Wie ein glückliches Idyll inmitten des waffenstarren­den beldengesangs" von der Militärlast der großen Staaten lesen sich die Darlegungen über die luremburgische Militärmacht, welche der Staatsminister Thilges in der Kammerfizung vom 9. Dezember abgegeben hat. Dort heißt es wörtlich: Gleich nach dem Votum des Gesetzes von 1885 habe ich den Bestand der Gendarmerie um 10 Mann vermehrt. Von den sechs bes willigten Pferden habe ich bis jetzt nur zwei angeschafft; für die vier anderen erst das Sattelzeug. Nöthigenfalls find ja vier Pferde bei irgend einem Pferdehändler schnell gekauft. Man hat von Maßregeln gesprochen, welche im Kriegsfall u. s. w. zu treffen wären. Unser 300 Mann starkes Korps genügt allen Anforderungen. Die bewaffnete Macht beftzt ausgezeichnete Waffen, mittelst deren unsere 300 Mann in einer Minute bis an die 2000 Schüsse abgeben. Bei solchen Umständen wäre auch eine Abtheilung von nur 25 Mann gegen eine große Ueber­zahl Meuterer stark genug. Dazu besigen unsere Gendarmen noch ihre Revolver. Eine große Truppenverstärkung wird also nicht nöthig sein, obschon uns das Gesetz diese um 50 bis 80 Mann erlaubt. Eine Verstärkung von 30 bis 40 Mann hatte übrigens während der Wirren in Belgien   stattgefunden.

Den Bentrumsleuten ins Stammbuch. In der Stadt Culm  , welche im schönen großen Deutschen   Reiche liegt, wurde dem katholischen Kirchenorganisten von der Hochwohllöblichen aufgetragen, jede Probe zum Kirchengesang 24 Stunden vorher anzuzeigen. Neulich vergaß er die Anzeige zweier Gesangs­proben zur Papstfeier und wurde deshalb mit 10 M. bestraft und erhielt die Androhung, daß man die Theilnehmer an einer nicht angemeldeten Uebung mit Gewalt entfernen werde. Für gewisse Zentrumsherren ist es ganz gesund, wenn sie mit polizeilichen Maßregeln beglückt werden.

Ein modernes Antodafé. In Hamburg   werden dieser Tage etliche dreißig Bentner sozialdemokratischer Schriften, die seinerzeit im Rademachergang konfiszirt wurden, unter dem Reffel der Zentralheizung des Gerichtsgebäudes verbrannt.

Wer ein Reichsfeind ist, darüber giebt uns ein jüngst erfolgtes Gerichtsurtheil eine interessante Aufklärung. Reichs­feind" darf genannt werden, wer Wahlzettel für einen ultra­montanen Reichstagskandidaten vertheilt. Das ist jetzt durch die Instanzen festgestellt. Kaufmann Lünhörster aus Schalke   bei Gelsenkirchen   hatte für die Kandidaten des Zentrums, den Re­dakteur des Westf. Voltsbl.", Fusangel, agitirt und Wahl­zettel vertheilt. Der Oberst des Kriegervereins zu Schalke, Lomberg, sandte daraufhin an Lünhörster, angeblich im Auf­trage des Kriegervereins, deffen Mitglied L. war, einen Brief, in dem es hieß: Wegen Ihrer reichsfeindlichen Handlungen, bestehend in der Agitation für einen Kandidaten, der mit den Wünschen Sr. Majestät notorisch in Widerspruch steht, können Sie nicht mehr Mitglied des Kriegervereins sein." Das Schöffengericht zu Gelsenkirchen  , welches Herr Lünhörster an­rief, äußerte: Der Vereins- Oberst Lomberg hat in seiner Eigenschaft als Oberst des Kriegervereins recht gehandelt." Die Straffammer zu Essen bestätigte dieses in erster und das Ober­landesgericht zu Hamm   in zweiter Instanz.

Auf die Beschwerde der Mitglieder der Bentral­Kranken- und Sterbekaffe der Tischler etc. zu H., daß ihnen polizeilich die Erlaubniß zu einer Tanzlustbarkeit versagt worden sei, hat der Minister des Innern unterm 8. November vor. Is. entschieden, daß die Veranstaltung einer Tanzlustbarkeit völlig außerhalb der den eingeschriebenen Hilfs­faffen und insbesondere den örtlichen Verwaltungsstellen der= felben(§§ 19 b, 19c des Reichsgesetzes vom 7. April 1876 1. Juni 1884) vorgezeichneten Zwecke liege. Mitglieder einer örtlichen Verwaltungsstelle könnten daher hinsichtlich einer von ihnen zu veranstaltenden Tanzluftbarkeit als eine bestehende Gesellschaft nicht angesehen werden; fie träten vielmehr erst zu diesem Zweck zu einer Gesellschaft zusammen und bedürften daher zur Aus­führung ihres Vorhabens nach Maßgabe der Bezirks Polizei­verordnung vom 26. Mai 1871 und der erläuternden Bekannt­machung vom 2. Februar 1872 der polizeilichen Erlaubniß, falls die Tanzlustbarkeit als eine öffentliche anzusehen sei. Letteres habe in dem vorliegenden Falle zugetroffen, da die Theilnahme an der Tanzlusibarkeit nicht auf einen durch persönliche Be­ziehungen zu einander verbundenen Personenkreis beschränkt ge wesen sei. Die Versagung der Erlaubniß aber sei mit Rücksicht auf das zu häufige Vorkommen derartiger Tanzluftbarkeiten in S. für begründet zu erachten.

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Bum Sozialistenprozeß in Freiburg   i. B. wird unter dem 30. Dezember den Offenburger Nachrichten" geschrieben: Bei dem heutigen Sozialistenprozeß gegen Haug und Genoffen erregte ein Zwischenfall nicht geringes Aufsehen. An die Adresse Haug's wurde ein anonymes Schreiben abgegeben, das zur Ver­lesung tam. Darin wird dem Angeklagten Glück zur Verhand­lung gewünscht und auf den Fall Pyhrr angespielt. Der Be figer des Cafés zum Kopf dahier, welcher eines schweren Sitt­lichkeitsverbrechens angeklagt war, ist fürzlich mit der sehr gelinden Strafe von 14 Tagen Gefängniß( abgehend 3 Tage Unter fuchungshaft) davongekommen. Ein gleich mildes Strafmaß Ein gleich mildes Strafmaß wünscht der Briefschreiber dem Angeklagten Haug und begründet seinen Wunsch mit der Meinung, daß man dem Publikum nicht Anlaß geben möge, das volksthümliche Sprüchwort zu zitiren:

meine Arbeit werth ist. Ich habe nicht mehr verdient und fann also auch nicht mehr dafür nehmen."

Aber ich fann doch nicht wagen, Ihnen einen Groschen....

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Sie wollten mich ja absolut bezahlen, Fräulein; ich bitte deshalb um einen Groschen."

Ottilie war jetzt noch viel verlegener geworden, als vorher, aber sie fonnte nun auch nicht mehr zurück. Sie wußte wenigstens im Augenblick nicht, wie sie sich helfen sollte, griff deshalb in die Tasche und gab dem jungen Mann den Groschen, den er lächelnd und mit leisem Danke nahm."

, Den werde ich mir zum Andenken aufheben, Fräulein Ottilie," sagte er dabei, drehte sich ab und sprang die Treppe wieder hinunter. ( Fortsetzung folgt.)

Aus Kunst und Leben.

Der lehte päpstliche Polizeiminister, der Kardinal Lorenzo Randi  , ist, wie bereits furz berichtet wurde, unbemerkt und unbeachtet von den Römern und der jungen Generation am 22. Dezember 1887 in Rom   gestorben. Randi war ein Mann, vor dem einst die Stadt Rom   und die päpstlichen Lande zitterten. Der furchtbare Chef der furchtbarsten Polizei, der jemals im Dienste der Politik gestanden, der Kardinul Lorenzo Randi, der bis zum Ende seiner Tage in Rom   lebte, konnte als sprechendes Erempel der italienischen Großmuth und Versöhn­lichkeit gelten, die selbst den blutigsten Feinden nach dem Siege verzieh und ihr Sündenregister vergaß. Die Thätigkeit" Randi's umfaßte fünf Jahre, 1865 bis 1870. In diesem Zeit­raum ließ Randi fein Mittel unversucht, um den Typus eines Metternich im Kleinen zu erreichen. In der Theaterzensur un erbittlich und lächerlich( fein Fiasko gelegentlich der Aufführung der von ihm verballhornifirten Lucrezia Borgia   machte ihn bekannt), hielt er fich in allen streng politischen Fragen das Vorbild der an spanischen Inquifition. Ein Beispiel von Randi's Praris ist folgende Episode, die fich an die schon erwähnte Aufführung der Lucrezia Borgia  anschloß. Ein Sänger, deffen Rolle hauptsächlich von dem Polizeiminister modifizirt worden war, wagte es, unter dem stürmischen Beifall des Publikums, den übrigen harmlosen Tert

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| ,, Die Kleinen- hängt man c." Noch sei darauf auf­merksam gemacht, daß die Anrede Werther Genosse", welche in Privatbriefen an Haug gebraucht wurde, der Anklage als Beweisstück für die die Zugehörigkeit zu einer unerlaubten Verbindung dienen mußte!! So unrichtig diese Beweisführung ist, so ist es doch rathsam, solche Anreden in Zukunft in Briefen wegzulaffen."

Oesterreich- Ungarn.

Alfred und Hugo Gerngroß, Chefs der großen Konfektionsfirma A. Gerngroß in Wien  , wurden verhaffet. Bu gleicher Zeit fand eine umfassende Haussuchung statt. Das Waarenlager der Firma wird auf 3 Millionen Gulden ge­schäßt. Die Maßnahme erfolgte auf eine Anzeige, daß die beiden Gerngroß und ihr Schwager, Privatier Brudner, Papiere und Bücher hinweggeschafft hätten, durch welche ihre Theil­nahme an den großartigen Unterschleifen im Hauptzollamte fund geworden wäre. Der Staat ist hierbei um mehr als eine Million Gulden geschädigt.

Der Adresse der russischen Studenten in Zürich   an die Studenten Moskaus   haben sich nun auch die in Wien   studirenden Ruffen angeschlossen. In der Adreffe sprechen die Absender ihre Bewunderung über den heldenhaften Widerstand der russischen Studirenden gegen die Regierung aus und ermuthigen die Kameraden im Vaterlande, den einmüthigen Kampf für die akademische Würde und Frei­heit fortzuseßen. Gerne würden die fernen Brüder den Be­drohten mit Wort und That beistehen, jedenfalls aber senden fie den Ausdruck vollster Bewunderung und Sympathie. Schweiz  .

Die schweizerischen Kantone find damit beschäftigt, thre Gesezgebung dem Artikel 6 des neuen Bundesgesetzes über Haftpflicht aus Fabritbetrieb anzupassen. Dieser Artikel fordert nämlich, daß bedürftigen Personen, welche in den Fall kommen, Ansprüche aus diesem Gesetze zu erheben, unent­geltlicher Rechtsbeistand gewährt und Kautionen, Expertenkosten, Gerichtsgebühren und Stempeltaren erlaffen, daß überhaupt Streitigkeiten dieser Art durch einen möglichst raschen Prozeß­weg erledigt werden. In weitaus den meisten Fällen wird eine ausgiebigere Anwendung der Prozeßbestimmungen über das Armenrecht genügen, welche in allen Kantonen und beim Bundesgericht gelten. Den bestehenden Staatsverträgen ent­sprechend, kommt diese Wohlthat auch denjenigen Arbeitern zu Gute, welche nicht Schweizer sind. In den Fällen, wo ein Strafverfahren eintritt, wird ohnedies die Klage von Staats­wegen eingeleitet und die Untersuchung durchgeführt bis zum rechtskräftigen Urtheil. Daß den Polizeibehörden sämmtliche Unglücksfälle in den Fabriken zur Kenntniß gelangen, dafür forgen sehr strenge Bestimmungen. Eine weitere sehr beachtens­werthe Vervollständigung des Gesetzes hat der Bundesrath so= eben publizirt, das Verzeichniß derjenigen Gewerbe, welche er­wiesenermaßen und ausschließlich bestimmte gefährliche Krank­heiten erzeugen, und in welchen folgende Stoffe verwendet wer den oder entstehen, bezw. vorkommen: Blei, seine Verbindungen und Legirungen, Quecksilber und seine Verbindungen, Arsen und seine Verbindungen, Phosphor, irrespirable Gase, giftige Gase, Cyan und seine Verbindungen, Benzin, Anilin, Nitro­glyzerin, Pocken, Milzbrand- und Roßgift. Alle diese Ge­werbe werden bedingslos der Haftpflicht unterstellt. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Fortschritte der Industrie einen Abschluß ein für alle Mal nicht gestatten; daher die Be­stimmung, daß das Verzeichniß jederzeit revidirt und ergänzt werden kann.

Rußland.

Pobedonoszew sezt im Regierungsboten" nach einer langen Pause seine Berichte über das russische Kultuswesen fort. Gegenwärtig spricht er von den russischen Seftirern und versucht deren Bahl festzustellen. Er zählt im ganzen russischen Reiche gegen 850 000 Seftirer zusammen, sagt aber freilich selbst, daß es sehr schwer, fast unmöglich ist, genau die Zahl derselben festzustellen, weil die Seftirer im Verbergen ihres Abfalls von der russischen offiziellen Kirche außerordentlich geschickt sind. Es ist denn auch in der That jene Bahl mindestens auf das Zehn­fache zu schätzen; es giebt mindestens 8 Millionen Settirer verschiedener Richtung in Rußland  , gegen welche die Staats­firche, ausgerüstet mit allen Mitteln der Gendarmerie und des Strafgesetzbuches, vergebens ankämpft. In jedem Jahresberichte Pobedonoszews wird freilich immer eine Anzahl der russischen Staatskirche aus der Macht des Dissidententhums geretteter Seelen aufgeführt, aber die Zahl der von dieser Kirche abge­fallenen, die sich gar nicht feststellen läßt, wird natürlich nicht mit angeführt. Pobedonoszew findet immer noch, daß die Ne­gierung zu milde gegen sie verfährt, indem er es hauptsächlich auf das Gesetz vom 3. Mai 1883 abgesehen hat, welches den Schein einer religiösen Duldung befigt. Dieses böse Gesetz habe nämlich unter den Seftirern die Ueberzeugung genährt, daß die Regierung die Berechtigung des Raskol( des russischen Diffi dententhums) einzusehen beginne, und ihn als gleichberechtigt mit der russischen Staatskirche anzuerkennen beabsichtige, und wenn dies noch nicht geschähe, so täme es daher, daß die Geist­lichkeit der Staatskirche sich dagegen sperre! Dadurch wären die

des perpönten Driginals zu fingen, weshalb die Polizei den armen Tenor zu 15 Tagen Gefängniß und 50 Studi Strafe verurtheilte. Der Bantier Marignoli nun, der heutigen Tages Senator ist, bot dem Sänger die 50 Studi an und wurde, als Randi dies erfuhr, augenblicklich und auf Lebenszeit" aus Rom  und dem Kirchenstaate ausgewiesen. Die Verfolgung der Liberalen betrieb der Polizeiminister natürlich mit weit mehr Eifer, als die der Mörder, Diebe 2c., deren Zahl damals in Nom Legion war, und die stets mit der Regierung auf mehr oder weniger vertrautem Fuße standen. In einem einzigen Monat fonnten damals in der Stadt Nom allein nicht weniger als 116 Fälle von Raub und Mord registrirt werden. Diebe und Banditen hatten freie hand, während die famosen päpstlichen Sbirren", deren Ursprung oft genug an irgend einen Bagno oder eine Räuberhöhle zurückreichte, fortwährend auf der Jagd nach Liberalen waren. Nach dem Abzuge der Franzosen legte Randi dem Papste einen Plan vor, um die öffentliche Ruhe in Rom   aufrecht zu erhalten. Nach diesem Plan des würdigen" Prälaten sollten auf einen Schlag 1500 Verdächtige verhaftet werden; und als Pius IX.   den Zweifel äußerte, ob in den Gefängnissen Roms noch für neue 1500 Ge­fangene Naum fei, erwiderte Randi mit zynischer Kälte und diese Antwort charakterisirt den Mann mehr als alles Andere Eure Heiligkeit möge bedenken, daß es in Rom   noch viele leere Gräber giebt". Die wirksamste Pe­riode der Nandi'schen Amtsthätigkeit fiel in das Jahr 1867, als die Schaaren Garibaldis   auf Rom   zurüdten. Randi ließ damals auf der Piazza del Popolo   und auf der Piazza Colonna   Artillerie auffahren, um den Korso bestreichen und gegebenen Falles augenblicklich von Rebellen" säubern zu können. Randi war ferner die Seele der päpstlichen Spionage Alle in Rom   an einer, der Spionenriecherei andererseits. tommenden Personen in Priestergewand wurden in Monte­ citorio   dort war das Hauptquartier des Polizeiministers­peinlichst untersucht, da man sonderbarer Weise glaubte, das geistliche Gewand sei zum Handwerk des Spions ganz besonders geeignet. Eine der schönsten" Thaten des fleinen Torquemada aber geschah gelegentlich der Beerdigung eines bekannten Liberalen und Künstlers, Cesare Fracaffini. Der Polizei­minister wollte das öffentliche Geleite durch die Freunde und Anhänger des Todten erst kategorisch verboten wiffen, bis der Papst selbst endlich unwillig zu Randi fagte: ören Sie endlich damit auf, das Volk zu quälen und zu provoziren! Eine Beerdigung hat mit der Politik nichts zu thun." Troß­dem folgte dem Sarge des Todten auf den Befehl des über­

Sektirer so üppig geworden, daß fie ohne Scheu Bethäuser ein­richten und die Verantwortung für die Propaganda ihrer Lehre nicht mehr fürchten! Jedenfalls ist aus dem Bericht ersichtlich, daß der Stand der Sache der frühere ist, und daß die Staats firche bei den Sektirern an Boden nicht gewonnen hat.

Balkanländer.

Ueber die serbische Ministerkrise und die Vorgänge in der letzten Sigung der Stupschtina vor der Ver­tagung, in der das Anleihegesez mit 120 gegen 6 Stimmen angenommen wurde, wird berichtet: Liberale Abgeordnete sprachen und stimmten gegen das Anleihegesetz. Herrn Ristic wird dies allgemein sehr verübelt, weil bekannt geworden, daß er viele Mitglieder der liberalen Partei in seinem Hause ver sammelt und sie zur Opposition gegen die Vorlage bestimmt hat, gegen dieselbe Vorlage, welche sie selbst noch vor wenigen Tagen als dringlich bezeichnet hatten. Dieses unpatriotische Vorgehen Ristic's hat sogar in liberalen Kreisen Entrüstung hervorgerufen und wird wahrscheinlich zur Auflösung der Partei führen, zumal die vom Könige ernannten liberalen Abgeordneten aus der Stupschtina auszutreten beabsichtigen, um dem Könige freie Hand zur Ernennung von Abgeordneten nach eigener Wahl zu lassen. Premierminister Gruic entwickelte in der Sigung das Regierungsprogramm, aus dem folgendes hervor zuheben wäre: Gruic will mit allen jenen Mächten freund­schaftliche Beziehungen anstreben, welche die Selbstständigkeit der Balkanvölker und die Interessen Serbiens   unterstützen. Er fündigte Vorlagen an bezüglich der Ausdehnung der Selbstver­waltung der Gemeinden, der Erweiterung der politischen Rechte der Staatsbürger, Verbesserung der Gesetze bezüglich der Presse und des Vereins- und Versammlungsrechts in freiheitlichem Sinne, Sanirung der Finanzlage und Hebung des Staats­fredits, ein neues Wahlgesez und Vorlagen über die Ver­faffungsrevifion und Reorganisation der Armee ohne Schmäle rung der Wehrkraft.

Amerika.

Die Leichen der vier am 11. November hin gerichteten Anarchisten und des fünften, welcher vor der Hinrichtung Selbstmord beging, und die provisorisch bei­gesetzt worden waren, wurden am verwichenen Sonntag im Waldheim Cimetry" beerdigt. Etwa 1000 Personen hatten sich zu der Beerdigung eingestellt. Die Särge, mit rothen Tüchern, Blumen und rothen Schleifeu bedeckt, wurden in ein ausgemauertes gemeinsames Grab versenkt. Der Hauptvers theidiger der Anarchistenführer hielt die erste Nede. Nach ihm sprachen zwei andere, welche mit aufgehobenen Händen der menschlichen Gesellschaft Rache schwuren. Während der Neden waren die Särge geöffnet. Gegen Ende der ersten Rede er­schien die Wittwe des Anarchistenführers Parsons am Grabe; als sie die Züge ihres Gatten erblickte, stieß sie einen mark­erschütternden Schrei aus, der die meisten Anwesenden tief be­wegte. Dreimal versuchte sie zu sprechen, aber die Stimme ver sagte ihr und dann fiel sie ohnmächtig zusammen. Auch Nina Van Zandt wurde ohnmächtig und schließlich auch Gretchen Spieß. Als die Todtengräber im Begriffe waren, das Grab mit einem Granitsteine, der mittelst eines Hebeapparates in die Höhe gehoben war, zu verschließen, wurden noch zwei Kränze in das Grab geworfen, Geschenke des Personals der Most'schen Freiheit" in New- York  . Dann ward das Grab geschloffen und die Theilnehmer am Begräbnisse fuhren ruhig nach Hause..

Gerichts- Beitung.

Eine für Gastwirthe sowohl, wie deren Gäste sehr wichtige Frage ist die, ob und von welcher Zeitdauer nach Eintritt der resp. Polizeistunde ein Aufenthalt von Gästen in dem betreffenden Lokale gestattet ist? Eine Frage, die dem nächst weitere Kreise beschäftigen wird, da in lezter Beit wieder­holt Gastwirthe bezüglich dieser Frage zu Unrecht in Strafe ge­nommen worden sind. Durch Polizeiverordnung vom 9. März 1866 ist die Polizeistunde für Berlin   auf 11 Ühr Abend fest­gesezt worden. Der damalige Polizeipräsident v. Wurmb war jedoch, wie von wohlunterrichteter Seite berichtet wird, sehr ent­gegenkommend und gewährte solchen Gastwirthen, welche durch gute Geschäftsführung gewissermaßen eine Garantie boten, daß die öffentliche Ordnung und Sittlichkeit dadurch nicht leiden würden, bereitwilligst eine Verlängerung der Polizeistunde ohne Rücksicht darauf, ob die betreffenden Lokale männliche oder weib­liche Bedienung hielten. Besondere Berücksichtigung erfuhren die Besitzer von Balllokalen, welchen verstattet wurde, öffent­liche Tanzlustbarkeiten bis 3 Uhr Nachts auszudehnen. Am 3. Mai 1879 jedoch wurde die vor etwa einem halben Jahre zum größten Theile wieder aufgehobene Polizeiverordnung für die Inhaber von Tanzlokalen, welche bestimmte, daß öffent liche Tanzlokale um 12 Uhr Nachts zu schließen seien, und wenige Wochen später die heute noch in voller Kraft bestehende weitere Verordnung erlaffen, nach welcher Schankwirthe, welche weibliches Personal zur Bedienung ihrer Gäste halten, um 11 Uhr Abends ihre Lokale schließen müssen. Alle seitens der Gastwirthe unternommenen, auf die Aufhebung dieser sie sehr hart betreffenden Verordnung hinzielenden Schritte blieben

eifrigen Monsignore ein ganzes Heer von Gendarmen und Po­lizisten. Nandi lebte nach dem verhängnißvollen 20. September 1870, der seiner Herrlichkeit für immer ein Ende machte, als Kardinal von seinen Ersparnissen", die eine enorme Höhe er­reichten. Der größte Schmerz für Lorenzo Randi   war es, daß die einstige Stätte seiner Thätigkeit, der Palazzo Monteciterio, feinerzeit das Heim des italienischen   Parlaments werden sollte, das sich alle Mühe gegeben hat, jede Erinnerung an die un­würdige Bergangenheit zu tilgen.

Auswanderung in Italien  . Eine jüngst veröffentlichte Statistik der italienischen Auswanderung ergiebt bei einem Ver-­gleich der Ziffern des ersten Halbjahres 1887 mit dem entsprechen­den Zeitraum des Vorjahres sehr große Fortschritte der Auss wanderung, sowohl für die Dauer, wie für fürzere Beit­räume. Die Auswanderung für immer stieg von 33 398 im 1. Halbjahr 1886 auf 55 208 im entsprechenden Zeitraume von 1887, die vorübergehende Auswanderung von 54533 auf 58 773. Jm Ganzen wanderten demnach im 1. Halbjahr 1887 aus: 113 981 Personen, während im ganzen Jahr 1886 166 829 auswanderten. Die größten Ziffern für die völlige Auswande rung wiesen auf die Provinzen Campobasso  , Polenza, Salerno  , Treviso  , Cosenza  , Benevento  , Caranzora; die geringsten Ziffern die Provinzen Vicenza  , Aquila, Alessandria  , Mailand  , Palermo  und Belluno  . Für die zeitweilige Auswanderung stellten das Hauptkontingent die Provinzen Udine  , Belluno  , Como  , Bergamo  , Vicenza  ; das geringste die Provinzen Brescia  und Genua  . Von den oben angeführten 113 981 Auswanderern des 1. Halbjahres 1887 gingen 58 261 nach europäischen   Ländern: 13 995 nach Frankreich  , 25 722 nach Desterreich, 6267 nach Ungarn  , 4828 nach der Schweiz  , 3891 nach Deutschland  . Sehr gestiegen ist die nach den außereuropäischen Ländern gerichtete Auswanderung; am meisten fommen als Emigrationsziele in Betracht die Argentinische Republik  , Brafilien und die Vereinigten Staaten  .

Die Einwanderung in New- York   ist im laufenden Jahre nicht so bedeutend gewesen, wie man im Sommer er­wartet hatte. Man hatte die Zahl der Einwanderer damals auf 800 000 Stöpfe für das ganze Jahr geschäßt, während bis zum 30. November erst 486 660 Personen gelandet worden waren, gegen 365 453 Personen in den ersten 11 Monaten des Vorjahres. Aus Großbritannien   tamen etwa 171 000, aus Deutschland   106 000, aus Schweden  , Norwegen   und Däne­mart 76 000, aus Italien   42 200 und aus Rußland   24 000­Personen.