von den Berichten, mit denen der Kleine" über Berlin , Hamburg Altona , Leipzig und Sprems berg gerechtfertigt zu werden pflegt. Wenn gesagt wird, daß die Sozialdemokratie die gewerkschaftliche Organisation und die Unterstügungstaffen" für ihre Parteizwecke auszunuzen suche, so dürfte dies für das ganze Reichsgebiet zutreffen, und was die neueren Verhaftungen von Sozialdemokraten in Frankfurt a. M betrifft, bei welchen man einer weit verzweigten geheimen Verbindung auf die Spar gekommen sei, so ist ja die eingeleitete Untersuchung gegen die Verhafteten noch gar nicht beendet. Es fönnte scheinen, als ob die Regierung annehme, es werde durch die Verhängung des kleinen Belagerungszustandes über Franks furt dort nun die planmäßige geheime Organisation beseitigt; aber in dem auf Hamburg- Altona bezüglichen Rechenschafts bericht wird im Gegentheil fonstatirt, daß trop des Belagerungs­zustandes dort eine derartige Organisation entstanden sei. Wie fell man fich diesen Widerspruch lösen? Vielleicht wird die Maßregel aber im Reichstage durch Herrn v. Puttkamer noch näher erläutert. Nach unserem Dafürhalten kann man mit den für Frankfurt a. M. angeführten Gründen die Verhängung des fieinen Belagerungszustandes über ganz Deutschland rechtfertigen. Und menn u. A. auch das Tragen rother Blumen 2c. von Sozialdemokraten einen Grund abgeben soll, so ist es damit im Königreich Sachsen, dem Hauptherd der Sozialdemokratic, noch viel schlimmer, da dort, wie vor Gericht konstatirt worden, die Sozialdemokraten sogar rothe Regenschirme und rothe Strümpfe zu tragen oflegen." Der Rechenschaftsbericht wird den Reichstag gleich in den ersten Sigungen beschäftigen.

Die Fabritation des neuen Repetirgewehres ist nun mehr femeit gediehen, daß die Ausrüstung der gesammten

beendet ist und die Ausgabe der Gewehre in wenigen Tagen erfolgt sein wird. Das deutsche Heer hat dadurch vor den übrigen europäischen Heeren einen Vorsprung gewonnen, der erst in einer Reihe von Jahren wieder einzuholen ist, denn noch keines dieser anderen Heere ist über das Versuche stadium hinausgekommen. Das neue Infanteriegewehr führt die Be zeichnung M. 71 84, um anzudeuten, daß das Gewehr im Prin zip das alte Modell 71 geblieben ist, das durch die im Jahre 1884 festgestellte Abänderung eine Magazinvorrichtung und einzelne sonstige das Wesen der Waffe jedoch nicht tangirende Veränderungen erfahren hat. Ein besonderer Erfinder fann für das neue System nicht genannt werden; es ist ein Produkt vereinter Thätigkeit der Schießschule und der Gewehrfabrik. Eine offizielle Verordnung, welche die reglementarischen Rome mandos und Formen für die Chargirung mit dem neuen Ges wehr vorschreibt, ist noch nicht erschienen, und das Einüben geschieht bisher nur nach den auf der Schießschule üblichen Formen; es steht jedoch zu erwarten, daß diesbezügliche Vora schriften in furzer Zeit zur Ausgabe gelangen werden. Nun sage man noch nicht, daß Deutschland wirklich an der Spize der Zivilisation marschirt!

Für den bulgarischen Thron werden fast täglich Ran­didaten präsentirt, so neuestens ein Prinz von Hessen und Prinz Albert von Sachsen Altenburg, russischer General außer Dienst. Die Herren Prinzen sind doch sehr inter national".

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Des Kanzlers Wille geschehe. Die preußischen Staate behörden beeilen sich nachdem der Kanzler die lateinischen Buchstaben in den Bann gethan, diejenigen Druckschriften, welche bisher in lateinischen Buchstaben gedruckt wurden, nun­mehr in deutschen Lettern erscheinen zu laffen. Den Anfang macht damit das königliche statistische Bureau, in welchem die statistische Korrespondenz und die nichtperiodische Zeit­schrift, welche bisher mit lateinischem Drucke erschienen, vom 1. Januar 1887 mit deutschen Buchstaben zur Ausgabe ge­langen sollen.

In dem katholischen Breslauer Arbeitervereine des Kanonifus Dr. Franz besteht eine Rednerſchule", welche die Aufgabe hat, christliche Arbeiter, die das nöthige Interesse be figen, zur öffentlichen Vertretung der Vereinsideen vorzubereiten, und fähig zu machen, die Wünsche und berechtigten Forderungen des Arbeiterstandes wiederzugeben." Die" Post" nennt diese Einrichtung eine Agitatorenschule in bester Form und meint, unter der Leitung eines Agitators, wie Dr. Franz, könne es der Schule am Gedeihen und an den Erfolgen nicht fehlen. Die Partei der Post" bedarf solcher ,, Rednerschulen" allerdings nicht, ihre geborenen Zweckredner sind die Herren Landräthe. Im übrigen sind auch wir, offen gestanden, etwas neugierig, den ersten Demosthenes aus der Schule des Herrn Kanonikus debütiren zu sehen. Den Ultramontanen kommt es augenblick­lich zu gute, daß anderen Arbeiterelementan die öffentliche Wirksamkeit verschlossen ist. Troß aller Rednerschulen" wird es aber nicht gelingen, die Arbeiter im Banne der ultramon­tanen Politik zu erhalten. Dazu haben sie bereits zu viel ge lernt und dazu fehren die arbeiterfreundlichen Geistlichen auch zu offen ihre Absichten heraus.

Sozialdemokratisches. Ein Freund unseres Blattes schreibt uns: In der Nordd. Allg. 3tg." lesen wir eine Originalnotiz", die man übrigens vorher schon in anderen Blättern gesehen hatte. Sie lautet: Merseburg , 26. Dembr. Dieser Tage sind hier abermals sozialdemokratische Druc schriften vertheilt worden." Würde das genannte Blatt jede Verbreitung sozialdemokratischer Druckschriften, die in Deutsch­ land geschieht, registriren, so würde manchmal der Raum der Nordd. Allg. 3tg." nicht ausreichen. Aber was sollen solche Mittheilungen bedeuten? Sollen sie zeigen, daß überall die Sozialdemokraten mit ihrer gefeglichen Agitation auf dem Plaze find? Wir sind's zufrieden. Die Vertheilung sozial demokratischer Druckschriften ist weder verboten noch strafbar. Strafbar ist nur die Verbreitung verbotener Schriften überhaupt; ob dieselben sozialdemokratifchen Inhalts find oder nicht, das ist ganz gleichgiltig. Wir glauben deshalb, da dieser Unterschied im Publikum wenig befannt ist, daß es der sozia liftentödterischen Preffe nur darauf ankommt, die Verbreiter sozialdemokratischer Druckschriften als gefeßlose und verbreche rische Menschen den arglosen Lesern zu denunziren, trotzdem die Verbreiter fich völlig im Rahmen des Gesezes bewegen. Ob das ein nobles Verfahren ist, danach frägt die konservativ nationalliberale Breffe nicht.

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Aus Süddeutschland . Aus München schreibt man der Frant. Tagesp.": Wohl 300 Sozialdemokraten verbreiteten in ganz München und seinen Vorstädten, sowie in Schwabing angeblich 60 000 Flugblätter, betitelt: Glückauf! Reujahrsgruß den Wählern der Reichstagswahltreise München , gewidmet von Ehrlich Gradaus". In dieser Schrift werden hauptsächlich die Ultramontanen bekämpft. Das Fremdenblatt" schreibt hierüber: Die Flugschrift ist bereits eine Wahlstreitschrift. Nachdem die riefige Entwickelung der Schulden des Deutschen Reiches er­wähnt, geht es über die Ultramontanen" her, welche das Be dürfniß einer Getränksteuer bereits prinzipiell anzuerkennen an­

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ausbreitete, an welches ein mit dem Klostergarten zusammen- Kornschober der Grafen von Marney zerstört und die der hängender Kirchhof sich anschloß. Abteiherren von Marney geschont?

Es war einer jener Sommertage, die so still find, daß man glaubt, es sei ein Feiertag der Natur. Der träge Wind schlief in irgend einer lauschigen Grotte, und die Fluß wälzte langsam seine träumerischen Fluthen; es war Sonnenstrahlen ruhten aus auf den warmen Hügeln. Der keine Bewegung im Gras, kein Rauschen in den Zweigen, fein Lüfichen, das sich regte.

Ein so tiefes Schweigen inmitten dieser feierlichen Ruinen mußte das Gefühl vollkommenster Einsamkeit geben, und Egremont war in der Stimmung für diese Einsamkeit. Die wenigen Worte, welche er mit dem Farmer und dem Ackerknecht gewechselt, hatten ihn nachdenkend gemacht. Warum war England nicht mehr das Land, welches es in seiner leichtherzigen Jugend gewesen war? Warum waren jetzt schlechte Zeiten für die Armen? Er stand über den Ruinen, die, wie der Farmer gesagt, manchen Wechsel er schaft, Wechsel der Gesetze und der Sitten. lebt hatten, Wechsel des Glaubens, Wechsel der Herr Neue Bes schäftigungen, neue Berufe, neue Klassen von Menschen waren im Lande erwachsen, neue Quellen des Reichthums hatten sich eröffnet, neue Ansprüche der Macht, zu welcher nothwendiger Weise der Reichthum führte, hatten sich heraus­gebildet. Sein eigenes Haus, sein eigener Rang war empor­gemuchert auf den Trümmern der alten Gesellschaft, deren einstige Pracht und Stärke ihm in seiner nächsten Um­gebung entgegentrat. Und jetzt war sein eigener Stand be­droht. Und dem Volke, den Millionen der Arbeit, auf Und dem Volke, den Millionen der Arbeit, auf beren unbewußter Kraft während dieser wechselvollen Jahr hunderte alles beruht, welchen Wechsel, welche Veränderung

gleichem Maße vorgeschritten wie ihre Herrscher, die, ob­gleich nur wenig zahlreich, doch die Reichthümer der Welt angesammelt hatten und sich rühmten, sie seien die erste der Nationen, die mächtigste, die feinste, die aufgeklärteste, die sittlichste und die frömmste? Gab es zu den Zeiten der Abteiherren auch Leute, welche die Kornschober ansteckten? und wenn nicht, warum nicht? Und warum wurden die

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Während er über diese Fragen nachdachte, vernahm er plöglich Stimmen, und, fich umsehend, gewahrte er auf dem Kirchhof zwei Männer; einer stand vor einem Grabmal, welches der andere genau zu besichtigen schien.

Der erste war von hoher Gestalt, einfach, doch nicht ärmlich gekleidet. Sein Aeußeres ließ nicht auf seine Lebens­stellung schließen; er fonnte ein Gutsherr und er konnte ebensogut ein Wildhüter sein. Er trug einen dunklen Sammetanzug und lederne Gamaschen. Im Moment, wo Egremont ihn erblickte, warf er seinen breitkrämpigen Out auf die Erde und zeigte ein offenes, männliches Antlib. Die Gesichtsfarbe mochte in der Jugend die Röthe der Ge sundheit besessen haben, allein die Beit und was sie mit sich bringt: Denken, Sorgen und Leiden­schaft, hatten die Wangen gebleicht; das kaftanienbraune Haar, dünn geworden, aber nicht grau, lodte fich noch über einer edlen Stirne; die Züge waren regelmäßig weißen 3ähnen, die Augen hell und grau, zu der ganzen und schön; die Nase wohlgeformt, der Mund energisch, mit Erscheinung passend. Sein fräftiges Mannesalter, benn beffer im Einklang mit seiner athletischen Gestalt, als die er war den Vierzigern näher als den Fünfzigern weichere und anmuthigere Zeit der Jugend es gewesen

wäre.

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war

Er redte feine fräftigen Arme empor, mit einem Aus­rufe, der Müdigkeit bekundete, und der das Schweigen unter brochen hatte, und sagte seinem Gefährten, daß er sich im Schatten der Ceder des anliegenden Gartens ausruhen wolle; und nachdem er seinen Freund noch eingeladen, ihm zu folgen, hob er den hingeworfenen Hut auf und ent­

fernte fich.

Es war etwas in der Erscheinung des Mannes, das Egremont feffelte; er wartete, bis sich derselbe auf seinem Ruheplaz niebergelassen hatte, und stieg dann in den Klostergarten hinunter, entschlossen, den Fremden an zureden.