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in zahllosen Wachposten über die ganze Stadt vertheilt worden. Ein solcher Posten, aus einem Unteroffizier und drei Mann bestehend, hat einen Bezirk von 100 hektar zu bewachen, inner­halb deffen die größte Entfernung 600 Meter beträgt. Auf der Grenzfläche zwischen diesen Bezirken find weitere Posten er­richtet, die mit den Feuerwehrfasernen und dem Kommando telegraphisch verbunden sind. Jeder Unteroffizierposten ist mit einer Sprige versehen, mit welcher die Mannschaft im Laufschritt 200 Meter in der Minute zurücklegt. Von der Brandstelle aus wird sofort ein Mann mit der Meldung von der Größe des Nach einer von dem Feuers zum Telegraphen gesandt. Obersten der Feuerwehr 1881 herausgegebenen Zusammen­stellung hat sich diese Einrichtung vorzüglich bewährt, indem in Folge des außerordentlich schnellen Eingreifens der Mannschaften in 39 Fällen unter 40 die Thätigkeit des Unter offizierpostens allein genügt hat, des Feuers Herr zu werden. Die Brandstatistik von Paris wies 1884( außer 1671 Schorn­fteinbränden) im Ganzen 629 Kleinfeuer auf, 225 Mittelfeuer und nur 15 Großfeuer( 2 pCt.) Außer den erwähnten Posten find noch 10 Dampfsprizenposten von je einem Unteroffizier und fieben Mann vorhanden. Im Anschluß hieran mag auch gleich folgende Mittheilung Plaz finden. Eine anscheinend wichtige Verbesserung im Feuerlöschwesen hat Reg.- Baumeister R. Moormann durch eine Vorrichtung ausfindig gemacht, ver möge welcher die Schläuche auf einer die Feuerhähne um gebenden Trommel selbst fest angebracht werden. Dadurch ist jeder Laie in den Stand gefeßt, in wenigen Sekunden durch Umdrehung des Ventils Waffer zu erzielen und überaus schnell mit dem Mundstück des Schlauches an der gefährdeten Stelle zu erscheinen. Die Bedeutung der Anordnung beruht darauf, Daß es in sehr vielen Fällen möglich sein wird, in Schulen, Fabrikräumen, Arbeitssälen, Lagern 2c. ein Feuer im Entstehen zu löschen, deffen auch nur furzes Fortbrennen die bedenklichsten Gefahren herbeiführen könnte. Bauinspektor Hilgers in Wies baden empfiehlt die dem Regierungsbaumeister Moormann pas tentirte Einrichtung überall da, wo ein geschultes Löschpersonal nicht schnell zur Stelle sein kann. Die Handhabung des Hahns mit Schlauchtrommel ist im Ganzen sehr einfach. Das des Druckwaffer tritt nach Deffnung Ventils in eine drehbar aufgeschliffene Hülfe, welche die Schlauchtrommel trägt und auf der sich eine Verschraubung befindet, welche zur Anbringung des Schlauches dient. Wenn sich diese neue Erfindung bewährt, so wäre es wenigstens Pflicht eines jeden Fabrikbesizers, sich dieselbe zu Nuße zu machen. Schließlich find es ja doch immer die Arbeiter, welche am meisten der Gefahr ausgesetzt sind, und in ihrem Interesse ist die größt möglichste Vorsicht geboten. Wir brauchen wohl nur an jenen gräßlichen Unglücksfall zu erinnern, den wir vor einigen Tagen aus Dresden zu melden die traurige Pflicht hatten. Derartige Katastrophen könnten in den meisten Fällen vermieden werden, wenn der Unternehmer zur richtigen Zeit die erforderlichen Vors fichtsmaßregeln treffen würde. Gewöhnlich werden aber die geringen Anlagekosten gescheut, oder der Brunnen wird zuge­Deckt, nachdem das Kind hineingefallen ist.

Seit einer Reihe von Jahren hat sich die Aufmerkſam­feit der Aerzte ganz vorwiegend dem Studium des Grund­waffers zugewendet, weil man in ihm eine der häufigsten und wichtigsten Ursachen für Krankheiten, namentlich für solche epidemischer Art zu finden glaubt. In Berlin giebt es zahl­reiche Gegenden, wo das Grundwasser bis zu einer Tiefe von fast 1 Meter unter die Oberfläche herantritt. Die anhaltende Feuchtigkeit des Bodens theilt sich den Fundamenten und Mauern mit, sie verdirbt die Luft der Kellerwohnungen und der niedrigen Geschosse, und sie wirkt hier nicht nur auf die Gesundheit der Bewohner, sondern nicht minder auf die Ver­berbniß der Nahrungsmittel, der Kleider, der Geräthe 2c. Die Untersuchungen, welche nun eine von der Kommune eingefeßte Kommission in Bezug auf den Grundwasserstand und die Bo­dentemparatur Berlins ausführt, werden durch besondere eiferne Standröhren von 20 cm lichtem Durchmesser vorge­nommen, welche man zu diesem Zwecke in den Erdboden einsenkt. An den meisten fremden Orten find die Untersuchun­gen über das Grundwasser entweder ausschließlich oder doch ganz vorwiegend an Brunnen ausgeführt werden. Man ging davon aus, daß der Stand des Brunnenwaffers ein genügendes Merkmal für den Stand des Grundwassers abgebe, da das erstere aus dem legteren hervorgehe. In dieser Weise ist man in München verfahren, wo Herr von Pettenkofer seit Jahren diese Beobachtungen leitete, in dieser Weise sind auch die Beobachtungen in Berlin angestellt worden, welche in den Jahren 1866 bis 1868 durch Beamte der Feuerwehr unter Lei­tung des Geheimen Raths Scabell ausgeführt wurden. Allein gerade diese Untersuchungen haben auch das Bedenkliche einer solchen Methode dargethan, da die wechselnde Größe der täge lichen Wafferentnahme auf manche Brunnen einen entscheiden­den Einfluß hat. Man entschied sich daher hier, wie bemerkt, für be= fondere eiserne Standröhren, deren es in Verlin gegenwärtig 31 giebt. Angestellte Beobachtungen über die Bodentemperatur in Berlin haben u. A. ergeben, daß, da bei den Schwankungen des Grundwaffers höhere Bodenschichten bald von demselben erreicht, bald wieder verlassen werden, zu gewiffen Zeiten, je nach dem Brade der Verunreinigung, eine sehr starke Berseßung in den höheren Bodenschichten eintreten wird. Aus folchen Bersegungs­prozessen haben verschiedene Autoren eine Erklärung für die Berbreitung und den Verlauf der Cholera abzuleiten versucht und find geneigt, einen Theil der Bodenkultur als ein lokales Produkt gesteigerter Berseßungsprozesse anzusehen. So sollen much rege Fäulnißvorgänge im Boden eine Erhöhung der Bodentemperatur um 3 Gr. C. in 1 Meter Tiefe bedingt haben. Auch in dieser Richtung hat man hier in Berlin neue Er mittelungen angeordnet und zwar an 14 verschiedenen Stellen durch Einsenkung von Thermometern in 0,5, 1 und 3 Metern Tiefe.

Eine Sargverwechselung hat bei einer Beerdigung, welche vorgestern Nachmittag auf dem Neuen Louisenstädtischen Kirch hof bei Brig stattfand, eine überaus peinliche Szene verursacht. Am zweiten Weihnachtsfeiertag wurde, wie das Berl. Tagebl." meldet, die Leiche des am heiligen Abend verstorbenen 14jäh rigen Sohnes des Steindruckereibefizers Emil Kornick nach der Leichenhalle des Thomaskirchhofs, welche auch von der Louisen­städtischen Gemeinde benügt wird, in einem gelben Sarg mit Schwarzem Behang überführt. Die Beerdigung sollte am nächsten Tage, also vorgestern, Nachmittags um 1ühr, von der auf dem Neuen Louisenstädtischen Kirchhofe befindlichen Kapelle aus stattfinden. Zur festgesezten Zeit fanden sich die Trauer gäste, unter denen sich der Rektor, der Lehrer und mehrere Schüler der Schule, welche der verstorbene Knabe besucht hatte, in der Kapelle ein. Hier stand bereits vor dem Altare ein vorher aus der benachbarten Leichenhalle des Thomaskirchhofs ven dem Personal herübergetragener Sarg. Die zur Beerdigung erschienenen Frauen hatten auf den vor dem Sarge aufgestellten Stühlen Platz genommen und der Prediger schickte sich eben an, vor den Altar zu treten, um die Trauerrede zu beginnen, da fragte eine Dame, deren Sohn seinem heimgegangenen Mitschüler einen prachtvollen Kranz gewidmet hatte: Wo ist denn unser Kranz?" Nun fiel der Versammlung die Schmucklosigkeit des Sarges erst auf. Es warem im Laufe des Tages von den Be fannten der trauernden Familie nach der Leichenhalle etwa 40 Kränze geschickt worden, von denen sich merkwürdiger Weise fein einziger auf oder neben dem Sarge befand. Frau Kornick, die Mutter des Verstorbenen, sprach jest die Besorgniß aus, daß sich in diesem Sarge gar nicht die Leiche ihres Kindes befinde. Die Größe des Sarges ließ auch vermuthen, daß in demselben die Leiche eines Erwachsenen liegen müsse. Dann müssen wir den Sarg öffnen," bemerkte nunmehr einer der Leidtragenden. Der Prebiger wies darauf hin, daß sich an dem Sarge ein Bettel mit den Worten:" Felix Kornid, Annen­ftraße 28," befände, es könne daher keine Verwechselung vor­

liegen und überdies sei eine Deffnung des Sarges ohne Genehmigung und Buziehung der Polizei nicht gestattet. Die Leidtragenden beruhigten fich aber nicht dabei, löften die Schrauben des Sarges, hoben den Deckel ab und es zeigte sich in der That die Leiche eines einige 40 Jahre alten, fahlköpfigen Mannes mit starkem Vollbart. Der Sarg wurde nun wieder geschloffen, von mehreren Leidtragenden aufgehoben und nach der Leichenhalle zurückgetragen. Hier fand man in einer Ecke einen kleineren Sarg, auf welchem sich drei Kränze befanden. Das dürfte wohl der richtige Sarg sein," bemerkte ein Leidfragender, und man öffnete den Sarg, in dem thatsächlich die Leiche des Knaben lag, worauf der rich­tige Sarg von einigen Friedhofsarbeitern nach der Kapelle des Louisentirchhofs getragen wurde. Nach der hierauf stattgefun denen Trauerfeier wurde die Leiche ohne weiteren Zwischenfall beerdigt. Die Schuld an dieser Verwechselung der Särge trägt, wie hier ausdrücklich bemerkt sei, nicht das Personal des Neuen Louisenstädtischen Kirchhofs, sondern das des benachbarten Be gräbnißplages, der Thomasgemeinde, wo, wie schon erwähnt, Sie beiden Friedhöfen gemeinsame Leichenhalle steht. Der Fall zeigt recht deutlich, wie vorsichtig man bei den Beerdigungen zu Werke gehen muß. Abgesehen von den Unannehmlichkeiten, welche derartige Nachlässigkeiten für die Hinterblieben nach sich ziehen, lann hierbei eventuell auch ein friminalistisches Moment in Betracht kommen. Man denke nur an den Fall, daß die Exhumirung und Untersuchung einer Leiche nöthig wäre und man eine ganz andere Leiche vorfände, als diejenige, welche man in dem betreffenden Grabe gesucht hat!

Der Blick in die Zukunft! Gegen Mitte des Monats Dezember ds. Js. kam zu einem in der Albrechtstraße wohn­haften Dienstmädchen, der unverehelichten St., eine unbekannte Frauensperson, welche sich Wittwe Becker nannte und als Wahr­fagerin vorstellte. Nachdem die Unbekannte der St. die Karten fagerin vorstellte. Nachdem die Unbekannte der St. die Karten gelegt hatte, erklärte sie derselben noch, daß sie durch ihre Kunst im Stande sei, den untreu gewordenen Bräutigam der St. zu der lezteren zurückzuführen. Zu diesem Zweck forderte die Wahrsagerin der St. baares Geld, Goldsachen, Kleidungsstücke und Betten im Gesammtwerthe von 190 M. unter der Vor­spiegelung ab, daß fie die Gegenstände zu ihren Experimenten, insbesondere zu den erforderlichen Gebeten in der Kirche ge­brauche. Das leichtgläubige Mädchen hat die ihr abgeforderten Betten, die es nicht besaß, der Herrschaft entwendet. Die Un­bekannte, welche auch ein zweites Dienstmädchen auf dieselbe Weise beschwindelt haben soll, ist etwa 40-45 Jahre alt, hat dunkle Haare und Augen, längliches, blasses Gesicht, schlanke Gestalt und war mit schwarzem wollenen Kopftuch und Ums schlagetuch bekleidet.

Die sonst ruhige Fürstenstraße bot in der Nacht zum Dienstag den Schauplag eines großen Erzesses, welcher zur Siftirung von ca. 14 Personen nach der Polizeiwache führte. Mehrere Handwerker waren in einer Reſtauration in der Fürstenstraße in Streit gerathen, welcher den Wirth veranlaßte, ihnen das Lokal zu verweisen. Der Streit wurde auf der Straße fortgefeßt und die Schlägerei, welche sich entspann, nahm ganz gewaltige Dimenfionen an, als einer der Streitenden einen stumpfen Gegenstand hervorholte und damit auf seine Gegner einhieb. Das Blut floß sozusagen in Strömen. Namentlich wurden zwei der Theilnehmer so übel zugerichtet, daß fie im Geficht und auf dem Kopf mit Wunden bedeckt waren und die Hilfe der Sanitätswache in der Adalbertstraße in Anspruch nehmen mußten.

Ein neuer Erwerbszweig. Am 28. d. M. wurden zwei Knaben, der 11jährige Sohn eines Schornsteinfegergehilfen und ein 14 jähriger Laufbursche, von einem Schornsteinfeger gehilfen in der Lindenstraße abgefaßt, als fie in der Wohnung eines Kaufmanns dem Dienstmädchen eine Gratulationskarte mit der üblichen Ansprache überreichten. Der 11 jährige Anabe geftand ein, daß er von seinem Vater zum Grafuliren in die Häuser geschickt werde, daß der Laufbursche von seinem Vater zu demselben Zweck angenommen worden sei und hierfür 2 M. und Beköftigung pro Tag erhalte.

Bon dem unglücklichen Schicksal des Direktors Thomas vom Königstädtischen Theater haben wir gestern bereits furz Mittheilung gemacht. Genannter Herr richtet nun zur Auf­flärung des Sachverhaltes folgendes Schreiben an verschiedene Beitungen: Sehr verehrter Herr Redakteur! Ich bin in der unangenehmen Lage, Ihnen mittheilen zu müssen, daß ich mit heutigen Tage von der technischen Leitung des hiesigen König­städtischen Theaters zurückgetreten bin. Vom Tage der Er öffnung an durch das freundliche Wohlwollen und die Nach­ficht des Publikums und der Preffe getragen, habe ich mich schweren Herzens zu diesem legten äußersten Schritt erst ent schlossen, nachdem alle physischen und großen petuniären Opfer, die ich gebracht, sich nußlos erwiesen gegen Differenzen, die, immer häufiger wiederkehrend, jest chronisch zu werden begannen. Da der Befizer und Direktor des Theaters nie und in keiner Weise seinen Verpflichtungen nachgekommen ist, fonnte ich mich nunmehr an der technischen Leitung nicht länger betheiligen, nachdem dem Geschäfte die genügend zufließenden Subfiftenzmittel größtentheils zur Deckung von Verbindlichkeiten entzogen wur den, die gedachter Herr vor Eröffnung des Theaters und ohne Busammenhang mit demselben tontrahirt hatte. Nicht weil meinen Interessen bis heute in feiner Weise Rechnung getragen ist, nicht weil ich statt zu erhalten zugesetzt habe legteres that ich aus Antheilnahme für die Mitglieder gern und ohne jedwede Verpflichtung, sondern weil ich mit erschreckender Klarheit eingesehen habe, daß die geschäftliche Position des Theaters eine unhaltbare wurde. Ich habe die ganze Ange­legenheit dem fönigl. Staatsanwalt zur Entscheidung unters breitet und so wird der Abschluß der Geschäfte mit Quarg und Konsorten sich wohl in Moabit vor dem Strafrichter abspielen. - Ich bitte Sie, verehrter Redakteur, Kenntniß zu nehmen und geben zu mir Ihr Wohlwollen zu Demnach halten. Ihr ganz ergebener Emil Thomas." haben also sondern nicht etwa schlechter Geschäftsgang, sondern die älteren Schulden des Herrn Quarg und der Herrn Dis rettor Thomas bei Kontraktsabschluß unbekannt gebliebene Umstand, daß Haus- und Bühnenräume gar nicht Herrn Quarg gehörten, die im Intereffe der Mitglieder tief zu beklagende Krisis mitten in der Saison herbeigeführt. Die einen gewissen Betrag übersteigenden Einnahmen wurden vom Hauptgläubiger des Herrn Quarg abgeholt, auf die Gagenzahlung und die sonstigen Verpflichtungen wurde dabei keine Rücksicht genom­men. Herr Thomas, selbst nur engagirter technischer Direktor und rechtlich zu Zahlungen nicht verpflichtet, verzichtete nicht blos auf seine eigene Gage, sondern trat mit seinem Kapital und Kredit ein, um nur ein Unternehmen nicht untergehen zu Als von laffen, mit dem sein Name immerhin verknüpft ist. dem Gläubiger auch die Feiertagseinnahmen abgeholt wurden, obwohl für die am 1. Januar fälligen Gagen tein Fonds vor handen war, erklärte Herr Direktor Thomas, vor Deckung der Gagen nichts mehr hergeben zu laffen, und so wurde das Theater durch die Gläubiger des Herrn Quarg geschloffen.

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Bei der Festsetzung von Unfallentschädigungen ist neuerdings ein prinzipiell wichtiger Fall zur Entscheidung des Reichsversicherungsamtes gekommen. Ein taubftummer, in einer hiesigen Schneidemühle beschäftigter Müller war bei der Beschäftigung an der Kreissäge nur wenig erheblich am Mittel finger der rechten Hand verlegt worden. Entgegen den Anord­nungen des Arztes vernachläffigte der Verletzte den Verband und die Pflege des franken Fingers nach der Ansicht des Arztes auf das Gröblichste, so daß in Folge der Vernachläffi gung die Amputation des verlegten Fingers nothwendig wurde. Die Sachverständigen begutachteten eine hierdurch herbeigeführte Erwerbsverminderung des Verletzten um 15 pCt. Die Ge noffenschaft verweigerte aber die Auszahlung der gesetzlichen Rente, weil sie der Meinung war, daß die grobe Fahrlässigkeit des Verletzten dem Vorsatz gleich zu achten sei und das Gesetz

die Entschädigung vorfäglich herbeigeführter Unfälle ausschließt. Das im Wege des Rekurses angerufene Reichsversicherungsamt ordnete jedoch die Bahlung der gefeßlichen Rente an. Bei dem taubstummen Verlegten sei immerhin, so wird in den Entschei dungsgründen des Reichsversicherungsamtes ausgeführt, die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß derselbe in Folge mißver ständlicher Auffaffung die Pflege des verlegten Fingers ver nachläffigte. In feinem Falle sei erwiesen, daß der Beschädigte vorfäßlich den Unfall herbeigeführt, denn es sei nicht anzuneh men, daß ihm die Tragweite der Vernachlässigung des tranten Gliedes bekannt gewesen sei. Unter diesen Umständen könne es dahingestellt bleiben, ob die Vernachlässigung der Pflege eines verlegten Gliedes überhaupt den Vertust der gefeglichen Entschädigung zur Folge haben kann; dieſe tritt nach§ 5 Absatz 7 des Unfallversicherungsgesetzes nur dann ein, wenn der Verlegte den Betriebsunfall vorfäßlich herbeigeführt hat. Wenn der falte Nordwind durch

Die Weihnachtsrose!

die Straßen fegt und jedermann veranlaßt, thunlichst bald ein wärmendes, oder doch schüßendes Obdach aufzusuchen, wird den wenigsten wohl der Gedanke kommen, daß eine auch bei uns heimathliche, hübsche Blume fich gerade diese unwirthliche Zeit zur Entfaltung ihrer ,, Blüthenpracht" erwählt hat. Und doch ist dies der Fall! Dem bekannten Märchen, daß in der heiligen Nacht " mitten im Schnee eine wunderbare Blume ihre zauber­fräftigen Blüthen entfalte, liegt etwas Wahres zu Grunde. Einer abgehärteten Pflanze verursacht in der That der rauhe Winter durchaus keine Unbequemlichkeiten. Sie ist in Wirt­lichkeit unser erster Frühlingsbote". Gerade um die Weih nachtszeit pflegt fie fich in ihrer ganzen Pracht zu präfentiren und heißt deshalb auch mit vollem Recht im Volksmunde: Weihnachtsrose, Christ- oder Schneeblume"( nicht zu verwechseln mit dem viel später erscheinenden, allgemein bekannten Schnee­glöckchen"). Sie wird von den Botanikern Helleborus niger, schwarze. Nießwurz, benannt, hat dunkelgrüne Blätter, zwischen welchen an schlanken Stielen, die der wilden Rose ähnlichen, fünfblättrigen, großen, glockenförmigen Blumen hängen, deren Farbe anfangs weiß ist, später aber ins Röthliche übergeht. Ihre eigentliche Heimath find die Gebirgswaldungen Süddeutsch­ lands , doch wird sie auch bei uns zuweilen in Gärten angepflanzt.

Bon einem beklagenswerthen Unfall ist zu den Weih nachtsfeiertagen die Ehefrau und damit die Familie eines in der Mariannenstraße wohnhaften Fabritarbeiters betroffen wor­den. Beim Reinigen von Fischen, unter denen sich ein größerer Barsch befand, verlegte sich am Tage vor dem Feste die Frau an den Flossen des Barsches die Hand. Der bald sich eine stellende empfindliche Schmerz veranlaßte die Frau, den Arzt aufzusuchen und dieser, die Gefahr der Blutvergiftung erken nend, wollte wenigstens den Versuch machen, die erfranfte Hand zu retten, weshalb er oberhalb derselben eine Schnur anlegte, welche die Blutzirkulation aus der Hand in den Arm verhin dern sollte. Diese Vorrichtung war, wie erklärlich. der Frau sehr lästig, dieselbe entfernte die Schnur und spülte die franke Hand, welche sich hochgradig entzündet zeigte, mit kaltem Wasser. Bald aber schwoll nun auch der Arm an; die Frau eilte noch mals zum Arzt und dieser odnete die schleunige Aufnahme der Frau in Bethanien an, wo am ersten Weihnachtsfeiertage der erfrantte Arm im Schultergelent amputirt werden mußte. Auch heute noch ist der Zustand der Frau sehr besorgniß­erregend.

Statistik der Kriminalabtheilung des Volizeipräfi­Von den diums, des Land- und Amtsgerichts Berlin I bei der Kriminalabtheilung des Polizeipräsidiums zu Berlin im Jahre 1885 fiftitten Personen famen zur Isolirhaft 4403 Per­sonen und zwar 3658 Männer, 734 Weiber, 11 Kinder, die legten wegen Diebstahls. Diebstahl bei 1648 Männern, 497 Weibern, Hehlerei bei 84 Männern, 30 Weibern; Beleidigung von Beamten, Widerstand gegen die Staatsgewalt bei 311 Männern, 25 Weibern; Körperverlegung bei 152 Männern, 3 Weibern; Unterschlagung bei 337 Männern, 47 Weibern; Betrug bei 195 Männern, 36 Weibern; Hausrechtverletzung bei 68 Männern, 1 Weibe; Verbrechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit bei 121 Männern, 3 Weibern; Vermögens­beschädigung bei 66 Männern, 1 Weibe; Raub bei 20 Männern, 2 Weibern; Urkundenfälschung bei 95 Männern, 15 Weibern; Hazardspiel bei 12 Männern; Befreiung von Gefangenen bei 24 Männern; betrügerischer Bankerott bei 10 Männern; Er preffung bei 36 Männern; Nothzucht bei 1 Mann; Brandstiftung bei 4 Männern, 1 Weibe; Mord, Mordversuch bei 9 Männern, 5 Weibern; Majestätsbeleidigung bei 17 Män nern; Drohung bei 31 Männern, Meineid bei 7 Männern, 3 Weibern. Münzverbrechen bei 27 Männern, 3 Weibern; Verbrechen wider das keimende Leben resp. Beihilfe 1 Mann, 12 Weibern, die übrigen wegen vereinzelter Ursachen. Zum Polizeigewahrsam wurden gebracht: 20361 Männer, darunter wegen Obdachlosigkeit 7058, Bettelns 9392, Straßenunfugs 1897, Trunkenheit 76; als Durchtransport 212, Geistesstörung 4, unerlaubten Handelns 163, wegen verschiedener Ursachen 1559. Frauen wurden eingebracht 9465, von diesen 8238 wegen Un­fittlichkeit, 463 wegen Obdachlofiakeit, 67 wegen Straßen­unfugs, 39 wegen Trunkenheit, 264 wegen Bettelns, 78 als Durchtransport, 25 wegen unerlaubten Handelns, 2 wegen Geistesstörung , 289 wegen verschiedener Ursachen. Kinder wurden 75 zum darunter Polizeigewahrsam gebracht,

in

33 wegen Obdachlosigkeit, 16 wegen Bettelns, 5 wegen unerlaubten Handelns, 21 wegen verschiedener Ursachen. Unter Polizeiaufsicht standen 1377 Personen, wegen Bettelns In 1064 Fällen von wurden 21 984 Personen fistert. Selbstmord, Todtschlag und Unglüdsfällen mit tödtlichem Ausgang wurde ein Einschreiten veranlaßt. Darunter waren Fälle von Erhängen 161, Ertrinken 100, Erfchießen 57, Kohlen­prydvergiftung und Erstickung 24; Vergiftung 65; Schädel bruch 35; Sturz aus dem Fenster 53; Ueberfahren 20; Er­frieren 3; Mord 2; Verbrühung 6; Verlegungen 26; Schlag­fluß 25 2c.; außerdem wurden 30 neugeborene Kinder todt aufgefunden. Beim hiesigen Landgericht I waren im Jahre 1885 anhängig: Bivilsachen: 5756 gewöhnliche Prozeffe; 141 Ur­fundenprozeffe; 938 Arreste und einstweilige Verfügungen; 1019 Chefachen; 6 Entmündigungssachen; vor den Kammern für Handelsfachen 3073 gewöhnliche Prozesse; 5575 Ur­funden( Wechsel) Prozesse, 223 Arreste u. f. w.; der Berufungsinstanz: 2218 gewöhnliche Prozeffe, 30 Ur­fundenprozeffe. 119 Straffachen: 21 887 Vorverfahren, Hauptverfahren in I. Instanz vor dem Schwurgericht, 1575 vor den Strafkammern wegen Verbrechen, 2238 wegen Vergehen. Berufungen vor den Straffammern: 444 Privatflagen, 2059 Vergehen und Uebertretungen. Beim Amtsgericht I hierfelbft waren im Jahre 1885 anhängig: Bivilsachen: 1425 Sühne sachen, 50518 Mahnfachen, 73 190 gewöhnliche Prozeffe, 14 635 Urkunden( darunter 14 472 Wechsel-) Prozesse, 166 Ent mündigungssachen, 493 Aufgebotsverfahren, 2357 Arreste 2c.; 1871 Anträge außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites, 175 Vertheilungsverfahren, 253 Zwangsversteigerungen, 350 Zwangsverwaltungen, 16 616 andere Anträge betr. Zwangsvoll­ftreckung, 105 371 mündliche Verhandlungen. Straffachen: 4186 Privattlagefachen, 8558 Anträge auf Erlaß von Strafbe fehlen, 9708 Anklagesachen wegen Vergehen, 31 539 Anklage­fachen wegen Uebertretungen, 43 617 Hauptverhandlungen.

Die Kriminalpolizei hat gestern Vormittag, wie der Börf.- Cour." mittheilt, ein gefährliches Nest in der Keller­Restauration von C. in der Hirtenstraße ausgenommen. Nicht weniger als zwanzig Buhälter und zwei Dirnen fieten in die Hände der Polizei.

Zu den kleinen grauen Möven an der Friedrichsbrücke hat sich jetzt auch die große weiße Möve gesellt. Die Schaar der eleganten Waffervögel hat sich bis gegen hundert vermehrt. Sie schwimmen behend auf dem Fluffe, balanziren auf den Stangen der Fischkästen, ruhen fich in Schaaren auf den Eis­