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Beilage zum Berliner Voltsblatt.

Mr. 231.

Dienstag, den 2. Oktober 1888

fühne Edelfalle eben nicht rechnet, dafür aber fundamirt der Bau herr

5. Jahrs.

Mißlichkeiten, welche feineswegs fo leicht zu heben find. Nebens

Beflügelte Architekten in Busch und Wald. ber feine Burg, auch nicht mit zartem Baſt, ſondern mit berben, her laufen aber noch viele andere Angelegenheiten, welche tevi

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Es find doch wunderbare Werke, mit welchen uns Mutter Natur in ihrem Haushalt rings umgiebt. Wer eben weiter denkt, als seine Nase reicht" wer zu schauen versteht, wird auf Schritt und Tritt eine reiche Fülle des Bewundernswerthen finden, einen Anschauungsunterricht in hohem Sinne. Die Bau­werte unserer Vogelwelt aber nehmen in der Reihe des Be achtenswerthen einen bevorzugten Blaß in Anspruch.

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Die schwierigen technischen Probleme der Belastung und der Art ihrer Stüßpunkte, die Lehre von der Ausladung und Wölbung, von der Verankerung und dem harmonischen In­einanderfügen heterogenen Materials löst der geflügelte Architekt mit ebenso fübner Konzeption als erstaunlicher Geschicklichkeit, welche um so höher anzuschlagen ist, da seine Fundamente nicht in festem Grunde, sondern zumeist im schwanken Geäfte baftren. Mühelos tönnen wir zunächst unter dem heimischen Dach ein solches Bauwerk das Haus der Hausschwalbe bewundern, welche im Aufmauern ihrer Kinderstube Muster­giltiges leistet. Wenn im nahen Gehölz der Buchfink jubelt und Du lauschend sachte näher schleichst, dann findest Du in einem mit Ueberlegung gewählten Gabelaſt das Bauwerk dieses fangesfrohen Architekten und seiner züchtigen Gattin, welches nicht nur an Bierlichkeit, sondern auch an Haltbarkeit und innerem Ronfort wahrlich seines Gleichen sucht. Das Material, aus zarten, grüren Moospflanzen, aus grauen Flechten und Flaumfederchen bestehend, ist mittelst Wild- und Roßhaaren zwischen und um das Geäste gewoben und im Innern weich und warm mit Wollflocken und weichem Haar austapeziert.

Rühner noch im Entwurf der Grundlinien seines heimi­schen Herdes erweist fich ein anderer geflügelter Baufünfiler; Die zierliche Beutelmeise. Auf schwankem, über dem Wafferspiegel geneigten Gezweige befestigt der kleine Architekt zunächst einige Baftfäden und webt dann mittelst derselben und der weichen filberweißen Blüthenwolle des Pappelbaums fein freischwebendes, birnförmiges Haus, welches der Textil industrie füglich als Muster gelien tann. Das Flugloch dieses Tunstvollen Nestgebäudes, welches Thür und Fenster zugleich ist, verlegt der fluge Hausvater stets nach Dst, wohl wissend, daß die Morgenfonne für die Wohn- und Kinderstube sehr zuträg lich ist, während sein Weibchen ihr zierliches Gelege sorgsam in Bappelblüthenwolle einspinnt, damit daffelbe, wenn sie es für eine turze Weile verlassen muß, nicht verkühle.

Ein höchst origineller Baufünftler ist der leuchtend gelbe, Schwarzgeflügelte Goldpirol, der Sommergast unserer Gärten. Weniger zierlich, wohl aber flug und haltbar webt er sein Nest in einem Wipfelaft an jener Stelle, wo derselbe in mehrere Bweige ausläuft, und verankert daffelbe mit langen Baftstreifen fo feit, daß es feiner der zu gewärtigenden Gewitterſtürme aus seiner Einbettung zu rütteln vermag. In Bezug auf das Baumaterial ist er nicht wählerisch und flicht Rohrrifpen, Riedgräfer und Halme mittelst schmaler Bast­ftreifen zu wetterfesten Wandungen. Sein Nest vermag, da es weit hinaus in das schwankende Gezweig gebettet ist, feiner der vierfüßigen Räuber zu beschleichen, und er versteht daffelbe auch noch mit einem festgewobenen eingelerbten Bord, damit die Jungen ihre Kinderstube nicht verlassen können, bevor fie flügge werden.

Nicht minder geschickt und haltbar, zugleich aber mit mehr Geschmack baut der Droffel- Rohrsänger seine Behausung. Sein Baugrund brei bis vier dichtstehende Rohrstengel ist wohl schwankend im vollsten Sinne, und doch versteht es der gefie­Derte Ingenieur, die schwanken Theile durch zielbewußte Vers bindungen zu einem haltbaren Fuudament für sein aus Ried. gräsern. Rohrrispen und Wasserpflanzen verschiedener Art gewo­benis Nest zu schaffen. Auch er versteht seine Kinderstube mit einem nach innen gebogenen Bordrande.

Als Hydrotechnifer debütirt bei der Anlage ihres Nestbaues die Wafferamsel. Im Bereich des Wildbachbettes, an überhän genden und unterwaschenen Stellen desselben, über welchen das fchäumende Waffer in einer Kurve hinwegfließt, wählt und adoptirt fie einen geeigneten Spalt als Kinderstube. Um zu derselben zu gelangen, muß das Elternpaar durch die stäubenden Waffer theilchen des schäumenden Waffergefälls durchfliegen. Die Baus tünstlerin hat es deshalb auch unterlassen, die bei Bauführungen übliche Warnungstafel mit dem Veto: Fremden ist der Zutritt midt gestattet", anzubringen. Sollen es nachmachen", denkt fie fich wohl, wenn sie fühn und geschickt dicht unter dem tosenden Wafferstrahl einschwentt zur geborgenen Wiege ihrer Nach tommenschaft.

Hoch und fühn, ganz ihrem Naturell angemessen, bauen die geflügelten Räuber ihre Horste in die Wipfel von Baumriesen des Hochwaldes Dort mangelt die Bierlichkeit wohl, mit welcher der erbarmungslose Mörder Habicht , der diebische Milan, der

( Nachdruck verboten.)

Die Auktion.

Von M. Isay.

Bom blauen, wolkenlosen Himmel herab glüht die Sonne. Die Straßen der Stadt sind verödet. Men nicht zwingende Gründe hinaustreiben, der bleibt daheim im fühlen Schatten der Behausung.

Draußen jedoch, an einem schmucken Häuschen der Vor­ftabt, haben sich Menschen angesammelt. Sie erfüllen das Vorgärtchen, bevölkern das Höfchen und drängen sich bis hinein in die Straße. In dichten Gruppen stehen sie, mit ernster, wichtiger Miene. Die Sonnengluth hat ihre Ge­fichter geröthet. Der Schweiß perlt in Tropfen von ihrer Sirn herab. Sie aber harren still und ergeben des Augen blicks, da die Thür des Häuschens sich öffnen wird. Das ftarte Geschlecht ist schwach vertreten. Meist sind es Frauen, die hier eine Art Fegefeuer erdulden, um dann geläutert in die Pforten des Paradieses einzuziehen.

Das Paradies heißt Auktion. Ein amtliches 3eitungs­inferat hatte es den harrenden Gläubigen verkündet. Wer zu lesen weiß zwischen den Zeilen des trockenen Amtsstyls, ber kann daraus eine ganze Leidensgeschichte entziffern, ein Schreckensvolles Trauerspiel bürgerlicher Verarmung. Und gleich einer Shakespeare 'schen Tragödie mit ihren komischen Figuren, gleich einem Grabstein, den wilde Rosen keck um­flettern, so war das traurige Inserat eingerahmt von An­noncen gar fröhlichen Inhalts.

Operetten, Konzerte, Affentheater umgaufelten es zur Linken; Tanzvergnügen, Gondelfahrten, Schüßenfeftlichkeiten lockten zu seiner Rechten. Obenüber war es gefrönt von frischer Leberwurst. Den Sockel bespülten Fluthen delikaten

fnorrigen Prügeln und Kloben, die er mit zielbewußtem Geschid in bas gabelnde ftwerk in schwindelnder Höhe eingefügt. Starr und trogig ragen die fnorrigen Enden des Unterbaues und wie zur Ab­wehr über die Peripherie des freisförmigen Horftes. Das Weibchen füttert wohl den Beu mit Halmen, Flechten und Wildhaar nothdürftig aus, immerhin aber ist das Lager für die Jungen fein wohlig schwellendes zu nennen. Die junge Brut soll eben gleich von Anfang an hart gewöhnt werden, auf daß ste fich fehnig nicht üppig und weichlich gestalte.

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Der schwarze Milan macht es bei Vollendung seines Horstes dem Goldpirol nach und schmückt seine Diebeshöhle mit aller hand Kram, den er fich aneignet, wo er ihn findet. Das Frage ment eines Weiberhemdes oder eines alten Hutes dünkt ihm ein finniges Beiwert zur Ausschmückung des Innenraumes. Der bekannte Präparator E. Hodet fand einst in einem Milan­borst ein Geldfouvert mit seiner eigenen Adresse. Der Brief fammt Inhalt war ihm das Jahr vorher auf räthselsafte Weise abhanden gekommen; wie war er nun erstaunt, als er das des Inhalts beraubte Rouvert mit fünf Siegeln ziemlich wohler halten im Gefüge des Horstes entdeckte. Ohne Zweifel war es ein Aweibeiniger Marder, welcher den Inhalt behalten und die Hülle im Walde weggeworfen hatte. Dem Milan gefielen wohl die rothen Siegel und er benußte das Kouvert als originelle Tapete für seine Kinderstube.

Maffig und mächtig wie sein Erbauer ist der Horst des Adlers. Das Adlerpaar baut nicht alljährlich einen neuen Horst, es beffert denselben nur aus und vertheidigt ihn tapfer und hart­nädig gegen Usurpatoren seiner Sippe. Durch die jährlich wiederholten Erneuerungen gestaltet fich solch ein Horft zu einem wahren Monftrum von mehr als einem Meter vertikalen Durch meffers, unter deffen toloffaler Laft das starke Inorrige Geäste der Eiche ächzt und Inarrt. Er gestaltet fich zu einer troßig auf der Höhe thronenden föniglichen 3wingburg, welcher auch als Attribut die Vasallen nicht fehlen, denn zwischen dem norrigen Aftwerk der Wandungen des Horstes niftet eine Sperlingen. Einen solchen Horst mit mehr als zwanzig eingebauten Spaßennestern lieferte der vor Semlin an das faiserliche naturhistorische Hofmuseum nach Wien . genannte Präparator und Ornithologe aus der Umgegend von Dieser Horst des Seeadlers hat das foloffale Gewicht von 600 Kilo!

Schaar von

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Noch intereffanter erweist sich im Vergleich zu den Werken unferer heimischen Baufünfiler der Nestbau einiger Vogelarten ber Tropen. Der Hirtenvogel z. B. schmückt den Ümfreis seines Nestes mit einem zierlichen Kranze farbiger Muscheln und glitzernder Steinchen, und noch Erstaunlicheres leistet eine Spezies des Webervogels. Dieser fängt einen Leucht täfer und benust denselben als Ampel für sein funstvoll ge bautes Haus. Es ist dies erwiesene Wahrheit teine Fabel. Schmucklos und schlicht baut die Leiche ihr Neftchen auf Einen dem Erdboden und die Hühnervögel desgleichen. Schmud edelfter it hat selbst das lunstloseste Neft aufzuweisen: die Arbeit und Sorge des Vater- Thieres, welche die fleine Heimath geschaffen, und die treue, selbstlose, todesmuthige Mutterliebe, die in derselben waltet.

Lokales.

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Eine neue Wohnung hat stets allerhand Verdrießlich feiten im Gefolge, die nicht so leicht in den Kauf zu nehmen find, wie es bet oberflächlicher Betrachtung den Anschein hat. Frei davon ist eigentlich nur derjenige Miether, welcher in ein funkelnagelneues Haus zieht oder in Räume, welche vollkommen neu hergerichtet worden find. Solche Wohnung werden wir schon aus dem Grunde vorziehen, weil sie leer steht und wir fomit Gelegenheit haben, den Wechsel ohne jene nervöse Hast vorzunehmen, welche das Gepräge eines modernen Umzugs ist. Muß bleibt immer ein Uebel, bei welchem wir allein den ,, llafft schen" Trost haben, daß uns sehr viele Schicksalsgenossen darin beschieden find. Schon die Ungemüthlichkeit, welche in einer eben bezogenen Wohnung ihr Heim aufgeschlagen hat, wirkt abs schredend auf einen Jeden, welcher Sinn für die Behaglich­teiten des irdischen Daseins verspürt. An den Fenstern fehlen die Vorhänge, in den Bimmern stehen die Möbel wir durch einander. Die erste Nacht schläft man womöglich in einem Chacs von Gegenständen, wobei selbst die Sauberkeit, dieses vielleicht beste Attribut des modernen Kulturmenschen, nicht im mer mit der wünschenswerthen Peinlichkeit gewahrt werden fann. Schon die nächsten Tage steuern diesem Uebel freilich mit aller Gründlichkeit, indem der Ordnungs finn der Hausfrau schnell übersicht, wohin fie diesen oder jenen Gegenstand zu stellen hat. Dazu gesellen fich aber nun fernere

Apfelweins.

Inmitten all dieses Jubels nahm sich das Inserat aus wie ein Mene Tekel.

Donnerstag Vormittag findet die Versteigerung der zur Konkursmasse B. gehörigen Mobilargegenstände statt."

Die wenigen Druckzeilen hatten die vielen Menschen hinausgelockt in das entlegene Häuschen, wie der Leichen­brodem den Schakal der Wüste. brodem den Schakal der Wüste. Da standen sie im Schweiße ihres angesichts und lechzten nach den Gegen ständen, die von Thränen geneßt, von Seufzern umhaucht

waren.

Die Uhr der nahen Kirche schlug zehn. Das Haus blieb noch immer verschlossen. Eine gewisse Erregung be mächtigte sich der bisher so geduldig harrenden Menge.

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Es ist himmelschreiend," sagte mit dünner Simme ein mageres, altes Fräulein, die Leute so warten zu lassen! Was man nicht alles erbulben muß!"

Die Auftionen werden mir geradezu verleidet," flagte eine behäbige Matrone, indem sie sich den Schweiß von der Stirne wischte.

" Bu Hause liegt mein Rind frank," rief eine Frau. " Ich habe mir die Beit förmlich gestohlen und werde nun so aufgehalten."

Wer auf Auktionen geht, muß sich mit Geduld wappnen," sagte ein alter, beweglicher Mann, offenbar ein Trödler.

Derselben Ansicht ist ein junges Pärchen, das weder Ungeduld, noch Langeweile empfindet. Hand in Hand stehen sie da, ber ehrsame Droguist und seine Braut, die Puhmacherin. Sie haben das Herz auf der Bunge. Bald fennt die ganze Umgebung ihren Lebens- und Liebeslauf. Er ist so einfach. Sie sahen sich, sie liebten sich und sie verlobten fich. 3um Beweis dessen geben sie sich vor aller Welt einen herzhaften Kuß.

Solch ein Benehmen verstößt doch gegen jede Moral,"

dirt werden müssen. In der früheren Wohnung wußte die Hausfrau ganz genau, wo fie in der Nähe am besten und billigsten einkaufen konnte. Das soll fte nunmehr wieder von neuem mit langer Proris ergründen. Wenn schulpflichtige Kinder vorhanden find, mehren fich die Leiden. Entweder müffen sich die Kleinen, und das ist bei zartem Alter in einer so großen Stadt teineswegs gering anzuschlagen, erst an den neuen Weg gewöhnen, oder die Entfernung ist sogar so groß, daß fie erst in einer andern näheren Schule untergebracht wer den müffen. Mann und Frau haben die gleiche Noth in solcher Lage; Wochen vergehen, bis die Schwierigkeiten sämmtlich bes hoben find.

zu gleich deutlichem Ausdruck gelangen die heiteren wie die düsteren Seiten Berlins an den Anschlagfäulen. Da reihen fich in buntem Kranz die Theateranzeigen aneinander, welche dem Leser künstlerischen Genuß oder doch fröhliche Unter haltung versprechen, und in gleicher Abstufung gesellen sich hierzu die Ankündigungen von Konzerten, vom wirklich vornehmen, das ein andachtsvolles Publikum verlangt, bis zu jenen Aufführungen, bet denen die zehnte Muse thr zwar luftiges, aber doch recht. leichtfertiges Wesen treibt. Daneben erblicken wir die Anzeigen der öffentlichen Balllokale, womit wir allerdings von den heiteren Seiten der Weltstadt schon in die Nachtseiten derselben gerathen. Denn so prunkooll die Säle ausgestattet find, so hell ihre gold­blizenden Pfeiler und Deden im Strahle des elektrischen Lichtes erglänzen, und so ausgelaffen das Lachen und Gläserklirren era tönt, welch' tiefes Elend ist unter dieser schimmernden Außen­seite verborgen! Die Gefichter strahlen vor Uebermuth, aber welch' furchtbare Dede gähnt im Innern, wie bittere Verzweiflung flingt manchmal durch das schrille Lachen hindurch, und im Herzen manches der jungen Leute, die fich geberden, als ob die Welt ihnen gehöre, als ob für ihr leichtfinnig verstreutes Geld Alles feil sei, nagen heimlich die Gewiffensqualen, wächst höher und höher die Furcht empor, die fich nicht mehr will hin wegschwemmen laffen durch die immer vermehrten Trantopfer. Jn viel innigerem Busammenhange, als die meisten ahnen, stehen oft diese pruntenden Ballanzeigen, die immer neue Lockungen erfinnen, mit jenen fleinen unscheinbaren Anschlag­zetteln, in denen es heißt: Kehre zurück! Alles soll vergeben und vergeffen sein!" Welche Tragödie ist oft von so wenigen Worten umschloffen! Wir sehen ein Elternpaar in verzehrendem Kummer. Thr Sohn, der Stolz ihrer Herzen, von dem fie große Dinge und eine fichere Stüße für ihre alten Tage er warteten, er ist auf abschüssige Wege gelangt, auf denen taum noch ein halten ist. Aber das Elternherz ist von unendlicher Güte und weiß zu verzeihen auch dort, wo das unerbittliche Gefeß nur harte Strafe fennt. Ueberfahrt von Bremen und Hamburg nach New- York " lautet neben jenem Bettel ein Riesen plakat, und das ist der Weg, ben sie den Verirrten schicken werden, wenn ihn Scham und Reue zurücktreiben in das Elternhaus, Hunderte und aber Hunderte über folchen Angftruf hinweg, um mit wenn er nicht bereits gänzlich verloren ist. Gleichgiltig bliden defto lebhafterem Intereffe das Auge auf dem benachbarten Bettel haften zu laffen, der ein paar hundert oder gar tausend Mark Be lohnung demjenigen verheißt, der zur Wiederentdeckung wertbvoller gestohlener Güter verhilft. So Mancher mit knurrendem Magen und abgetragenem Rod fann fich nicht trennen von der Anzeige, mit derem Preise, wie er meint, ihm für immer geholfen wäre. Man beobachte einmal solchen armen Teufel: mit leisem Seufzer reißt er fich endlich los von dem verlockenden Anblick, um weiter zu schlendern, aber schon bei der nächsten Anschlagsäule bleibt er wieder stehen, um abermals den Bettel zu studiren. Tausend Mark, ja, wer die hätte! und argwöhnisch mustert sein Auge die Umstehenden, ob nicht auf einen derselben das Signalement der muthmaßlichen Thäter paffe. Manchmal freilich fann man nur mit Schaudern diese Bettel betrachten, in dem Falle, wo fe von furchtbaren Verbrechen wider das Leben melden. Da drängen fich immer erneute dichte Haufen um die Säule hin und wieder übernimmt wohl einer das Amt des Vorlesers, damit auch die ferner Stehenden schnell von dem Ungeheuren. erfahren, und mit jenem Gemisch von Neugier und Grauen, bas in der Seele vieler Menschen leicht erweckt ist, lauschen Alle dem schlichten und doch so furchtbar deutlich redenden Berichte.

Der vom Quellenfinder des Admiralsgartenbades neu entdeckten Soolquelle auf dem Hofe des Hauses Alexander play 3 dürfte nach einer Reportermeldung bald eine zweite auf demselben Grundstüde folgen. Bohrversuche werden etwa 20 Fuß weit von der ersten Stelle gemacht und es soll mit Sicherheit anzunehmen sein, daß auch hier Soole gefunden werden wird. Das Waffer der ersten Quelle wird vom Bohr­Loch aus mittelst Röhren herausgeleitet und läuft in der Stärke eines Mannsarms in den Kanalisationsschacht ab, bis der Bau

hört man die dünne Stimme des alten, mageren Fräuleins entrüstet rufen.

" Nicht neidisch sein!" brummt der Trödler. Wir waren doch Alle einmal jung."

Diese Bemerkung scheint das alte Fräulein sehr zu ver drießen, welches zweifellos annimmt, daß es nicht nur jung war, sondern auch noch jung ist.

Plötzlich geht eine Bewegung durch die Menge. Die Thür des Hauses wird geöffnet. Alles drängt dahin.

Durch einen hübschen, breiten Flur geht's in ein großes Vorderzimmer mit prächtigen Tapeten und reich verzierter Stuckdecke. Das 3immer ist vollständig ausgeräumt. Nur einige rohe Bänke und Stühle find in Reihen für das Publikum aufgestellt. Eine große Flügelthür führt nach der Nebenstube. Diese gleicht einem Möbelmagazin. Die Gegenstände, welche veräußert werden sollen, sind zum größten Theil darin untergebracht. Die Stube schien bisher als Speisesaal gedient zu haben. Ein großes Buffet deutet darauf hin. In der ausgehobenen Flügelthür ist der Länge nach ein Tisch aufgestellt. An diesem Tisch soll die Auktion vor sich gehen.

Der ausgeräumte Salon ist bald vom Publikum anges füllt. Vornan nehmen die Personen Platz, die sich bereits draußen bemerkbar gemacht haben.

In der Nebenstube sieht man den Gerichtsvollzieher und den Ausrufer hin- und hergehen. 3uweilen bleiben fie in einer Ede hinter dem Buffet stehen, von wo aus man unterdrücktes Schluchzen vernimmt. Wer zur Seite fißt, jener Ede gegenüber, der kann die Personen erblicken, mit denen die Gerichtsdiener fich unterhalten. Ein Mann ist es und ein Weib, beide jung, beide schön. Der Mann sieht tiefbekümmert vor sich hin. Seine edlen 3üge find matt und abgehärmt. Mit einer gewissen Apathie be= antwortet er die Fragen des Gerichtsvollziehers. Das Weib

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