Krumme Straßenzüge beftzt Berlin in seinen älteren Stadttheilen noch viele man braucht z B. nur die Umgegend des Moltenmarktes nach dieser Richtung" hin zu prüfen; diese krummen und engen Straßen, Gassen und Gäßchen rühren noch aus der ältesten Periode Berlin - Köllner Straßenbaukunft her, ahnte man doch damals nicht im geringfien, zu welch' ungeheurer Riesenstadt das fleine Fischerdorf dermaleinst heranwachsen würde. Viele solch' alter Ueberbleibsel find bereits in den vierziger Jahren verschwunden, so z. B. jener schluchtartige Weg, der die alte Feld( Alexandrinen-) Straße mit der Orangen-( Dranien-) Straße verband, und welchem der Volkswig den Namen: Laufiger Aermel" beilegte; andere, wie z. B. der Bullenwinkel, find erst in neuerer Beit freigelegt. Bei mehreren der heute noch existirenden frummen Straßenzüge hat gerade die Krümmung ein besonderes historisches Intereffe, so z. B. die, welche man paffiren muß, wenn man durch die Dresdenerstraße dem Südosten zusteuert. Das Terrain, auf welchem die Louisenstadt erbaut ist, die ursprüngliche Feldmark Köllns, bestand zuerst nur aus 42 Hufen sandigen und fumpfigen Terrains, bis fie durch die sie umgebende wüste Haidegegend( Myrica"), welche der Markgraf Otto 11. der Stadt Kölln schenkte, bedeutend erweitert wurde. Ueber das Köpenicker Feld hinweg führte der ,, Ricksdorfer Damm", der ursprünglich die Heeresstraße über Ricksdorf" nach Köpenick und Freienwalde bildete. Bis zur Anlegung des Stadttheils auf dem Köpenicker Felde führte fte aus der Neuen Noßstraße in gerader Linie bis zu einem Anie, von welchem man zwischen den zeckern zum Kottbuser Thor, das bis 1735 Wendisches Thor" hieß, gelangte. Jenes Knie war entstanden durch einen großen Sumpf, um den man die Straße herumgeführt hat; daffelbe ist auch bei der späteren Bebauung des Rirdorfer Dammes( im 17. Jahrhundert) beibe halten worden und hat sich konservirt bis auf den heutigen Tag. Die Baffage an diesem Engpaß mird von historisch merkwürdigen Gebäuden begrenzt. So gehörte das noch in den 50er Jahren durch sein altmodisches Aeußere abstechende Haus Nr. 34 der Dresdenerstraße dem Bäckermeister Kochhann; dasselbe soll im Jahre 1761 in den Besitz der Familie K. gekommen und vordem eine Kapelle gewesen sein. Dafür sprechen die noch erkenn baren Veränderungen, namentlich die ursprünglichen bis an das Dach reichenden( Kirchen) Fenster, die etwa i. J. 1820 getheilt und für zwei Etagen eingerichtet wurden. Vordem bewohnte das Haus ein Dr. Brandes. Auf diesem und den Nachbargrundstücken( Nr. 33 und 35) full( nach Fidicin ) ein furfürstliches Jagdschloß gestanden haben, welches noch im 17. Jahrhundert als bewohntes Gartenhaus vorhanden war; zu Anfang des 18. Jahrhunderts soll der Geheimrath Wagner noch Befizer dieses Gebäudekomplexes gewesen sein. Die Heerstraße erhielt nach dem Anbau den Namen ,, Rigdorfer Straße", und später von der über Mittenwalde nach Dresden führenden älteren Heerstraße den Namen ,, Dresdenerstraße". Noch vor wenigen Jahren begrenzten den genannten Engpaß auf der Südseite eine Reihe einstödiger baufälliger Häuschen, deren Dächer man mit der Hand erreichen konnte; von diesen steht heute nur noch das Haus Nr. 109, beffen legtes Stündlein übrigens auch bald schlagen wird. Abgesehen davon wird die Straße nur noch eingeengt durch das Haus Nr. 104( nahe der Prinzenstraße) welches die neue Baufluchtlinie um ca. 6 Meter überschreitet; die übrigen, theils im Vorjahre vollendeten, theils noch im Bau begriffenen Häuser( Nr. 105 bis 110) find weit zurückgezogen, so daß der so nothwendigen Verbreiterung des Fahrdammes und der endlichen Beseitigung dieser Krümmung bald nichts mehr im Wege stehen dürfte.
Ueber Arbeitsmangel bei den beiden Strafkammern des Landgerichts ist dieser Tage in verschiedenen Zeitungen berichtet worden gelegentlich einer Besprechung des Projekts, betreffend die Uebertragung polizeilicher Befugniffe in den Vororten Berlins an den Berliner Polizeipräsidenten. Von zuverlässiger Seite ist uns nun eine Mittheilung zuge gangen, welcher wir, um einer ungerechten Würdigung der Sachlage vorzubeugen, gern Naum gewähren. Die Ausführun gen in jenem Referat, betr. die Ausdehnung der Berliner Polizeigewalt auf die Berliner Vororte" stehen zu den thatsäch so schreibt uns unser Gewährsmann lichen Verhältnissen
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in direttem Widerspruch. Alle Anzeichen deuteten seither darauf hin, daß die beiden Straffammern des Landgerichts II , welchen zu ihren Sigungen nur ein gemeinschaftlicher Sigungsfaal im Kriminalgerichts Gebäude zur Verfügung steht, mit Arbeit nahezu überlastet waren. Bis zu den vollauf belastet Späten Nachmittagstunden, häufig sogar bis zum Abend, Verhandlungen der währten die genannten Straf tammern. Die hieraus sich ergebenden Klagen von Leuten, die bis zum Abend des Aufrufs gewärtig auf dem Korridor ausharren mußten, nahmen wiederholt den Weg in die Presse. Es ist zwar neuerdings, seit einigen Wochen, vorgekommen, daß weniger Terminssachen für den Sigungstag, wie am vergangenen Montag z. B. nur 3 Sachen angesezt waren, zu welchen indeffen nicht weniger als 30 und in anderen Fällen eine noch größere Zahl von Zeugen Vorladung erhalten hatten; ein Blick auf die hohe Biffer der Aktenzeichen, die neben den Namen der Angellagten der Aushangzettel am Sigungssaal aufweist, muß aber eines Befferen belehren und den Beweis dafür liefern, daß, wenn auch ausnahmsweise eine Sigung zu fürzerer Dauer fich gestaltet, dennoch feinerlei Arbeitsmangel herrscht. An maß gebender Stelle ist hiervon nichts bekannt, denn am legten Sonnabend verzeichnete der Aushangzettel nicht weniger als rund 20 Terminssachen, deren legte auf 2 Uhr angefest war; Schluß dieser Sigung fand furz vor 4 Uhr Nachmittags statt. Dies beweist das stritte Gegentheil jener Behauptung. Dabei bleibt noch in Betracht zu ziehen, daß dem Richterkollegium der Straffammern noch außerdem die Bearbeitung derjenigen Anklagefachen obliegt, welche bei dem Schwurgericht am Landgericht II( Beginn der zweiten diesjährigen Periode am 10. d. M.) In einigen Gegenden Deutsch abgeurtheilt werden sollen.
lands steht eine Vermehrung der ständigen Land- c. Gerichte bevor, dem vorhandenen Bedürfniß entsprechend; denn eine Verminderung der Verbrechen und sonstigen Strafthaten davon ist jeder aufmerksame Beitungsleser sicherlich vorweg überzeugt hat zur Zeit durchaus nicht wahrgenommen wer den fönnen; feineswegs aber ist dies im Jurisdiftionsbezirk des Landgerichts' Il der Fall. Hier dürfte im Intereffe der Rechtspflege vielmehr die Errichtung einer dritten selbstständigen Straffammer in Erwägung zu ziehen sein. In diesem Falle müßte allerdings der zur Zeit vom Schöffengericht Amtsgericht 11 be nußte Sigungsfaal seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß als Sigungssaal der Strafkammern des Landgerichts ll wieder zurückgegeben werden unter Verlegung verschiedener Bureaus nach zur Zeit völlig vereinsamten Warteräumen.
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Es wäre
Das höchste Biel bei dem Streben nach Volkswohlfahrt erreicht, wenn wirklich Arbeitsmangel" in der Strafrechtspflege eingetreten wäre und die Menschheit„ holder Friede, süße Eintracht" gefangen hält. Von diesem Gesichtspunkte wäre die Behauptung, daß eine Verminderung von Verbrechen 2c. eingetreten" ist, annehmbar als ein Zeichen der beginnenden Aufbesserung der wirthschaftlichen Verhältnisse, sofern diese Behauptung auf be gründeter Voraussegung beruht und den Thatsachen entspricht. Sensationslüsterne Leser allenfalls würden nur bedauern, wenn fie infolge Arbeitsmangel" in der Strafrechtspflege auf die üblichen Schilderungen von Schauergeschichten, Kapitalverbrechen verzichten müßten; in jenem Referat sogar dringt es aus dem Hintergrunde fast wie eine bange Klage hervor, daß die beiden Straffammern" feit Monaten" in jeder Sigung nur leine Sachen",„ nur Bagatellsachen" verhandeln. Unwillkür lich aber drängt dieser bedauernde Ton zu der Frage:„ Soll denn immer und noch mehr gemordet werden?"
In der Berliner Gastwirths- Innung hat es dieser Tage gefracht. Der Obermeister Keck, Inhaber des Café Keck, wurde von den Vereinsmitgliedern derartig angegriffen, daß er
sein Amt sofort niederlegte und auch auf vieles Bureden einzelner enragirter Jnnungsbrüder nicht wieder annahm. Dem zweiten Obermeister Kühne, Bestzer des Ballsalons Kühne's Gesellschaftshaus", Niederwallstraße, wurde ebenfalls ein Mißtrauensvotum ertheilt, er war aber weniger senfibel und legte sein Amt nicht nieder. Herr H. hat in seinem Hause für einen seiner Verwandten das Nachweisebureau, ebenso wie die Erpe tition der am 1. April erscheinenden ,, Deutschen Gastwirths Beitung", Drgan der Jnnung, etablirt. Herr Warnecke, der Rendant, legte nicht allein sein Amt nieder, sondern trat auch aus der Jnnung aus, weil er mit dem Obermeister am Beisegungstage beim Spalierbilden Differenzen gehabt, andererfeits ihm aber der Mumpig" zu groß geworden war. Nette Zustände!
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In der Gewehrfabrik in Spandau sind, nach dem Anz. f. d. Hav." bis jegt im Ganzen ca. 1000 Mann gefündigt worden. Unter den zur Entlassung kommenden Gewehr arbeitern befinden sich viele Berliner. Eine Anzahl tritt schon vor dem gesetzten Termin aus der Arbeit, weil der Verdienst sehr gering geworden. Aus Amberg in Bayern kommt die Nachricht, daß in der dortigen Gewehrfabrik den Arbeitern eröffnet wurde, daß die bisherige 12stündige Tagesarbeitszeit um 4 Stunden gemindert und die Nachtarbeit ganz eingestellt werde. Mit dieser plöglich eingetretenen Arbeitsverminderung steht noch im Zusammenhang die Entlassung des größten Theiles der Arbeiter, welche in furzer Zeit von nahezu 1000 auf ca. 200 reduzirt wurden. Einem Theile der Arbeiter, insbesondere den Schmieden, wurde mit dem Bedeuten gekündigt, fte möchten im Herbste wieder um Arbeit nachfragen.
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Reporterwik und Ueberschwemmung. Unter diesem Titel führt die Nordd. Allgem. 3tg." einen Berichterstatter der Voff. 3tg." in folgender Weise ab: Als ob des Unglücks, welches über den Norden Deutschlands durch die Hochwässer hereingebrochen, noch nicht genug wäre, als ob die Szenen des Jammers und des Schreckens, welche die Wirklichkeit zeugt, noch nicht graufig genug wären, hat sich ein Lübecker Korrespondent der Voff. 3tg." nicht versagen fönnen, Schreckensbilder aus Nordamerika von Anno damals nach Deutschland in die Frühjahrszeit 1888 zu übersetzen. Der Lübecker Herr hat nach gutem, nach berühmtem Muster gearbeitet; er steckte Bret Harte's ,, Kalifornische Erzählungen", übersezt von W. Lange( Reclam 'sche Bibliothek), in die Tasche und entschloß sich zu einer Fahrt ins Ueberschwemmungsgebiet der Elbe bei Dömitz , um sich von der Wahrheit und Ünwahrheit der Schreckensnachrichten zu überzeugen". Was er da sah, wer vermöchte es festzustellen? Was er beschrieb, das haben ungezählte Tausende bereits seit zwei Dezennien an der Hand des amerikanischen Novellisten miterlebt und mitgefühlt. Doch hören wir den Lübecker Herrn: Er ist in das überschwemmte Dorf Heidhof gekommen; da hat sich eine ,, rührende Szene in einem Büdnerhause" zugetragen. Der Mann war über Land, die Frau allein zu Hause. Es war am Donnerstag Morgen; fie wiegte ihr Kind. Ein Scharren an der Thür störte ste in ihrer Beschäftigung. Sie öffnete die Thür. Nero war es, der Hund. Er winselte und war über und über naß." Wir bitten um Entschuldigung aber der Hund hieß Peter. Wir lesen nämlich in Bret Harte's Schreckensgemälde„ Die Sturmfluth": als sie an der Thür ein Scharren vernahm. Aenaftlich öffnete fte dieselbe und freute sich, daß es nur der alte Peter, ihr Hund war, der triefend ins Zimmer geschlichen fam." Der Lübecker Herr fährt fort: ,, Da hörte sie wieder ein Geräusch an der Thür. Es ging, flid- flick" und„ kluck- kluck"." Auch diese Onomatopoie gehört Bret Harte , dessen Schöpfung sich nun der Plagiator in folgenden Sägen gänzlich zu eigen macht. In demselben Augenblick wurde ihre Aufmerksamkeit auf etwas gelenkt, das unter der Hinterthür hervor nach der Mitte des Bimmers zu friechen schien. Es war anfangs nicht viel größer als ihr kleiner Finger, aber bald wurde es so breit wie ihre Hand und begann sich über den ganzen Fußboden auszudehnen. Es war Wasser. Sie lief nach der Vorderthür und riß fie auf nichts als Waffer; fie flog nach der Hinterthür nichts als Waffer." ,, Sie fant nicht in Ohnmacht", so fährt Bret Harte fort, und schließt daran eine seiner ergreifenden psychologischen Begründungen, welche der Bericht erstatter aus Lübeck mit den nüchternen Worten erseßt:„ Denn Bauernfrauen pflegen selten in Ohnmacht zu fallen." Auch noch der folgende Satz ist wörtlich der Sturmfluth" entlehnt:„ Sie zog ihr Bett in die Mitte des Zimmers, stellte darauf einen Tisch und auf diesen Tisch die Wiege." Die furchtbare Fahrt auf dem treibenden Baumstamm, auf welchem sich die Holzhauersfrau aus dem Deblower Moor rettete und der die Ohnmächtige in das Lager der Indianer brachte, blieb der Büdnersfrau aus Heidhof erspart; der nächste Morgen brachte ihr Rettung. Der namenlose Schrecken hatte aber auf beide dieselbe Wirkung. Das Kind weinte so jämmerlich, als sie ihm die Brust reichte, daß ihr sofort klar wurde, die Milch müßte verstegt sein," erzählt Bret Harte , Sie wollte ihm die Brust geben, die Milch versagt," der Lübecker Abschriftsteller, dessen weitere Würdigung wir der Voff. 3tg." getrost überlassen fönnen.
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Als eine Sorte der denkbar dümmsten, albernsten nnd zugleich gefährlichsten Wike stellen sich die neuerdings wieder auftauchenden, scheinbar amtlichen Strafbefehle, Aus weisungen, Steuerveranlagungen 2c. dar. So liegt uns ein solcher Wisch vor, der einem hieſtgen älteren Arbeiter per Post zugeschickt wurde. Das mit einem Stempel versehene, theils gedruckte, theils geschriebene Machwert hat folgenden Wortlaut: Sie haben in vergangener Woche am Abend die Straße paffirende Damen mit Worten und Budringlichkeiten in unanständiger Weise belästigt und sich somit eines groben Unfuges schuldig gemacht. Die Uebertretung wird bewiesen durch das Beugniß der betreffenden in den diesseitigen Aften verzeichneten Damen. Es wird deshalb gegen Sie auf Grund des§ 11 des Reglements eine bei der Hauptkasse hierselbst zu erlegende Geldſtrafe von zehn Mark, an deren Stelle, wenn sie nicht beizutreiben ist, eine Haft von zwei Tagen tritt, festgesetzt. Sollten Sie sich durch diese Straffestsetzung beschwert halten, so können Sie binnen einer Woche bei der unterzeichneten Verwaltung schriftlich oder zu Protokoll auf Entscheidung antragen. Erfolgt binnen dieser Frist ein solcher Antrag nicht, so wird troßdem die festgesette Strafe nicht vollstreckt. Abtheilung V. für Strafmandate. Bangmacher."- Der Ar
beiter, der mit einer jungen Frau verheirathet ist, hatte mit
eine recht unerquickliche Szene, da die Frau das Schriftstück nur oberflächlich gelesen hatte und nur mit Mühe davon zu überzeugen war, daß es sich hier um einen " Ulf" handle. Ein anderer Arbeiter, ein in der Schwerinstraße wohnender Tischler erhielt eine scherzhafte" Ausweisung. Der Mann fing bereits an, sein Handwertszeug zu verkaufen, als er auf den Wig" aufmerksam gemacht wurde. Es giebt doch heute so viel Dinge, die unter den groben Unfugsparagraphen warum nicht der Verkauf dieser überaus abgeschmackten
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fallen Machwerke?
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Die Bürgermeisterftelle in Fehrbellin , deren Beseßung, wie wir f. 3. meldeten, dem dortigen Stadtverordneten- Vorsteher Herrn Vinzelberg fo viele Sorgen bereitet hat, ist nun besetzt und zwar durch einen früberen Bureaubeamten des Magistrats von Berlin . Am 26. d. M. wurde der Bureaudiätar Westphal zum Bürgermeister von Fehrbellin erwählt und heute wird derselbe in sein neues Amt eingeführt werden. Die guten Rathschläge" des Herrn Vinzelberg( pro Stück 2 M. in" Briefmarken) haben somit ein ganz erfreuliches Resultat gezeitigt! dieser Gelegenheit sei noch erwähnt, daß die Bureaubeamten des biefigen Magistrats fich für Bürgermeisterposten ganz besonders zu qualifiziren scheinen: in einem Zeitraum von noch nicht zwei Jahren sind bereits fünf unserer Magistratsbeamten als Bürgermeister nach mittleren und kleinen Städten der Umgegend ge= wählt worden.
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Von einem Raubanfall in der Praving, der bereits aus dem November v. J. datirt, hatte die hiesige Kriminalpolizei vor wenigen Tagen durch eine aus Verbrecherkreisen stammende Mittheilung Kenntniß erhalten. Vier Personenso wurde ihr mitgetheilt hatten sich zu dem angegebenen Zeitpunkte von hier nach Torgau begeben, um eine auf einem Dorfe in der Umgegend dieser Stadt wohnende, alleinstehende wohlhabende Frau in der Nacht zu überfallen, niederzuschlagen und zu berauben. Einer von der sauberen Gesellschaft habe fich indessen auf der Reise, die theils mit der Eisenbahn, theils zu Fuß zurückgelegt wurde, die Füße wund gescheuert und sei infolge deffen zurückgekehrt. Die übrigen hätten das geplante Unternehmen wirklich ausgeführt, seien dann aber wegen der Beute in Streit gerathen, weil der Anstifter des Verbrechens, ein Bäcker Lerm, nach der Meinung seiner beiden Komplizen die legteren betrogen haben sollte. Obwohl nun von diesem Raubanfall hier nichts bekannt geworden war, flang diese Mittheilung doch so glaubhaft, daß die Polizei zur Verhaftung der ihr bezeichneten Raubgesellen schritt. Drei von ihnen wurden hier in Berlin festgenommen während der vierte, der Bäcker Lerm, der sich inzwischen nach Rottbus begeben hatte, auf telegraphische Requisition dortselbst verhaftet ward. Dadurch, daß man den Dreien sagte, Lerm habe alles eingestanden, gelang es, die ersteren zum Geständniß zu bringen, doch mußte einer von ihnen, und zwar jener, der fich die Füße wund gelaufen und nach Berlin zurückgekehrt war, wieder entlassen werden, da er an der Ausführung des Verbrechens thatsächlich nicht betheiligt gewesen ist. Die beiden anderen sind zwei Barbiere Namens Witte und Kumm, einer von ihnen war bisher völlig unbescholten, während der andere eine unerhebliche Vorstrafe erlitten hat. Nach ihren zussagen hätte sie Lerm, der in Schildau im Kreise Torgau bei jener Bäckerfrau in Kondition gestanden, zu dem Verbrechen überredet. Nachdem sie sich während der Abendstunden in einem Schuppen verborgen gehalten, drangen sie zwischen 11 und 12 Uhr Nachts in das noch erleuchtete Zimmer, wo die Bäckerfrau auf einem Sopha saß und in dem sich sonst nur noch ein kleines Kind befand. Wizke und Rumm fielen über die Frau her und versuchten zuerst durch Bu drücken der Kehle fte am Schreien zu verhindern, und als das nicht den gewollten Erfolg hatte, stopften sie ihr ein Taschentuch in den Mund. Mittlerweile hatte Lerm, der sich unkenntlich gemacht, nach dem Gelde gesucht und an sich genommen, so viel er davon entdeckte. Alle Drei verließen darauf den Thatort, ohne daß die nach den Räubern angestellten Ermittelungen zu irgend einem Resultat führten. Sie wären vielleicht nie ermittelt worden, wenn sie sich nicht betrogen geglaubt fie hatten nämlich von Lerm nur je 10 M. erhalten und ihrer Ents rüstung im Freundeskreise" Ausdruck gegeben hätten. Auf diese Weise ist das Verbrechen zur Kenntniß der Polizei gelangt. Die Thatsache desselben ist inzwischen telegraphisch von Torgau aus bestätigt worden. Da der Raub unter Anwendung von schweren Gewaltmaßregeln begangen ist, so haben die Uebelthäter eine außerordentlich strenge Strafe zu gewärtigen.
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Polizeibericht. Am 27. d. M. Vormittags wurde im Thiergarten, in der Nähe des Hippodroms, die Leiche eines etwa 20 Jahre alten unbekannten Mannes aufgefunden. Aeußere Verlegungen waren an derselben nicht wahrnehmbar. An= scheinend ist der Mann schon vor einiger Zeit dort im Schlafe erfroren und durch den inzwischen gefallenen Schnee bis jetzt den Blicken entzogen worden. An demselben Tage wurde in
der Invalidenstraße ein 75 Jahre alter Bildhauer durch eine Droschke und in der Fruchtstraße eine obdachlose Frauens person durch einen Geschäftswagen überfahren.
Gerichts- Zeitung.
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Kurz nach
Vorsicht bei Stammtisch- Gesprächen! einem am 31. Juli. v. J. stattgehabten Brande in Weißensce befand sich daselbst der Klempner Grabe in einem Bierlokal, deffen Stammgäfte im Laufe der Unterhaltung die Leistungen det Berliner und der Weißenseeer reiwilligen Feuerwehr einer vergleichenden Betrachtung unterzogen. Grabe verstieg fich hierbei zu der Aeußerung, daß beim Brande des Kaiserhofs manches f. 3. gestohlen und ebenso sei ihm in Weißensee bet einem Brande ein Regulator entwendet worden. Diese Aeuße rung fand insofern geneigte Ohren, als auf Grund derselben nun gegen Grabe Anklage erhoben ward wegen Beleidigung der Berliner und der Weißenfeeer Feuerwehr. Namens der ersteren hatte der zuständige Vertreter derselben, der Berliner Polizeipräsident Strafantrag gestellt; andererseits war eine von der Mehrzahl der Mitglieder der Weißenseeer Feuerwehr eingegangene Prozeßvollmacht dem zuständigen Schöffengericht des Amtsgericht überreicht, bei welchem der Oberführer der Weißenseeer Feuerwehr, Herr Büttner, den Strafantrag gestellt. Das Schöffengericht hatte den Oberführer zur Stellung des Strafantrags Namens der Weißenseeer Feuerwehr nicht für befugt erachtet, denn diese Feuerwehr sei feine Behörde oder juristische Person, sondern nur ein Verein; ferner sei die im Laufe des Verfahrens übrigens erst später eingereichte Prozeß vollmacht deshalb nicht für voll anzusehen, weil dieselbe nicht von sämmtlichen, sondern nur von einigen Mitgliedern unterzeichnet worden ist. Aus diesen Gründen war Grabe nur wegen Beleidigung der Berliner Feuerwehr verurtheilt worden; wegen des zweiten Anklagefalls, die Weißensee 'er Feuerwehr betreffend, beschloß das Schöffengericht das Verfahren gegen Grabe einzustellen. Gegen dieses Urtheil legte Der Staatsanwalt Revision ein; die Berufung richtete sich gegen die theilweise Einstellung des Verfahrens. Im gestrigen Audienztermin vor der zweiten Straffammer des Landgerichts Il nahm der Staatsanwalt in seinen Rechtfertigungs- Ausführungen Bezug auf einen analogen Fall, welcher jüngst in der Be rufungsinstanz eine Zurückverweisung in die Vorinstanz zur Folge gehabt. Nach einer Reichsgerichts- Entscheidung, Band VI, Seite 172, sei anzunehmen, daß auch eine Mehrheit von Personen, welche als Kollektivbegriff bezeichnet sind, beleidigt werden tönnen. Von diesem Gesichtspunkte beantragte der Staatsanwalt außer der obigen Strafe noch 30 M. Geldbuße gegen G., indem er schließlich noch erwähnte, daß es ganz gleichgiltig sein kann, ob von allen Mitgliedern oder nur von Büttner Strafantrag ge stellt ist. Rechtsanwalt Freudenthal machte hiergegen geltend, daß doch lediglich hier nur ein und dieselbe Handlung vorliege, bei welcher einmal die Berliner Feuerwehr und dann die Weißenseeer Feuerwehr angegriffen sei. Büttner, der den Strafantrag Namens der Feuerwehrmänner gestellt, sei hierzu nicht berechtigt, dieser sei nicht Feuerwehrmann; die Aeußerung des Angeklagten dagegen bezöge fich nur darauf, daß einem gewöhnlichen Feuerwehrmann ein Regulator abgenommen ist. Der Gerichtshof trat der im schöffengerichtlichen Urtheil ausgesproche nen Ansicht bet; es wurde angenommen, daß Büttner den Strafantrag zu stellen nicht berechtigt war. Er für seine Person war hierzu allerdings berechtigt, er hatte aber nicht für sich pers sönlich, sondern Namens der freiwilligen Feuerwehr einen Antrag gestellt. Aus diesem Grunde sei die Ansicht des Vorderrichters gerechtfertigt. Die Berufung des Staatsanwalts wurde verworfen und das erste Urtheil bestätigt. Die stoſten fielen
Staatstaffe anheim.
Der gestern mitgetheilte Beschluß des hiesigen Schöffengerichts betreffs der sofortigen Verhaftung der zu 3 Monaten Gefängniß verurtheilten Arbeiter Adolf Dietz und Karl Knobel resp. deffen Wiederaufhebung ist bisher nicht ge= nügend gewürdigt worden. Ohne daß ein Antrag des Staate anwalts vorgelegen hätte, hat der Vorsitzende des Gerichts, Amtsrichter Dr. Didel, nach Verkündung des Urtheils den Bes schluß publizirt, daß Dieß und Knobel in Haft zu nehmen seien. Um wenigstens zu Worte zu gelangen, stellte der Vertheidiger, Rechtsanwalt Dr. Flatau, den Antrag, die Angeklagten gegen Stellung einer Kaution aus der Haft zu entlassen, und erfuhr