-

Stärke angebohrt. Nach Durchtreibung dieser Thonschicht ge­langte man allmälig wieder in eine wasserführende Sandschicht, und ergab es sich hierbei, einmal, daß das nun auftretende Waffer in dem Bohrloche selbst hoch stieg, und andererseits, daß dieses aufsteigende Waffer soolehaltig war. Nachdem man die Bohrung noch entsprechend tiefer hinabgeführt hatte, wurde in dem 6 resp. 8zölligen Bohrrohre ein 2zölliges, dicht geschloffe­nes Steigerohr bis zur untersten Tiefe der Bohrung hinabge­senkt. In diesem 2zölligen Rohre stieg alsdann das Wasser bis gegen 15 Fuß über dem Boden, wo dasselbe ausfloß. Die an­gestellte chemische Untersuchung des ausfließenden Waffers er gab einen ungefähr einen 3 pCt. Soolegehalt; auch die neuer dings noch weiter angestellte Untersuchung des Chemikers Bischof bestimmt daffelbe als 3 prozentige Soole. Bekannt­lich ist nun aber die 3 prozentige Soole die zu Soolbädern geeignetste. Es darf jedoch mit großer Sicherheit erwartet wer den, daß nach ordnungsmäßiger Einrichtung der Rohranlage und bei längerer Förderung des Waffers der Soolegehalt sich noch entsprechend erhöhen wird. Die aus der jetzt bereits vorhandenen Rohranlage förderbaren Waffermengen anlangend, so war die aus dem Rohre von selbst ausfließende Waffermenge anfänglich nur gering, diefelbe erhöhte fich indessen stetig, so daß nach acht Tagen der selbstständige Ausfluß bereits über 30 Liter in der Minute betrug. Durch Auffeßung einer ein­fachen Handpumpe wurde diese Menge indeß bis über 90 Liter pro Minute erhöht. Es kann nun ferner als durchaus un­zweifelhaft hingestellt werden, einmal, daß der selbstthätige Ausfluß fich allmälig auch noch weiter und erheblich steigern wird, andererseits aber auch, daß eventuell bei Anwendung von Pumpen 2c. ganz beliebig große Mengen gefördert werden fönnen. Ganz dasselbe Resultat sehen wir bei den vielen in den letzten Jahren durch die Behörden in den Straßen Berlins errichteten Rohr- oder Artesischen Brunnen. Es sind dieses ganz ähnliche Anlagen, wie die Rohrbrunnen im Admirals­garten. Die Rohre dieser Brunnen sind gegen 50-100 Meter tief in den Boden getrieben bis in eine gutes Wasser führende Kiesschicht, und sind dieselben für Feuersprißen, ja größtentheils sogar für Dampfsprißen benutzbar, wobei aus denselben in der Minute viele hundert Liter gefördert werden können Das alleinige Recht der Förderung und Verwendung der Soole hat fich die Direktion der Gesellschaft inzwischen bereits durch amt­liche Mutung in ausgedehntester Weise gesichert.

Von dem Vorstande des Deutschen Schriftsteller­Verbandes geht uns die Mittheilung zu, daß zum 4. Januar eine eigene Wochenschrift desselben unter dem Titel: Deutsche Breffe" Organ des Deutschen Schriftsteller Verbandes, her­ausgegeben von dem geschäftsführenden Ausschuß, erscheinen wird.

In Bezug auf unsere gestrige Notiz über den Stand des Nagelschmiedegewerbes in Berlin wird uns berichti­gend mitgetheilt, daß es in Berlin an 40 Nagelschmiedemeister und ebensoviel Gesellen giebt, die in dieser Branche thätig find. Es besteht außerdem in Berlin ein Fachverein der Nagel­schmiede, der sich einer regen Antheilnahme erfreut. Die Nagel­schmiede fabriziren übrigens außer Nägeln alle Eisenartikel, die zu Bauzwecken verwendet werden. In Berlin erfreut sich das Handwerk der Nagelschmiede noch einer verhältnißmäßig günstigen Lage. Der Verein wird sich übrigens im nächsten Jahre in reger Weise an der Lohnbewegung betheiligen.

Der Tapezirer Kr., der von seinem Hauswirth, Denne wigstr, 28, gerade zu Weihnachten ermittirt wurde, befindet sich mit seiner Frau und vier Kindern, von denen zwei frank find, in der denkbar unglücklichsten Lage. Vielleicht finden sich wohl­thätige Menschen, die hier ein Scherflein spenden. Die Adresse ist auf unserer Redaktion zu erfahren.

Gefrorene Mild. Bei Frostwetter ist es angebracht, auf einen Uebelstand hinzuweisen, der durch das Gefrieren der Milch hervorgerufen wird. Das Gefrieren verändert nämlich die Beschaffenheit der Milch dahin, daß sie minderwerthig er­scheint, sobald viele gefrorene Stücken darin find. Der Fett­gehalt der Milch ist nämlich meist in der gefrorenen Milch vor­handen, so daß die übrige, schon aufgethaute Milch schlechter scheint. Es ist dies für die Händler in solchen Städten sehr unangenehm, in denen eine polizeiliche Kontrole der Milch statt­findet. Bei solchen Untersuchungen fann es vorkommen, daß die Milch als minderwerthig konfiszirt wird, troßdem fie gut ist. Händler werden daher gut thun, dafür zu sorgen, daß die Milch möglichst nicht gefriert, oder sie doch gleich aufgethaut wird, wenn sie zum Verkauf gelangt.

Eine Mahnung zur Vorsicht an die nach Berlin kom­menden Fremden. In letzter Zeit ist es wieder mehrfach vor­gekommen, daß die ankommenden Fremden den an sie heran­drängenden Burschen ihr Gepäck zum Tragen überlassen in der Meinung, fie werden dabei billiger fortkommen. In vielen Fällen wissen dann diese Bauernfänger mit dem anvertrauten Gut zu verschwinden. So ging es erst wieder gestern einem Herrn, der, auf der Stettiner Bahn ankommend, einem solchen Burschen seinen dunkelblauen Pelzüberzieher im Werth von 120 M. übergab. Jm Gedränge war der freche Geselle gar bald verschwunden. In dem Ueberzieher befand sich der Militärpaß, sowie der russische Gouvernementspaß des Ge prellten.

Eine gewiffenlose Gesindevermietherin, welche außer Stellung befindliche Dienstboten an sich zog, um sie später der Prostitution zuzuführen, ist gestern in der Person der unver­ehelichten, in der Straußbergerstraße wohnenden M. verhaftet worden. Die Inhaftirung erfolgte auf Grund des§ 180 des Strafgesetzbuches.

Ueber die Zustände am Gesundbrunnen , die im grellsten Gegensatz zur sonstigen Entwicklung Berlins stehen, wird lebhafte Klage geführt. Nördlich der Badstraße zwischen dem Verbinder" und der Stettiner und Nordbahn liegt eine 5 bis 600 Morgen große Fläche, deren Bewohner von allen Vor­zügen der Reichshauptstadt ausgeschlossen find. Regelmäßige Straßen find mangels der Kanalisation nicht vorhanden. Die Durchführung der Kanalisation ist aus bekannten Gründen in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, wohl aber eine Versumpfung der ganzen Gegend. Da keine regelrechten Straßenzüge vor­handen find, kann trop des billigen Preises der Grundstücke nicht gebaut werden, und die naturgemäße Ausdehnung des Nordens und namentlich die Herstellung kleiner, billiger Woh­nungen ist infolge des hartnäckigen Kampfes zwischen den ver­schiedenen Behörden vollständig ausgeschlossen.

Für die wilden Männer", deren Aufnahme insbe= sondere für die städtische Frrenanstalt in Dalldorf große Unzu­träglichkeiten im Gefolge hatte, wird die seit längerer Zeit ge­plant gewesene Abtheilung für Geisteskranke im Moabiter Bellengefängniß am bevorstehenden 1. Januar eröffnet werden; zum Arzt derselben ist, wie die Deutsche medizinische Wochen­ Schrift " mittheilt, Dr. Wulffert, bisher an der rheinischen Pro­vinzial Jrrenanstalt Merzig, ernannt. Durch diese Einrichtung ist die vielfach erörterte Frage wegen Unterbringung geistes­franfer Verbrecher für Preußen zum Austrag gebracht und da­mit hoffentlich eine Befreiung der öffentlichen Frrenanstalten von der Aufnahme dieser Art Patienten herbeigeführt. Dagegen werden die Gerichte gemäß§ 81 der Strafprozeßordnung forts fahren, Angeschuldigte zur Vorbereitung eines Gutachtens über ihren Geisteszustand den öffentlichen Jrrenanstalten zu über­weisen.

Eine lebensmüde Dame, ein etwa achtzehnjähriges, sehr elegant gekleidetes Fräulein, versuchte gestern Abend kurz vor 6 Uhr von der Kurfürstenbrücke aus den Sprung ins Jen­seits. An der südlichen Seite der Brücke, nahe der Burgstraße, zwängte fich die junge Dame durch die Deffnung der Brüstung und schwang sich in die Spree. Auf den Hilferuf der Passanten, welche Zeugen der verzweifelten That waren, eilten die an der Brücke mit ihren Obstfähnen liegenden Schiffer mit ihren kleinen Handboten zur Stelle und es gelang ihnen auch, die Lebens­

müde, welche von ihren Kleidern über Wasser gehalten wurde, herauszufischen und dann in einen der Obstkähne zu bringen. Nachdem dort zunächst der nothwendigste Kleiderwechsel bewirkt worden war, schaffte ein Schußmann die Gerettete nach der Charitee. Hier wurde die Lebensüberdrüssige als die in der Dresdenerstraße wohnende Plätterin Emilie M. rekognoszirt. Ueber die Beweggründe zu dem Selbstmordversuch verweigert dieselbe jede Anskunft.

Zwei jugendliche, aber sehr gefährliche Brand­Stifter wurden gestern von der Kriminalpolizei der Staatsan­waltschaft übermittelt. Am 23. Dezember d. J. erschienen in dem Laden eines Milchpächters in der Bülowstraße zwei Bur­schen, welche Holzpantoffeln faufen wollten. In dem Laden war nur der 13jährige Sohn des Milchpächters anwesend; da der Knabe aber sich sehr aufmerksam erwies, verließen die beiden Burschen ohne etwas zu kaufen den Laden. Bald darauf be= merkte der Pächterssohn Rauch im Korridor und als er die Thür öffnete, schlugen ihm schon die hellen Flammen entgegen. Schleunigst rief der beherzte Knabe seinen mit Weihnachts­bäumen auf der Promenade der Bülowstraße handelnden Onkel herbei, dem es mit Hilfe anderer Hausbewohner auch bald ge­lang, des Feuers Herr zu werden. Das Feuer hätte, etwas später bemerkt, großes Unheil herbeigeführt und Menschenleben in Gefahr gebracht, denn die Flammen hatten bereits einen Holz­verschlag ergriffen, in welchem mehrere Fäffer Spiritus aufbewahrt wurden, und außerdem schliefen im Nebengelaß zwei Kinder, die beinahe den Erstickungstod erlitten hatten. Der Verdacht lenkte fich sofort auf die beiden vorher im Laden gewesenen beiden Burschen, welche sich mit zwei Anderen als identisch erwiesen, welche während des Feuers von der Straße her der weiteren Verheerungen harrten und über das Feuer frohlockten. Den angestrengten Bemühungen der Kriminalpolizei gelang es denn auch gar bald, wie die" Post" berichtet, die beiden Burschen in dem 14jährigen Waldemar R. und dem 12jährigen Alerander F. zu ermitteln. Diese beiden hoffnungsvollen Knaben gaben denn anch zu, das Feuer angelegt zu haben, nachdem ihnen ein Diebstahl in dem Milchladen nicht gelungen sei. Sie hätten beim Heraustreten aus dem Laden eine Kaze bemerkt, der sie nachgejagt seien. So in den Keller gekommen, hätten sie eine Matraße und Stroh am Boden liegen sehen. Da auch Petroleum in der Nähe gewesen, hätten sie sofort den Plan ge­faßt, ein ,, Brändchen" zu veranlassen. Nachdem sie das Stroh auf die Matraze gehäuft und das Petroleum darüber gegossen, hätten sie das Ganze angesteckt und sich von außen über das Feuer gefreut. Es ist als ein großes Glück zu betrachten, daß die gefährlichen Burschen dingfest gemacht sind, da ihnen schon weitere drei Brandstiftungen nachgewiesen sind.

Die Berliner Verbrecherwelt scheint seit einigen Tagen um eine neue Spezies von Langfingern bereichert worden zu sein. Wie nämlich einer Lokalkorrespondenz von absolut glaub­würdiger Seite mitgetheilt wird, macht seit furzem ein Ver­brecherkonsortium, welches es hauptsächlich auf die Plünderung von Baubuden in den Rohbauten abgesehen hat, die Neubauten im Westen unserer Stadt unsicher, und zwar mit einer Ent­schlossenheit und Gewandtheit, die darauf schließen läßt, daß fich alte routinirte Diebe bei den Ausführungen betheiligen. Das letzte Debut haben dieselben am Donnerstag am hellen lichten Tage auf dem Neubau Kleiftstr. 6 gegeben. Sie haben dort dem Raume, in welchem die Bauhandwerker ihre Kleidungs­gegenstände und sonstigen Habseligkeiten aufbewahrt hatten, einen Besuch abgestattet, nachdem sie die Thür gewaltsam er brochen. Ein neuer grauer Paletot und zwei Jaquettes nebst anderen Werthgegenständen verschiedener Art wurden später vermißt. Hoffentlich dient diese Mittheilung allen auf. Neu­bauten beschäftigten Handwerkern zur Warnung.

Ein Unglücksfall, welcher der schlittenfahrenden Straßen­jugend zur Warnung dienen sollte, ereignete sich vorgestern Abend auf dem Andreasplaz. Hier vergnügten sich Knaben mit ihrem Handschlitten. Die tolle Fahrt ging immer rascher, und es wurde dabei auch das bekannte Schleudern der Schlitten ge­übt, wo meiſtentheils die darauf Sißenden unrer lautem Ge­lächter der Andern in den Schnee geworfen werden. Bei einer dieser Schleuderfahrten geschah es nun, daß der Schlitten gegen einen Laternenpfahl anprallte, der darauffißende kleine Knabe herunterſtürzte und so heftig mit dem Kopf gegen die Bord schwelle aufschlug, daß er bewußtlos mit einer flaffenden Kopf­wunde liegen blieb. Der Kleine, der Sohn eines Arbeiters R., wurde von Vorübergehenden nach der elterlichen Wohnung ge­bracht, woselbst ein hinzugerufener Arzt eine schwere Verlegung des rechten Scheitelbeins feststellte.

Polizeibericht. Am 30. v. M. Nachmitags machte ein Mann im Friedrichshain den Versuch, sich mittelst eines Re­volvers zu erschießen. Er wurde noch lebend in das Kranken­haus im Friedrichshain gebracht. Um dieselbe Zeit sprang ein Mädchen, anscheinend im Zustande der Geistesstörung , von der Burgstraße aus in die Spree, wurde jedoch alsbald wieder Abends wurde herausgezogen und nach der Charitee gebracht.

eine obdachlose und dem Trunke ergebene Frauensperson aus einer Kopfwunde blutend und besinnungslos vor dem Hause Prenzlauer Allee 195 auf der Straße liegend vorgefunden und nach dem Krankenhause im Friedrichshain gebracht.- An dem felben Tage fanden Lindenstr. 50- Röniggrägerstr 70 70- und Neue Königstr. 45 unbedeutende Feuer statt. Am 31. v. M. früh brannte Leipzigerstr. 43 eine größere Menge Koaks im Bentralheizungskeller des Grundstücks.

Gerichts- Zeitung.

Bezüglich der Berechnung des Arbeitsverdienftes, von welchem die einem Verunglückten zu gewährende Rente be­meffen wird, fällte das Reichsversicherungsamt in Sachen des Spinnmeisters Rüggeberg in Forst i.L. gegen die Norddeutsche Tertil Berufsgenossenschaft eine hochwichtige Entscheidung. Der Kläger ist unbestritten am 20. März 1886 in der Spinnerei von Peter Breuer zu Forst beim Betriebe dergestalt verunglückt, daß seine völlige Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist. Drei Wochen vorher war der Kläger bei Breuer als Selfaktorspinner engagirt, bis zu seiner Verunglückung aber nicht als solcher, sondern mit Aushilfsarbeiten beschäftigt worden. Die Seftion V der beflagten Berufsgenossenschaft berechnete nun den rentefähi­gen Arbeitsverdienst nach dem Sage eines Fabrikarbeiters in einer Spinnerei" mit 540 Mark jährlich, während der Durchschnittsverdienst eines Selfaktorspinners zirka 950 M. für das Jahr beträgt. Die gegen diese Berechnung vom Kläger eingelegte Berufung wurde vom Schiedsgericht mit der Motivirung verworfen, daß es nicht darauf ankomme, als was Kläger engagirt gewesen ist, denn als Selfaftorſpinner habe er wegen mangelnder Arbeitsgelegenheit noch nicht ge arbeitet und als solcher auch keinen Lohn bezogen. Gegen diese Entscheidung legte Kläger durch den Rechtsanwalt Freudenthal Returs ein, welchen das Reichsversicherungsamt auch für völlig begründet erachtete. Es bezeichnete die Argumentation des Schiedsgerichts für irrig, weil in den Fällen, wie vorliegend, nach§ 5 Abs. 4 des Unfallgesetzes der Rente derjenige Betrag zu Grunde gelegt wir, welchen ein Arbeiter derselben Art in demselben Betriebe oder in benachbarten gleichartigen Betrieben durchschnittlich bezogen hat. Kläger war vorher Spinnmeister in einer andern Fabrik, besaß also eine höbere Vorbildung, als ein gewöhnlicher Fabrikarbeiter. Demgemäß war auch die Rente auf 631 M. 97 Pf. jährlich zu erhöhen.

Bu dem bekannten Kapitel über Kleine Ursachen große Wirkungen" lieferte eine vor der Strafkammer des Landgerichts gestern verhandelte Anklagesache einen vortreff­lichen Beitrag. Ursache zu allerlei unliebsamen Verwickelungen war im vorliegenden Falle das feinfühlige Geschmacksorgan eines am 19. Juli d. J. im Reitmeyer'schen Restaurationslokal, Nürnbergerstraße zu Charlottenburg , anwesenden Gastes. Derselbe hatte nach voraufgegangenem 3wist mit seinen Speisewerkzeugen

-

-

-

eine ihm von der Wirthin auf seine Bestellung verabfolgte Wurst mit dem Bemerken zurückgegeben, daß die Wurst zur mensch­lichen Nahrung ungeeignet sei allerdings das Aergste, was einer Wirthin paffiren kann. Spornstreichs lief deshalb Frau Reitmeyer zu dem unweit in der Kurfürstenstraße wohnhaften Schlächtermeister Heckendorff, dem Wurstlieferanten, welchem sie nunmehr im Laden und in Gegenwart der Kunden die bean­standete Wurst vor die Füße warf unter Vorwürfen, wie solche die weibliche Beredtsamkeit in geeigneten Momenten zu finden und anzuwenden stets bereit ist. Vergebens hatte Herr Hecken­dorff dem seine Geschäftsehre schädigenden Vorwurf gegenüber geltend gemacht, daß er für die Beschaffenheit der Wurst, welche er volle 3 Wochen vorher an Reitmeyer geliefert, jetzt noch und im Hinblick auf die Einwirkungen der heißen Jahreszeit unmöglich verantwortlich zu machen sei. Frau Reitmeyer gab diesen Ver­nunftgründen kein Gehör; nachdem sie ihrem Zorn Luft ges macht, lief sie davon, die Wurst, die ihren Endzweck verfehlte, im Laden des Herrn Heckendorff zurücklaffend. Nunmehr ers mannte sich der lettere; im Bewußtsein des ihm widerfahrenen Unrechts begab er sich nach dem Reitmeyerschen Lokal und Wurst wider Wurst warf er die streitige Wurst der Frau Reitmeyer mit Vehemenz an den Kopf. Ebenso plöz­lich, als dies geschehen, sahen nun Hausbewohner aus dem Reitmeyer'schen Lokal ein höchst seltsames Geschoß Geschoß einen eisernen Spucknapf hinausfliegen. Herr Reitmeyer war in dieser ungraziösen Form seiner bedrängten Gattin zu Hilfe geeilt. Das Geschoß traf die Beine des Herrn Heckendorff und fügte demselben eine erhebliche Knieverlegung zu, welche ihn acht Tage arbeitsunfähig machte. Heckendorff hatte, nachdem er getroffen worden, das Geschoß zurückgeworfen, jedoch schloß in demselben Augenblick Reitmeyer die Thür seines Lokals und infolge deffen traf der Spucknapf die Scheibe, welche zertrümmert wurde. Reitmeyer stellte daraufhin gegen Heckens dorff den Strafantrag wegen Sachbeschädigung; während andererseits Heckendorff Bestrafung des Reitmeyer in einem zur Zeit noch schwebenden anderweitigen Strafverfahren wegen Körperverlegung beantragte. Wegen vorsätzlicher Sachbeschädi gung verurtheilte das Charlottenburger Schöffengericht in­zwischen Herrn Heckendorff zu 5 M. Geldbuße event. 1 Tag Gefängniß. Gegen dieses Urtheil legte Heckendorff Berufung ein. Rechtsanwalt Schmilinsky, sein Vertheidiger, erhob im Audienztermin vor der Straffammer des Landgerichts II den Einwand, daß vorsägliche Sachbeschädigung nicht vorliege; ledig­lich unter der Einwirkung des ihm widerfahrenen Schmerzes, als ihm der Spucknapf die Kniee verlegt, habe Heckendorff den­selben aufgehoben, gezielt und in demselben Augenblick, als das Geschoß die Luft getheilt, sei die Thür ins Schloß gefallen und demnach habe also Heckendorf die Scheibe unabsichtlich_zer= trümmert. Nicht hierauf sei die Thätigkeit des Heckendorff ge= richtet gewesen, sondern er habe die ihm zugefügte Körperver­legung mit gleichem Maße dem Reitmeyer erwidern wollen, welcher alsbald diesen Versuch durch schleuniges Schließen der Ladenthür vereitelte. Heckendorf habe somit nur eine Körper­verlegung versucht, ein solcher Versuch sei jedoch nicht strafbar und demnach beantragte der Vertheidiger principaliter Frei­Sprechung. Die Sache war sonach allerdings eine Andere geworden. Die Straffammer erachtete den Angeklagten der vorsätzlichen Sach­beschädigung für nichtschuldig; es sei nicht anzunehmen, daß er den Vorsatz gehabt, die Scheibe zu zerstören. Dagegen habe der Angekl. die Bestimmungen des§ 366 Abs. 7 R.-St.-G.-B. übertreten, indem er mit einem harten Körper nach Menschen bezw. gegen ein Gebäude oder nach einem eingeschloffenen Raum geworfen. Das schöffengerichtliche Urtheil ward von diesem Gesichtspunkte aufgehoben und der Angeklagte wegen Uebertretung zu 5 M. Geldbuße ev. 1 Tag Haft verurtheilt.

Eine gefährliche Diebesbande, der Kellner Ernst Franke, der Kaufmann Gustav Moll, der Kellner Albert Abel und der Friseur Adolph Reich, standen gestern vor der II. Straf­kammer am Landgericht I. Der lettere allerdings nur unter der Beschuldigung der Hehlerei in einem Falle. Was für Burschen die Angeklagten find, geht schon aus ihren Vorstrafen hervor, deren Jeder ein gut Theil erlitten hat. Sie begaben fich auf Bahnhöfe und stahlen im Gedränge Gepäckstücke der ankommenden Reisenden, und zwar stets solche, die den Gepäck­trägern übergeben waren. Auch in Restaurants betrieben fie mit Vorliebe und Geschick das Geschäft des Paletotsmarders. Reich hat nur von Abel einen Pfandschein über eine Reisedecke gekauft, doch will er von dem unrechtmäßigen Erwerb derselben keine Kenntniß gehabt haben. Das Treiben der drei anderen Burschen ist ein außerordentlich freches und gemeingefährliches gewesen, so mußte auch die Strafe eine empfindliche sein, zumal auch bei der Strafabmessung die Vorstrafen sehr erheblich ins Gewicht fallen. Der Gerichtshof verurtheilte den Franke zu 5 Jahren Buchthaus und 5 Jahren Ehrverlust, den Abel zu derselben Strafe und Moll zu Jahren Buchthaus. Gegen Franke, Abel und Moll wird Zulässigkeit der Polizeiaufsicht erkannt. Reich wird freigesprochen.

Ein Einbruchsdiebstahl, der vor mehr als 5 Jahren. verübt worden ist, gelangte gestern vor der. Straffammer am Landgericht I zur Aburtheilung. Zwei Diebe, Reinhold Baißler und Otto Bühring statteten im Jahre 1882 der Wohnung des Kammermusifus Schulz während dessen Abwesenheit einen sehr unwillkommenen Besuch ab. Zunächst öffneten fie die Korridors thür mittelst eines Nachschlüssels, und als sie auf diese Weise in den Korridor gelangt waren, erbrachen sie die Stubenthür mit einem Brecheisen und ebenso Schränke und Kommoden. Sie rafften dann zusammen, was fie bekommen konnten, allein 160 Wäscheſtücke, Löffel 2c. sogar ein Fagott mußte ihnen folgen. Als sie auf die Straße traten, fiel dem Nachtwächter ihr eiliges Davonlaufen auf, er machte sich also an die Verfolgung. Bei dieser Gelegenheit warfen sie einen Theil der gestohlenen Gegen­stände fort, aber unvorsichtiger Weise hatte Baißler auch aus Versehen seinen eigenen Rock, in den er die Sachen gewickelt hatte, mit fortgeworfen, und diese Unvorsichtigkeit führte zu feiner Entdeckung. Wenn man nun auch den Thäter kannte, so gelang es erst kürzlich, seiner habhaft zu werden. Der Ge richtshof erkannte gegen jeden der Angeklagten, obwohl beide noch unbestraft sind, auf ein Jahr sechs Monte Buchthaus.

Reichsgerichts- Entscheidung.( Nachdruck verboten.) Leipzig , 29. Dezember. ( Eine Heirath und ihre Folgen.) Der Altfiger Klatt in Radomno suchte einen Mann für seine Tochter; er fand auch einen jungen Mann namens Anton Szymanski, der nicht abgeneigt war, die Tochter zu heirathen und auch das Grundstück des alten Herrn auf sich zu nehmen. Herr Klatt aber war ein vorsichtiger Mann und bestimmte, daß Anton erst dann sein Schwiegersohn werden solle, wenn er ihm den Befitz von 1700 Thalern nachgewiesen habe. Für den heiraths­lustigen jungen Mann war dies eine sehr unangenehme Bes dingung, denn sein Stiefvater Meyer( derselbe ist inzwischen verstorben) überließ ihm nur 700 Thaler. Anton aber war er finderisch, er ging zu zwei Bekannten, stellte diesen seine Lage vor und lieh fich von ihnen je 500 Thaler. Nun war er froh, und der zukünftige Schwiegervarer war auch zufrieden, als er die verlangte Summe mit eigenen Augen gesehen hatte. wurde nunmehr ein Vertrag abgeschlossen, laut welchem das Grundstück des Herrn Klatt auf seine Tochter überging und bald darauf fand die Hochzeit statt. Lange konnte es nun aller­dings kein Geheimniß bleiben, daß Anton sich den größten Der Theil seines vorgezeigten Vermögens gepumpt" hatte. hinter's Licht geführte Schwiegerpapa wurde ärgerlich und de-= nunzite die Meyer'schen Eheleute, die er für die Seele der gegen ihn gerichteten Machinationen hielt, wegen Betrugs beim Staatsanwalte. Die Straffammer beim Amtsgerichte Löbau er­öffnete, da der Strafantrag untheilbar ist und sich auf alle Theilnehmer und Gehilfen bezieht, das Verfahren auch gegen Anton Szymanski, aber es stellte dasselbe doch schließlich wieder ein, da nicht angenommen werden könne, daß Herr Klatt den Strafantrag auch auf seinen Schwiegersohn ausgedehnt wissen