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Nr. 294.

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Vorwärts

13. Jahrg.

Insertions Gebühr beträgt für die fünfgespaltene Petitzeile oder deren Raum 40 Pfg., für Bereins: und Versammlungs- Anzeigen 20 Pfg. Inserate für die nächste Nummer müssen bis 4 Uhr nachmittags in der Expedition abgegeben werden. Die Expedition ist an Wochentagen bis 7 Uhr abends, an Sonn- und Fest­tagen bis 9 Uhr vormittags geöffnet. Bernsprecher: But I, r. 1508. Telegramm- Adresse: " Sozialdemokrat Berlin".

Berliner   Bolksblatt.

Zentralorgan der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .

Redaktion: SW. 19, Beuth- Straße 2.

Sächsische Buffände.

Mittwoch, den 16. Dezember 1896. Expedition: SW. 19, Beuth- Straße 3.

ihr Biel   ein hehres, die Massen begeisterndes ist, wie sie auch| Mann herbeigeeilt kämen, um die Versammlung zu besuchen, hat Mittel und Wege zur Erreichung dieses Zieles findet.

die Polizei kein Recht, die Versammlung deshalb zu verbieten. So muß denn auch die sächsische Reaktion all' den Spott Es steht ihr höchstens das Recht zu, das Lokal vor Ueberfüllung Jn Sachsen verschlechtern sich die Verhältnisse in bezug auf über sich ergehen lassen, den der mächtige Fortschritt der zu bewahren, d. h. das Lotal, nachdem es nach ihrer Ansicht ge Verei ns- und Versammlungswesen immer mehr. Es ist unglaub. Sozialdemokratie gegen die brüchige Strategie der Reaktionäre nügend befeßt ist, für später kommende Besucher abzusperren. lich, welche Belästigungen Vereinen und Versammlungen durch hervorruft. Mit dem zweiten Verbotsgrund überschreitet also die Falken­behördliche Auslegung und Anwendung des Vereinsgesetzes be- Dem Minister des Innern ist im sächsischen Landtag entgegen- fteiner Behörde weit die ihr durch Gesetz ertheilten polizeilichen reitet werden. Nach Tausenden zählen die Versammlungsverbote gehalten worden, daß, wenn er den Polizeibehörden den Spiel- Befugniffe, ganz abgesehen davon, daß das Vereinsgesetz trotz seiner und die Auflösungen von Versammlungen und Vereinen im raum gewähre, welchen das diskretionäre Ermessen" dieser Dehnbarkeit feine einzige Bestimmung enthält, auf die sich dieser letzten Jahrzehnt. Nebenher laufen ungezählte Maßnahmen, die Behörden beanspruche, dies Handlungen nach dies Handlungen nach sich ziehen Verbotsgrund nur entfernt stützen ließe. Soweit treiben die Be den Vereinen das Leben sauer machen sollen und die müsse, die dem Geist des Gesetzes nicht entsprechen; hörden nun bereits ihr diskretionäres Ermessen", ohne befürchten im Volfe die Annahme hervorrufen, als solle durch sie indirekt daß dies ferner eine Verschiedenartigkeit von Maßnahmen zu müssen, einen ernsten Rüffel zu friegen, wenn Beschwerde auf die Ruinirung von Vereinen hingewirkt werden. erzeugen müsse, die nicht in Einklang mit einander zu bringen gegen dergleichen Uebergriffe geführt wird. Die im Landtag deshalb dem Ministerium gemachten Vor- sind, und daß Direktionslosigkeit die Folge seiner Worte sein müsse. Darüber haben wir keinen Zweifel, daß der Erlasser des haltungen haben keine Besserung der Zustände gebracht, weil Für eine Reihe von Maßnahmen könne er unmöglich die Verant- Verbots, derselbe Bürgermeister, der das Dreillassen- Wahlsystem der Minister des Jnnern selbst feine tonfequente Haltung ein-| wortlichkeit übernehmen, Maßnahmen, die bei einer von ihm für die Stadtverordneten Wahl durchsetzte, für seine sozialisten­nimmt, sondern dem diskretionären Ermeffen", d. h. dem Gut- gegebenen Direktive unmöglich seien. Allein, statt eine dement- feindliche Thätigkeit noch ein Verdienst in Anspruch nimmt. dünken der ihm unterstellten Behörden anheimgiebt, zu ver- sprechende veränderte Stellung einzunehmen, beharrt der Minister Aber solche Dinge können sich doch nur entwickeln, weil nach den fahren, wie sie es für nöthig halten. Bei der Dehnbarkeit der in seiner alten, Etellung, durch die die Zerfahrenheit immer eigenen Worten des Ministers den Behörden bezüglich des vereinsgefeßlichen Bestimmungen muß jedoch eine solche Freigabe mehr gefördert wird. Vorgehens gegen die Sozialdemokratie eine gewisse Latitude" der Handhabung des Gesetzes zu Kollisionen, Widersprüchen in Eines der wunderbarsten Bersammlungsverbote hat jetzt gelassen werden müsse. den Maßnahmen der Behörden, sowie zur Diskreditirung der der Bürgermeister des voigtländischen Städtchens Falken= innerpolitischen Verhältnisse führen. Es ist erklärlich, wenn st ein erlaffen, das in Nummer 289 des Vorwärts" bereits der Mißmuth der betroffenen Bevölkerungstreife gegen Regierung abgedruckt wurde. Dasselbe widerspricht zum theil direkt dem und Behörden steigt und wenn die sich mehrenden beschränkenden Vereinsgesetz. Als Verbotsgrund ist nämlich darin mit an­amtlichen Verfügungen inner- und außerhalb Sachsens mit gegeben, es sei keine Garantie dafür geboten, daß der über­grimmigem Spott und beißender Satire besprochen werden. Aber wachende Polizeibeamte einen geeigneten Platz be: selbst diese fast allgemeine Kritit bleibt unberücksichtigt in kommen werde". Das Vereinsgeseh besagt aber in§ 30 Regierungsfreisen. Was Wunder, wenn darum Sachsen   als das nur, daß die Polizeibehörden befugt sind... Versammlungen Probirland der ungeschminkten Reaktion bezeichnet wird! Diesen auch dann fchließen, wenn dieselben den Ruf hat es wohl verdient. Abgeordneten der Polizeibehörde nicht den von den felben gewählten. Play einräumen." Ein Ver gleich der beiden hervorgehobenen Stellen des Verbots Berlin  , 15. Dezember. und des Gesetzes ergiebt sofort für den Leser die Gesezwidrigkeit Aus dem Reichstage. Die Schlacht ist geschlagen des Verbotsgrundes. und die Regierung hat sie verloren. Die Justiznovelle ist Noch schöner ist aber die mit gar teinem Gefes in der Spezialberathung beim ersten Paragraphen, der zur zu deckende Annahme des Verbots, es sei auch keine Ga Abstimmung gelangte, gescheitert. Es drehte sich um die rantie dafür geboten, baß die ein berufene Versammlung des Frage, ob in Bukunft, nach Einführung der Berufung, die in erster Instanz mit brei oder Arbeitervereins nicht zu einer allgemeinen Ver Straffammern sammlung der sozialdemokratischen Partei- mit fünf Richtern zu besetzen seien. Die Regierung ver­genossen", die in unbeschränkter Zahl Zutritt haben und steifte sich auf drei Nichter, weil, wie ihre Vertreter in der denen das Betreten des Vereinslokales nicht verweigert wer Kommission ausführten, ein Fünfmännerkollegium in erster den dürfte, wenn sie beim Eintritt erklären, sie feien ge- Justanz zu viel Kosten verursachen würde. sonnen, dem Vereine beizutreten, ausarte, beziehentlich daß dies sogar seitens des Herrn Einberufers beabsichtigt

Je mehr aber die Reaktion wagt, um so mehr fordert sie zum Widerstand heraus. Und der Widerstand ist bei uns nicht mehr zu brechen mit den auf grund gewiegtester Gesezesauslegung unternommenen Polizeithaten gegen das öffentliche Leben in Vereinen und Versammlungen. Wir haben uns sehr schnell daran gewöhnt, ins Unvermeidliche uns zu fügen, ohne doch den Kampf mit allen gefeßlichen Mitteln gegen jede neue be schränkende Maßnahme aufzugeben. Natürlich haben wir auch gelernt, unfere Absichten durchzuführen, trotz aller Beschränkungen. Und man tann insofern mit recht behaupten, daß die von der Polizei bekämpften Kreise immer siegreich im Kampfe mit der Polizei waren.

werde."

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Fürwahr, es ist eine großartige Politit, nach der unser schönes Sachsen   regiert" wird. Syſtemlosigkeit sei das beste Kennzeichen dieser Politit, meinte einer unserer Abgeordneten im sächsischen Landtage. Und in der That mehren sich die Vor­tommnisse, die immer gravirender für die Regierung werden, weil sie den Beweis liefern für das Unvermögen, einheitlich und gleichartig Gesetze im Lande zur Anwendung zu bringen.

Politische Uebersicht.

Diese Berufung auf den Kostenpunkt war so unglück­lich gewählt und forderte die Kritik so allseitig heraus, daß heute der Staatssekretär von Nieberding und der preußische Justizminister sich alle Mühe gaben, andere, näm­lich sogenannte organisatorische Gründe für ihre Stellung ins Treffen zu führen.

Steigerten daraufhin die Behörden ihre Staats retterische Thätigkeit, wollten wollten sie durchaus eine Bolts, Bewegung, wie die sozialdemokratische, hindern, dann schwoll in noch höherem Maße die Kraft und die Findigkeit der Opposition und der staatsretterische Zweck wurde vereitelt. In vielen Fällen Dann wird weiter erklärt, daß" Bolksversammlungen aber ist es ja nun auch nicht schwer, den wunderbaren Auslegungen schon auts räumlichen Gründen unzuläffig" feien in des Vereinsgesetzes entgegenzuwirken, sie wirkungslos zu machen, dem betreffenden Lokal. geradezu erstaun ohne dabei die Gefeße zu verlegen. Aeußerlichkeiten, beschränkende lich, welche Mittel hier in Anwendung gebracht werden, Formalitäten haben nie einer Volksbewegung Schaden zufügen um dem Verein eine Zusammenkunft unmöglich 311 Da Herr v. Nieberding heute bereits als zweiter Redner fönnen; sie bricht sich Bahn, überspringt alle Schranken, wenn machen. Selbst wenn die Vereinsmitglieder bis auf den letzten 145]

Rienzi.

Der letzte der römischen Volkstribunen.

Roman von Edward Lytton Bulwer  .

ist

Mann! Welche Unverschämtheit ist es von dem Sohn eines Schenkwirths, Senator sein zu wollen."

die bestimmte Erklärung abgab, daß die Regierung unter des Schlafes; mein Angelo, es ist das Bedürfniß zu Sterben!"

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Wir sind keine Römer, wenn wir das dulden," sagte" Ich gäbe meine rechte Hand darum," sagte Villani, ein Ueberläufer von Palestrina  . wenn ich von Euch hören könnte, daß Ihr das Leben Die Proklamation lautete wie folgt: Mitbürger," rief jezt ein riesenhafter Mann, der bisher liebtet." Römer! Zn der Würde Eures Senators erhoben, sich durch einen anderen die Bestimmungen betreffs der Du hast ein gutes Herz, Angelo," sagte Rienzi, als waren alle meine Gedanken auf Eure Freiheit und Wohl- Sienern hatte vorlesen lassen, und der endlich begriff, daß er sich nach Nina's Zimmer begab, und in ihrem Lächeln fahrt gerichtet; schon zeugen die Vereitelung des Verraths der Wein theurer werden sollte. Mitbürger, wir müssen und ihrer Zärtlichkeit vergaß er eine Zeit lang, daß er ein in unserer Stadt, unsere siegenden Banner im Feld von eine neue Revolution haben! Ist das der Dank? Was großer Mann war! dem Wohlgefallen, womit die Gottheit auf Männer herab- haben wir dadurch gewonnen, daß wir diesen Mann wieder blickt, welche Freiheit und Gesetz zu vereinigen trachten. aufnahmen? Sollen wir immer in den Staub getreten Laßt uns Italien   und der Welt ein Beispiel geben! Laßt werden? Bezahlen! bezahlen! bezahlen! sind wir für weiter uns beweisen, daß das römische Schwert das römische nichts gut?"

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heute

Forum zu beschüßen im stande ist! In jedem Quartier Hört, Cecco del Vecchio spricht." der Stadt ist eine aus städtischen Gewerbetreibenden und Nein, nein, jetzt nicht," sagte der Schmied, Handwerkern bestehende Legion gebildet worden; diese Abend haben die Handwerker eine besondere Zusammenkunft. sagen, sie können ohne Entschädigung ihre Geschäfte Dann wollen wir sehen, dann wollen wir sehen." nicht verlassen. Euer Senator fordert Euch auf, Ein junger Mann, in einen Mantel gehüllt, stieß jetzt ihm bereitwillig zu Eurer eignen Vertheidigung beizustehen. den Schmied an. Er hat Euch Freiheit gegeben; er hat den Frieden unter Wer das Kapitol übermorgen bei Tagesanbruch Euch wieder hergestellt. Eure Unterdrücker sind über die stürmen will," flüsterte er ihn zu, der wird keine Wache Erde   hin zerstreut. Er bittet Euch jetzt, den Schatz, den dort finden." Ihr gewonnen, auch zu erhalten. Um frei zu sein, müßt Ihr etwas zum Opfer bringen; welches Opfer wäre für die Freiheit zu groß. Jm Vertrauen auf Euren Beistand übe ich endlich zum ersten Male das kraft meines Amtes mir zustehende Recht aus und für das Heil Roms besteuere ich die Römer!"

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Dann folgte die Verkündigung der Steuern.

Die Proklamation wurde an allen öffentlichen Orten angeschlagen. Um eines dieser Plakate waren viele Menschen versammelt. Ihre Geberden waren wild und leiden­schaftlich, ihre Augen funkelten, sie unterhielten sich leise, aber lebhaft.

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Er wagt es also, uns zu besteuern. Das durften ja blos die Barone oder der Papst!" Schändlich! schändlich!" rief ein rüstiges Weib, wir, die wir ihn unterstügt haben? Woher sollen unsere Kinder Brot bekommen?"

Er war verschwunden, ehe der Schmied sich nach ihm umsehen konnte.

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Achtes Kapitel.

Die Schwelle des Ausganges.

Am nächsten Morgen hielt der Senator Audienz im Kapitol. Von Florenz  , von Padua  , von Pisa  , selbst von Mailand  ( wo die Visconti damals herrschten), von Genna, von Neapel   waren Gesandte gekommen, um ihm zu seiner Rückkehr Glück zu wünschen, oder ihm dafür zu danken, daß er Italien   von dem Freibeuter Monreal   befreit habe. Nur Venedig  , welches die große Kompagnie in seinem Solde hatte, ließ ihn unbeachtet. Rienzi schien im Zenith seiner Macht und seines Glückes zu stehen, und nie hatte er ein einnehmenderes und doch würdigeres Benehmen gezeigt. Kaum war die Audienz beendigt, als ein Bote von Balestrina antam. Das Kastell war übergeben worden, der Colonna hatte es verlassen und das Banner des Senators wehte von den Thürmen und Mauern des letzten festen Sizes der rebellischen Barone. Rom   konnte sich endlich als ganz frei betrachten, und kein Feind schien die Ruhe Rienzi's zu bedrohen.

Rienzi sagte an demselben Abend, als er sich zu Bette begeben wollte, zu Angelo Villani:" Dieses ist eine kühne, aber nothwendige Maßregel! Wie nimmt das Bolt sie auf?" Es murrt wohl ein wenig, scheint aber doch die Nothwendigkeit anzuerkennen. Cecco del Vecchio war Der Senator, erfreut über diese Nachrichten, begab sich anfangs am unzufriedensten, aber jetzt hat er nichts mehr vor dem Bankett, das er den Gesandten geben wollte, nach dagegen." seinen Zimmern. Er begegnete Villani, der wie gewöhnlich Der Mann ist roh, er verließ mich einst aber jene traurig und düster vor sich hin sah. schreckliche Erkommunikation! Er und die Römer machten damals eine bittere Erfahrung, ich hoffe, daß sie ihnen genutzt haben wird. Gut, wenn diese Steuer ruhig erhoben werden kann, wird Rom   in zwei Jahren der erste Staat Italiens   sein, und dann

" Was dann, Senator?"

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Er hätte sich des päpstlichen Schayes bemächtigen" Dann, mein Angelo, tann Cola di Rienzi   in Frieden sollen," sagte ein Weinhändler. sterben! Es giebt ein Bedürfniß, welches die Macht und " Ah, Pandulfo di Guido würde eine ganze Armee auf der Glanz uns dennoch zuletzt fühlbar macht ein Be­feine eigenen Roften unterhalten haben. Er war ein reicher' dürfniß, nagend wie das des Hungers, ermüdend, wie das

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" Heute darfst Du nicht trübselig sein, mein Angelo," sagte der Senator fröhlich. Balestrina ist unser!"

Es freut mich, solche Nachricht zu hören und zu sehen, daß sie Euch glücklich macht," antwortete Angelo. Wünscht Ihr jetzt nicht, länger zu leben?" ja

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Bis die Römertugend wieder auflebt, vielleicht doch so sind wir Spielwerke des Glücks, heute froh, morgen niedergeschlagen."

Morgen," wiederholte Villani mechanisch, ja morgen vielleicht niedergeschlagen."