reicher das Feld rauhten mußten. Er lhat damals den Schwur, sein Haus nicht wieder zu verlassen, und hat diesen Schwur treu gehalten. Das einzige, was er sich noch gestattete, war. daß er den Kopf zum Fenster hinaus steckte, um das Treiben auf der Gasse zu beobachten. Von all den Ereigniffen, die sich seit 1866 hier abgespielt haben, von den großen Bauten und Veränderungen in unserer Stadt hat der Sonderling, der nähere Verwandte nicht mehr hatte und allein für fich lebte, nur durch die Zeitungen Kenntniß erhalten, persönlich gesehen hat er davon nichts. Mie«, 7. August. (Eine Leiche im Felde.) Der Schnitter Franz Rieglcr aus Jnzersdori war gestern auf dem Felde mit Gersteschneiden beschäftigt. Entsetzt hielt er plötzlich in seiner Arbeit inne der Leichnam eines Mannes lag mitten im Felde vor ihm. Die Leiche befand stch bereits im Zustande hochgradiger Verwesung. Riealer erstattete sofort beim Gendarmerieposten- Kommando in Jnzersdorf, sowie im dortigen Bürgermeister- Amte die Anzeige. Aus Jnzersdorf kamen massenhaft Neu- gierige herbei, doch niemand konnte üo�r den Todten Auskunft geben. Um 5 Uhr Abends erschien aus Hietzing die Gerichts- kommisston, sowie zwei Gerichtsärzte. Die beiden Gcrichtsärzte erklärten, daß schon wenigstens ein bis anderthalb Monate ver° flössen sein müssen, seit die Leiche hier liege. Ein Telegramm, welches in den Taschen des Todten gefunden wurde, ist datirt vom 20. Juni 1888; in dem Telegramm handelt es sich um Bestellung von mehreren tausend Stück Ziegeln; die Adresse, an wm das Telegramm gerichtet war, ist vollständig unleserlich. Schöffengerichts seinen Abschluß. Herr I. und fern Sohn waren der gemeinschaftlichen Mißhandlung angeklagt und als Belastungszeugen hatte die Staatsanwaltschaft Fraulem Auguste I. nebst dem gemißhandelten Bräutigam geladen. Beide Angeklagten bestritten die ihnen zur Last gelegte That, während die Zeugen das Vergehen in allen Einzelhetten bc- kündeten. Mit fester Stimme erklärte fich die Tochter berett, zu Gunsten der Anklage Zeugniß gegen Vater und Bruder ab- zulegen und mit ficherer Stimme sprach fie dem Vorfitzenden die Formel des Eides nach. Der Staatsanwalt wollte die Gesetzesverletzung mit 2 Monaten Gefängniß für jeden Ange- klagten gesühnt wissen; der Gerichtshof erkannte gegen den Vater, Tiichlermstr. I. auf 2 Wochen, gegen den Sohn, Tischlergesellen tzeinrichJ. auslWockeGefängniß. Grimmig verließen dieParteien den Gerichtssaal. Auf dem Korridor kam es zwischen Eltern und Kind zu einer erregten Szene; die Mutter versuchte, die Tochter, welche dem Ellernhause den Rücken gekehrt hat, mit fich zu nehmen und wurde bierin von den anwesenden Ver- wanvten unterstützt. Auguste I. wehrte fich aber wie eine Ver- zweifelte und stieß gellende Hilferufe aus, welche das ganze Gebäude alarmirten und die Mutter veranlaßten, von ihrem Vorhaben Abstand zu nehmen. Unter dem Schutz der Beamten nahm das geängstigte Mädchen auf einer Bank neben dem Geliebten Platz, um später mit diesem das Gebäude zu ver- lassen. Ei« Ktelleuvermittelunsss'chwindel unterlag gestern wieder der Prüfung der zweiten Ferienstrafkammer des Land- gerichts L Auf der Anklagebank befanden fich der Stellenver- mittler Gustav Kuhse und der P.ivatsekretär und Rechtskonsulent Wilhelm Mengel, denen mehrere gemeinsame und einzeln ver- übte Betrügereien zur Last gelegt wurden. Der erste bisher un- descholtene Angeklagte gründete im August v. I. in der August- st.aße 31 ein Stellenvermittelungsbureau. Seine erste Thätigkeit bestand darin, daß er durch die Zeitungen bekannt machte, er habe für einen gewandten kautionsfähigen jungen Mann eine leichte und dauernde Stellung zu vergeben. An Reflektanten war kein Mangel, es meldeten stch Leute aus den verschiedensten Berufs- zweigen, besonders solche, welche eine Hausdienerstelle suchten. Kuhse nahm zunächst das Einschreibegeld und schickte die Arbeit- suchenden dann zu dem zweiten Angeklagten. Dieser, der bereits vier ehrenrührige Vorsttafen hinter fich hat, nannte fich Inhaber eines Geschäfts, das den stolzen Titel:Deutsches Bureau für Recht und Handelssachen", trug. Er engagirte die jungen Leute als Gehllfen und alsTheilhaber", wenn fie eine Kaution von 100 M. stellen konnten, wobei er ihre Bedenken, daß fie der ganz außerhalb ihrem bisherigen Berufe liegenden Thätigkeit nicht wurden genügen können, leicht zu beseitigen wußte. Das Deutsche Bureau für Recht und Handelssachen" bestand aus einem mit einer grünen Decke bedeckten Tische, der seinen Stand- naatt in einem Winkel eines in der Jüdenstraße belegenen kleinen Restaurants hatte. Hier arbetteten Chef und Gehilfe, der letztere wurde mit Abschreiben beschäftigt. Wenn die Geprellten einsahen, daß fie das Opfer einer Schwindelei geworden und ihre Kaution wieder heraus haben wollten, hatte Mengel entweder gerade sein Portemonnaie mtt einem bedeutenden Betrage verloren, oder er «klärte rund heraus, daß er nichts besttze. Die Angeklagten bestritten beide ihre Schuld und mußten durch die Beweisauf- rahme üdersühtt werden. Besonders der Angeklagte Mengel zeigte fich durch dieselbe als ein Winkelkonsulent ver ärgsten Sorte, während Kuhse nur in geringem Umfange belastet wurde. Der letztere kam denn auch mit einer Gefängnißstrafe von 1 Monat davon, die durch die erlittene Untersuchungshaft für verbüßt erachtet wurde. Mengel wurde dagegen zu 2 Jabren Gefängniß und 3 Jahren Ehrverlust verurtheilt; ihm wurden 3 Monate für die Untersuchungshaft angerechnet. Der große Prozeß gegen KuKofzer mrd Ge­nosse», vier auf den Rennplätzen wohldekannte Persönltch- lat-.n, die stch wegen Buchmachens und gewerbsmäßigen Glück- sviels zu verantworten haben werden, findet am 4. September er. ror der elften Ferienstrafkammer des Landgerichts l statt. Da gegen 40 Zeugen geladen find, wird der große Schwurgerichts- saal in Anspruch genommen werden. Dereine nud Nersamminngen Dir gestrig» große Wähteroersammlnng in der Tonhatte war noch stärker besucht, als die vom Donnerstag vor acht Tagen. Noch vor Beginn der Verhandlungen mußten die Saaltbüren wegen Uedersüllung der Räume geschlossen werden, sodaß Hunderte umkehren mußten. Der Referent Herr Werner kritifirte treffend und scharf die politischen und sozialen Zustände der Gegenwart und empfahl die Kandidatur Lied- krtechts, dessen Name wieder mit brausendem Jubel begrüßt wurve. Mit demselben Beifall wurde einOffener Brief " Liebknechts an die Wähler des 6. Wahlkreises aufgenommen, in dem er besonders seine Stellung zum Parlamentarismus scharf umgrenzt. Eine lebhafte Diskusston schloß fich an, die sich besonders mtt der Person des Mannes mtt dem letzten Hemde", des Herrn Pickenbach, de- schäftigte, und verschiedenen Rednem Gelegenheit zu kräfttger Kritik der herrschenden Zustände und Parteien gab. Nachdem enre entsprechende Resolution mit allen gegen eine Stimme an- genommen war, schloß der Vorfitzende die Versammlung mit e'i ern dreifachen Hoch auf Liebknecht und die deutsche Sozial- demokratie» das von den Anwesenden mit stürmischer Begeiste- rung ausgebracht wurde. Sodann entfernte fich alles in größter Ruhe. Ausführlicher Bericht folgt. Zentral-Kranken-«nd Kterbekasse der Tischler«tr. Die Vorstandsmttgliedcr sämmtlicher hiestger Verwaltungsstellen versammeln fick am Frettag, den 10. d. Mts., Abends 9 Uhr, Srralauerstr. 43. Zentral-Kranken- und Kterbekasse der deutschen Wagenbauer(E. H. Nr. 8). Sonntag, den 12. August, Vormittags 10i Ubr, Versammlung sämmtlicher hiefigen Orts- »«Wallungen bei Pinkstadt, Jnoalidenstraße 16. Das dies- jäh.ige Sommerfest findet am 18. August im Konzertpark Ostend , Frankfurter Allee 7273, statt. Um den Mitgliedern einen genußreichen Tag zu verschaffen, werden die verschieden- artigsten Belustigungen veranstaltet werden. Billet 30 Pf. De« Mitglieder« de» Verein» znr Wahrung der Interesse« der Klavierarbeiter zur Nachricht, daß die Bibliothek fich Naunynstr. 78 bei Restaurateur Winzer (Vorstandslokal) befindet und von Montag, den 13. August, ad j-den Montag Abend von 79 Uhr und jeden Donnerstag Abend von 810 Uhr geöffnet ist; daselbst können auch Bücher(Lexikon u. s. w.) gelesen werden. Um rege Bethei- ligung ersucht alle Mitglieder: Der Vorstand. Kachverei« der Knchbinder und verwandten Berufs- genoffen. Sonnabend, 11. August, Abends 8t Uhr, Vereins- Versammlung imLouisenstädiischen Clubhause", Annenstr. 16 L Tagesordnung: 1. Das Ergebniß der Statistik im Sommer- Haldjahr 1888. 2. Verschiedenes und Fragekasten. Sonntag, den 12. August, Dampferpartie nach Schmöckwitz (Segler- schlößchen). Abfahrt präz. 8 Uhr von der Janno witzdrücke. Kleine Mittheilungen. Nenwied, 7. August. Infolge des anhallenden Regen- wetters steigt der Rhein stetig und wird vorausfichtlich noch im Laufe des heutigen Tages das Ufer übertreten. Die Männer- Schwimmanstalt mußte beretts im Hafen Sicherheit suchen� 7 August. Ein ganz eigenartiger Sonderling, seines Zeichens ein Drechslermeister, ist hier heute infolge eines Schlaganfalls gestorben. Dem Drechslermeistcr wollte die sett 1866 eingetretene politische Umwälzung durchaus nicht gefallen, stisbesondere konnte er es nicht verschmerzen, daß die Oester- Verantwortlicher Redakteur: