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Nr. 198.
Freitag, den 24. August 1888.
5. Jahrg.
Berliner Volksblatt.
Organ für die Interessen der Arbeiter.
Das„ Berliner Volksblatt"
erscheint täglich Morgens außer nach Sonn- und Festtagen. Abonnementspreis für Berlin frei in's Haus viertelfährlich 4 Mart, monatlich 1,35 Mart, wöchentlich 35 Pf. Postabonnement 4 Dart. Einzelne Nummer 5 Pf. Sonntags- Nummer mit dem Sonntags- Blatt" 10 Pf. ( Eingetragen in der Postzeitungspreisliste für 1888 unter Nr. 849.)
Redaktion: Beuthstraße 2.
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Trübe Aussichten.
Herr von Bennigsen, der Staatsmaun der National liberalen, war in Friedrichsruh beim Kanzler, und die Zeitungsschreiber zerbrechen sich den Kopf darüber, welcher 3wed wohl mit dieser Reise verknüpft gewesen sein mag. Rationalliberale Beitungen wagten schüchtern anzubeuten, baß es sich bei der Zusammenkunft vielleicht darum ge= handelt habe, den hannoverschen Landesdirektor zum Eintritt in das preußische Staatsministerium zu bewegen, aber das Sohngelächter, das über diese Vermuthung im konservativen Lager laut wurde, belehrte die Herren von der Partei Drehscheibe sehr schnell darüber, daß die 3eit, wo sie mit aus der Schüffel essen könnten, auch jetzt noch nicht da fei.
Wenn aber nicht anzunehmen ist, daß Herrn von Bennigsen gelegentlich seiner Anwesenheit im hübschen Lust schloß im Sachsenwalde etwas angeboten wurde, so ist es um so viel wahrscheinlicher, daß von ihm etwas verlangt wurde. Und dieses Etwas dürfte allen Anzeichen nach barin bestehen, daß der Zeitpunkt, wo den riesigen Opfern, welche dem Militarismus erst im vorigen Jahre gebracht wurden, neue folgen werden, direkt vor der Thüre steht, und daß der Kanzler den Versuch gemacht hat, den auch über die Preise seiner eigenen Partei hinaus Einfluß ausübenden Parteis führer für die neuen Forderungen zu gewinnen. Daß das Letztere dem Kanzler gelungen ist, daran wird wohl niemand zweifeln, und so kann sich das deutsche Volt wieder das Wort Jagos zu Gemüthe ziehen und Geld in feinen Beutel" thun.
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Insertionsgebühr
beträgt für die 4 gespaltete Petitzeile oder deren Raum 25 Pf. Arbeitsmarkt 10 Bf. Bet größeren Aufträgen hoher Rabatt nach Uebereinfunft. Inserate werden bis 4 Uhr Nachmittags in der Expedition, Berlin SW., Bimmerstraße 44, sowie von allen Annoncen- Bureaur, ohne Erhöhung des Preises, angenommen.
Expedition: Zimmerstraße 44.
dann im Winter die Möglichkeit des Krieges mit zwei| daß er nicht der Einzige ist, der auf diese Weise sein Leben Fronten vielleicht werden es dieses Mal gar drei einbüßt. Fronten, nämlich eine zur See gegen England, was ja die Nothwendigkeit der Vermehrung der Seerüstung plausibler macht- wieder auftaucht, dann wird der„ Patriotismus“ wohl schon den nöthigen Hißegrad erreicht haben, und vielleicht erleben wir noch einmal das Schauspiel, daß eine Vorlage, zu deren Durchführung hunderte von Millionen nothwendig sind, gewissermaßen im Handumdrehen ohne Debatte bewilligt wird.
Die meisten europäischen Völker, und wir Deutsche leider an der Spiße, befinden sich in einem förmlichen Kriegsparorismus; alles Sinnen und Trachten des herrschenden Theiles der Nationen ist von dem Gedanken an ben bevorstehenden Weltkrieg der als etwas Unvermeidliches betrachtet wird, in Anspruch genommen, und die Vorbereitung zu diesem Kriege, den angeblich Niemand will und den doch alle Welt befürchtet, saugt den europäischen Völkern das Mark aus den Knochen.
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In welchem Maße dies bei uns in Deutschland der Fall ist, zeigt das tolossale Wachsthum der Staatsschulden, welche wir für militärische 3wecke im Laufe der letzten zehn Jahre zu machen genöthigt gewesen sind. Bis zum Jahre 1876 waren wir in der angenehmen Lage, alle außerordentlichen Bedürfnisse für das Heer aus der französischen Kriegsentschädigung becken zu können, wie ja auch unfere Festungen mit französischem Gelde umgebaut, der Invalidenfond aus derselben Quelle gespeist und der Kriegsschatz im Spandauer Juliusthurm davon errichtet wurde. Im Jahre 1877 waren aber die französischen Kriegsgelder verbraucht, und es mußte zum ersten Male zu einer Anleihe von 6 420 000 M. für militärische Zwecke geschritten werden, der dann regelmäßig jedes Jahr und zwar in der 3iffer fast ununterbrochen steigend, weitere Anleihen folgten. So haben wir es denn in diesem Beitraum von fnapp zehn Jahren glücklich dahin gebracht, daß für 3mecke des Land710
Um was es sich zunächst bei den neuen militärischen Forderungen handeln wird, weiß freilich noch niemand zu lagen, doch geht die Vermuthung allgemein dahin, daß hauptsächlich Ausgaben für die Marine und die Küstenein befestigter Kriegshafen werden, und vielleicht trägt man Seemacht zweiten Ranges, womit wir uns bis jetzt begnügt gemacht werden müssen. Dazu kommen noch 184 370 000 m.
muß es sich, wenn die Vermuthungen, welche an den Besuch Bennigsens geknüpft werden, anders richtig sind, um viele, vielleicht hunderte von Millionen handeln, denn um Bagatellen von etlichen Millionen willen brauchte sich der Kanzler teine Mühe zu machen, dazu ist ihm die Bustimmung der Kartellparteien immer sicher.
Es wird also aller Voraussicht nach der nächste Reichs tag den deutschen Michel wieder Ueberraschungen sehr unangenehmer Art bringen, und daß dieselben auf dem militärischen Gebiet liegen, dafür zeigt schon der Umstand, daß die KriegsSeßereien jetzt wieder im Schwunge sind, wie schon lange nicht mehr. Der Michel muß präparirt werden, und wenn
Rachbruc verboten.]
Feuilleton.
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Ihre Tochter. Rriminal- Roman nach dem Französischen von R. Detring. Wollte er Martine Ferrette auffinden, so schien es iu ber That einfacher zu sein, in jedem Hause der Rue fie vielleicht niemals tam. Andreas fah das sehr wohl ein, aber er hatte einen Widerwillen dagegen, dieses
daß die Gesammtsumme der Schulden, welche das Reich für militärische 3wecke innerhalb der letzten zehn Jahre gemacht hat sich auf 894 740 000 m. also beinahe eine Milliarde beläuft.
Diese toloffale Schuldenlaft wurde aufgehäuft, obwohl wir ungestörten Frieden hatten und nicht eine scharfe Patrone verschossen wurde.
Wir wissen nun wohl, daß man uns sagen wird, andere Nationen und speziell die Franzosen , haben innerhalb dieses Beitraums noch viel mehr Schulben für militärische 3wecke gemacht. Das ist ja richtig, andererseits aber ist es ein Das ist ja richtig, andererseits aber ist es ein sehr schlechter Trost für einen Ertrinkenden, wenn er weiß,
weiterritten, einen halblauten Fluch über seine Ungeschicklichkeit ausgestoßen.
Andreas achtete nicht darauf und hob nicht einmal den Kopf, bis ihn sein Pferd schließlich mitten auf eine von ents gegengesetter Richtung herangaloppirende Reitergruppe führte.
Heiliges Donnerwetter! Herr! Passen Sie doch auf!" rief eine entrüftete Stimme.
Träume versunkene Andreas beinahe bügellos geworden Der Zusammenprall war so heftig, daß der in seine Träume versunkene Andreas beinahe bügellos geworden wäre; aber schnell saß er wieder fest im Sattel, hob den
Statt uns immer darauf hinzuweisen, daß unsere euros päischen Nachbarn sich in derselben Lage befinden wie wir, b. h. ebenfalls langfam aber sicher am Militarismus ver bluten, wäre es besser, den Blick über den Atlantischen Ozean zu werfen, wo sich Dinge abspielen, welche unsern chauvinistischen Schreiern und Verherrlichern des Militarismus zu denken geben sollten.
Während die europäischen Finanzminister sich die Köpfe zerbrechen, wo sie die Gelder herbringen sollen, um die immer mehr wachsenden Ausgaben für die stehenden Heere zu decken und eine Anleihe um die andere aufgenommen
und eine neue Steuer um die andere den europäischen Völkern aufgelegt wird, beschäftigt den Finanzminister der Vereinigten Staaten die Frage: wo er mit den übers flüssigen Millionen bleiben soll, welche sich im Staatsschatz befinden. Während bei uns die Staatsschulden mit beängstigender Schnelligkeit wachsen und so die Steuerzahler immer mehr den internationalen Geldfürsten tributär werden, fordert der amerikanische Finanzminister die Besitzer der erst in den Jahren 1892 und 1904 fällig werdenden Bundesschuldbonds auf, dieselben jetzt schon und zwar unter Gewährung einer ganz erheblichen Prämie zur Einlösung zu bringen. Am Ende des letzten Finanzjahres, am 30. Juni b. 3. betrug der Ueberschuß der Einnahmen über die Ausgaben in dem einen Jahre 130 Millionen Dollar, und alles in allem befanden sich im Bundesschatz 600 Mil lionen Dollar Ueberschuß. Die amerikanischen Staatsmänner sind Angesichts dieser Sachlage ernstlich bemüht, die Einnahmen des Staates zu verringern, d. h. die Steuern und 3ölle herabzusetzen. Besonders gegen die letzteren, welche in der Union eine ganz ungerechtfertigte Höhe haben, richtet sich die Agitation und im Repräsentantenhause ist eine Bill zur Annahme gelangt, welche eine allgemeine Bollreduktion enthält und besonders Erleichterungen für Rohmaterialien und vor allem für importirte, nothwendige Lebensmittel bringen würde. Salz soll darnach vollständig
steuerfrei werden. Dies ist eine Forderung, die auch bei uns noch in den sechziger- und anfangs der siebziger Jahre auf jedem liberalen Programm stand, heute aber faft verschollen ist. Auch ein 3eichen des Rückschritts, den wir im Laufe der leßten 25 Jahre durchgemacht haben.
Während also das alte Europa unter den Militärlaften fast erdrückt wird und wir in Deutschland uns anschicken, die so wie so schon überschwere Bürde, noch zu vermehren, bes zahlen die Amerikaner den letzten Rest ihrer Staatsschulden Leben und damit thatsächlich auch die Arbeitskraft. Schon heute ist der junge, amerikanische Riese ein gefährlicher Konkurrent auf dem Weltmarkt; in wenigen Jahrzehnten
,, Ich hatte mich darauf eingerichtet, den Herrn durchreiten zu lassen." Uebrigens grüßte er Andreas mit großer Höflichkeit, jener aber dankte mit auffälliger Kälte. das Wort. Ja," erwiderte der Baron . Der Herr ewies mir bereits einmal die Ehre, mich aufzusuchen, und ich bin sehr erfreut, ihn wiederzutreffen."
Sie kennen sich wohl schon?" nahm Guntram wieder
Mädchen in seiner Wohnung aufzusuchen und es dort Kopf und erkannte sich gegenüber den Major von Arbois , Sie bgleiten uns doch, lieber Andreas?"
Die Vertraulichkeiten waren
um Auskunft zu bitten. ihm unangenehm, die sich an diesen Besuch anschließen
fonnten,
während ein zufälliges Busammentreffen im
der im Mittelgliede einer Gruppe von vier Herren ihn mit eingeschlossen sich befand.
"
Wie! Sie find es, lieber Freund?" rief Guntram und war sofort besänftigt. Der Teufel soll mich holen, und noch dazu so... ge wenn ich Sie hier zu treffen bacht hätte! Ein reines Glück, daß Sie und ich fest zu pferde sitzen, sonst hätten wir das Bergnügen haben können, uns unten im Sande zu begrüßen!"
Freien mit Martine diese Unannehmlichkeiten ausschloß. Er begann aber schon die Hoffnung aufzugeben, ihr und mit Theresen, die er nicht mehr wiedersehen sollte. Was mochte sie jetzt wohl in ihrem Häuschen am Boulevard dialie machen? Hatte ein Anderer seine Stelle in ihrem Herzen eingenommen? Dachte sie noch zuweilen an ihn, Augenblick zerstreut." den fie zwei Tage lang mit ihrer Liebe beglückt hatte und der sie nicht vergessen fonnte? Waren die Gefahren, die
"
"
Entschuldigen Sie," bat der Baron . Ich war einen Sie dachten wohl, Sie ritten durch eine betragwo Haide, ganze Kavallerie
die
Kreise stehen bleiben und plaudern," sagte der Offizier ,, Das ist aber noch kein Grund, daß wir hier im Kreise stehen bleiben und plaudern," heiter. ,, Wir sperren den Weg. Vortwärts, meine Herren.
" Ich danke Ihnen," erwiderte Herr von Elven ,,, ich bin aber leider gezwungen, nach der Stadt zurück zu müssen."
„ Jeßt, wo alle Welt erst hier erscheint!... Das wäre doch absurd... Ich lasse Sie übrigens nicht los, ich
habe Ihnen sehr viel zu sagen... Begleiten Sie uns nur
bis zum Wege nach Longchamp."
Es war Andreas nicht besonders angenehm, in so zahl reicher Gesellschaft mitzureiten, aber der Major hatte ihm soeben gefagt, daß er ihm Mittheilungen zu machen hätte. Dann hatte er sich ja auch schon entschlossen, in die Kreife
fie bedroht hatten, gebannt? Wie oft war ihm der Ge- bequem manöveriren kann! So viel Platz ist hier im gemacht werden und die Gelegenheit war günstig. banke gekommen, unsichtbar über sie zu machen und des Nachts vor dem Gartengitter der einsamen Villa auf spazieren reitet, so muß man sein Pferd fest im Bügel die Gesellschaft ordnete sich wieder. Andreas ritt zwischen Posten zu stehen, in die ein Feind so leicht eindringen haben. Nun, das Uebel mar nicht so schlimm, wir sind Herrn von Arbois und Desternay, der sich zu seiner Rechten fonnte. Aber er hatte kein Recht mehr, sie zu beschützen. ja beide nicht gestürzt, und das ist auch kein Grund, befand. Den linken Flügel des Truppe bildeten der dicke Das war jetzt die Aufgabe seines Nebenbuhlers, dessen Be- weshalb ich noch immer verabsäume, Sie meinen Freunden Sartilly und der Baron von Randal.
merbungen der Major bei der Mutter Theresens unter
So vertieft war Andreas in diese traurigen Träumes reien, daß er die Bügel auf den Hals seines Pferdes hatte hinabgleiten lassen, das nun ruhig mitten auf der Allee Schon ein paar Mal waren ihm entgegenkommende
vorzustellen. Meine Herren, der Herr Baron Andreas von Herr Desternay Herr von Elven. Lieber Andreas.. Sartilly..." fuhr der Major fort und stellte seinen Nachbar zur Rechten und seinen zur Linken vor, die mit Andreas einen furzen Gruß wechselten. Und hier... Aber wo sind Sie denn, Randal?"
"
Herr von Randal befand sich im Hintergrunde, ließ
Reiter mit aller Mühe ausgewichen und hatten während sie sein Pferd nun vorschreiten und sagte halblaut:
So gab er also dem Wunsche des Majors nach und
Der
während sich die Reiter in Bewegung fetten, die Bemerkung, daß Herr von Elven wohl nicht mehr lange in Paris bleiben würde. ,, Verzeihung," erwiderte für Andreas Herr Desternay, " Herr von Elven denkt gar nicht daran, uns so schnell zu verlassen, er hat erst vor kurzem seine Aufnahme in unserem Klub beantragt."
,, Ach! Ist es möglich?" rief Guntram von Arbois.