verlangt von allen seinen Angehörigen, daß siezu den öffentlichen Lasten beitragen. Zeder waffen-sähige Mann ist verpflichtet, für das Vaterland imAugenblick der Gefahr sein höchstes, sein Leben einzusetzen.Diese Verpflichtung hat auch die Sozialdemokratie bei allenund jeden Gelegenheiten anerkannt. Mit welchem Recht willman aber deshalb sozialdemokratische Arbeiter von Staats-arbeiten ausschließen, die doch auch mit ihren und ihrerGesinnungsgenossen Steuergroschen bezahlt werden?Eine solche Maßnahme könnte nur ihre freilich auchnur scheinbare Rechtfertigung finden, wenn man sich aufden Standpunkt Ludwig XIV. stellt, der da meinte:„DerStaat bin ich!" Im streng absolutistischen Staat, wo derHerrscher Herr nicht nur über seine„Unterthanen", sondernauch über deren Vermögen ist, da mag man es begreiflichgefunden haben, wenn Dinge passirten, wie sie sich äugen-blicklich wieder bei uns abspielen. Zn einem modernenRechtsstaat aber sollte solches einfach ausgeschlossen sein.Würden wir Pessimisten sein, so könnten wir uns überdie modernen Exkommunikationen der Arbeiter freuen, dennes wird damit eine Drachensaat ausgesät, deren Gift-zähne sicher aufgehen werden. Wir sind aber keine Pessi-misten und deshalb bedauern wir Maßregeln, deren einzigeWirksamkeit sich nur darin zeigen wird, den Haß und Un-frieden zu fördern.Tnginak-�orresponämzeu.Kremen» 26. März. Die letzte Korrespondenz scheint nichtohne Wirkung geblieben zu sein, wenigstens gewinnt eS denAnschein, als wenn durch diese den hiefizen Staats- und Ge-sckäftsmatadoren von kompetenter und einflußreicher Seite einWink mit dem Zaunpfahl gegeben worden wäre. Man kann sichwohl zu der Annahme veranlaßt fühlen, wenn ein Mann, wieder Herr Papendiek es ist, in der letzten Bürgerschastsfitzunaeinen Dringlichkeitsantrag stellte, welcher bezweckte, den Staatzu veranlassen, dem gemeinnützigen Bauverein ein Grundstückauf die Dauer von drei Jahren zu überlassen, damit dieser zurLinderung der Wohnungsnoth auf demselben 50 Barackenwohnungen erbauen könne. Die für einen Dringlichkeitsantragerforderliche Unterstützung von 76 Stimmen war vorhanden undwurde nun sofort über den Antrag verhandelt.Papendiek führte zur Begründung seines Antrages aus:Am Nachmittage dieses Tages war der Fabrikinspektor bei mir,um mich auf die außerordentliche Wohnungsnoth aufmerksam zumachen und mich zu bewegen, etwas dagegen zu unternehmen.Ich derief sofort eme Vorstandsfitzung des gemeinnützigen Bau-Vereins. In dieser wurde, unter Berücksichtigung des Umstandes,daß wir 25 000 M. für den in Rede stehenden Zweck geschenktbekommen würden, beschlossen, den Bau von Baracken, in denen50 Familien ein Unterkommen finden, in die Hand zunehmen, wenn der Staat uns ein Grundstück kostenfreiüberlassen würde und auch die sonstigen polizeilichen Vor-schriften für diesen Bau in Wegfall kämen. Der ganzeBau wird auf 40000 M. kommen. Wir haben mithin, dawir 25 000 M. geschenkt bekommen haben, noch für 15 000 M.das Risiko zu übernehmen. Der Miethspreis für eine der ge-dachten Wohnungen wird auf 40 Thaler zu stehen kommen.Wir werden mit unserem Unternehmen die Wohnungsnothnicht vollends beseitigen können und müssen der Armendehördejene Familien überlassen, wo der Ernährer dem Trünke ergebenist, wir können nur solche Familien berücksichtigen, die nach-weislich obne ihre Schuld wohnungslos geworden find.—Papendieks Antrag wurde widerspruchslos angenommen.Es muß doch im höchsten Grade verwundern, wenn einGroßkammann unv gewiegter Geschäftsmann, wie Herr Papen-diek es ist, in letzter Stunde an die Bürgerschaft mit einemDringlichkeitsantrag herantritt, um die Wohnungsnoth zumildem. Mußte er erst durch den Fabröinspektor auf dieWohnungsnotb aufmerksam gemacht werden? Er mußte dochlängst wissen, daß die Wohnungsnoth eine noth-wendige Folge des Freihafenbaues sein würde. AmNachmittage war der Fabrikrnspektor bei ihm, des Abendsum 6 Uhr war er schon in der Bürgerschaftssitzung.In der kurzen Zwischenzeit war es dem Herrn Papendiek mög-lich, mit dem Fabrikinspektor zu konferiren; eme Borstands-sitzung von dem Gemeinnützigen Bauvcrein einzubemfen undabzudaltcn und Jemand zu finden, der für den fraglichen Zweck25000M. schenkte: ferner ernenZimmermcister zu veranlassen, einendetailirten Plan nebst Kostenanschlag für den Aufbau von 50Baracken wohnungen auszuarbeiten.— Man sieht unsere BremerGroßkaufleute können Wunder verrichten.Jedenfalls wäre es angezeigt gewesen, die Dringlichkeit desPapendick'ichen Antrages abzulehnen.Es hätten sich dann bei kühlerer Erwögung die Beweg-gründe des Antrages leichter erkennen und etwas besseres fürdie Wohnungslosen thun lassen.— Als der Freihafenbau inund vor's Thor fahren, damit Sie nachher gleich hinein-springen und auskneifen können. Sie ist heute gerade inder Laune."„Nun, es muß nicht gleich sein," lächelte Witte;„aberwunderlichere Dinge sind schon in der Welt passirt. Gebtnur unterdessen dem Pferd ein Maul voll Heu, sonst beißtes Euch die Krippe zu Schanden; es hat sich das so an-gewöhnt." Und damit legte er seine Peitsche in den Wagenund ging langsam dem Portal des Schlosses zu, wo er nochimmer die zankende Stimme des gnädigen oder vielmehr sehrungnädigen Fräuleins hörte. Er ließ sich aber nicht dadurchabschrecken, und während ihm der Knecht ganz verwundertnachschaute— denn von ihnen kam ihr bei solcher Gelegen-heit Niemand freiwillig in die Nähe—, betrat er daS Schloßselber und stieg die Treppe hinauf.Auf der halben Treppe kam aber Kathinka schon demStaatsanwalt bleich und mit rothgeweinten Augen entgegenund erschrak sichtlich, als sie einen Fremden erblickte. Sieschämte sich jedenfalls, so von ihm gesehen zu werden, undstand einen Moment unschlüssig, als wenn sie nicht wisse,ob sie an ihm vorbeieilen oder die Treppe wieder hinauf-flüchten solle. Witte ließ ihr aber keine Zeit, weder daseine noch daS andere auszuführen.„Mein liebes Fräulein," sagte er,„laufen Sie nichtvor mir davon— ich bin ein alter Mann und kenne dieVerhältnisse hier im Hause gut genug— wo kann ich dennwohl Fräulein von Wendelsheim antreffen, denn ich höremerkwürdiger Weise ihre Stimme nicht mehr oben?"„Sie wird in ihrer Stube sein," sagte Kathinka, sichscheu und hastig die Thränen trocknend.„Sie entschuldigenmich wohl...',, r.,„Den Augenblick— nur noch einen Auftrag habe ichan Sie auszurichten."„An mich?"„Der junge Baron gab ihn mir draußen; er erfuhrvon mir, daß der Mechanikus Baumann freigesprochenund seiner Hast entlassen ist, und bat mich, Zhnen das zu*a0en«3<$ danke Zhnen," flüsterte Kathinka, ließ sich aberAngriff genommen werden sollte, stellten die Arbeiter Anträge,welche darauf hinausliefen, ein geregeltes Arbeitsverhältniß fürdie beim Freihafenbau beschäftigten Arbeiter zu erzielen. Der kon-servative Staatsminister von Bötticker machte seiner Zeit in derKommission für den Bau des Nord-Lstseekanals dem sozialdemo-kratischen Mitglied dieser Körperschaft hinsichtlich der bei demBau zu beschäftigenden Arbeitern einige Zusagen— währendder Großkaufmann Papendiek in der Bremer Bürgerschaft alleauf den Freihafenbau Bezug habende Anträge der Arbeiter mitden Worten ablehnte: Ich halte diese Anträge gar nicht fürdiskutabel.— Das ist gewiß für unsere Kaufmannsrepublik sehrbezeichnend.Der gemeinnützige Bauverein, an dessen Spitze Herr Papen-diek steht, übt Gemeinnützigkeit, soweit die Zahl seiner Mit-glieder reicht. Das erhellt am besten aus der Miethsbedingung,welche beim Bezieher einer Barackenwohnung in Anwendungkommt. Es heißt da: die Miethe deträgt wöchentlich 2,40 M.,welche im voraus zu entrichten ist; nur solcher Miether kanneinziehen, welcher nachweist, daß er bisher seine Miethe pünkt-lich bezahlte und in solchen Erwerbsverhältnissen sich befindet,daß er auch fernerhin zahlungsfähig bleibt; außerdem findet14tägiae Kündigung statt. Es geht doch nichts über die Ge-meinnützigkeit des gemeinnützigen Bauoereins! Wöchentlich2,40 M. Miethe macht jährlich rund 125 M. Die50 Wohnungen würden mithin in den in Ausficht genommenen3 Jahren die Summe von 18 750 M. aufbringen. Rechnenwir das Anlagekapital(15000 M.) von dieser Summe ab, sobleibt ein Reingewinn von 3750 M. oder mit anderen Wortendas Anlagekapital hat sich mit 3V» pCt. pro Anno verzinst!Kunststück!Die Unterhaltungskosten dürften den Umständen nach nursehr geringfügige sein und um so mehr, als polizeiliche Vor-schriften für diese Wohnungen nicht in Betracht kommen. Beidem vorsichtigen Vorgehen der Unternehmer können wohl kaumVerluste einireten und machen sich solche bemerkbar, so werdensie vollauf gedeckt aus dem Erlös, welcher aus dem in 3 Jahrenzu erwartenden Abbruch der Wohnungen hervorgehen wird.Man will den Wohnungslosen helfen, aber wenn siedoppelt in Noth find, wenn sie weder Obdach noch festen Er«werb haben, dann kümmert man sich nicht um diese Leute.Geholfen wird dem Wobnungslosen, wenn er durchauszahlungsfähig ist und seine Wohlthäter hübsch hohe Prozentean ihm verdienen. Vor dem Freihafcnbau konnte der Arbeiterfür 125 M. eine reelle Wohnung bekommen und jetzt soll erdenselben Miethspreis für eine hölzerne Bude geben und diesesnoch als Wohltat betrachten!? Erst machen unsere Kaufleutedurch ihren Frcihafenbau den Arbeiter obdachlos; hat er keinObdach mehr, wird sein Zustand unter Zuhilfenahme vonStaatsmitteln ausgebeutet, 8', pCt. wird für das angewandteKapital eingenommen— und dabei spielt man sich noch alsgroßer Wohlthäter auf.Wenn ein konservativer Krautjunker sich den Wamms mitGetteidezöllen füllt, so ist dieses zu beklagen und nicht genug zubekämpfen. Wenn aber ein sogenannter Liberaler die Roth derobdachlos gemachten Arbeiter rücksichtslos in seinem Kapitals-interesse ausbeutet, so ist das etwas, wofür man wohl schwerlicheine Bezeichnung finden� kann.Zürich, 24. März. Nach Meldungen aus B e r n soll heutedie Bundesversammlung wieder geschlossen werden. Die Haupt-thätigkeit dieser 14tägigcn parlamentarischen Session beschränktesich auf die p o l i t i s ch e P o l i z e i.(Siehe den Artikel inunserer Beilage.) Die vom Äundesrathe zu deren besserer Aus-gestaltung(es soll jetzt wahrscheinlich auch schweizerische Jhring-Mahlow's geben) geforderten 20000 Fr. wurden von beidenRöthen(Nationalrath und Ständerath) sozusagen einstimmiggenehmigt. Der Berichterstatter der bezüglichen Kommission desStänderathes, Herr H o f f m a n n, gab sich in seinem Referatesehr energisch und nach seinen Ausführungen könnte man zuder Annahme gelangen, daß nicht Schröder, Haupt rc., sonderndie deutschen Sozialisten in der Schweiz Verbrecher seien, mitdenen man aufräumen müsse. Wir wissen den republikanischenPatriotismus des schweizer Volkes zu würdigen und verstehendenselben, aber er ist nicht iderstisch mit der ostentativ zurSchau getragenen künstlichen Entrüstung des genanntenReferenten über die Sozialdemokraten, welche die schwei-zerischen Gesetze so genau beachten, daß noch keinervon ihnen mit denselben in Konflitt gerieth. HerrHoffmann scheint nur bemüht gewesen zu sein, den Beweis zuliefern, daß es auch in der Schweiz Leute giebt, die alles thun,um der Freundschaft der benachbatten deutschen Reattion würdigzu sein.Dem schweizerischen Volke von größerem Nutzen als dieStärkung der polizeilichen Gewalt der Exekutive wäre die Ein-führung des Notenmonopols gewesen. Es unterlag aberder Neigung der Föderalisten gegen die Zentralisation. Ausdem gleichen Grunde wurde die angeregte Vereinseitlichung desStrafrechts abgelehnt.Eine sehr auffallende Thatsache hat sich in den letzten Tagenereignet. Herr Wilhelm Liebknecht war von schweizeri-rischen und deutschen Sozialisten in mehreren Städten ersuchtjetzt nicht länger halten, sondern eilte, so rasch sie konnte,die Treppe hinab.Witte sah ihr kopfschüttelnd nach; aber andere Dingegingen ihm im Kopf herum, und die Treppe hinaussteigend,traf er oben ein Dimstmädchen, das die Fenster putzte.„Können Sie mir sagen, liebes Kind, wo ich daS gnädigeFräuleinFvon Wendelsheim treffe?" fragte er dieses.„Zawoll," sagte das Mädchen,„gleich da drin ist sie."„Schön," erwiderte Witte, indem er seine Brieftaschevorholte und eine Karte herausnahm, die er dem Mädchenhinhielt.„Möchten Sie dann wohl so gut sein und dieseKarte zu dem gnädigen Fräulein hineintragen und ihr sagen,der Herr, dessen Name darauf stehe, sei hier draußen undwünsche mit ihr zu sprechen?"„Zawoll," entgegnete das Mädchen wieder, aber ohnedie Hand nach der Karte auszustrecken,„das möchtenSie woll, nicht wahr? Ne, einmal gemacht und nicht wie-der. Wenn Sie mit ihr sprechen wollen, gehn Sie selberhinein— ich aber nich."Witte lachte.„Das gnädige Fräulein," sagte er,„scheintsich hier sehr in Respekt gesetzt zu haben— beißt sie?"„Nee, aber sie kratzt," sagte die Magd.„Zn der That? Nun, dann werd' ich mein Glück aufeigene Hand versuchen!" Und damit schob er Karte undBrieftasche wieder zurück, ging dann auf die bezeichnete Thürzu und klopfte herzhaft an.Ein scharfes, zorniges„Herein!" wurde fast augenblicklich gerufen, und der Staatsanwalt, der nur noch sah, daßdas Mädchen ihr Fensterputzen unterbrochen hatte und neu-gierig hinübersah, um wahrscheinlich Zeuge deS Empfangeszu sein, ttat auf die Schwelle und sagte:„Mein gnädiges Fräulein, ich konnte Niemanden finden,der mich anmelden wollte— Sie entschuldigen, daß ich Siestöre..."„Was wollen Sie?" lautete die kurze, barsche Gegen-frage.„Nur Sie sprechen— ich bin der StaatsanwaltWitte," sagte dieser, indem er die Thür wieder hinter sichzuzog.„Und was wollen Sie von mir?"worden, Vorträge über die Bestrebungen der Sozialdemokratieund die achtundvierziger Volksbewegung zu halten. Ucberersteres Thema sollte er verflossenen Dienstag in Bern rcfenren.Aus allen Kreisen der Bevölkerung, Mitglieder der Bundes«Versammlung, Gelehrte und Arbeiter strömten schaarenweiseherbei, um den berühmten deutschen Volksmann zu hören. Dawird die Versammlung eröffnet und mitgetheilt, daß Lieb-knecht nicht sprechen werde in Rücksicht auf diepolitische Situation. Liebknecht war aber zu derselbenZeit in Bern. Heute erklärt nun die„Arbeiterstimme", daß Liedknechteinen Wink mit dem Zaunpfahl von„Oben" erhalten habe,„daßman sein Auftreten in der gegenwättigen Zeit nicht gern sehe.Hoffentlich ist dadurch das freundschaftliche Einvernehmenzwischen der Schweiz und Deutschland aufs Neue defesttgtworden.Der„St. Galler Stadtanzeiger" schreibt zu demselbenGegenstand:„Freies Wort. Der deutsche sozialdemokratischeRcichstagsabgeordnete Liebknecht ist zu dem auf letztenDienstag Abend in Bern angeordneten Vortrag nicht er-schienen, wie er schrieb, well er mit seinen Freundenübereingekommen, vorläufig nicht in der Schweiz zusprechen. Das war gewiß sehr taktvoll von HerrnLiebknecht.Wir wollen aber hoffen, daß wir ihn später dochwieder hören. Derselbe hat im verflossenen Oktober an«läßlich des Sozialistenkongresses auch im gedrängt vollenSaale zu Schönenwegen bei St. Gallen einen Vortragt ehalten und durch sein mhiges, von edler Wärme undiegeisterung getragenes Wort auf die den verschiedenstenGesellschaftsschichten angehörenden Zuhörer den bestenEindruck gemacht. Jedermann hatte das Gefühl:Männer, die so reden, wollen nur was recht ist; sie findMärtyrer einer guten, gerechten Sache. Wir werdenaber doch die Wahrheit, auch wenn sie ein deutscherSozialdemokrat sagt, in der freien Schweiz noch hörendürfen; zu einer Kriecherei, die selbst das nicht mehrwagte, find wir nicht geboren. Gegen Ausschreitungenhaben wir ja Gesetze und die zenlralifirte Fremden-polizei."Der hiesige deutsche Arbeiterverein„Eintracht"hat sich diese Woche ein eigenes Heim erworben, indem er einHaus um den Preis von 130 000 Fr. angekauft hat. Der Vereinzählt über 600 Mitglieder und unterhält eine Speiseanstalt,die durchschnittlich von 120 Kostgängern frequentirt wird.Potttische Ueberstcht.Im„Krichsanzeiger" wird die zweijähnge Verlängerungdes Sozialistengesetzes und das Gesetz über die Verlängerungder Legislaturperioden von drei auf fünf Jahre publizirt.Nachklänge. Auf politischem Gebiete, so rekapitulirt die„Franks. Ztg.", hat die abgelaufene Session des Reichstags guteFrüchte nicht gezeitigt, es ist ein recht schlimmer Gleichklang,wenn man von der Verlängerung des Sozialistengesetzes, vonder Ausdehnung der Wahlperioden und von dem Gesetz überdie nichtöffentlichen Gerichtsverhandlungen redet. Bei allendiesen Werken fand sich die Kartellmehrheit beisammen, daSzweite war sogar ihrer Initiative, die sonst so zurückhaltend ist,zu danken; was Wunder, wenn diese Arbeiten den Stempel desGeistes tragen, welcher durch das Bündniß seine Weihe erhaltenhat. Würde die Regierung nur die Verlängerung des Ausnahmegesetzes gegen die Sozialdemokratie auf weitere zwei Jahrebegehrt haben, so hätte sie leichtes Spiel gehabt, dafür stand ihreine Mehrheit»ans vbraso zur Verfügung. Sie wollte abermehr eneichen, freie Hand gleich auf fünf Jahre und Verschär-fung des Gesetzes durch erhöhte Strafen und durch die Mög«lichkeit, die sozialdemokratische Bewegung mit der Reichsacht anHäuptern und Gliedern treffen zu können. Das uneingestandeneMotiv dieser Forderung war die durch Erfahrung gezeitigte Er«kenntniß, daß keine Waffe so schnell stumpf wird, wie die Aus«nahmegesetzgebung, und daß man, um sie wirksam zuerhalten, genöthigt ist, ihr von Zeit zu Zeit eine schärfereSchneide zu geben. Die unterdrückte Partei hatte eiverslanden, sich trotz des Gesetzes nicht nur zu bo-haupten, sondern auch zu größerer Macht zu gelangen, ihreIntelligenz versuchte sie mit Glück auf Schleichwegen, und danun einmal die List der Verfolgten stets größer ist, als diejenigeder Verfolger, so versapten mehr oder weniger die Schlingendes Gesetzes. In den Motiven stand davon nichts zu lesen, siewaren so unzulänglich, daß selbst die treuestcn Anhänger de«Regierung stutzig wurden. Vergebens warf sich die„Kreuz-zeituna" m die Brust mit der Phrase, jetzt würde dies Kartellseine Probe zu besiehen haben, der Nationalliberalismus erklärtemit vereinzelten Ausnahmen, der Regierungsent vurf sei unan«nchmbar, er rücke das zu ersttebende Ziel, die Beseitigung beiAusnahmezustandes, in eine weite Ferne. Wenn die Regierungweiter nichts zu sagen habe, als was in den Motiven stehe, sodürfe sie vollauf zufrieden sein, wenn das Gesetz unverändertauf zwei Jahre verlängert werde und zwar-um letzten Male.Die Regierung glaubte allerdings, sie habe noch Manches zu„Um Zhnen das zu sagen, bin ich ganz besonders vonAlburg herausgekommen," erwiderte der Staatsanwalt, stellteseinen Hut auf die nächste Kommode und zog sich die Hand«schuhe aus, die er hineinwarf.„Aber woher wissen Sie," fragte Fräulein von Wen«delsheim, empört über die Freiheit, die sich der Fremd«nahm,„daß ich überhaupt jetzt Zeit und Lust habe, Ei«anzuhören?"„Mein gnädiges Fräulein," sagte aber Witte trocken,„die Sache ist viel zu wichtig, um lange vorher mit Wortenum eine Form zu streiten. Ihres eigenen Selbst wegenmüssen Sie mich anhören, um sich einen Weg vor das Ge«richt zu ersparen.",„Mir?" rief die Dame empört.„Habe ich etwa? mitden Gerichten zu thun?"„Bitte, nehmen Sie Platz," erwiderte Witte, der festentschlossen schien, sich nicht einschüchtern zu lassen, indemer sich selber einen Stuhl zum Tisch rückte.„Wir werdennicht sogleich fertig sein; ich komme in der ErbschaftS-An«gelegenheit— oder vielmehr in der Sache der Erbfolge."„Und weshalb gehen Sie da nicht zu meinem Bruder?"„Ihr Herr Bruder ist, wie mir der junge Baron vor«hin sagte, geistig so abgespannt, daß er mir augenblicklichnichts helfen kann, denn was ich jetzt mit Ihnen zu redenhabe, erfordert einen klaren und ungetrübten Verstand.Wir können doch nicht behorcht werden?"Fräulein von Wendelshcim sah ihn staunend an; derMann trat aber so entschieden und bestimmt auf undmachte so entsetzlich wenig Umstände mit ihr— er mußt«einen wichtigen Grund dafür haben, oder er war einer de«unverschämtesten Menschen, die ihr im ganzen Leben vorge-kommen.„Nein," sagte sie, ihn staunend betrachtend,„rechts undlinks sind unbewohnte Zimmer."„DaS Mädchen auf dem Vorsaal wird horchen."„Das wagt Keine von meinen Dienstboten- aber ichwüßte auch nicht, welches Geheimniß wir beide mit einanderzu besprechen hätten."„Haben Sie gar kein Geheimniß, mein gnädiges Fräu-