aus dem Ericthale im Kanton Aargau . Es heißt da: Im| Erickthale florirt die Seidenindustrie, welche von Basel aus be­trieben wird, diesen Winter nach Wunsch. In vielen Dörfern find 60-100 Posamentierstühle in Thätigkeit, die einen großen Theil der Bevölkerung beschäftigen und einen lohnenden Gewinn( Ignoranz oder Unverschämtheit? Den erbärm­lichsten Arbeitslohn nennen die Handlanger des Kapitals lohnenden Gewinn") bringen. Allerdings find die Posamenter ein sehr fleißiges und unermüdliches Völlchen. Da geht der Webstuhl, das Seiden- und das Spinnrad von Morgens 6 oder 7 Uhr fast ohne Unterbruch bis gegen Mitternacht. Es find die demokratischen Basler Nachrichten" so rührendes Lob den armen Arbeitern der Hausindustrie Spenden.

die

Daß diese Aermsten 17 Stunden täglich in dumpfen und in der Regel als Wohn- und Schlafräume dienenden Lokali­täten arbeiten und dann Wochen oder Monate lang wenig oder gar keine Beschäftigung haben, für diese vielgepriesenen Segnungen" der Hausindustrie hat das genannte Blatt kein Wort.

Man höre aber nur, was über denselben Gegenstand die N. 3. 3tg." sagt: In manchem Hause kommt es vor, daß der Stuhl selbst zur Effenszeit nicht stehen bleibt, indem die Haus­genoffen einander ablösen. Das Erickthaler Volk ist den Basler Seidenherren sehr dankbar und wünscht ihnen recht von Herzen gute Geschäfte." Nun haben wir endlich den Idealarbeiter der Bourgeoisie in natura vor uns. Auffallend ist nur, daß keines dieser Blätter mittheilt, wie viel der brave Erickthaler Arbeiter verdient. Jedenfalls fann für ihren Verdienst als Maßstab gelten, daß in demselben glüdlichen" Erickthal die bei der Rädle= flechterei beschäftigten Arbeiter in 17stündiger täglicher Ar­beit 30 Centimes verdienen. Es ist charakteristisch, daß die­selben Blätter fürzlich auch diese Nachricht brachten.

Politische Uebersicht.

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Nochmals die gefälschten Depeschen. Wer die vom Reichsanzeiger" veröffentlichten Schriftstücke durchgelesen hat, wird mit uns sicherlich darin übereinstimmen, daß dieselben an fich unmöglich den Eindruck der Echtheit machen konnten außer wenn entweder die Originale in unzweifelhafter Authen­tizität zur Hand waren, oder der Ueberseger, Ueberbringer, Ver­mittler eine unbedingt vertrauenswürdige Persönlichkeit war. Wir haben aber weder die Originale, noch auch nur die Be­hauptung, daß die Driginale dem russischen Kaiser vorgelegen haben. Und wir fennen ferner nicht die Person oder die Per­sonen, durch welche der Bar in den Befit dieser eigenthümlichen Schriftstücke gekommen ist. Kann man überhaupt auf die Schriftstücke wohl gemerkt: wir sagen nicht: Aften­ſtücke welche der Reichsanzeiger" veröffentlichte, im strengen Sinne des Wortes den Ausdruck gefälscht" anwenden? Von einer eigentlichen Fälschung" fann weder bei einer Uebersetzung, noch bei einer Inhaltsangabe,( einem Resumé) die Rede sein außer höchstens in Bezug auf die Person deffen, der die Ueberseßung oder Inhaltsan­gabe gemacht hat. Fälschung und falsche Darstellung oder falsche Angabe find zwei sehr verschiedene Dinge. Daß der Inhalt eines Aftenstückes falsch angegeben, irgend ein fremdsprachiges Buch oder Schriftwerk falsch überseßt wird, kommt jeden Augen­blic vor, ist sogar weit gewöhnlicher als das Gegentheil; das find jedoch keine Fälschungen. Wie hundertmal kommt es vor, daß z. B. unsere Regierungsblätter, und ins besondere auch die­jenigen Beitungen, die am lautesten über die gefälschten De­peschen" randalirt haben, über die Beziehungen Deutschlands zum Ausland ganz falsche Nachrichten verbreiten. Waren es nicht gerade diese Zeitungen, welche vorigen Sommer die Hatz gegen die bisher von der deutschen Regierung begünstigten russischen Staatspapiere unternahmen und dadurch in den weitesten Kreisen den Glauben erweckten, die deutsche Regierung stehe mit der mit der russischen auf sehr gespanntem Fuße und habe einstweilen schon den " Finanzkrieg" begonnen? Und hat die ,, Kölnische 3tg.", von der die gefälschten Depeschen" aufs Tapet gebracht wur den, nicht erst noch vor kaum vierzehn Tagen eine Reihe an­geblich authentischer Artikel über und gegen den bulgarischen Roburger veröffentlicht, von denen jest bekannt ist, daß sie zwar feine Fälschung", aber ein Lügengewebe waren und eine grobe Täuschung des Publikums im russischen Interesse bezweckten? Es will uns sogar bedünken, als walte zwischen jenen Artikeln der Kölnischen Beitung" und den vom Reichsanzeiger" ver­öffentlichten Schriftstücken eine unverkennbare Aehnlichkeit ob. Auffallend wäre das gar nicht. Denn die Zahl der diploma­tifirenden Induſtrieritter, die mit ihren Staatsgeheimnissen renommiren und die in irgend einem Preßbureau oder Staats­manns Vorzimmer aufgelesene Neuigkeitsbrocken journalistisch oder diplomatisch zu verwerthen suchen, und dabei, gleich anderen Prostituirten, einer jeden Regierung zu Diensten sind und oft gleichzeitig mit verschiedenen zarte Beziehungen unterhalten.

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auf

Die Zahl dieser politisch- journalistischen Abenteurer ist Legion, und von einem solchen rühren offenbar die Depeschen des

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,, Und was sollte er dabei haben?" " Wer weiß es. Seine Frau betreibt hier ein sehr ein­trägliches Geschäft mit Kartenlegen, Krankheiten Besprechen und anderem Unsinn wer fann sagen, wie er sie dabei unterſtüßt? Die Polizei hat dem würdigen Paare nur noch nicht beikommen können; aber aus den Augen werden sie nicht gelassen."

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Und Ihr thut ihm gewiß Unrecht. Er ist so komisch, und wenn er sagt: Herr Geheimer Staatsanwalt..."

Das ist eine ganz gemeine Schmeichelei," erwiderte ärgerlich der Vater ,,, wie es überhaupt eine Menge von Men­schen an sich haben, Leuten, mit denen sie verkehren, und be­sonders solchen, von denen sie etwas erhoffen, einen höheren Titel beizulegen, als sie wirklich besitzen. Und doch giebt es Schwachköpfe, die sich dadurch geehrt fühlen."

Papa."

Du bist wirklich zu hart mit dem armen Heßberger,

Glaube aber nicht, daß ich ihm Unrecht thue- hol' ihn der Henker! Ich, für meinen Theil, würde dem Burschen nie über den Weg trauen. Aber weshalb ich eigentlich herüberkam: Ihr fennt doch Alle den Schloffer Baumann, unfern früheren Nachbar? Du hast ja als fleines Mädchen auch immer mit den Baumann'schen Kindern ge­spielt, und sein ältester Sohn kommt manchmal hier in's Haus."

Reichsanzeiger" her. Das Räthselhafte ist blos: wie der Bar| annehmen konnte, die betr. Schriftstüd seien echt? Und wie tonnte er, auch falls ihm die Echtheit möglich erschien, fich mit fonnte er, auch falls ihm die Echtheit möglich erschien, fich mit einer bloßen Ueberseßung begnügen, ohne nach dem Original zu verlangen? Das ist einfach unbegreiflich, und, wie wir gestern schon sagten, die Dunkelheit ist durch die Enthüllungen des Reichsanzeiger" nur noch dunkler gemacht. Es scheint uns feinem Bweifel zu unterliegen, daß durch die Enthüllungen des Reichsanzeiger" sehr vieles verhüllt wird. Und hier wollen wir auf ein bemerkenswerthes Moment aufmerksam machen. Die gefälschten" Schriftstücke, deren erstes und ältestes das Datum des 27. August 1887 trägt, find späteren Datums als die Haß der offiziösen deutschen Presse gegen die russischen Werth papiere. Das ist festzuhalten. Diese Haß fann also nicht Repreffalie gegen eine durch die gefälschten" Schriftstücke her vorgerufene Feindseligkeit des Baren oder der ruffischen Regie­rung gewesen sein. Entweder bestand diese Feindseligkeit schon vor den gefälschten" Schriftstücken, oder die Haß gegen die russischen Werthpapiere war nicht durch irgend eine russische Feindseligkeit provozirt, sondern irgend ein selbstständiger poli tischer Schachzug. Jedenfalls aber wird kein Unbefangener in Abrede stellen können, daß die Haß gegen die russischen Werth­papiere viel geeigneter war, den Zorn des Zaren zu erregen, als die einige Monate später verfertigten gefälschten" Schrift stücke. Mit anderen Worten: die gefälschten Akten­stücke", die gar keine Attenstücke" waren, tönnen teine Spannung zwischen der deutschen und der russischen Regierung erzeugt haben. Wenn es in den Beziehungen der deutschen Regierung zur russischen dunkle Partien gegeben hat, so find diese durch die Veröffentlichung des Reichsanzeiger" nicht aufgeklärt. Und unsere ursprüngliche Vermuthung, daß das Intermezzo der ge­fälschten Aftenstücke" keinen anderen Zweck habe, als die Aus= lieferung Bulgariens an Rußland zu mas firen, ist durch die Enthüllungen" des Reichsanzeiger" und durch die grobe Rücksichtslosigkeit, mit der er den armen bulgarischen Fürsten traktirt, zur Gewißheit erhoben worden.

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Laffen Sie sich doch nicht verblüffen, soll der Reichs­tanzler nach der Nationalztg." etwas ungeduldig einem Unter­nehmer in Friedrichsruh , der der Friedenszuverficht gegenüber fich auf die Alarmnachrichten bezog, bemerkt haben. Leider laffen fich noch immer zu viele verblüffen, insbesondere durch die Alarmnachrichten, wie sie in der offiziösen Preffe verbreitet werden. Diese Notiz könnte den offiziösen ,, Kriegsinfichtlern" ins Album geschrieben werden.

Allgemeines deutsches bürgerliches Gefehbuch. Die Kommission für Ausarbeitung des deutschen bürgerlichen Gesetz­buchs hat vor den Weihnachtsfeiertagen ihre Arbeit vollendet und zum neuen Jahr den Entwurf an das Reichskanzleramt abgegeben. Vom Reichskanzler wird derselbe dem Bundesrath zugehen, worauf zunächst seine Veröffentlichung erfolgt. Wenn die Arbeit etwa ein Jahr lang der öffentlichen Kritik vorgelegen hat, soll unter Berücksichtigung der von den Einzelregierungen abgegebenen Aeußerungen und der Stimme der Kritik die lezte Hand an den Entwurf gelegt und die Redaktion endgiltig fest gestellt werden, in welcher derselbe an den Reichstag gelangt. Es ist dann die Aussicht vorhanden, daß am Anbruch des fommenden Jahrzehnts das neue Gesetzbuch Gefeßeskraft erhält und endlich ganz Deutschtand unter die Herrschaft eines einheit lichen Privatrechtes gestellt wird.

Die Verhaftung des preußischen Agenten Haupt in Zürich wird mehrfach bestätigt. Nach den Mittheilungen, welche das Genfer Journal" erhalten, erfolgte die Verhaftung Haupt's unter folgenden Umständen: Haupt besist in der Insel­gaffe zu Genf eine Mineralwasserfabrik und und hat schon mehr­mals aber vergebens das schweizerische Bürgerrecht zu erwerben gesucht. Seit einiger Zeit nun beschuldigten die deutschen Sozialisten Haupt, er sei ein von der preußischen Regie­rung besoldeter Agent provo ateur. Haupt wollte sich vor seinen sozialistischen Genossen rechtfertigen und willigte ein, mit ihnen nach Bürich zu gehen, wo er sich rein waschen wollte. In Bern suchte Haupt seinen Begleitern zu entfliehen, was ihm aber nicht gelang. Kaum in Zürich angelangt, wurde er ver­haftet. Die Genfer Tribüne" meldet über den Fall, daß auf das Gesuch des Redakteurs Fischer vom Sozialdemokrat" am 15. Dezember eine Sozialistenversammlung in Genf einberufen wurde. Der anwesende Haupt habe nicht einmal versucht, die gegen ihn erhobene Anklage zu leugnen, und nachdem er der Spionage überwiesen worden, habe er selbst erzählt, was er alles im Auftrage Krüger's von Berlin gethan habe. Die Reise nach Zürich zur Rechtfertigung und die dort erfolgte Verhaf tung bestätigt die Tribüne" gleichfalls. Die Verhaftung Haupt's in Zürich und die in Genf in deffen Wohnung vorgenommene Haussuchung, welche kompromittirende Schriften u. s. w. zu Tage gefördert haben soll, soll auf Veranlassung eines Züricher Polizeihauptmannes erfolgt sein.

Eine edle Freundschaft. Von Tag zu Tag übermüthi­ger wird die nationalliberale Partei und besonders die ,, Natio­nalzeitung" von der Kreuzzeitung " behandelt. Insbesondere hat es die Nationalliberalen verdroffen, daß die ,, Kreuzzeitung "

Schreibtisch machen lassen, denn den alten muß ich verkramt haben; ich kann ihn nirgends mehr finden." Ja, und ein anderes Schloß an unsern Vorsaal auch, Dietrich," sagte die Frau; denn seit mir der Schlüssel damals weggekommen ist, fehlt mir alle Augenblicke etwas. Denke Dir nur, zwei von unseren schweren Eßlöffeln find fort ich wollte Dir eigentlich gar nichts davon sagen." ,, Ach, die werden sich schon wiederfinden; gestohlen können sie doch nicht gut sein."

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Aber ich weiß nicht, wo; alle Kisten und Kästen habe ich schon umgedreht, alle Winkel und Ecken durchsucht."

Nun gut, schicke nur einmal hinüber zu dem Meister und laß ihm sagen, es wäre mir angenehm, wenn er selber kommen könnte; ich hätte etwas für ihn zu thun."

,, Aber unser Schlosser ist eigentlich Weller nebenan." ,, Baumann soll sehr geschickt sein, und mein Schloß ist etwas komplizirt. Wie alt kann sein Sohn, der Mechanikus, etwa sein?"

Ich weiß es nicht, Papa; vielleicht fünf- oder sechs­undzwanzig Jahre. Er trägt einen vollen Bart, da kann man es nie so genau sehen."

Hm," sagte der Vater und nickte still und nachdenkend vor sich hin, das ist doch ein recht ordentlicher Mensch und der alte Baumann ein braver und durchaus rechtlicher Mann."

" Ich habe wenigstens noch nie das Gegentheil gehört,"

die Kartellpolitik als eine konservativ- nationale, nicht als eine tonservativ- liberale bezeichnete. Hiergegen bemerkt die Kreuz­ zeitung ": Wenn die Regierung sich nicht auch vom Liberalis­mus losgesagt hätte, wie wäre es dann zu erklären, daß die verbündeten Regierungen dem Reichstage Vorlagen zugehen laffen, deren Annahme nur dem konservativen Standpunkte möglich scheint. Ein Sport" soll damit doch wohl nicht ge trieben werden; um die ernsthaftesten Dinge von der Welt handelt es sich vielmehr und hierzu wird auf die Unterstüßung der Nationalliberalen gerechnet, weil man ihnen noch immer zu getraut, daß fie sich nicht an ihre alten Fachmeinungen gebun­den halten, sondern den praktischen Erfordernissen der Lage Rechnung tragen werden. Das aber heißt konservative Politik treiben, nicht liberale."

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Humane Menschentödtung. In Amerika soll nun jetzt mit der elektrischen inrichtung, oder der Hinrichtung durch Elektrizität, Ernst gemacht werden. Eine mit Auffindung der humansten Art" der Menschentödtung beauftragte Kom mission der Legislatur des Staates New York hat sich, nach Prüfung eines zur Einführung vorgeschlagenen elektrischen Appa rates, einstimmig für diese Hinrichtungsmethode erklärt. Daß der Strick, an welchem die englischen und amerikanischen Hänge Philanthropen bisher, als an der sichersten und schmerzlosesten Tödtungsart festgehalten hatten, weder sicher noch schmerzlos ist, hat durch die Chikago er Hinrichtungen beiläufig eine neue und furchtbare Bestätigung gefunden. Wie die ärztliche Unters suchung der Leichen ergab, ist nur bei einem der vier Hingerichteten der Halswirbel( das Genick) gebrochen und der Tod sofort erfolgt. Die drei anderen haben mehrere Minuten lang, Spieß sogar eine volle Viertel stunde lang in schrecklichen Zuckungen mit dem Tode gerun­gen. Wird darum die Hinrichtung durch Elektrizität humaner" fein? Als ob es nicht schon ein schreiender Widerspruch, ja Widerfinn wäre, Humanität und Todesstrafe überhaupt in Ver­bindung mit einander zu bringen? Doch freilich wir haben ja sogar eine Sumanität" in den friegerischen Zerstörungs­und Mordwaffen! Beiläufig sei hier erwähnt, daß die Guillotine, deren Humanität" ficherlich nicht mehr ge­priesen wird, seinerzeit als ein Triumph der Humanität" ge feiert wurde. Mancher der Enthusiasten, welche dem Doktor Guillotin ob seiner der Menschheit geleisteten Dienste die Hand drückten, hatte später Gelegenheit, diese sehr bedenkliche Huma­nität an seinem eigenen Hals zu erproben.

Der Zusammenhang der Börsenmanöver mit den Kriegsgerüchten wird wieder einmal drastisch durch eine Notiz illustrirt, welche die Magdeburger Beitung" sich von ihrem Wiener Korrespondenten senden läßt. Derselbe schreibt unterm 2. Januar: Das kleine Wörtchen nicht" war heute die Ursache ungeheurer. Aufregung, umfangreicher materieller Ver lufte, allgemeiner Entrüstung. Der ungarische Ministerpräsident Koloman Tisza hatte gestern in der vor aller Welt mit Span nung erwarteten Neujahrsrede ausdrücklich erklärt, daß er sich nicht Jenen anschließe, welche die Gefahr des Krieges als be vorstehend betrachten, und auf dem Wege von Budapest nach Wien tam auf bisher unerklärte Weise das Wort nicht" in Verlust, so daß die beruhigende Versicherung des Ministers in eine im höchsten Grade beunruhigende geändert wurde. Die Morgenblätter erschienen mit der falschen Wiedergabe der be treffenden Stelle der Neujahrsrede, die auf der Börse auflie genden offiziellen Telegramme gleichfalls, und die Panit war da. Allen sank der Muth, die Kurse stürzten. Um das Unheil voll zu machen, wurde gleichzeitig die offiziell ausgegebene Nach­richt von der Einberufung der Reservisten der mit dem Repetir gewehr betheilten Truppenkörper bekannt. Natürlich verkaufte Jeder auf der Börse, was er an Werthpapieren besaß, und mit Bligesschnelle trug der Telegraph Verkaufordres in alle Welt­theile. Auf dem Telegraphenamte herrschee ein Andrang, wie er sonst selten wahrgenommen wird. Da, gegen die Mittags stunde änderte fich die Sache. Plößlich wurde bekannt, daß der offizielle Telegraph fich geirrt habe. Die Aufregung zu schildern, welche infolge dieser Nachricht auf der Börse entstand, ist schlechterdings unmöglich. Nur wenige Glückliche gab es, welche durch private Nachrichten über die Rede Tisza's richtig informirt waren, die große Mehrzahl der Börsenbesucher hatte große Ver lufte erlitten. Die Aufregung war so groß, daß der Börsen­verkehr einige Zeit gänzlich stockte; nach und nach wurde es ruhiger, mit stiller Wemuth gedachten die meisten ihrer Ver­luste; die Kurse ,, erholten" fich, den meisten Börseanern wird dies nicht schnell möglich werden. Daß auch im großen Publis fum, sowie in den Zeitungsredaktionen infolge des Irrthums" des Telegraphen- Korrespondenz- Bureaus große Aufregung ent­stand, ist begreiflich. Da die Journale erst gegen Mittag die berichtigende Erklärung des Korrespondenz- Bureaus erhielten, erschienen einige Abendblätter, welche frühzeitig ausgegeben worden, mit düsteren Betrachtungen über die Tisza'sche Rede, und erklärten erst in einem Nachtrage", daß aus Tisza's Rede freundlichere Schlüffe zu ziehen seien. Allseitig wird gefordert, daß eine strenge Untersuchung der Angelegenheit eingeleitet werde. Diesem Wunsche wird jedenfalls entsprochen werden, und es wird sich dann zeigen, wer an dem verhängnißvollen Irrthum die Schuld trägt.

ordentlich aufmerksam und so gefällig; man kann es sich gar nicht bequemer wünschen."

So?" sagte der Vater, dem jedenfalls andere Dinge im Kopf herumgingen. Aber ich habe zu thun, und wenn ich Euch rathen soll, so macht Ihr auch Eure Toilette; denn es ist spät geworden und könnten doch einige Ballbesuche kommen, mit denen ich wenigstens verschont bleiben möchte. Vergiß nur nicht, nach dem Schlosser zu schicken."

Der Vater ging in sein Zimmer hinüber, und die Mutter hatte sich noch behaglich in die Sophaecke gedrückt, um vorher in aller Ruhe das Morgenblatt zu lesen. Ottilie schickte, dem Auftrage des Vaters folgend, das Mädchen fort und schritt dann eben über den Vorplay hinüber ihrem eigenen Bimmer zu, als es flingelte. Sie öffnete selber, denn ein Besuch konnte es nicht sein.

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Ah, Herr Baumann," sagte sie, halb erröthend, als sie den Außenstehenden erkannte und wußte, daß sie eben erst über ihn gesprochen.

" Fräulein Witte," erwiderte der junge Mann, der in seiner Arbeitstracht an der Treppe stand, ich habe mir ers laubt, Ihnen das Lorgnon selber herüber zu tragen, da ich glaubte, daß Sie es vielleicht brauchen würden. Ich hoffe, es soll jetzt besser halten als früher; ich habe es selber reparirt. Das Thermometer werde ich Ihnen auch bald bringen."

Ja, gewiß, Vater," sagte Ottilie; er ist Werkführer fagte Frau Witte; aber er ist entfeßlich roh. Doch paßt und wurde noch verlegener, denn der junge Mann sah sie

beim Mechanikus Obrich drüben."

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Wie viel Kinder hat der Baumann?"

Ich weiß es nicht, Vater, ich glaube aber vier." Reine Tochter?"

,, Doch, eine Tochter und, wenn ich nicht irre, drei Söhne."

,, Und wie alt ist die Tochter?"

"

Sie kann kaum über fünf oder sechs Jahre alt sein." Also feine ältere Tochter?"

Ich weiß es nicht. Weshalb, Papa?"

,, Ach, es war nur so eine Frage; aber schicke doch ein­mal nachher die Jette hinüber und laß ihn bitten, zu mir zu kommen. Ich möchte mir einen neuen Schlüssel zu meinem

das wohl zu seinem Geschäft, und so weit wir mit den Leuten in Berührung kommen, läßt man es sich schon ge­fallen. Höchstens daß sein Sohn einmal eine Arbeit her­überbringt."

Ich denke, unser Schlosser ist Weller?" ,, Nein, vom Mechanikus drüben."

,, Und was habt Ihr für Arbeiten beim Mechanikus?" Du lieber Himmel, Papa," sagte Ottilie ernsthaft, in einer Wirthschaft fällt immer allerlei vor. Bald ist ein­

mal eine Lorgnette zerbrochen oder ein Opernglas muß nach­gesehen werden; neulich war erst das Thermometer schadhaft geworden. Und der junge Baumann ist darin wirklich außer­

" Ich danke Ihnen sehr, Herr Baumann," sagte Ottilie mit einem so eigenthümlichen Blid an. Und was was habe ich Ihnen dafür zu zahlen?"

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Wie Purpur zudte es über das offene Geficht des jungen Handwerkers und er zögerte mit der Antwort.

Ich hoffe," sagte er endlich ,,, Sie werden die Kleinig feit nicht erwähnen; es war eine Feierabendarbeit."

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Aber das kann ich nicht annehmen," stotterte Ottilie; bitte, sagen Sie mir, was ich schuldig bin." Nun denn, wenn Sie es nicht anders wollen- einen Groschen.

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,, Einen Groschen? Die ganze Schale war zerbrochen!" Mein Fräulein, ich muß selber am besten wissen, was

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