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Beilage zum Berliner Volksblatt.
Nr. 151.
Der Prozeß gegen die ,, Gleichheit“,
( Fortsetzung.)
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In Betreff des Inhaltes der inkriminirten Artikel, so weit Sie die anarchistische Tendenz nachweisen sollen, sagt der Angeklagte Adler: Ein jeder ist in irgend einer Weise ein Lohnsklave oder Sklave überhaupt. So lange fich dieser Einzelne innerhalb der Grenzen seiner Funktion bewegt, greifen wir ihn nicht an. Wenn aber irgend Einer darüber hinaus geht, wenn es sich bei ihm um Streberei handelt und er deshalb das Maß überschreitet, dann darf man sich nicht wundern, daß wir aufgeregt werden. Wenn der Artikel Die Tapferkeit der Dragoner" fo aufgefaßt wird, wie es der Herr Staatsanwalt thut, dann gehören wir eigentlich vor das Militärgericht, und zwar wegen Berbrechens der Verleitung zum Treubruch. Polizeirath Frankl faßte einen ähnlichen Fall als demonstrative Mißachtung der Regierung auf und verurtheilte mich zu 50 fl. Geldstrafe. Das aber, was in dem Artikel enthalten ist, anarchistisch zu finden, ist geradezu lächerlich. Ich komme nun zu der Tramwaygeschichte. Der Streit, ebenso wie die Erzesse in Steyr find Dinge, die überall mit und ohne Gleichheit" vorkommen. Ich konstatire ausdrücklich, daß nach Kladno merkwürdigernicht ein einziges weise und ich bedaure dies sogar Eremplar der„ Gleichheit" hinfommt, weil die Bevölkerung eine czechische ist, und es hat doch dort Unruhe gegeben. Ein Fingerzeig, daß es nicht unsere, vom Herrn Staatsanwalte in unglaublicher Weise überschäßte Wirksamkeit ist, die eine solche Bewegung erzeugt, sondern daß es andere Gründe hierfür giebt. Daß diese Vorfälle keine anarchistischen sind, ist eine Thatsache, weil das Anstreben eines gewaltsamen Umsturzes einfach ein Unsinn ist.
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Etwas Anderes ist es aber, wie man sich zu diesen Umständen verhält, wenn man sieht, wie die Arbeiter durch jahre Lange übermäßige Ausnüßung, sowie dadurch gereizt sind, daß sie in der ganzen Welt nirgends Hilfe finden und daß alle jene Faktoren, welche berufen wären, zu helfen, diese Pflicht verabfäumen. Wenn die Arbeiter unter diesen Umständen Unruhen veranlassen, dann kann man von uns nicht verlangen, daß wir sie verurtheilen. Wir haben in den Artikeln über den Tramwaystreit angedeutet, worin die Ursache dieser Bewegung liegt, und haben durch Sammlungen Hilfe geleistet. Ich spreche mein Bedauern aus, daß wir nicht mehr Hilfe leisten Wenn damals die Polizei das gethan hätte, fonnten. wegen dessen wir heute angeklagt sind, wenn die Behörden das gethan hätten, was wir verlangen und was von dem Staatsanwalt anarchistisch genannt wird, dann wäre es nie zu Standalen gekommen, und dann hätte man auch kein Militär gebraucht. Freilich werden die Arbeiter anders behandelt. Polizeirath Breitenfeld hat gesagt:„ Ich gebe mein Ehrenwort, mer sich rührt, den lasse ich sofort abschieben, binnen einer Woche bleibt mir feiner in Wien ." Diese Rede hat er zu Reizes nicht gehalten.( Heiterkeit.) Der Staatsanwalt sagt, daß die anarchistische Tendenz des Blattes aus den in der Gleichheit" enthaltenen Angriffen gegen die Polizei hervorgeht. Was die Angriffe gegen die Polizei betrifft, so konstatire ich, daß der Staatsanwalt und die Praxis, die hier ausgeübt wird, daran schuld find. Wir haben jede ungefeßliche Handlung Seitens der Polizei gerügt. Ich frage: Ist das anarchistisch Wie soll denn die Gesellschaftsordnung gehalten werden? Ich glaube nur dadurch, daß es der arbeitenden Bevölkerung möglich ist, zu eristiren. Der Arbeiter beansprucht, daß das gleiche Recht für Alle auch auf ihn Anwendung habe, und heute hat die österreichische Arbeiterschaft das Bewußtsein, daß es von Fall zu Fall gerade das Gegentheil ist. Aus unserer agitatorischen Thätigkeit schließt die Anklage, daß wir innerhalb der sozialdemokratischen Bewegung eine Richtung vertreten, die nicht sozialdemokratisch ist. Ist dies so zu verstehen, daß wir nicht im Rahmen unserer Partei stehen, dann müssen wir aus der Partei ausgeschlossen werden, denn in der sozialistischen Partei hat die anarchistische keinen Play. Wir haben agitatorisch gewirkt, weil wir nicht nur die Ueberzeugung haben, Sozialdemokraten zu sein, sondern weil wir auch das zu bethätigen haben. Aber wenn auch der Sozialdemokrat und Anarchist sich an und für sich nicht decken, so sagt doch die Behörde: Als Sozialdemokraten haben wir nichts gegen Euch." Sobald sie sich aber rühren, werden sie flugs zu Anarchisten und man stellt sie vor das Ausnahmegericht. Ich bedauere, daß der Bezirkshauptmann von Lilien feld , Graf Auersperg, nicht unserem Antrage gemäß vorgeladen wurde. Er hat die Verhandlungen des Hainfelder Parteitages mit Aufmerksamkeit verfolgt und wird bezeugen, daß auf diesem Parteitage mit großer Majorität jenes Programm beschloffen wurde, welches heute die Grundlage der sozialdemokratischen Partei bildet, mit dem Anarchismus daher nichts gemein hat. Die Sozialdemokratie ist aber auch eine politische Partei, und der Herr Staatsanwalt weiß, daß die Haltung der„ Gleichheit" darauf gerichtet war, diesen Begriff der Sozialdemokratie reinlich herauszuschälen. Der Staatsanwalt glaubt, daß der Anarchismus eine Art komprimirter Sozialdemokratie sei. Die Anklage, die genau weiß, was die ,, Gleichheit", und genan weiß, was Anarchisten und Sozialdemokratie ist, bringt wenigstens eine solche Deutung. Es wird auch über den Ton der Gleichheit" gesprochen. Wenn also der Inhalt nicht anarchistisch ist, so ist es doch der Ton." Nun, ich bringe den Groll, die Unzufriedenheit, die Erbitterung zu möglichst getreuem Ausdruck, weil ich das Organ dieses Grolles war.
Ich bin fertig. Was ich gesagt habe, war einfach darauf gerichtet, daß wir nicht vor dem Gerichtshofe stehen, vor welchem wir stehen sollten. Und der Anklage möchte ich sagen, sie möchte den Muth haben, uns vor dieses Gericht zu stellen. Wenn die öffentliche Anklage meint, daß die beanstandeten Artikel wirklich gefährlich sind, so bin ich überzeugt, daß eine geschickte Behandlung des Gegenstandes auch vor den Geschworenen dasselbe Resultat herbeigeführt hätte. Wir wollen aber nicht pseudonym verurtheilt werden. Also nicht um das Strafausmaß handelt es sich, aber wir haben die Verpflichtung, zu protestiren gegen den Rechtsbruch, daß wir nicht vor jenes Gericht gestellt wurden, vor welches wir gehören.
Der zweite Angeklagte, Ludwig Bretschneider, erklärt sich gleichfalls für nichtschuldig. Er sagt: Ich bedaure, daß ich nicht alle inkriminirten Stellen gelesen habe, es war mir aber nicht möglich, weil die Artikel noch in derselben Nacht zum Drucke befördert wurden. Jedoch unterschreibe ich diese Artikel von A bis 3.
Staatsanwalt: Ist es an diesem Tage zufälligerweise geschehen, daß Sie die Artikel nicht gelesen haben? Angefl. Die Artikel sind bei Nacht verfaßt und so dringlich in die Druckerei befördert worden, daß zum Lesen keine Zeit mehr vorhanden war. Außerdem möchte ich erwähnen, daß es gewiffe Thatsachen giebt, die unter allen Umständen ausgesprochen werden müssen. Der Staatsanwalt hat unser Wirken seit längerer Zeit verfolgt, und schon daraus wird er wissen, daß wir feine Anarchisten sind. Ich habe das Gefühl, daß ich von dem Rechte nicht gewichen bin. Da ich infolge eines Preßvergehens
Dienstag, den 2. Juli 1889.
nur vor den Geschwornen mich zu verantworten habe, so werde ich mich nur dort vertheidigen, hier nicht. Ich erwarte von meinem Vertheidiger, daß er diesbezügliche Anträge stelle.
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Nach einigen Konstatirungen des Präsidenten übergiebt der Staatsanwalt einige Nummern der Gleichheit" behufs Verlesung von ihm roth angestrichener Stellen, aus welchen hervorgeht, daß in der Gleichheit" eine gewaltsame Lösung der fozialen Frage doch in Betracht gezogen war; andere Stellen fähen Drohungen mit Gewalt so ähnlich wie ein Ei dem andern. Endlich verweist der Staatsanwalt auf einen Artikel über die Teufelmayer'sche Fabrik in Steyr .
Der Vertheidiger erklärt, feine Einwendung hiergegen zu
erheben, behält sich jedoch eine Erläuterung hierüber vor und bittet um Konstatirung, ob und welche dieser Nummern konfiszirt worden seien. Pras . Ich glaube, es sind gar keine konfiszirt. ( Heiterkeit im Auditorium.)
Der Präsident verliest nun diese Stellen, unter welchen sich, wie der Staatsanwalt hervorhebt, ein Appell an die Finanzwache befindet, daß auch für sie die Stunde der Freiheit komme.
Der Artifel über die Teufelmayer'sche Fabrik in Steyr be ginnt mit den Worten: Wir sind verpflichtet, auf diese Schinderbude die öffentliche Aufmerksamkeit zu lenten, in welcher eine niederträchtige Ausbeutung der Arbeitskräfte stattfindet." Es werde von 7 Ubr Morgens bis 10 Uhr Abends gearbeitet. Der Gewerbeinspektor möge nur bei der Nachbarschaft Erkundigungen einziehen. So rücksichtslos seien die Bourgeois alle; jetzt haben sie goldene Zeiten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, der Verdienst sei etwas besser als früher, aber die Lebensmittel seien jezt theurer.
Auf Antrag des Vertheidigers wird noch ein Artikel aus der Gleichheit" verlesen.
Dr. Eppinger nimmt sodann das Wort zu mehreren Anträgen. Um den Intentionen meiner Klienten Rechnung zu tragen, sowie im Interesse der Vereinfachung und meines eigenen Rechtsstandpunktes bitte ich, die Verfügung zu treffen, nachdem bisher ausschließlich die Frage der Kompetenz behandelt und die meritorischen Umstände nur insoferne in Betracht gezogen wurden, als sie mit der Kompetenz im Zusammenhange stehen, daß auch vorerst jedes meritorische Verfahren bei Seite gelassen werde und der hohe Gerichtshof zunächst nur die Parteienverträge über die Kompetenz annehme. In Betreff der Beurtheilung der Kompetenz beantrage ich die Verlesung der Beschlüsse des Hainfelder Parteitages, da meinen Klienten die Propagirung dieser Beschlüsse zum Vorwurfe gemacht wird, was auch in der Leumundsnote geschieht. Ich stelle ferner den Antrag auf Vernehmung des Polizeipräsidenten Freiherrn v. Krauß und des Bezirkshauptmannes von Lilienfeld , Grafen Auersperg. Nachdem die Polizeinote unter Verantwortung des Herrn Polizeipräsidenten erlassen worden ist, beantrage ich, daß derselbe als Zeuge nicht über seine darin niedergelegte Meinungsäußerung, sondern über Thatsachen Auskunft gebe; darüber nämlich, ob die von den Angeklagten entwickelte Thätigkeit nach seinen Wahrnehmungen eine sozialdemokratische oder eine anarchistische war. Man kann nicht sagen, daß es sich hier um ein Amtsgeheimniß handle, da diese Behörde hiemit bereits in die Außenwelt getreten ist; überdies stünde es ja dem Herrn Polizeipräsidenten frei, sich von seinem Vorgesetzten von der Wahrung des Amtsgeheimnisses entbinden
zu laffen.
Der Herr Bezirkshauptmann von Lilienfeld , Graf Auersperg, welcher auf dem Hainfelder Parteitage durch zwei Tage als Gast anwesend war, wird gleichfalls in der Lage sein, eine Zeugenaussage abzulegen, ob die Thätigkeit der beiden Angeklagten, insbesondere bei diesem Anlasse eine andere als eine eminent demokratische und anti- anarchistische war.
Der Vertheidiger beantragt ferner die Vernehmung der Beugen Karl Kautski, Heinrich Gehrke und Julius Popp.
Herr Kautski als nationalökonomischer Schriftsteller vermag gleichfalls Aufschluß zu geben über die Art der Wirksamkeit der Angeklagten nach dieser Richtung. Die Herren Gehrke und Popp sind seit vielen Jahren an der Arbeiterbewegung praktisch thätig und vermögen anzugeben, ob die Angeklagten sich in ihrer Thätigkeit innerhalb des sozialdemokratischen Programms gehalten haben.
Ein weiterer Antrag," so fährt der Vertheidiger fort, ist mir einigermaßen unangenehm, weil, wenn ihm stattgegeben werden sollte, ich auf die Anwesenheit meines sehr geehrten Herrn Gegners perzichten müßte; es ist mir dies um so bedauerlicher, als ich nicht verkenne, daß durch die Funktion dieses Herrn Vertreters der Anklage die Verhandlung einen höheren Styl erhält. Herr Dr. Adler hat in seiner Auseinanderseßung angeführt, daß der Herr Staatsanwalt v. Soos seine Thätigkeit wider besseres Wissen als eine anarchistische bezeichnet hat, und ist dafür von dem Herrn Präsidenten zur Rede gestellt worden. Eine solche Behauptung ohne Erörterung und Widerlegung zu laffen, könnte zu einem Mißton Anlaß geben.
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In einer Verhandlung des Abgeordnetenhauses hat der Regierungsvertreter Ministerialrath Dr. v. Kral aus dem Be richte der Wiener Staatsanwaltschaft von der er bei diesem Anlasse sagt, daß sie eine Behörde mit offenem Blicke für solche Vorgänge seifonstatirt, daß die rückläufige Bewegung des Anarchismus in erster Linie auf den Abscheu und das Entsezen der Arbeiter vor den anarchistischen Handlungen zurückzuführen ist. Dazu kommt, daß ich von glaubwürdiger Seite zur Kenntniß des Umstandes gekommen bin, daß die Wiener
Staatsanwaltschaft
selbst in ihrem Berichte an das Justizministerium erklärt hat, daß die Gleichheit" fein anarchistisches Blatt ist. Man kann einwenden, daß dieser Bericht in den Bereich des Amtsgeheimnisses gehöre, aber es ist ohne Zweifel von Wichtig feit, ob die Haltung einer Behörde mit ihren Berichten an ihre Vorgesezten in Einklang gebracht werden kann. Ich bin überzeugt, daß der hohe Chef des Herrn Staatsanwalts v. Soos, dessen Vernehmung als Zeuge ich hiermit beantrage, viel zu loyal ist, um dem Herrn Staatsanwalt nicht in diesem Falle von der Wahrung des Amtsgeheimnisses zu entbinden. Sollte jedoch der Herr Staatsanwalt nicht in der Lage sein, diese Auskunft zu ertheilen, so beantrage ich, daß der hohe Gerichtshof den Herrn Justizminister Grafen Schönborn vorlade, damit er darüber aussage, ob in den Berichten der Staatsanwaltschaft die„ Gleichheit" ein nichtanarchistisches Blatt genannt
werde.
Präsident erklärt, daß er die gewünschte Theilung der Verhandlung nicht vornehmen werde, weil in dem Geseze wohl die Trennung der Schuld- und Straffrage, nicht aber die ber Kompetenz- und Schuldfrage vorgeſehen sei. Die Verlesung werde er vornehmen, in betreff der Vorladungen erwarte er den Antrag der Staatsanwaltschaft.
Staatsanwalt: Obgleich ich mich in einer gewissen Zwangslage befunden, da die Vorladung meiner Person als Zeuge beantragt wurde, glaube ich doch, da ich weder als Privatperson noch als Zeuge, sondern als Staatsanwalt hier stehe, mich hierüber äußern zu können. Der hohe Gerichtshof wird schon darum mich nicht vernehmen können, weil ich über einen
6. Jahrg.
Gegenstand meiner Amtswirksamkeit keine Aussage machen kann, nachdem das Gesez mir dies nicht gestattet. Aber auch Se. Excellenz der Herr Justizminister wird nicht im Stande sein, hierüber Mittheilungen zu machen, aus demselben Grunde, aus welchem ich schweigen muß.
Der Staatsanwalt spricht sich auch gegen die Vernehmung der anderen vorgeladenen Zeugen aus, weil dies nur Sachverständige wären, Sachverständige aber über Stimmungen, subjektive Gefühlsmomente und Ansichten keine Auskunft geben fönnten.
Der Gerichtshof beschloß, die Anträge der Vertheidigung zurückzuweisen, und zwar mit der Motivirung, daß es sich dem Gerichtshofe nur um die Bestätigung von Thatsachen und nicht um Meinungen und Gutachten handelt, weil weiters der Ge richtshof nicht die frühere Haltung der„ Gleichheit" zu be urtheilen, sondern nur die Aufgabe hat, aus den inkriminirten Stellen sich die Ueberzeugung zu verschaffen, ob gegen das Strafgesez verstoßen wurde oder nicht.
( Schluß folgt.)
Lokales.
Da
Folgende Schriftstücke, welche die Hausdiener der kommerzienräthlichen Pfaff'schen Fabrik an die Geschäftsleitung gerichtet hatten, werden uns zur Verfügung gestellt: Hochgeehrter Herr! Durch die Verhältnisse gezwungen, uns an Sie zu wenden, bitten wir um gütige Verzeihung Ihrerseits. unter allen Ihren Arbeitern die Meinung besteht, der Herr Kommerzienrath sei auch für den geringsten Arbeiter zu sprechen, so haben auch wir es gewagt, nns mit nachfolgender Bitte an Sie zu wenden, und ersuchen um gütiges Gehör. Die sämmt lichen Hausdiener Ihrer Fabrik wendeten sich am Freitag, den 21. Juni an die Leitung der Fabrik, mit der Bitte um Lohnerhöhung, und hatten wir unsere Bitten durch nachstehendes Schriftstück dem Herrn Geschäftsführer Lorenz überreicht. Eigenhändig unterzeichnete Hausdiener der Möbelfabrik des Herrn Kommerzienraths Pfaff bitten hiermit den Herrn Ge schäftsführer, den bisherigen Wochenlohn von 16,50 Mart auf 18 Mark zu die erhöhen, und Sonntags geleiftete Arbeit nach Stunden zu vergütigen. Wir wenden uns bittend der der die Leitung Fabrik in die Herren sicheren Hoffnung, werden unsere be= scheidene Forderung prüfen und sicher zu der Ansicht gelangen, daß selbst bei der größten Sparsamkeit der jeßige Lohn nicht ausreicht, um auch nur einigermaßen als Mensch zu eristiren. Deshalb bitten wir dringend den Herrn Geschäftsführer um Bewilligung unserer bescheidenen Forderung.
an
Andernfalls bitten wir Sie, dem Herrn Kommerzienrath unser Ersuchen zu unterbreiten.
Sämmtliche Hausdiener haben dies Schriftstüd unter
zeichnet.
Auf Grund dieser Bitte sind wir sämmtlich entlassen wor den, ohne daß auch nur mit Einem von uns die geringste Rücksprache genommen ist. Wir bitten den Herrn Rath zu beachten, daß unserseits nicht gesagt worden ist, daß wir bei Nichtbewilli gung unserer Bitten die Arbeit niederlegen, wir bitten den Herrn Rath weiter, sich bei unsern direkten Vorgesezten, den Meistern, nach unseren Leistungen und sonstigem Be tragen zu erfundigen. Wir find der ficheren Hoff nung, der Herr Rath wird unsere unsere Sache prüfen, und uns gütige Antwort zu ertheilen. Mit norzüglicher Hochachtung die Hausdiener der Fabrik.( Folgen die Unterschriften.)
Die Antwort auf diese de- und wehmüthigen Schriftstücke war, daß sämmtliche Hausdiener der Fabrik von dem Herrn Kommerzienrath mit der Motivirung entlassen wurden, daß er ( der Kommerzienrath) die Hausdiener für unzufriedene Leute halte, und unzufriedene Leute könne er nicht gebrauchen. Das ist eine echt kommerzienräthliche Theorie.
Die Arbeitszeit der Apothekergehilfen. Vor kurzem ging durch die Preise die Nachricht, daß auch die Apothefer gehilfen in die Lohnbewegung" eingetreten seien und auf der am 22. v. M. geweſenen Delegirtenversammlung ein die Lohnerhöhung der Apothekergehilfen verlangender Antrag eingebracht worden ist. Auch die Apothekergehilfen fordern eine Herab segung der Arbeitszeit, die in keinem Fache so groß ist, wie in dem ihrigen. Aus dem Berichte des Herrn Küfter über die Delegirtenversammlung geht nun hervor, daß der Dienst der Apothekergehilfen meist 14-15 Stunden dauere, wozu noch durchschnittlich 2 Stunden Nachtdienst kommen, ohne daß irgend welche besondere Entschädigung dafür gezahlt werde. Das sei entschieden zu viel von der Leistungsfähigkeit eines Menschen verlangt. Die Dienſtſtunden sollten nicht länger als von 8 Uhr Vormittags bis 9 Uhr Abends dauern mit einer Mittagspause von 2 Stunden. In der sich über die auf Verminderung der Arbeitszeit hinzielenden Debatte hat Herr Küfter darauf hingewiesen, wie wohl es selbst in dem fleinsten Orte jeder Lehrling wiffe, daß er Sonntags und Wochentags Poftmarfen nur bis zu bestimmten Stunden bekommen könne. Anders in den Apotheken. In diesen werde auf den Menschen feine Rücksicht genommen. Die Leute kämen zu den Apotheken, holten Haaröl und dergleichen zu einer Stunde, wo jeder Mensch, selbst das Vieh, zur Ruhe komme. Welcher Mißbrauch mit dem Nachtdienst getrieben werde, wisse das gebildete Publikum meist nicht. Komme Einer vom Balle nach Haus, so flingle er den Apotheker heraus, um eine Flasche Selterswaffer zu bekommen, oder es falle Einem mitten in der Nacht ein, einen sogenannten Apothekerschnaps zu trinken; er beraube dann den Apotheker seiner Nachtruhe mit ruhigem Blute, weil er wiffe, der Apotheker muß zur Stelle sein, und weil er sich hinter die billige Ausrede verschanzen könne, er sei unwohl. Werde der erschöpfte Apotheker einmal unwillig, so gehe ein folcher Quälgeist auch noch hin und beschwere sich bei der vorgefeßten Behörde. Man wiffe, der Apotheker müsse den Wün fchen willfahren, und darauf werde gefündigt. Ein Redner fonnte die überraschende Mittheilung machen, daß er von 37 Uhr früh bis 11 Uhr Abends Dienst habe und daß er Kollegen fenne, die durch das Kopiren der Rezepte fogar bis 2 Uhr Nachts arbeiten müßten. In Ergänzung dieser Debatte wird nun aus Fachkreisen noch mitgetheilt, daß die hier beleuchteten Zustände durchaus nicht zu den extremen Fällen gehören: Ich kann Ihnen so schreibt man dem Kl. J." die Versicherung geben, daß ich noch ärgere Verhältnisse durch gemacht habe, daß ich oft 50 Stunden Dienst habe, was sich in den meisten Apotheken in jeder Woche bei jedem Kollegen einmal wiederholt. Wenn man die Verantwortung bedenkt, die wir zu tragen haben und die wir stets uns ins Gedächtniß rufen, wenn uns die Ermüdung übermannt, so wird man wohl schwerlich unsere durchaus begründeten und ernsten Forderungen zurückweisen fönnen.
Sorgfältig durchdacht ist die Auswahl und planmäßig angeordnet sind die Arten in der zur Zeit in unserem