Beilage zum Berliner Boltsblatt.
Nr. 152.
Kommunales.
Dem soeben fertiggestellten Verwaltungsbericht des Magistrats über die städtische Feuer- Sozietät pro 1. Ottober 1886-87 entnehmen wir, daß in dem Berichtsjahre 951 Brände einschließlich 12 Schornstein und 69 Gardinenbrände, 10 Leuchtgasexplosionen und 8 Blitstrahlbeschädigungen an Gebäuden vorgekommen find, für welche die städtische FeuerSozietät Vergütigungen zu zahlen hat. Außerdem find 50 Brände angemeldet und zweimal ist wegen eines Feuers außerhalb des Weichbildes von Berlin Feuerlärm gewesen, wodurch jedoch kein zu vergütender Schaden entstanden, sondern nur Löschtosten ver ursacht sind. Die Kosten, welche durch die Brände verursacht worden, einschließlich des antheiligen Beitrages zu den Kosten des Feuerlöschwesens, der Verwaltungskosten 2c. belaufen fich auf 1220 482,52 M. Hiervon gehen an Einnahmen 2c. ab 1843,45 M., es find demnach auszuschreiben 1218 639,07 M. Werden von jedem Hundert der Versicherungssumme, welche fich am 1. Oftober 1887 auf 2482 502 300 M. belaufen hat, fünf Pfennige ausgeschrieben, so kommen auf die Grund. ftücke zum einfachen Beitrage 1 237 017,95 M. zum doppelten 1122,50 M., zum vierfachen 14 642 M. und zum sechsfachen Beitrage 68,70 M., mithin in Summa 1 252 851,15 M. und bleibt ein Ueberschuß von 34 212,08 M. Hierzu treten noch Ueberschüffe aus früheren Jahren 2c. mit 794 124,69 M., so daß dem Ausschreiben pro 1. Oftober 1887-88 noch 828 336,77. zu Gute tommt, welche mit dem vorhandenen eisernen Bestande von 15 000 die Summe von 843 336,77 M. ergiebt.
Durch Rabinetsordre vom 29. Mai cr. ist der Stadtgemeinde Berlin das Enteignungsrecht behufs Erwerbung von Terrains zur Freilegung des Halle'schen Ufers zwischen Schöneberger- und Möckernstraße, sowie der Königsbergerstraße zwischen Rüdersdorfer und Memelerstraße ertheilt worden. Damit ist bezüglich der erstgedachten Terrains ein bedeutender Schritt zur Verwirklichung der längst projektirten Ladestraße weiter gethan.
Lokales.
Bahlreichen Anfragenden bezüglich der Räumungsfrist der Wohnungen zur Nacheicht, daß die Polizeiverordnung vom 26. März 1870 beſtimmt, daß a) fleine, höchstens aus zwei Zimmern nebst Zubehör bestehende Wohnungen am ersten Quartalstag, b) mittlere, d. h. aus 3-4 Wohnzimmern nebst Bubehör am zweiten Duartalstag um 12 Uhr Mittags, e) große, d. h. mehr wie vier Wohnzimmer nebst Zubehör um faffende Wohnungen am dritten Quartalstag um 12 Uhr Mittags geräumt werden müssen. Bei jeder Wohnung von 3 Zimmern nebst Zubehör muß jedoch ein Bimmer, bet Woh nungen von mehr als 3 Zimmern, 2 Bimmer schon am ersten Quartalstage zur Benutzung des zuziehenden Miethers vollständig geräumt sein. Fällt einer der drei ersten Tage des Quartals auf einen Sonn- oder Feiertag, so braucht die Räumung, statt an diesem Sonn- oder Feiertage, erst an dem nächstfolgenden Wochentage zu erfolgen.
Das neue Vogelschuhgesek tritt heute, am 1. Juli, in Kraft
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Wohlunterrichtet, wie immer. Für gewöhnlich intercffiren wir uns nicht für die Vorkommnisse in den sogenannten vornehmen Kreisen. Troßdem ist es aber doch bisweilen ganz intereffant, zu sehen, wie gewisse Blätter, die ihren höchsten Beruf darin erblicken, im gegebenen Augenblick allerunterthänigst im Staube zu erfterben, auf ihrer Jagd nach pikanten Nach richten in grober Weise hineinfallen. Die moralischen und fattischen Koften trägt natürlich der Bierphilister, für den ein J.d.r, der einen Titel oder eine Präpofition vor seinen Namen setzen darf, eine Art höheren Wesens ist. Die„ Berliner 8tg." hält dem Berl. Tagebl." folgendes unter die Nase: Ueber den Fürsten Anton Sulkowski wußte das„ Berliner Tageblatt" Dieser Tage allerhand pikante Daten zu berichten, welche sich, wie jezt das erwähnte Blatt zugeben muß, sammt und sonders als„ Enten" des fetteften Kalibers erwiesen haben. Das B. T." meldete als neueste Neuigkeit, daß der Fürst mit Einladungen zu Hoffestlichkeiten nicht meht beehrt werde, aber nichtsdestoweniger feine Gelegenheit versäume, auf denselben zu erscheinen, wenn auch die Vorbedingung einer besonderen Einladung nicht riftire. So faben wir," meldete das genannte Blatt, den Fürsten beim Neujahrsempfange, bei der Trauerfour und jüngst bei der Beifeßung Kaiser Friedrich's in Potsdam ." Darauf sandte der Fürst eine Berichtigung, in welcher es heißt: Ich
„ Ich
R. C. Ein reinigendes Gewitter hat uns endlich in dieser Woche die ersehnte Kühlung gebracht. Es war mit dem ganzen Komfort ausgerüstet, mit welchem derartige Naturereignisse bei uns in die Erscheinung zu treten pflegen: die Fische starben, der Blitz schlug ein und den Kellerbewohnern lief das Wasser in die sogenannten Puzstuben. Die Hize hatte es wirklich etwas zu gut gemeint; fie schien sogar in Köpfen, die sonst ganz normal find, recht bedenkliche Verheerungen angerichtet zu haben. An sich ist die Hige ja gar nicht so gefährlich; leider aber erzeugt sie als unangenehmste Beigabe den Durst, und wer denselben nicht mit unschädlichen Mitteln stillen kann der hat sich die Folgen selbst zuzuschreiben.
Was vom einzelnen Menschen gilt, hat auch so ziemlich für die Allgemeinheit eine gewisse Richtigkeit. Die Freisinnigen beriefen hoch oben im Norden eine Arbeiterverfammlung ein, und sie hatten sich zu diesem 3wed ein eigenes Arbeiterwahlfomitee zugelegt. Entschieden eine der merk würdigsten Früchte, welche der diesjährige Sommer gezeitigt hat. Herr Berliner das Einzige, was uns an dem Herrn gefällt, ist der Name- war zwar nicht selbst anwesend, dafür waren aber andere Leute erschienen, die im Handumdrehen aus der freisinnigen Versammlung eine ganz andere machten. Was thut das, die Freisinnigen wollten einmal Musterung halten über die Heerschaaren der Arbeiter, die ihnen zur Verfügung stehen- ob ihnen die Augen vor Rührung oder vor Schmerz gethränt haben, wer fann es wissen?! Nur wenige Tage noch, und es wird sich zeigen, was das Ergebniß solcher Versammlungen ist; wir sind niemals neugierig und werden es ruhig ab=
warten.
Sonntag, den 1. Juli 1888.
5. Zahrg.
Waisenräthe allein und mit ihren Kontrolbefugnissen nicht im Stande. Eine wesentliche Besserung dieser Verhältnisse aber erhofft man von einer auf freiwilliger Entschließung beruhenden Uebernahme der Vormundschaften. Die Waisenräthe würden fich in solchen Fällen dann auf die Prüfung zu beschränken haben, ob der zur Uebernahme einer Vormundschaft Erbötige in seinem Verhalten die für einen Vormund nöthigen Garan tien in fittlicher und rechtlicher Beziehung bietet.
Alle, welche die Stadtbahn zu einem Ausflug nach dem Grunewald benußen, empfinden es als einen großen Uebel stand, daß auf der Potsdamer Vorortstrecke im Grunewald selbst teine einzige Haltestelle angelegt ist. Nur der Eingana( Grune wald") und der Ausgang( Wannsee ) des großen Forftes ist durch eine Haltestelle ausgezeichnet worden. Sehnsüchtigen Blides überschaut der Fahrgast den blanken Spiegel des Schlachtensees, der in nächster Nähe aus dem dunklen Grunde des Hochwaldes und dem freundlichen Grün der Schonungen zur Bahnstrecke hinauf leuchtet; fragend durchsucht sein Auge die schönen Waldgebiete am großen Sternenirgends die Möglichkeit, auszusteigen. Wer zum Schlachtensee will, mag die Reise nach dem Potsdamer Bahnhofe antreten, um von dort das ersehnte Ziel zu erreichen Der große Stern, dieser idyllische Mittelpunkt des prächtigen, eichen- und buchenbeschatteten Weges, beftzt überhaupt keine benachbarte Bahnstation. Soll der Grune wald den Berlinern weiter zugänglich gemacht werden, so ist ter nächste Schritt hierzu die Anlage von Haltestellen der Stadt bahn am Schlachtensee und am großen Stern. Eine Halte= stelle am Schlachtensee würde auch den Spaziergang nach dem viel genannten großen Fenster" mit dem herrlichen Blick über die seeartige Havel bequemer machen, und eine Haltestelle am großen Stern würde Paulsborn, den Niemeister und die Krumme Lante einerseits, Saubucht und Dachsberge auf der anderen Seite für Viele erschließen, denen diese Partien jetzt zu weit aus dem Wege liegen.
bin weder beim Neujahrsempfange, noch bei der Beisetung| waltungen herbei zu führen, ist die Einrichtung der Gemeinde Kaiser Friedrich's in Potsdam gewesen, kann also auch nicht von Ihrem Berichterstatter, wie in der Notiz behauptet wird, gesehen worden sein." Das B. T." wußte ferner, daß der Fürst per Ertrazug hier eingetroffen war, was die Weltweisen des B. T." um so mehr in Erstaunen sette, als ihnen ja ganz genau befannt war, daß die Vermögensverhältnisse des Fürsten durchaus feine besonders gute seien. Der Fürst berichligt diesen kleinen Frrthum wie folgt:„ Ich habe keinen Ertra zug benutt, der, wie Ihr Bericht behauptet, allgemeines Er staunen erregt babe, habe vielmehr am Tage der Beisezung frant in meiner Wohnung gelegen." Zugleich sendet der Fürst im Original die Einladung zu dieser Feierlichkeit mit, indem er daran die Bitte knüpft, daß man sie an ihn zurüdgelangen laffen möge. Mit dem Extrazug, den der Fürst also gar nicht benutzt hat, hat es aber nach dem famos unterrichteten ,, B. T." noch eine besondere Bewandtniß. Der Fürst sollte nämlich, um fich den Extrazug leiften zu können, daß Fideikommiß Porzellan, ein Geschenk Königs August's des Starten an seinen Ahnen, den Fürsten Alexander Josef Sulfowsti, verkauft haben. Die Hauptstücke, jedes mit dem entsprechenden Wappen versehen, seien in das hiesige Kunstgewerbe- Museum gewandert, während die übrigen in die Hände von Antiquitätenhändlern übergingen. Das Berl. Tagebl." sah natürlich sogar einige Stücke in einer Auslage in der Mohrenstraße."... Daraufhin berichtigt der Fürst, daß er das betreffende Porzellan nicht nur nicht vers fauft habe, sondern nicht einmal wiffe, ob einer seiner Ahnen ein solches Geschenk von August dem Starken erhalten habe. Mit anderen Worten: fein einziges der Fakten, welche das Berliner Tageblatt" seinen Lesern auftischte, ist wahr gewesen. Recht sauersüß druckt es dieses Bouquet Berichtigungen ab mit dem mehr denn unglaubwürdigen Busaß, daß ihm die ursprüngliche Notiz aus Hoffreisen" zugegangen sei. Ja, das müssen nette Hoffreise sein, welche solche Unwahrheiten in die Welt streuen! Die Ente von dem Nichterhalten der Einladung, die Fabel vom Erscheinen bei der Trauerkour, die Mär von der Benuzung des Ertrazuges, die Berufung auf die„ Hofkreise", deren Hofdienst sich natürlich nur auf den Mond beschränkt, das find für das B. T." kleine harmlose Scherze, an die man fich mit der Zeit gewöhnt hat. Aber daß das Alatt mit der ernſteften Miene von der Welt erzählt, daß der Fürst Fideifommiß Porzellan verkauft habe, ohne zu wissen, daß Gegen stand eines Fideikommiffes nur Grund und Boden oder Kapital sein fann, daß es ferner seinen Lesern zumuthet, zu glauben, daß das hiesige Kunstgewerbemuseum, also ein staatliches Institut, Theile dieses Fideilommiß- Porzellanes in seinen Befty gebracht habe das ist denn doch zu starker Tabat! Das Berliner Tageblatt" ist trotzdem das wohlunterrichtetste und gebildetste" Blatt.
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Die Stellung der Gemeinde- Waisenräthe in unserer Stadt hat insofern sich als eine vielfach schwierige erwiesen, als diese Gemeindebeamten vielfach oftmals nicht in der Lage find, die Verhältnisse solcher Personen richtig zu beurtheilen, die zur Uebernahme nothwendig werdender Vormundschaften heran. gezogen werden müssen. Meist befinden sich die Waisenräthe in einer Zwangslage, wenn von ihnen die Bezeichnung einer ge eigneten Persönlichkeit für irgend eine Vormundschaft gefordert wird, und so kommt es unter dem Drängen der Verhältnisse nicht selten vor, daß für die Vormundschaft Jemand vorges schlagen wird, der dies immerhin bedeutungsvolle Amt ohne Intereffe, ohne Verständniß für dasselbe und blos deshalb übernimmt, weil er feinen gefeßlichen Grund nachweisen kann, der ihn berechtigen würde, die Üebernahme der Vormundschaft abzulehnen. So kommt es denn, daß zahlreiche Vormünder ihren Jahres bericht an die Behörde erstatten, während sie ihr Mündel viel leicht kaum einmal oder nur flüchtig gesehen haben. Bei ihrer fontrolirenden Thätigkeit finden die Waisenräthe oft genug Gelegenheit, über solche Vormundschaften zu flagen, die dem zu versorgenden Mündel nicht den mindeſten Vortheil gewähren versorgenden Mündel nicht den mindesten Vortheil gewähren und jenen Anhalt vermiffen lassen, deffen die Waisen gerade in dem Leben und Treiben einer großen Stadt dringend bedürfen. Andererseits hat es sich herausgestellt, daß für das Vormund schaftsamt sehr wohl geeignete Leute gar nicht hierzu herangezogen worden sind, weil sie den Gemeinde Waisenzäthen nicht genügend befannt waren. Unter diesen Umständen hat nunmehr die Erwägung Plas gegriffen, ob es nicht zweckmäßiger sei, in den einzelnen Gemeindebezirken der Stadt einen in ge eigneter Form zu erlaffenden Aufruf zu verbreiten, der zu freiwilligen Meloungen für die Uebernahme von Vormundschaften auffordert. Befferung in den einzelnen vormundschaftlichen Ver
flohen, während wir dasselbe immer noch mit den Dreirad fahrern theilen müssen, die sich die äußerste Mühe geben, nicht nur sich selbst, sondern auch ganz unbetheiligte zu Falle zu bringen. Sie sollen nach einer geistreichen Ansicht jetzt nummerirt werden die anderen Leute können sich die Knochen nummeriren, damit sie dieselben in ihrer Gesammtheit im gegebenen Falle ruhig nach Hause befördern tönnen. Was liegt daran, wenn jetzt jemand überfahren wird? Wer jetzt noch in Berlin ist, der kann auf eine menschenwürdige Behandlung kaum noch Anspruch machen; menschenwürdige Behandlung kaum noch Anspruch machen; Alles, was ein bischen was ist, muß entweder bereits abgereist sein, oder auf dem Punkte stehen, abzureisen, oder endlich mindestens die Kursbücher studiren und sich mit dem Gedanken, ein Rund: reisebillet zu erstehen, herumtragen. Alles hat die Arbeit eingestellt, die leitenden Staatsmänner gehen monatelang in die Sommerfrische, wahrscheinlich muß die Staatsmaschine gereinigt werden. Hoffentlich wird keine Inventur maschine gereinigt werden. Hoffentlich wird keine Inventur gemacht. Anderen ist die Sommerruhe aufgezwungen wor ben, von ihrem Dasein erhielt man nur noch aus den ben, von ihrem Dasein erhielt man nur noch aus den Spalten der Kreuzzeitung" Runde, und nichts ist mehr von ihnen übrig geblieben. Am besten sind noch die Leute ihnen übrig geblieben. Am besten sind noch die Leute daran, die ihre besseren Hälften der eigenen Erholung wegen weit weg spediren fönnen. Das Geschlecht der Strohwittwer weit weg spediren können. Das Geschlecht der Strohwittwer feimt überall luftig empor, und aus dem soliden, sitten strengen Ehemann ist urplöglich ein kaum zu bändigender Durchgänger geworden. Doch was kümmert das uns, wir sind in dieser Beziehung kaum zuständig und wollen das Urtheil über diese Erscheinung, die sich alljährlich wiederholt, Urtheil über diese Erscheinung, die sich alljährlich wiederholt, getrost denen überlassen, die während des übrigen Theiles des Jahres für das sinnige Familienleben, d. h. für den mehr oder weniger sanften Pantoffel schwärmen. Nichts bleibt auf dieser Welt, nur der Wechsel ist be
Inzwischen ist der Wollmarkt ohne nennenswerthe Beständig. Herr von Puttkamer weilt in Pommern , und da triebsstörung ruhig vorbeigegangen; von der Konditorenausstellung dürfte fein ungegessener Kuchenfrümel mehr übrig sein; die Reichs- und Landboten haben ihre Heimathlichen Gefilde wieder aufgesucht, sie sind dem Asphaltpflaster ent
ihm von seinen übrigen Verdiensten nichts geblieben ist, so verzichtet er jetzt freiwillig auf das, was man ihm sonst als verzichtet er jetzt freiwillig auf das, was man ihm sonst als seine eigene Errungenschaft anrechnete. Jedermann- oder oder auch nicht auch nicht kannte die Puttkamer'sche Orthographie, der
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Ueber das Heirathen unter Blutsverwandten und das Verhältniß der Geisteskrankheit dazu schreibt der T. H." ein medizinischer Mitarbeiter: Die Statistik hat die bedeutsame und interessante Frage, ob die Blutsverwandtschaft der Eltern Erkrankungen der Nerven oder des Gehirns bei den Kindern hervorruft, noch nicht endgiltig gelöst und die Meis nungen gehen noch heute unter den autoritativen Forschern weit auseinander. Während West und der französische Neuropas thologe Trousseau die Blutsverwandtschaft in die erste Reihe der Ursachen zur Degeneration des Gehirn- und Nervensystems stellen, sehen andere berufene Ferscher wie Jarvis und auch bereits Darwin in der Gesundheit der verwandten Eltern doppelte Sicherheit der Kinder gegen förperliche und geistige Unvollkom menheiten. Demgegenüber spricht fich neuerdings Schuttleworth dahin aus, daß zur Veredelung der Raffe bei Thieren durch Inzucht sorgfältig nur die besten Thiere ausgewählt werden, während zu blutsverwandter Ehe gerade Abkömmlinge neu ropathisch belasteter Familien vorzugsweise neigen, und Liebe oder andere Motive zur Verbindung führen, nicht die Rückficht auf die Gesundheit der Individuen. Nach den unvollkom menen Ermittelungen in englischen Anstalten für Nerven- und Geistestranke läßt sich etwa in drei bis fünf Prozent der Jdioten Blutsverwandtschaft der Eltern( Koufin und Koufine) nach weisen, ein Prozentsay, welchen bekanntlich auch Darwin für die gesammte Bevölkerung als geltend annimmt. Schuttleworth bestreitet dieses und steht in den Thatsachen einen Beleg für die Schädlichkeit solcher Chen. Immerhin aber, so meint dieser Forscher, sei kein Grund vorhanden, bei Personen, in deren Familie ein genaues Nachfragen feine erbliche Schwäche in neu rotischer oder sonstiger Hinsicht ergiebt, unbedingten Einspruch gegen das heirathen zu erheben.
Im Auftrage der chinesischen Regierung kommt in den nächsten Wochen eine technische Sachverständigenkommission nach Berlin , um die größeren industriellen Etablissements in Augenschein zu nehmen und ihre Einrichtungen genauer kennen zu lernen. Die Kommission hat die Aufgabe, alle Hauptstädte Europas zu besuchen.
Der beim Berliner Landgericht zugelaffen gewesene Rechtsanwalt D. hat im Oftober 1886 trop einer ganz einträg lichen Praris plößlich Berlin verlassen und sich nach B. in Nordamerika begeben. Erst von Rotterdam aus hatte er einem Kollegen von seinem Entschluß Kenntniß gegeben und denselben mit der Uebernahme der laufenden Mandate betraut. Dieses auffällige Verschwinden des betreffenden Rechtsanwalts und der an den Herrn Justizminister gerichtete Antrag, ihn aus der Lifte
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ehemalige Minister des Innern wurde überall als der Vater der neuen Rechtschreibung nicht nur in orthogra= phischem Sinne phischem Sinne anerkannt, und nun ist auch das nicht einmal wahr. Herr von Puttkamer läßt die neue Orthographie auf den Minister Falt zurückführen; Herr Falk dürfte sich vielleicht aber recht sehr dafür bedanken, wenn
er
die Verantwortung für alles das, was im Puttkamer'schen Sinne geschrieben wurde, übernehmen sollte. Das wäre vielleicht etwas starter Tabat, noch stärker als das neue Kraut aus Kamerun .
Aus Neudeutschland ist nämlich ein Quantum Tabak nach Hamburg gebracht worden, und die Kolonialschwärmer und diejenigen Leute, die an dem Kamerununfug ein klingendes Interesse haben, ließen wahre Lobhymnen über das Giftkraut vom Stapel. Sogar salonfähig sind die neuen Bigarren geworden, sie bringen bis in die höchsten Kreise. Lesen wir doch in guts gesinnten Zeitungen: Nach dem Essen, das Dienstag Abend der Reichskanzler den Mitgliedern des Bundesraths gegeben hat, wurde unter anderm auch eine Probe von Bigarren angeboten, die aus Kameruner Tabak hergestellt waren. Sie fanden viele Liebhaber und Kenner rühmten sehr ihren Wohlgeschmack. Hoffentlich bleibt es bei diesem Wohlgeschmack, nur fürchten andere Leute, daß nicht nur die 3igarren, sons dern auch ganz Kamerun einen Nachgeschmack haben wird, der sonst nur den ersten Rauchversuchen eigenthümlich ist. Bon den anderen unappetitlichen Folgen ganz abgesehen. Leider sind zu wenig von den Kameruner Bigarren nach Deutsch land gekommen, als daß sich jeder aus eigener Erfahrung ein endgiltiges Urtheil über den neuen Tabakssegen bilden fönnte. Den Mittheilungen der Presse mißtrauen wir grundsätzlich, es muß hier einfach heißen: Selber rauchen,
macht einem übel.
Sollte vielleicht der Kameruner Tabak noch eine andere Mission haben? Man hört soviel vom Tabatsmonopol in der letzten Zeit es wäre schrecklich, wenn wir von Reichswegen zu Kameruner Tabak verurtheilt werden sollten!
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