Beilage zum Berliner Volksblatt.

Nr. 2.

Das Salz und feine Verwendung.

Kein Mineral, das unsere Erde birgt, und wäre es der herrlichste, kostbarste Edelstein, hat sich um das Gedeihen der lebenden Wesen jene hervorragende und hohe Bedeutung er­worben, wie das Salz. Nicht Farbenpracht, nicht Glanz und Härte räumten ihm jene bedeutungsvolle Stellung unter den Gesteinen ein; es ist vielmehr jene Eigenschaft, daß dort, wo es nicht ist, Fäulniß herrscht; die Eigenschaft, daß es unseren Geschmack anregt und uns den Genuß der Speisen angenehmer und diese selbst wieder verdaulicher macht. Durch diese seine Eigenschaften ist das Salz die unentbehrlichste Zugabe der meisten unserer Speisen geworden und bleibt, in nicht allzu großer Menge genoffen, das gesündeste und beste der Gewürze.

Schon in den ältesten Beiten, im grauen Alterthume, kannte man, wie uns zahlreiche Stellen aus den alten Werken lehren, den Gebrauch des Salzes als Würze und wußte dessen Werth und Bedeutung zu würdigen.

Erzählt uns doch schon die Bibel im alten Testamente von der Verwendung des Salzes bei den verschiedenen Opfern, wurde doch bei den Juden die Beimischung des Salzes in das ungesäuerte Brot untersagt; auch die alten Inder betrachteten das Salz als eine der wichtigsten Bestand­theile der Opfer. Der römische Priester bestreute die Stirne des Opferthieres, sowie das Messer und den Altar mit Salz, und die römischen Dichter Dvid und Horaz   erzählen uns, daß der Götter Zorn besänftigt werde durch einige im Feuer knisternde Körnchen Salzes. Dagegen konnte der Haß der Himmlischen erregt werden, sobald ihnen ein Speiseopfer ohne Salz darge­bracht wurde, denn das Fleisch ohne Salz soll man den Hunden hinwerfen. Homer   erzählt von Odysseus  , daß er zu Völker­schaften kam, die das Salz nicht kannten.

Aber auch die robesten und ungebildetsten Völker der Gegen­wart kennen den Gebrauch des Salzes. Wie uns die Berichte der Afrikareisenden melden, geben die zentralafrikanischen Volts­stämme Weib, Kind und die nächsten Anverwandten als Stlaven für eine Hand voll Salz hin; andere wieder schäßen den Reich­thum nach dem Befiße des Salzes, ja bei einzelnen Stämmen gilt das Kochsalz als Geld. Die Küstenbewohner Afrifas be reiten Fische und Fleischspeisen in einer Brühe von Seewasser, das reichlich Salz enthält.

Fragen wir uns nun, woher es kam, daß alle Völker, ob roh oder gebildet, in neuer und alter Zeit den Gebrauch und die Verwendung des Salzes als Gewürz kannten? Wie be= fannt, macht das Salz eine bedeutende Menge unserer Stoffe im Blute aus und daher erklärt sich wohl jener gewaltige und natürliche Instinkt, der um so intensiver ist, als durch Schweiß, Absonderungen und Ausdünstungen unserem Körper viel Salz verloren geht. Es ist demnach zur Lebenserhaltung von der größten Nothwendigkeit. Der Mangel an Salz war nicht selten, beson­ders in Kriegsheeren, die Ursache epidemischer Krankheiten, wes­halb auch besonders dafür Sorge getragen wird, daß der Soldat im Kriege mit dem nothwendigeu Vorrathe von Salz versehen ist. Von besonderem Intereffe waren für mich, schreibt Erwin Botha in der R. V. 3tg.", die Erzählungen eines alten Soldaten, der so manche Einzelheiten über eingetretenen Salz­mangel während eines mitgemachten Feldzuges mitzutheilen wußte. Man machte den Mangel an Salz dadurch wett, daß man Pulver als dessen Ersatz verwendete. Aber schon nach we nigen Tagen machte fich das Bedürfniß nach reinem Kochsalz in so hohem Grade fühlbar, daß es selbst die Furcht vor der drohenden Lebensgefahr und die Furcht vor den härtesten Strafen überwog. Ebenso schreibt man das häufige Vorkommen von Eingeweidewürmern dem allzu geringen Genusse von Salz zu, welche Annahme durch den Umstand bekräftigt wird, daß diese Erscheinung besonders in den salzarmen Gegenden von Innerafrika zu Tage tritt.

Das Salz ist aber auch insofern ein Ernährungsstoff, als es bei der Bellenbildung betheiligt ist. Der mäßige Genuß deffelben befördert die Verdauung, die Absonderung und die Fettbildung. Erfahrene Landwirthe wissen sehr wohl, daß der Genuß von Salz das Thierreich vor vielen Krankheiten bewahrt, besonders aber bei den weiblichen Thieren sich insofern von großem Vortheil erweist, als dieselben mehr und bessere Milch geben, die fich auch ganz besonders durch Wohlgeschmack aus­zeichnet. Ferner hat das Salz auch einen bedeutenden Einfluß auf ein schmuckes Aussehen des Thieres, auf einen kräftigen Haarwuchs und auf das Temperament. Rinder, denen das Salz entzogen wurde, zeigten sich schwach, schlaff und muthlos. Da das Salz, in richtiger Menge genoffen, eine vorzügliche Würze ist, so entsteht die Frage, welches Maß das richtige sei.

Drei gefahrvolle Momente.

Historische Erzählung von Dr. Fr. Müller.

Es war zur 3eit des höchsten Glanzes der Dynastie Napoleons I., zugleich aber in dem Zeitpunkte, da fern im Süden, im schönen Spanien  , der Beweis geliefert wurde, daß auch der Mächtigste auf Erden noch nicht allmächtig und nicht im Stande sei, die Freiheit eines selbstbewußten, für sein Vaterland begeisterten Volkes zu vernichten.

In Madrid   war der Bruder des Korsen als König Joseph eingesetzt, vermochte aber kaum mit Hilfe der unter dem französischen   Obergeneral Murat in und um die Haupt­stadt stehenden Truppen sich zu behaupten, während im ganzen Lande die Guerilleros, bewaffnete Banden von Bürgern und Bauern, unter den Befehlen der überall in den großen Städten gebildeten Juntas oder provisorischen Regierungen jede Ausübung der Königswalt unmöglich soweit nicht gerade die französischen   Waffen

machten, reichten.

Unter heldenmüthigen Anführern gaben diese Freischaaren Spaniens   in den vielen Gebirgsgegenden der Halbinsel der unter Napoleons   Gewaltherrschaft seufzenden Welt ein nie nach Gebühr gewürdigtes Beispiel, indem sie, wenn auch nicht fähig, in offener Feldschlacht dem Heere Murat's und feines bei Lissabon   die Landung der Engländer verhindern­den Kollegen Junot entgegenzutreten, doch durch zahllose Kleine Gefechte an Punkten, wo ein großes Heer seine Wirksamkeit nicht entfalten konnte, durch unermüdliche An­griffe aus Hinterhalten in Wäldern und Bergschluchten, burch Wegnahme der Proviantfuhren, den Feind in ein­schneidendster Weise dezimirten und nach und nach der Bentraljunta in Sevilla   eine über das ganze Land ausgedehnte Wirkung verschafften. Im Laufe eines Jahres war die Lage der siegend ins Land gedrungenen Franzosen eine geradezu verzweifelte geworden, während den Engländern gelang, zur wüthendsten Erbitterung des Kaisers Napoleon  ,

es

Dienstag, den 3. Januar 1888.

Dies würde leicht beantwortet werden können, wenn unsere Köchinnen beim Salzen der Speisen nicht ihre Finger als Maß, sondern vielmehr graduirter Gefäße fich bedienen würden, welche in einfacher aber sicherer Art die bestimmte Portion bezeichnen würden. Lieber zu wenig als zu viel, denn im ersteren Falle läßt sich immer wieder nachhelfen, während eine versalzene Speise ungenießbar ist.

In zu großen Mengen genoffen wirkt das Kochsalz für die Gesundheit nachtheilig und hat selbst Vergiftungserscheinungen im Gefolge. Es erzeugt eine allzu große Reizung im Magen und Darm, vermehrt die Speichelabsonderung und andere unangenehme und lästige Krankheitserscheinungen.

Die schlimmen Augen der Hunde werden, und zwar nicht mit Unrecht, dem Genusse von start gesalzenem Fleische zuge­schrieben, und Dr. Wrelen giebt als Ursache des Juckens und der Schründen in den Augen des Menschen den übermäßigen Genuß von Salz an.

Das Salz fommt theils als Mineral rein, theils in Ver­bindung mit anderen mineralischen Stoffen in der Erde vor. Es führt im Griechischen den Namen hal und daher erklärt es fich auch, warum viele Ortschaften, in deren Nähe Salz gewonnen wird, in irgend einer Zusammensetzung den Namen Hall" tragen, wie z. B. Hall, Hallein  , Hallstadt  , Reichenhall   2c. Außer im Steinreiche finden wir das Salz auch noch in den Pflanzen und im thierischen Körper. Jm letteren ist es be­sonders im Blute und in den Knorpeln in größerer Menge vorhanden, auch in auch in den meisten unserer Nahrungsmittel fommt daffelbe in einem größeren oder geringerem Prozent satze vor.

Eigenschaften und Verbreitetsein des Salzes bewirkten, daß fich verschiedene Völker bald seiner als Symbol bedienten und daffelbe als Sinnbild der Treue und Freundschaft hinstellten. Will der Araber Jemandem seine Freundschaft beweisen, oder schließt er einen Treubund, so genießt er mit ihm Brot und Salz. Auch in Frankreich   besteht noch heute diese Sitte und es gilt die Abweisung des Brotes und Salzes als Zeichen der Feindschaft. Das Salz gilt ferner noch als Beichen der geistigen Thätigkeit, des Humors und des Wizes und eine stattliche Anzahl von Redensarten knüpft sich an dasselbe. Er sprach gesalzen" bedeutet soviel als geistvoll, satirisch und zus treffend.

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So könnten wir der Bilder noch mehrere bringen, doch eilen wir dem Ende zu.

Man sollte im Hause nur gut gereinigtes Salz haben. Gutes Salz erkennt man daran, daß es an der Luft nicht leicht feucht wird. Wenn sich ein Loth gestoßenen Salzes in vier Loth falten Waffers nicht vollkommen auflöst, so enthält es Gyps und ist schädlich.

Salzwasser selbst wendet man mit besonderem Vortheile bei Verbrennungen durch Höllenstein an, indem man die be­treffende Stelle so stark mit Salzwaffer reibt, als man es ver­tragen kann, und Umschläge und Waschungen mit demselben veranstaltet. Bei Schlangenbiffen reibt man Salz in die Wunde und bei Bienenstichen wendet man ebenfalls Salzwasser an. Dieses Mittel bewährt sich besonders dann, wenn der Stich in den Mund oder Schlund stattgefunden hat.

Kommunales.

Der Verwaltungsbericht des Magistrats über die # tädtischen Markthallen für das Verwaltungsjahr 1886187 stellt in seinem wesentlichen Theile die bereits bekanntgegebene Entwickelungsgeschichte, Bauzeit und Organisation bis zur Be­triebseröffnung der Markthallen am 3. Mai 1886 bar. Aus dem Jahresbericht selbst ersehen wir, daß auf die in den Markt­hallen V vorhandenen 1767 umhegten Stände( und zwar nur in den Hallen, mit Ausschluß von Galerien, Durchfahrten und Stadtbahnbogen) abonnirt wurde und außerdem auf 249 Stände, welche auf den freien Inseln der Halle eingerichtet worden find. Von den Abonnenten hatten ihren Wohnsiz in Berlin   1422, außerhalb Berlin   494. An den besten Marktagen, Mittwoch und Sonnabend, waren außerdem noch in Markt­halle 1 ca. 70, in Markthalle 11 ca. 100, in Markthalle 111 ca. 56, in Markthalle IV nur 12, im Ganzen 238( und mit jenen 494 Abonnenten zusammen 732) Stände an auswärtige Händler vergeben. Ueber den Verkehr in den Markthallen wird folgendes berichtet: Es find, nachdem die erste Neugier des Publikums befriedigt und der Verkehr ein normaler geworden war, der wiederholt Bählungen Personen und Wagen vorgenommen worden. Es wurden ge­zählt in einer Woche, von Montag bis intl. Sonntag, in Markt­halle 11 Lindenstraße 136 300 Personen, in der Markthalle 111

worden

zu landen und zwei französische   Heere kurz nach einander in Kriegsgefangenschaft fielen. Ganz Europa   blickte staunend auf die spanischen   Kämpfer, deren Anführer Mino, Moreno, Odonnel, Empecinado und Ballasteros selbst in Liedern be sungen wurden und sogar gegen die unter Napoleon   selbst anrückende 300 000 Mann starke Armee im Felde blieben.

Eines Tages trat die Nothwendigkeit ein, nach Lissabon Depeschen von äußerster Wichtigkeit zu besorgen, jedoch waren auf dem Gebiete von Madrid   bis dahin alle Wege und Stege von Guerilleros besett, deren Führer, General Castanos, zugleich eine namhafte Macht regulärer tüchtiger Truppen unter seinem Befehle hatte. Murat wußte feinen Truppen unter seinem Befehle hatte. Murat wußte keinen Rath mehr, Niemand wollte die unter allen Umständen lebensgefährliche Reise unternehmen, denn die Insurgenten gaben keinem Franzosen   Pardon. In der Noth wandte sich der künftige König von Neapel an den ehemaligen russischen Gesandten in Madrid  , Baron Stroganoff, dessen Regierung Gesandten in Madrid  , Baron Stroganoff, dessen Regierung damals mit Frankreich   noch auf gutem Fuße stand; derselbe damals mit Frankreich   noch auf gutem Fuße stand; derselbe wußte einen Ausweg.

" Im Hafen von Lissabon  ," sagte er, liegt der Admiral Sintarin; wir sind nicht ihre Alliirten und Spanien   gegen über neutral. Einen Boten Rußlands  , der Spanien   durch­reist, wird man wohl zehn oder zwanzig Mal aufgreifen, reist, wird man wohl zehn oder zwanzig Mal aufgreifen, aber sicherlich nicht festhalten oder gar tödten; dazu kennen die Herren Castanos und Konsorten ihren Vortheil zu gut. Schicken Sie mir also einen Ihrer besten polnischen Lanziers und ertheilen Sie ihm Ihre Aufträge mündlich. In russi scher Uniform wird er als Kourier mit meinen Depeschen an unseren Admiral sicher sein."

Murat war wieder fröhlich und befahl dem polnischen Befehlshaber des Korps der warschauischen Lanzenreiter, ihm einen flugen und muthigen jungen Offizier auszusuchen, zu einem besonders gewagten Unternehmen.

Am folgenden Tage meldete sich ein erst achtzehn Jahre alter junger Pole, der Lieutenant Lackinsky, beim Ober­feldherrn. Murat war ehrlich genug, demselben die Gefähr­

5. Jahrg.

Bimmerstraße 61 275 Personen. Am stärksten war der Verkehr am Sonnabend, am schwächsten am Sonntag. Die tägliche Durchschnittszahl der Eintretenden in der Markthalle IV Doro­theenstraße liegt zwischen 10 und 12000. Auch bezüglich des Wagensverkehrs haben Zählungen stattgefunden. Während die höchste Wagenzahl der Markthalle IV( Dorotheenstraße) an einem Sonnabend durchschnittlich 253 beträgt( und nur in der Zeit des Himbeerverkehrs auf den an die Werderschen Obstzüchter außerhalb der Halle vermietheten Pläßen bis auf 7809 gestiegen war), zählte man in Markthalle Il an einem Sonnabend des Juni 528, des Juli 532, des August 536, durchschnittlich aber an den Sonnabenden 381 Wagen: im Laufe der 11 Monate des Jahres, seit Eröffnung der Markthallen am 3. Mai 1886, 54 015 Gefährte. Die Markthalle lil weist in denselben 11 Monaten nur 39.526 eingefahrene Wagen auf, die vor der Halle haltenden Wagen sind nicht eingezählt. Der Hauptdetailverkehr entwickelte sich in den Frühstunden von 8-11 Uhr. Der Großhandel war vorzugsweise in der Bentral­markthalle zu finden, welche mit 479 Großhändlern, d. h. solchen Verkäufern, welche ihre Waare nicht auspfunden" oder aus­litern", besetzt war. Aber auch in den anderen Markthallen, insbesondere in der Markthalle 11 entwickelte sich in den Früh stunden von 3-7 Uhr ein gewisser Großhandel, vorzugsweise in Fleisch, Gemüse und Obst. Seit dem 1. Mai 1887, dem Eröffnungstage der neuen Güterexpedition, hat sich der Waaren­eingang des Markthallen Bahnhofs gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres verdreifacht, der Waarenausgang verfünfacht. Der erstere betrug in den 11 Monaten vom 3. Mai 1886 bis 31. März 1887: 81 401 Zentner( darunter in ganzen Wagen­ladungen), während seit dem 1. Mai 1887 bis 26. November 1887, also nur in 7 Monaten bereits 163 844 Zentner einge­gangen find.

Lokales.

An diesem 1. Januar waren zweihundert Jahre vergangen, seit zum ersten Mal für die dem Personenver­fehr innerhalb Berlins   dienenden Gefährte eine polizeiliche Kontrole eingeführt wurde. Am 1. Januar 1688 erschien ein Reglement für den Porte- Chaisen- Transport". Die Sitte der Personenbeförderung vermittelst der Port- Chaisen oder Sänften war durch die aus ihrer Heimath vertriebenen Refugiés nach Berlin   gebracht worden, und fand hier großen Anklang, nach­dem durch die Anlage der Stadttheile Friedrichs- Werder- und Dorotheenstadt der Umfang Berlins   so gewachsen war, daß vor­nehme Leute, besonders bei schlechtem Wetter, nicht gern die gar nicht, oder nur mangelhaft gepflasterten Straßen zu Fuß Burchwandern mochten. Die stetige Vermehrung der Sänften führte dann zu dem Reglement, welches folgende Bestimmungen über Standpläge, Anzahl und Preise enthielt: Die Porte­Chaisen wurden auf dem Schloßplay, beim Berlinischen Rath­hause und auf dem Friedrichs- Werder aufgestellt und mit fort­laufenden Nummern bezeichnet; Anfangs waren es nur zwölf mit 24 Trägern. Später wurde die Zahl bedeutend vermehrt. Eine Sänfte foſtete für den ganzen Tag 20 Groschen, für eine Stunde 4 Groschen, für das Tragen auf eine bestimmte Tour durfte nicht mehr als 3 Groschen verlangt werden. Als Träger fungirten fast ausschließlich die ärmeren Angehörigen der fran­zöfifchen Kolonie. Das waren die ersten unbedeutenden An­fänge unserer heutigen gewaltigen Verkehrsmittel.

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Auf eine schändliche Weise ist der Schneidermeister Rud. Diemke, Langestr. 19 parterre wohnhaft, nicht nur um sein Geld, sondern auch noch durch einen Meineid seines Schuldners in das Gefängniß gebracht worden, in welchem er 2 Jahre und 8 Monate unschuldig hat zubringen müssen, während der mein­eidige Schurke, der ihn ins Gefängniß gebracht, frei umherging. Die Staatsb. 3tg." berichtet darüber: Eine fürzlich stattge­fundene Gerichtsverhandlung hat endlich Aufklärung geschaffen und den unschuldig im Gefängnisse fizenden Mann der Freiheit wiedergegeben. Die Freiheit hat er also wieder; aber nichts weiter; denn während der fast dreijährigen Dauer seiner Haft ist die Existenz des Mannes ruinirt. Seine Sachen sind ihm zum größten Theile abgepfändet und verkauft worden und so steht er, nachdem er jahrelang unschuldig hinter Kerkermauern geschmachtet, hilf- und subsistenzlos da; denn ein Gesetz, welches unschuldig Verurtheilten eine Entschädigung gewährt, eristirt ja noch immer nicht. Wahrlich, ein schlagenderer Beweis für die Nothwendigkeit eines solchen konnte aber nicht beigebracht werden, als fich in diesem Falle bietet! Doch kommen wir auf den Fall selbst. Am 5. Mai 1885 wurde der genannte Schneider­meister Rudolf Diemke durch Erkenntniß der 2. Straffammer des Landgerichts 1 wegen schwerer Urkundenfälschung zu 4 Jahren

lichkeit des Unternehmens offen auseinanderzuseßen. Der Pole aber erklärte lachend, er fürchte die Guerilleros nicht. Er empfing seine mündlichen Weisungen, erhielt dann beim Baron Stroganoff seine russischen Depeschen nebst der Uniform eines Offiziers der russischen Kaisergarde und reiste wohlgemuth nach Portugal   ab.

An den ersten beiden Tagen ging alles gut; es zeigten sich zwar wiederholt Guerilleros, aber nichts ungewöhnliches paffirte ihm, bis er in die Nähe von Talavera de la Reina  am Tajo   kam. An einem Hohlwege wurde er plößlich an­gehalten, vom Pferde gezogen, entwaffnet und nach einer Kapelle zur Seite des Weges geführt, wo er sich dem spanischen Befehlshaber, General Castanos selbst, gegen­über sah.

Der junge Mann begriff sehr wohl, daß sein letztes Stündlein gekommen war, wenn irgendwie der Verdacht entstand, daß er französischer Soldat sei; unverbrüchlich nahm er sich deshalb vor, kein französisches Wort seinen Lippen entschlüpfen zu lassen, sondern blos Deutsch   oder Russisch zu reden, denn beide Sprachen verstand er flüssig. Schon unterwegs hatte er, durch ziemlich langen Anfenthalt in Madrid   des Spanischen   mächtig, aus den Unter­redungen der ihn transportirenden Soldaten, die in ihm einen Franzosen in noch unbekannter Uniform ver= mutheten, verstanden, daß er unfehlbar erschossen werden würde, wenn jene Vermuthung sich als richtig erweise. Wenige Wochen vorher war das Gleiche dem General René geschehen, den sein Schicksal ereilt hatte, als er sich verkleidet zum Marschall Junot nach Lissabon   durch­schleichen wollte.

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Wer sind Sie?" redete Castanos ihn französisch an. Es durchzuckte Lackinsky glühend; eine leise Angst be= schlich ihn doch in diesem Moment; erst jest empfand er, welche gefährliche Macht die lange Gewohnheit des fran­ zösischen   Umganges sein könne; er beherrschte sich aber und blickte den General unbefangen an. Noch einmal wieder­